An manchen Tagen war das Miststück freundlich. Und Soquette, die in der drückenden Luft ein wenig schlaff zwischen den Stockrosen lag und nur dann und wann träge mit den Ohren zuckte, wenn eine Mücke sie umsirrte, hob langsam die Lider, als Gwenaëlle sich an die rote Blüte hängte und leise zu schaukeln begann.
»Wird ein Gewitter geben«, fing sie mit süßer Stimme eine Konversation an.
»Was du nicht sagst.«
»Ja, sag ich. Ich freue mich schon drauf.«
»Du willst gut Wetter machen?«, spöttelte Soquette und streckte sich – einmal vorne lang, einmal hinten lang, einmal Buckel in der Mitte.
»Ich hab keinen Stress mit dir«, säuselte Gwenaëlle.
»Nicht? Und warum machst du mir dann immer das Revier streitig?«
»Weil ich so viel länger hier lebe als du. Da entwickelt man eben seine Gewohnheiten.«
Soquette überdachte das und musste ihr recht geben. Man entwickelte so seine Rituale und Eigenheiten, wenn man sich irgendwo niederließ. Und natürlich war die Korrigane schon vor ihr hiergewesen.
»Wann bist du denn hier eingezogen?«, fragte sie also friedfertig. Die Schwüle reizte sie nicht eben zum Herumstreunen und Mausen, sondern lud zu einem entspannten Plausch ein. Und da Gwenaëlle sich gesellig zeigte, legte sie sich gemütlich hin und stellte die Ohren auf.
»Tja, weiß ich nicht mehr so genau«, sagte die Korrigane und ließ sich von der Stockrose fallen. Sie setzte sich im Schneidersitz neben Soquette und hatte einen versonnenen Ausdruck im Gesicht. »Das war schon, bevor die Leute mit den Steinen hier lebten. Da war mein Clan bereits seit langer Zeit hier ansässig. Dann kamen die ersten Menschen, und wir teilten uns das Revier.«
»Teiltet euch das Revier? Konnten die Menschen euch sehen?«
»Ja, damals konnten die Menschen das noch. Aber sie verloren mit der Zeit diese Fähigkeit. Die anderen, die nach ihnen kamen, bemerkten uns nur noch an ganz besonderen Stellen oder zu ganz besonderen Zeiten.«
»Wann und wo?«
»An den alten Steinhügeln und Menhiren zum Beispiel. Oder an den Quellen. Und dann auch nur noch zu den Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen. Oder manchmal in den Dämmerstunden.«
»War das nicht doof für euch?«
»Nö. Praktisch. Man kann den Leuten, die einen nicht sehen, so schön Streiche spielen.«
»Das machst du ja gerne.«
»Weißt du eigentlich, wie langweilig das Leben über die Jahrtausende werden kann.«
Soquette stellte fest, dass ihr Gwenaëlle plötzlich ein bisschen leidtat. Sie schnurrte leise, und die Korrigane blinzelte überrascht.
»Das hat schon lange keine Katze mehr bei mir gemacht«, flüsterte sie und kam näher.
Soquette schnurrte lauter. Sie konnte nicht anders, sie war ein mitfühlendes Wesen. Gwenaëlle schmiegte sich vorsichtig an sie, und ihre hauchzarten Flügel begannen zu vibrieren. Mit ihren langgliedrigen, zarten Fingern kraulte sie das Katzenfell im Nacken, und das Schnurren wurde noch heftiger. Zufrieden saßen die beiden für eine lange Weile unter dem sich mehr und mehr verdüsternden Himmel.
Die Harmonie nahm jedoch ein jähes Ende, als Kelda mit dem Sahneschälchen in der Hand auf die Terrasse trat.
Gwenaëlle zuckte auf und flatterte hoch.
»Meins!«, quiekte sie.