17
Der Rest des Tages war ein Albtraum aus Erledigungen, Packen und kurzfristigen Arrangements. Der Sonntagvormittag ebenfalls.
Larabee musste informiert werden. Slidell. Dew. LaManche in Montreal. Katy.
Ich rief Ryan an, hörte aber nur seine Voicemail. Was für eine Überraschung. Meine Nachricht: Bin in Afghanistan. Soll er sich darüber den Kopf zerbrechen.
Da ich kein Verhör wollte, schickte ich Harry nur eine E-Mail. Eine ausgesprochen vage.
Ich bat einen Nachbarn, mir Post und Zeitungen ins Haus zu legen. Lieferte Birdie bei Pete ab. Stockte meine Reiseapotheke auf. Kaufte mir Socken.
Ich denke, Sie können sich ein Bild machen.
Das Packen war eine Herausforderung. Der Wetterdienst meinte, es könnte heiß werden, es könnte aber auch kalt werden. Klasse. Ich dachte, ausziehen kann ich mich ja immer, doch da täuschte ich mich.
Zusätzlich zu Jeans, T-Shirts und Pullover warf ich meine gewohnten Tatortklamotten hinein: Kaki-Kampfanzug, Kaki-Kappe, Wüstenstiefel, Handschuhe. Neckisch. Ich ging davon aus, dass mein Gastgeber mir jede Spezialausrüstung zur Verfügung stellen konnte, die ich brauchte.
Am Sonntagvormittag lud ich mir außerdem Dateien auf mein MacBook Air. Eine Formularvorlage für den Beweismitteltransfer. Eine Vorlage für ein Fallformular in forensischer Anthropologie. Die neueste Version von Fordisc 3.0, einem Programm für die metrische Analyse von unbekannten Überresten. Eine Reihe online verfügbarer Osteologiehandbücher. War alles wahrscheinlich unnötig, aber ich wollte voll ausgerüstet sein.
Als Letztes kopierte ich einen Artikel, den ich für das Journal of Forensic Sciences vorbereitete. Wahrscheinlich würde ich auf dieser Reise nicht zum Schreiben kommen, aber für alle Fälle.
Um vier fuhr das Taxi vor. In dreißig Minuten war ich am Douglas, durch die Sicherheitskontrolle in weiteren dreißig.
Ein Wunder der Luftfahrt, die Maschine flog planmäßig. Drei Stunden, nachdem ich den Annex verlassen hatte, marschierte ich in Dulles über einen Flugsteig.
Nachdem ich den Schalter von Turkish Airlines ausfindig gemacht hatte, ging ich in die Virgin Atlantic Lounge und machte es mir für meine dreistündige Wartezeit bequem.
Wieder waren die Götter mir wohlgesinnt. Um zwanzig nach zehn verkündete eine Stimme, dass das Boarding für meinen planmäßigen Flug jetzt beginne.
So schlecht sind internationale Reisen also doch nicht, dachte ich mir, als ich mich zu meinen Mitreisenden der Businessclass in die Schlange stellte, meinen Sitz fand, meine Sachen verstaute und mich anschnallte.
Beim Fliegen schlafe ich nicht gut.
In den folgenden zehn Stunden las ich, nahm eine einigermaßen erträgliche Mahlzeit zu mir, versuchte es mit einem oder zwei Filmen. Isolierte mich mit Ohrstöpseln und Augenschirm, klappte meinen Sitz zurück und wickelte mich in die Decke. Suchte mir Positionen, in denen alle Gliedmaßen durchblutet wurden. Drehte mich immer wieder um. Klappte den Sitz wieder hoch und schaltete die Leselampe an. Klappte den Sitz wieder herunter. Bekam nur Rauschen auf mein Handy. Versuchte noch einen Film.
Wieder und wieder dachte ich an meine Unbekannte. Sagte mir jedes Mal, dass ich sie nicht im Stich gelassen hatte.
