Der Untergang des alten Paris war nicht geplant

Spitzhacke und Bulldozer haben Platz geschaffen für neue Stadtviertel aus Beton und Glas

Die Bitte hörte sich einfach an, aber sie war nicht ganz leicht zu erfüllen. Freunde, die im Ausland leben, hatten sich ein paar Platten mit Musette-Walzern gewünscht, jener typisch pariserischen Musik, um die, seit es den Tonfilm gibt, kein Regisseur herumkam, der sein Publikum auf das Ambiente der französischen Hauptstadt einstimmen wollte. Musette gehörte dazu, so wie die Baskenmütze, das képi des flic und der Eiffelturm. Aber im ersten Musikgeschäft gab es keine Musette-Platte. Im zweiten auch nicht, erst im dritten, und dort keineswegs auf den vorderen Verkaufstischen.

Dass die Musette und die Tanzlokale, wo sie gepflegt wurde, abkamen, ist nicht allein eine Frage der Mode und des veränderten Geschmacks nachwachsender Generationen. Im Gegenteil, die zwei oder drei bals musette, die an Wochenenden noch stattfinden, sind eher dabei, Ziel nostalgischer Pilger zu werden, die nach verschütteten Edelsteinen schürfen. Musette ist nicht mehr gefragt, weil es nach den enormen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen, die Paris in den letzten Jahrzehnten erstrebt oder erlitten hat, die Leute nicht mehr gibt, deren Seelenzustand solche Musik entspricht.

Das kleine Volk von Paris, die Handwerker, Arbeiter, Ladenbesitzer, Bistrowirte, Hausfrauen, Laufburschen, Marktschreier, Amüsiermädchen, Gauner, die innerhalb ihres Viertels fast in dörflicher Intimität lebten, stirbt aus. Ökonomische Zwänge haben sie in gesichtslose Vorstädte oder in produktivere Lebensformen getrieben. Es trägt ja auch niemand mehr eine Baskenmütze. Und es kann kein Zufall sein, dass das képi des Polizisten durch die Schirmmütze ersetzt wurde, oder dass der flic einen Sheriffstern trägt, aber keine Pelerine mehr.

Paris ist durch den Zweiten Weltkrieg in seiner Bausubstanz kaum berührt worden. Ein Wunder, sagt jeder, der am frühen Morgen, noch bevor der Autoverkehr einsetzt, über die Seinebrücken geht und auf die ebenmäßigen Fassaden dieser atemberaubend schönen Stadt unter ihrem seidengrauen Himmel blickt. Ein Albtraum sagten jene, die so viel sanierungsbedürftiges Gemäuer erbten. Denn von den meist schnell gewachsenen Metropolen unterscheidet Paris, dass es schon seit Langem eine große Stadt ist: »Der Ofen, in dem das Brot der Welt gebacken wird«, nannten es mittelalterliche Scholaren; die Rolle der Kapitale, die für einen immer größer werdenden Teil der Menschheit philosophierte, dichtete, politisch handelte und künstlerisches Neuland erschloss, kündigte sich an.

Als Ludwig XIV. seine Residenz nach Versailles verlegte, lebte in Paris eine halbe Million Menschen, die Million war um 1840 erreicht. Während der Präfekt Haussmann in den sechziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts die breiten Schneisen der Boulevards durch das Gassengewirr schlagen ließ, wohnten auf einer Fläche, die kaum kleiner war als das heutige Paris, schon 1,8 Millionen Menschen.

Seit dem Ersten Weltkrieg entstand nur noch wenig Neues. Dennoch hielt Paris intra muros, das eigentliche Stadtgebiet der zwanzig arrondissements, das durch den jetzigen Autobahnring umschlossen wird, zwischen 1921 und 1954 mit 2,7 bis 2,9 Millionen Einwohnern den höchsten Bevölkerungsstand. Auf einem Quadratkilometer Stadtfläche leben auch gegenwärtig, da Paris nur noch zwei Millionen Einwohner hat, zehnmal so viele Menschen wie in Hamburg.

