Soquette war sich ziemlich sicher, dass Gwenaëlle irgendeinen Unfug vorhatte. Nach dem abendlichen Kampf um die Sahneschüssel – Soquette hatte diesmal den Sieg davongetragen und leckte sich noch immer die letzten Milchmoleküle aus den Schnurrhaaren – beobachtete sie, wie die spitzohrige Korrigane die vier Menschen umflatterte, die sich auf der Terrasse zusammengesetzt hatten und eifrig diskutierten. Es musste etwas ungeheuer Wichtiges sein, denn sie nahmen nichts, aber auch gar nichts anderes um sich herum wahr. Nicht einmal, als Gwenaëlle über Simons Kopf kreiste und ihm ein Haar und dann ein zweites auszupfte. Er hatte sich nur geistesabwesend am Kopf gekratzt.
Anschließend hatte das Miststück sich auf die Mauer gesetzt und wieder begonnen, aus den beiden braunen Haaren und einem von Keldas langen schwarzen einen Ring zu flechten. Den wiederum verband sie mit dem, den sie am Tag zuvor hergestellt hatte.
Was hatte sie damit vor?
Diesen Wesen war nicht zu trauen. Sie hatte ja selbst zugegeben, dass sie Menschen gerne Streiche spielte. Soquette schlich sich von hinten an und beobachtete die flinken Finger, die geschickt ein verzwicktes Knotenmuster aus den Haaren herstellten. Hübsch sah es ja aus, aber dass Gwenaëlle sich dabei mit einem seltsamen Gesang begleitete, machte Soquette misstrauisch. Es waren komplizierte Tonläufe, sich wiederholend, sich wandelnd, luftig, leicht, doch voller Weh und Hoffnung.
Webte sie einen Zauber hinein?
Ganz gewiss. Solche wie die beherrschten die Magie.
Und nicht immer zum Guten!
Soquette mochte Kelda. Und Simon war auch einer der netten Menschen. Er gab ihr Leckerchen, und er konnte wundervoll kraulen.
Es galt einzugreifen.
Mausen war eine Angelegenheit, die Geduld, Sprungkraft und Geschwindigkeit erforderte. Diese Fähigkeiten plante Soquette jetzt auch einzusetzen, um dem Weben ein Ende zu bereiten. Geduckt hockte sie sich ins Gras und wartete auf ihren Augenblick. Jetzt waren die Ringe fertig, und Gwenaëlle drehte sie zufrieden in den Händen.
Soquette ruckelte sich zurecht. Machte sich zum Absprung bereit. Ihr Schwanz peitschte durch das Gras.
Die Korrigane murmelte dumpfe Beschwörungen.
Soquette spannte sich an. Sprang.
Gwenaëlle schwebte hoch.
Soquette landete unsanft neben dem Tisch. Der wackelte, ein Glas kippte um und ergoss den Wein über ihre Ohren.
Gwenaëlle kicherte.
»Miststück«, fauchte Soquette und schüttelte sich.
»Soquette, was soll das denn!«, schimpfte auch Marie-Claude.
Kelda hingegen wischte ihr mit der Serviette das fiese Zeug aus dem Fell. Manche Menschensachen waren zwar richtig gut – Leberpastete, gekochter Schinken, Eigelb und Sahne zum Beispiel. Wein gehörte hingegen nicht zu Soquettes Lieblingsgetränken.
»Manchmal, Marie-Claude, habe ich das Gefühl, dass deine Katze irgendwelche Geister jagt.«
»Eingebildete Mäuse vermutlich. Dummköpfchen!«
Empört drehte Soquette Marie-Claude den Hintern zu.
Und überhaupt, wo war das spitzohrige Miststück?
Soquette sah sich um. Da! Ja, da oben flatterte Gwenaëlle. An Keldas Schlafzimmerfenster. Egal, was die Leute jetzt von ihr dachten, sie musste hinterher. Sie raste los. Ins Haus, die Stiegen hoch, durch die Tür in den Raum unter dem Dach. Und gerade noch konnte sie sehen, wie die Korrigane die beiden Haarringe in Keldas Kopfkissen steckte und dann flugs durch das offene Fenster entschwebte. Ihr Kichern hörte sie noch, als sie ihren Blicken längst entschwunden war.
Das war Unfug. Ganz gewiss war das ein ganz grober Unfug. Der musste verhindert werden. Aber wie? Soquette sah auf ihre Pfoten. Mit den Krallen wäre es ihr ein Leichtes, den Kissenbezug zu zerfetzen. Aber dann würde sie wieder nur gescholten werden.
Besser wäre es, wenn Kelda selbst die Haare finden würde.
Wenn sie zu Bett ging. Genau. Sie hatte es ja gerne, wenn sie sich zum Einschlafen eine Weile zu ihr legte und ihr etwas vorschnurrte.
Aber obwohl es schon dunkel geworden war, machten die Menschen unten auf der Terrasse keine Anstalten, schlafen zu gehen. Es musste wirklich etwas Aufregendes sein, was es zu beraten gab. Soquette trabte wieder zu ihnen, um zu lauschen, ob sich etwa eine Veränderung anbahnte, die sie selbst betraf. Veränderungen mochte sie nämlich nicht so gerne.
Aber das schien nicht der Fall zu sein, Paulette erzählte gerade von irgendeiner Jeanne, über die sie sich geärgert hatte, und Kelda betrachtete versonnen eine Fotografie.
Das Menschengemurmel zusammen mit dem Rauschen der Flut machte Soquette dösig. Sie schlummerte unter dem Tisch ein, und als sie wieder aufwachte, war die Terrasse leer, die Lichter hinter den Fenstern waren erloschen, und die Haustür hatte man verschlossen.
Dumm gelaufen, knurrte sie und verzog sich unter einen Hortensienbusch.