Als ich in Istanbul aus der Maschine stieg, hatte ich das Gefühl, als wäre ich die ganzen fünftausendfünfhundert Meilen gerudert.
Die Lounge der Turkish Airlines war ganz in Gold und Weiß gehalten, mit Rundbögen, die Bars, Sitzgruppen und Servicestationen voneinander trennten. Die Sessel und Sofas hätten in jedem noblen Hotel in Los Angeles schick ausgesehen. WLAN. Ein Pianist. Ich hätte in dieser Lounge leben können.
Ich holte mir einen kleinen Vorspeisenteller und checkte dann meine E-Mails.
Katy und Ryan hatten sich noch immer nicht gemeldet.
Harry allerdings schon. Völlig panisch.
Seit meinem Abflug von Charlotte waren vierundzwanzig Stunden vergangen, in denen ich so gut wie nicht geschlafen hatte. Ich war einfach nicht in der Verfassung, mich mit meiner kleinen Schwester herumzuschlagen. Ich schickte ihr eine weitere E-Mail, die genauso vage war wie die erste. Bin unterwegs. Melde mich bald.
Meine nächste Maschine war eine 737, deren Innenraum noch nie renoviert worden war. Ich saß in der vordersten Reihe, was ein paar Zentimeter mehr Beinfreiheit als Entschädigung für die Wand vor dem Gesicht bedeutete.
Der Flug war unruhig. Der Kaffee war türkisch und schmeckte nach Teer.
Fünf Stunden nach dem Start landete der Pilot die Maschine auf dem Manas International Airport in Bischkek, Kirgisistan, das Transitzentrum für amerikanische und Allianztruppen nach und aus Afghanistan.
Während wir durch Schwärze rollten, versuchte ich die Zeit umzurechnen. Meine Uhr zeigte 21:00 an der Ostküste. Montag. Ich schätze, dass es in Kirgisistan sehr früh am Dienstagmorgen war. Mehr Präzision brachten meine Neuronen unter Schlafentzug nicht zusammen.
Ein Master Sergeant namens Grace Mensforth holte mich am Terminal ab. Mittelgroß, braune Haare, durchschnittliches Gesicht. Der Typ Frau, an den sich Zeugen kaum erinnern.
Mensforth stellte sich als meine Verbindungsoffizierin zur Air Force vor. Auf meinen verständnislosen Blick hin erklärte sie mir, dass Kirgisistan zwar den Flughafen betreibt, die Air Force jedoch das Transitzentrum. Deshalb ihre Anwesenheit.
»Wie war Ihr Flug?«
»Ereignislos.«
»Was Besseres können wir uns nicht wünschen, hab ich recht?« Sie deutete nach links. »Gepäckabholung ist dort.«
Mensforth führte mich durch ein Terminal mit Betonboden, das aussah wie der Keller einer stalinistischen Fabrik. Jungmänner mit sehr hohen, spitzen Hüten und in langen Wollmänteln standen mit automatischen Waffen vor der Brust herum.
Meine Reisetasche stand auf dem Boden, ein hellbrauner Fleck in einem Meer aus vielfarbigem Leder und geflecktem Tarnmuster. Ich stapfte hinein und zerrte die Tasche heraus.
»Geben Sie mir Ihren Pass.« Mensforth streckte die Hand aus. »Ich kümmere mich ums Visum.«
»Danke.«
»Die Bürokratie hier spottet jeder Beschreibung.«
Langsam leerte sich der Gepäckbereich. Ich stand da, die Kälte sickerte durch meine Nikes, die Jacke und die Jeans, und die Müdigkeit lastete auf mir wie ein Lastwagen voller Schlamm.
Schließlich kam Mensforth zurück.
»Ist das Ihre erste Reise in die Islamische Republik Afghanistan?« Während sie mir meinen Pass zurückgab.
»Und nach Kirgisistan.«
»Die Kirgisische Republik. Weiter zum Zoll.«
Wieder deutete Mensforths Arm die Richtung an. Ich fragte mich, ob sie in einem anderen Leben Platzanweiserin gewesen war.
