Cherchez la femme
Die Académie Française und das weibliche Geschlecht
Was eine Frau ist, glaubt jeder zu wissen, schon gar jeder Franzose. Schließlich hat ein Deputierter in der Nationalversammlung bereits vor dem Ersten Weltkrieg zur Abwehr unguter Gleichmacherei den berühmten »kleinen Unterschied« zwischen den Geschlechtern hochleben lassen, aus dem die Literatur seit tausend, das Theater seit dreihundert und das Kino seit hundert Jahren Lorbeer und klingende Münze machen. Dennoch ergeben sich für Philologen Definitionsprobleme, weil im Französischen das Wort homme sowohl den Mann als auch den Menschen schlechthin bezeichnet. Was rechtes Französisch ist, bestimmt – gleichsam für die Ewigkeit – die Académie Française.
Für heute und morgen jedoch ist der kleine Larousse, das jährlich neu erscheinende Wörterbuch, wichtiger. Als der Diktionär in seiner jetzigen Form 1906 erstmals herauskam, schrieb er unter dem Stichwort femme: »Die Gefährtin des Mannes, die Gattin, diejenige, die verheiratet ist oder war.« Da die Betroffenen sich zusätzlich als Menschen fühlten, konnten die Herausgeber diese schlichte Notiz unverändert bis 1958 erhalten.
In der Auflage von 1959 war aus der Frau an erster Stelle, noch vor der klassischen Definition, ein »menschliches weibliches Wesen« geworden. Die Erkenntnis, dass auch Frauen Bücher kaufen, möglicherweise mehr als Männer, trug weitere Früchte, denn in der jüngsten Ausgabe lautet der Eintrag: »ein menschliches Wesen weiblichen Geschlechts«. Ob das eine Verbesserung darstellt, kann man bezweifeln. Denn gleichzeitig wurde aus dem homme, der früher bloß »ein menschliches Wesen männlichen Geschlechts; der Mann oder die Frau« war, »ein Wesen, begabt mit Intelligenz und artikulierter Sprache«. Dass er außerdem »die menschliche Rasse im Allgemeinen« repräsentiert, folgt jetzt erst auf seine Einreihung zwischen aufrecht gehenden Primaten und anderen Säugetieren.
Es dauerte bis 1980, bevor die Académie mit Marguerite Yourcenar erstmals eine Frau in den exklusiven Kreis ihrer vierzig Mitglieder, der »Unsterblichen«, aufnahm. Und der Anfang 2009 verstorbene immerwährende Sekretär der Akademie, Maurice Druon, wehrte sich bis zum vorletzten Atemzug gegen die von den Sozialisten eingeführte Neuerung, weibliche Kabinettsmitglieder »Madame, la Ministre« statt wie bisher »Madame, le Ministre« zu nennen. Das grammatische Geschlecht ging ihm vor dem biologischen. Die meisten Franzosen haben sich in diesem Fall dem Zeitgeist, nicht der Académie gebeugt. Aber aus dem Anwaltstitel »Maître« ist für Advokatinnen dennoch nicht »Maîtresse« geworden. Und der Wachtposten bleibt »la sentinelle«, obwohl er meistens männlichen Geschlechts ist. Am praktischsten ist es bei der Liebe, l´amour, feminin im Singular, les amours, maskulin im Plural.