Simon war am frühen Morgen nach Brignogan gefahren und hatte ebenfalls mit seinen Recherchen begonnen. Als Erstes suchte er das Pfarrhaus auf. Schon am Montag hatte er den Pfarrer gebeten, sich die Aufzeichnungen der Chapelle Pol durchzusehen und nach Messen für einen Schiffbrüchigen im Jahre 1912 zu suchen. Erfreut hörte er, dass der würdige Herr ihm mitteilen konnte, für Herri und Lukaz Trobiant seien im September 1912 drei Messen in der Kapelle gelesen worden. Und pünktlich am 15. September wurde Herris Leichnam angespült. Er war auf dem Friedhof von Brignogan beigesetzt worden. Vermerkt worden war außerdem, dass Herri Trobiant am 12. September 1912 zwischen Pontusval und dem Aber Wrac’h ertrunken war. Sein Sohn Lukaz blieb jedoch vermisst.
Simons zweites Ziel war die Mairie, und nach einem kleinen Flirt mit der grauhaarigen Amtsleiterin durfte er sich im Archiv mit den alten Dokumenten herumschlagen. Er hatte beschlossen, seinem Urgroßvater über die Eintragungen im Standesamt auf die Spur zu kommen.
Jetzt, da er endlich seinen richtigen Namen kannte, war es recht einfach, ihn in den Unterlagen ausfindig zu machen. Dort war verzeichnet, dass Lukaz, Sohn des Herri Trobiant und seines Weibes Jeanne, am 14. August 1898 das Licht der Welt erblickt hatte. Allerdings war die Adresse des Wohnortes mehr als schwammig. Portusval hatte damals eben weder Straßennamen noch Hausnummern gehabt. Dafür fand Simon aber die Todesmeldungen von Herri und Lukaz verzeichnet und – hier runzelte er die Stirn – Jeannes und Jerômes Eheschließung gerade ein Jahr später. Madame hatte es ja sehr eilig gehabt, sich wieder zu vermählen.
Aber auch hier fehlte eine nachvollziehbare Adresse der Braut, während Bellard seinen Wohnsitz in Kerlouan angegeben hatte.
Doch Simon hatte sich bereits überlegt, dass Herris Witwe nach dessen Tod das Fischerhaus geerbt haben musste und dieses vermutlich, nachdem sie wieder verheiratet war, verkauft hatte.
Nach dieser Transaktion suchte er nun – ein mühseliges Unterfangen. Er begann mit Herris Todesjahr 1912, doch da gab es keinerlei Einträge. Auch ein Jahr später, als die Witwe Trobiant Jerôme Bellard geehelicht hatte, waren keine Verkäufe registriert. Jerôme hingegen war eifrig dabei, billige Grundstücke aufzukaufen und weiterzuveräußern. Vermutlich mit beträchtlichem Gewinn. Stutzig wurde Simon, als er den Eintrag zu Bellards Villa fand, die zu bauen er schon gleich nach seiner Heirat begonnen hatte – das Grundstück gehörte seiner Gattin. Hoppla – hatte Herri Trobiant etwa die Gewinne aus seinen Schmuggelgeschäften in Land angelegt? Ein vorsichtiger Mann würde das getan haben, befand Simon. Illegale Geschäfte schienen sich zu lohnen.
Schließlich hatte er sich bis 1930 vorgearbeitet, und hier ging ihm plötzlich ein Licht auf. Jerôme le Filou hatte womöglich finanzielle Einbußen während der Weltwirtschaftkrise erlitten, aber er hatte sich sehr schnell wieder erholt – weil er Land verkaufte. Und zwar das seiner Ehefrau. Viel Land. In bester Lage.
Herri war ein reicher Mann gewesen.
Jetzt war Jerôme es.
Und endlich fand er 1934 auch den Hinweis auf das Haus in Portusval, das an einen Joseph Bernard verkauft worden war. Wieder gab es keine Adresse, aber eine Gemarkungskennung. Über die Kennzeichnung würde er auf dem Lageplan recht schnell herausfinden, wo sich das Grundstück mit dem Haus seines Großvaters befand, vermutete Simon. Aber zunächst wollte er die Eigentumsverhältnisse der Parzelle weiter verfolgen. Nach dem Krieg wurde ein weiterer Verkauf getätigt, dann wurde das Haus an den Sohn des letzten Besitzers vererbt und vor drei Jahren an dessen Nachkommen überschrieben.
Und als Simon den Namen des derzeitigen Eigentümers las, brach er in schallendes Gelächter aus.
Die Suche nach dem Grundstück erübrigte sich.
Aber dann ging ihm auf, was geschehen war.
»Dieser Scheißkerl!«, knurrte er.