Zum Glück war die Schlange nur kurz. Während wir uns Schritt um Schritt voranarbeiteten, versuchte Mensforth es mit Konversation.
»Kirgis kommt von vierzig. Vierzig Stämme.«
»Wirklich?«
Wir machten einen Schritt nach vorne.
Mensforth interpretierte meine lustlose Reaktion entweder als Distanziertheit oder Desinteresse. Von da an warteten wir schweigend.
Fünfzehn Minuten später folgte ich meiner Verbindungsoffizierin über eine pechschwarze Asphaltfläche. Die Luft war frostig, der Wind feucht und durchdringend.
Mit gesenktem Kopf ging Mensforth auf einen weißen Transporter der Air Force zu und zog die Seitentür auf. Ich kletterte hinein. Ein Junge in Uniform lud meine Tasche ein und setzte sich dann hinters Lenkrad.
Während der Fahrt tauchten in der Entfernung winzige Lichter auf. Andere Fahrzeuge sah ich keine.
Mein Kopf schmerzte. Mein Magen rumorte. Doch Schlaf war jetzt eindeutig wichtiger als Essen.
Die Fahrt zur Luftwaffenbasis war glücklicherweise kurz, vielleicht fünf Minuten.
Während der Fahrer an einem Checkpoint anhielt, um Fragen zu beantworten und Ausweise zu präsentieren, darunter meinen Pass und den Marschbefehl, starrte ich die aus Maschendraht und Leinwand bestehende Wand vor meinem Fenster an.
»Sind das Hesco-Schanzkörbe?« Trotz meiner Erschöpfung war ich neugierig.
»Ja, Ma’am«, sagte Mensforth.
Ich hatte über Hescos gelesen. Diese kistenähnlichen Einheiten, die mit Sand und Steinen gefüllt und dann in Dreierreihen übereinandergestapelt werden, bilden eine widerstandsfähige, aber auch flexible Barriere. Wenn weitergezogen wird, werden die Säcke einfach geleert.
Keine Ahnung, warum mein Hirn mit diesen Informationen daherkam.
Nachdem alle Dokumente schließlich kontrolliert und abgestempelt waren, fuhren wir durch das Tor.
Der Transporter rollte an vorgefertigten, rechteckigen Bauten, riesigen Nissenhütten, einem Bau, der aussah wie eine kleine Moschee, und einer langen, niedrigen Hütte vorbei, die eine Bar zu sein schien. Schließlich hielten wir vor einem fensterlosen, einstöckigen Komplex, der gute dreißig Meter lang und zehn Meter breit war.
»Die Frauenkaserne.« Mensforth sprang heraus und ging auf eine Metalltreppe an der Vorderseite des Gebäudes zu.
Ich folgte ihr. Hinter mir kam der Junge mit meiner Reisetasche auf der Schulter.
Wir polterten die Treppe hoch zu einer Tür. Mensforth gab mir einen Schlüssel.
»Sie sind in 204. Nehmen Sie die leere Pritsche.«
Der Junge stellte die Tasche ab und lief wieder nach unten.
»Mit ein bisschen Glück haben Sie das Zimmer für sich allein.« Mensforth sprach gedämpft. »Die Toilette ist am Ende des Ganges. Ich hole sie um null-achthundert ab.«
Der Himmel war zwar noch dunkel, doch ich befürchtete, dass es nicht mehr lange hin war.
»Wie spät ist es jetzt?«
»Null-vierhundertdreißig.«
Halleluja.
Das Zimmer, gerade einmal zweieinhalb mal drei Meter groß, enthielt zwei Schränke und zwei Einzelbetten. Ich hatte Glück. Beide Kissen waren leer.
Ich riss meine Reisetasche auf und rannte auf die Toilette. Zurück im Zimmer, zog ich mich aus, streifte ein T-Shirt und einen frischen Slip über, steckte mein iPhone ein und stellte den Wecker. Dann fiel ich ins Bett.