Die Notwendigkeit, Wertvolles zu erhalten, und der Zwang, zu erneuern sind in Paris besonders schwer vereinbar. Seit die Stadt in den fünfziger Jahren zum großen Sprung vorwärts ansetzte, ist bald die Hälfte von Paris der Spitzhacke und den Bulldozern zum Opfer gefallen: Quartiere mit Mauerschwamm und steilen Treppen, aber ohne Bäder oder wohnungseigene Toilette; ländlich kleine Häuser mit Hinterhöfen, winzigen Gärten, Ateliers und Werkstätten; Zinshäuser, die der jahrzehntelange Mietstop zum Verfall verurteilt hatte; billige Hotels für Dauermieter; enge Straßen mit geschlossenen Häuserfronten und wenig Durchgangsverkehr; schmalbrüstige Wohnungen mit Kaminheizung; Alleebäume für Hunde und blecherne Bedürfnisanstalten für Männer, die trotz ihres Geruchs vespasiennes genannt wurden, weil jener römische Kaiser bei der Einführung der ersten Toilettensteuer gesagt hatte, Geld stinke nicht.

Was abgerissen wurde, war das alte Paris, ein unkomfortables schäbiges Paris, ein menschlicher Lebensraum für kleine Freuden, für anständiges Essen, für verliebte Individualisten und Exzentriker, für gelegentliche Ausbrüche von Gewalt, ein Paris, gut genug für Hemingway und René Clair, für Modigliani und Musette.

Sein Untergang war nicht geplant, er ergab sich einfach. Bodenspekulation muss nicht unbedingt vernichtende Folgen haben. Auch bei der Errichtung der Place Vendôme, einem der schönsten Ensembles der Stadt, spielte sie vor dreihundert Jahren schon ihre Rolle. Die promoteurs genannten Baulöwen der Gegenwart hatten nichts Derartiges im Sinne. Ihre Interessen deckten sich weitgehend mit denen der hohen Regierungsbürokratie. Paris müsse »neu gedacht« werden (»il faut repenser Paris«), sprach die technokratisch geschulte Elite im Staatsdienst.

Ein wenig bekannter Erlass der Stadtverwaltung vom März 1956 hob die Beschränkung der Bauhöhe auf einunddreißig Meter auf, die seit den Zeiten Ludwigs XVI. gegolten hatte. Die Höhe eines Bauwerks wird seither von einem Blickwinkel bestimmt, den ein Betrachter des Dachsimses vom jenseitigen Trottoir aus genießt. Je weiter ein Haus von der Straße zurückliegt, umso höher darf es sein. Was ein Bauherr an Volumen in der Tiefe verliert, gewinnt er mehrfach in der Höhe. Vorbei war es mit den noblen Fassaden, den geschlossenen Baulinien, den grauen Dächern aus Schiefer oder Blech, die das historische Gesicht der Stadt bestimmten. Bald soll es auch nahe der Stadtgrenze am Autobahnring wieder neue Hochhäuser geben.

Als man die Tour Montparnasse baute, die mit ihren zweihundertzehn Metern wie ein drohender Finger in den Himmel des Luxembourg-Gartens, der Seine-Quais, der Esplanade vor dem Invalidendom und vieler anderer Pariser Perspektiven ragt, bot man den aus ihren Behausungen vertriebenen Malern und Bildhauern Ateliers im Hochhaus an. Es war gut gemeint, aber sie wollten nicht. Auch Braque und Utrillo hätten sich in Mietskasernen nicht wohl gefühlt.

Andere konnten sich das neue Paris aus Beton und Glas nicht leisten. In zwanzig Jahren verlor die Stadt zweihundertfünfzigtausend Arbeiter, Handwerker und Kleingewerbetreibende. Unter den im Berufsleben stehenden Parisern machen die Arbeiter nur noch ein Sechstel aus. Und ein Drittel von ihnen muss inzwischen zur Arbeit aus der Stadt in die Vororte fahren: Pendler in umgekehrter Richtung. Die Pariser Industrie, die zur Jahrhundertwende sechshundertvierzigtausend Arbeitsplätze und Anfang der siebziger Jahre noch vierhunderttausend bot, ist auf hundertfünfzigtausendStellen geschrumpft. Nur noch ein Drittel von ihnen hat unmittelbar mit der Produktion zu tun. Jeden Monat schließen Gewerbebetriebe. Große Unternehmen wie Citroën, dessen ehemaliges Fabriksgelände am Quai de Javel zu einem Park umgestaltet wurde, wandern ab, aber auch mittelständische und kleine Firmen. Insgesamt gibt es in Paris nur noch einige Dutzend Herstellungsbetriebe mit mehr als hundert Beschäftigten.