Kirchenglocken läuteten.
Erschrocken öffnete ich die Augen.
Mein Hirn tastete.
Manas.
Ich griff nach dem Handy. Schaltete die Glocken aus. Schaute auf die Uhr.
7:45.
Zitternd zog ich Kampfanzug und Stiefel an, schnappte mir mein Toilettenköfferchen und ging den Gang hinunter.
Kurz über die Zähne und durch die Haare. Mit verschiedenen Bürsten.
Um null-achthundert öffnete ich die Tür nach draußen. Die Sonne war eine tief stehende weiße Scheibe in einem makellos blauen Himmel. Reif überzog das Gras wie Zuckerglasur.
Mensforth stand unten an der Treppe mit einer gefütterten, braunen Jacke über dem Arm.
»Guten Morgen.« Mit weißem Atem vor dem Mund.
»Guten Morgen. Soll ich meine Sachen mitnehmen?«
»Ja, Ma’am.«
Ich holte Reisetasche und Rucksack und polterte die Treppe hinunter.
»Nehmen Sie die da.« Mensforth hielt mir die Jacke hin.
»Glauben Sie, dass es so kalt wird?«
»Lieber haben und nicht brauchen als brauchen und nicht haben.«
»Das hat meine Mutter immer gesagt.«
»Meine auch.«
Wir lächelten beide. Ich zog die Jacke an.
»Danke.«
»Danken Sie Uncle Sam. Hunger?«
»O ja.«
»Gehen wir in die Kantine.«
Ein anderer Junge in Uniform saß jetzt hinter dem Steuer des Transporters. Knochendürr und mit kurz geschorenen Haaren.
Unterwegs unterrichtete Mensforth mich über die bevorstehenden Reisearrangements.
»Ihr Flug ins Einsatzgebiet startet mittags, was Abriegelung um null-neunhundert bedeutet. IBA kriegen Sie auf dem Flugfeld.«
Individual Body Armor. Meine persönliche Panzerweste. Darauf freute ich mich schon ganz besonders.
Der Junge bog ein paarmal nach links und nach rechts ab, dann hielt er vor einem Gebäude, das aussah wie ein Flugzeughangar.
Mensforth und ich zeigten die Ausweise und wurden in die Kantine eingelassen. Nachdem wir uns an einer der unzähligen Hähne die Hände gewaschen hatten, gingen wir in den Hauptraum. Die Luft roch schwer nach warm gehaltenem Essen. Würstchen. Corned Beef aus der Dose. Tortillas. Speck.
Soldaten in Kampfanzügen und Arbeiter in Zivil füllten sich ihre Tabletts an heißen und kalten Stationen, Salat- und Sandwichbars, Grills und Kühlregalen für Milchprodukte. Männer und Frauen aller Dienstgrade aßen zu Hunderten an langen Tischreihen.
Mensforth gab mir einige Anweisungen, die ich nicht richtig verstand, und ließ mich dann allein. Ich ging zu einem Büfett, an dem eine größere Schlange anstand.
Mein Instinkt war richtig gewesen. Große Metallbehälter boten normales mittelwestliches Essen an – Eier, Speck, Toast, Kartoffelrösti. Ich lud mir den Teller voll, stellte Saft und Kaffee dazu und fand dann einen freien Platz an einem Tisch neben einem Limonadenkühlschrank.
Weiter unten auf der Gegenseite fiel mir ein Mann in einer Uniform auf, die ich nicht kannte. Franzose? Pole? Neben ihm saß eine gut Zwanzigjährige mit einer Waffe von der Hälfte ihres Körpergewichts.
Das Klappern von Tabletts, das Klirren von Besteck und das Summen von Gesprächen wetteiferten mit Football-Übertragungen, die eine nach der anderen aus zahlreichen Bildschirmen an den Wänden drangen. Hin und wieder durchbrach das Stakkato von Gelächter den Lärmteppich.
Mensforth fand mich, und wir aßen schweigend. Sie hatte sich einen Burrito mit einer Art Käseüberzug ausgesucht. Nach dem Frühstück räumten wir unsere Tabletts weg und gingen zum Flugfeld.
Die Flugvorbereitung fand in einem weiteren hangarähnlichen Gebäude statt, in dem Fernseher ebenfalls Football brachten.
Soldaten saßen dicht zusammengedrängt auf Bänken, entweder mit geschlossenen Augen oder an einem Handy oder einem anderen Gerät, oder stumm auf einen der Fernseher starrend. Ich wunderte mich, als ich sie so sah. Ist Sport das neue Opium des Volkes?
Andere lümmelten auf ihren Kleidersäcken oder schliefen an die Wände gelehnt. Ob Männer oder Frauen, alle sahen wachsam aus. Und argwöhnisch.
Mensforth führte mich in einen Nebenraum mit Regalen und Körben voller Panzerwesten.
Persönliche Schutzausrüstung hat den Zweck, die eigene Person zu schützen. Was nicht heißt, dass sie einem auch passt. Vor allem wenn man zum weiblichen Geschlecht gehört.
Schutzwesten für die Verwendung über der Kleidung gibt es in vier Farben – waldgrüne Tarnung, Wüstentarnung, Universaltarnung und Kojotenbraun, das Kaki des Marine Corps. Mensforth gab mir eine Universalweste Größe S. Ich zog meine Jacke aus und legte mir die grau-grüne Schönheit an. Nicht schlecht.
Mensforth schob mir nun Kugelsicherungsprotektoren in Vorder-, Rücken- und Seitentaschen. Und gab mir einen Helm. Insgesamt wog die Ausrüstung etwas mehr als zwanzig Kilo.
Ich fühlte mich und sah aus wie eine Hesco-Einheit auf Beinen.
Und dann warteten wir.
Ich döste immer wieder kurz ein, saß meistens einfach nur da und schaute mir teilnahmslos Spiel um Spiel an.
Wisconsin verlor knapp gegen Minnesota. Die Dachse gegen die Erdhörnchen? Wirklich?
Oklahoma verprügelte die Krötenechsen der TCU.
Okay. Vielleicht waren kleine Pelztierchen keine so schlechten Maskottchen.
Die Luft in der Halle wurde schwer vom Geruch nach Schweiß, Moder und staubiger Leinwand. Und dem Geruch von Erschöpfung und Angst.
Irgendwann fingen einige um mich herum an, ihre Sachen zusammenzupacken. Mensforth tauchte wieder auf und sagte mir, ich sollte bleiben, wo ich war. Es war nicht mein Flug. Meiner hatte Verspätung.
Kurz nach vier brachte Mensforth mich schließlich zu einem Bus voller Marines. Fünfzehn Minuten später standen wir auf dem Asphalt vor einem Flugzeug, das aussah, als wäre es für den Transport von Spaceshuttles für die NASA gebaut.
»Sie werden beeindruckt sein.« Das Kreischen der Flugzeugmotoren zwang Mensforth zum Schreien. »Eine C-130J kann drei Fahrzeuge und bis zu hundert Mann transportieren.«
Ich spähte in den Innenraum der Maschine, schätzte ihn auf etwa zwölf mal zweieinhalb mal drei Meter.
Nicht gerade Businessclass. Das behielt ich für mich.
Während wir warteten, zusammen mit gefühlten tausend Marines, lud die Mannschaft Fracht auf Rollpaletten und ließ dann die Einstiegsluke herunter.
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf«, sagte Mensforth. »Die Klos in diesen Babys sind nicht für unser Team gemacht.«
»Wie lange dauert der Flug nach Bagram?«
»Zwei, vielleicht drei Stunden.«
»Das schaffe ich.« Ich hatte vor zu schlafen.
Auf ein Signal von einem Jungen im Tarnanzug mit einem Tuch auf dem Kopf holte Mensforth mich aus der Schlange und führte mich in die Maschine. Die Marines schauten in feindseligem, erschöpftem oder gutmütigem Schweigen zu.
Man saß einander auf paarweise angeordneten, langen Bänken gegenüber. Netze aus breiten, roten Nylonbändern bildeten die Rückenstütze.
An den Seitenwänden des Rumpfs hingen Fallschirme und andere Ausrüstung. Röhren, Schläuche, Kabel und zahllose andere Dinge, die ich nicht kannte, schlängelten sich an der Decke entlang.
»Arsch zur Wand, und Sie erfrieren«, sagte Mensforth. »Arsch in die Mitte, und Sie werden taub.«
Taub klang gut.
»Die Weste können Sie abnehmen.«
Froh, das zusätzliche Gewicht abladen zu können, zog ich die verhasste Weste aus. Mensforth warf sie am Ende der Bank auf den Boden und zeigte mir dann, wie ich den Helm zwischen meinen Füßen und den Rucksack auf dem Schoß verstauen musste.
»Benutzen Sie sie.« Sie hielt mir eine kleine Tüte mit zwei orangenen Ohrstöpseln hin.
Ich nickte.
»In Bagram wird ein Captain Welsted Sie in Empfang nehmen.«
Ich dankte Mensforth, fragte mich kurz, ob sie den Zweck meiner Reise kannte. Dann sagte sie etwas Merkwürdiges.
»Passen Sie gut auf sich auf.«
»Ich habe doch meinen IBA.« Und klopfte auf meinen Helm.
»Der schützt gegen Kugeln.« Sie schaute kurz nach links und rechts und sagte dann: »Seien Sie vorsichtig.«
Bevor ich fragen konnte, was sie meinte, sagte sie: »Guten Flug.«
Dann war sie verschwunden.
Das Flugzeug füllte sich schnell. Ein Schrank von Marine setzte sich links neben mich. Ein schwarzer Junge mit spektakulär weißen Zähnen plumpste rechts neben mich.
Direkt gegenüber hatte ich einen, der über zwei Meter groß sein musste. Meine Knie stießen etwa in der Mitte des Schienbeins an seine Beine. Gemütlich.
Noch ein paar letzte Rufe, dann ging die Luke zu. Ich schaute mir meine Mitreisenden an. Die meisten waren Männer Mitte zwanzig.
Ich hörte jede Menge »fucking« dies und »fucking« das. Echte Draufgänger eben. Wir flogen ins Einsatzgebiet. Es gab auch noch andere Euphemismen dafür. Sie meinten alle dasselbe. Dieselbe Angst. Wir zogen in den Krieg.
Mir schräg gegenüber bemerkte ich einen Mann, der mich intensiv anschaute. Asiate. Vielleicht achtzehn.
Ich lächelte. Der Mann schaute weg.
Die Motoren sprangen dröhnend an. Ich steckte mir die Stöpsel in die Ohren.
Die schwerfällige Maschine arbeitete sich mühsam in die Höhe. Richtete sich auf Flughöhe schließlich aus.
Ich schloss die Lider. Versuchte zu schlafen.
Der Flug war sehr holperig, die Motoren dröhnten ohrenbetäubend. Eisige Luft blies mir den Rücken hoch. Obwohl ich Schulter an Schulter und Schienbein an Schienbein mit meinen Banknachbarn saß, fuhr mir eine durchdringende Kälte in die Knochen. Schon nach kurzer Zeit hatte ich das dringende Bedürfnis, mich zu strecken oder wenigstens meine Sitzposition zu ändern. Wusste aber, dass ich keine Chance hatte.
Die Zeit verging. Mein Verstand oszillierte zwischen Wachen und Schlafen.
Plötzlich machte mein Körper einen Satz in einem Winkel, der nicht richtig sein konnte. Der Schrank neben mir spannte die Muskeln an.
Adrenalin schoss durch mein System.
Ich riss die Augen auf.
Die Maschine war dunkel wie ein Grab.
Und stürzte zur Erde.