Die Rue du Faubourg St.-Antoine hinter der Bastille hat noch einige Möbelgeschäfte – aber die Schreinerwerkstätten in den Hinterhöfen, schäbige Monumente der Manufakturen des 19. Jahrhunderts, sperren zu. Im Marais, wo seit Generationen Lederwaren, Posamenten, Schmuck und Kunsthandwerk hergestellt wurden, wurde es stiller, als den Bewohnern der eingestreuten Adelspaläste, die zu luxuriösen Wohnungen umgestaltet wurden, auf die Dauer lieb sein konnte. Neue Betriebsamkeit, etwas steril, kam durch Boutiquen, Galerien, Souvenirgeschäfte, die alle das Gleiche verkaufen. Die Metallbearbeitung und Mechanik, traditionelle Metiers des neunzehnten und zwanzigsten arrondissements im Osten von Paris, dünnt aus.

Seit einigen Jahren unternimmt die Stadt energische Schritte, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Sie lässt hôtels industriels einrichten, in denen Gewerbetreibende Werkstätten mieten können. Aber während für eine Werkstatt in einem bröckeligen Sanierungsbau umgerechnet immer noch siebzig Euro Jahresmiete pro Quadratmeter bezahlt werden, sind die städtischen Lokale dreimal teurer. Jedes Jahr werden in Paris hundertfünfzigtausend Quadratmeter gewerbliche Fläche abgerissen, nur fünfzigtausend Quadratmeter entstehen neu.

Nichts wäre falscher, als aus solchen Zahlen den Schluss zu ziehen, die Wirtschaftskraft der Stadt sei rückläufig. Zwischen Étoile und der Oper hat die Hälfte von Frankreichs Banken ihren Sitz. Hinter ihren Namen stehen zwei Drittel der Bilanzsummen und mehr als die Hälfte ihrer Beschäftigten. Jedes französische Unternehmen, das auf sich hält, will einen Sitz in der Hauptstadt. Die sechzigtausend Betten ihrer Hotels sind einen großen Teil des Jahres ausgebucht. Handel und Dienstleistung haben Dauerkonjunktur.

Immobilienpreise und Mieten stiegen lange. Dass Paris dadurch eine Stadt für Reiche oder ganz Arme geworden ist, lässt sich am Straßenbild ablesen, das sich rasch verändert. Fachgeschäfte, kleine Lebensmittelläden, Bäcker, Schneider, Käsehändler geben auf, spätestens wenn sich der Inhaber zurückzieht und keinen Nachfolger findet. Wo es chic ist, wie im sechsten oder siebenten arrondissement, eröffnen Boutiquen, Antiquitätenläden, Blumengeschäfte und Immobilienagenturen. Weniger ansehnliche Straßen werden von billigen Schuhgeschäften, von Pizza- und Hamburger-Stuben, von Läden, die Restposten und Sonderangebote verschleudern, von Schnellreinigungen und Telefonagenturen okkupiert. Nach Ladenschluss gibt es keinen Grund mehr, durch verödete Gassen zu gehen, in deren Obergeschossen sich vorwiegend Büros befinden. Das ist auch anderswo so, aber Liebhaber wie der Historiker Louis Chevalier finden, dass Paris keine beliebige Stadt, sondern ein nicht wiederholbarer Glücksfall war. In einem Buch mit dem Titel »Die Ermordung von Paris« schrieb der Professor schon vor bald dreißig Jahren, als die Schäden noch weniger offensichtlich waren, die clochards seien die Nachhut der wirklichen Liebhaber von Paris. Als Letzte wüssten sie die Stadt zu schätzen, als Platz, in dem man umhergehen, sitzen, liegen und schlafen könne. Ein weiteres Alarmsignal ist seither hinzugekommen.

Ein Bodennutzungsplan sieht vor, dass auf hundert Quadratmeter Grundfläche in Zukunft dreihundert Quadratmetern Wohnfläche oder Büros errichtet werden können, statt bisher zweihundertsiebzig. Im Erdgeschoss soll die Ansiedlung kleiner Betriebe begünstigt werden. Grünflächen sollen besser geschützt sein. Hotels an der Peripherie wird auferlegt, für je fünf Zimmer statt für bisher acht einen Parkplatz vorzusehen. Es soll nicht mehr erlaubt sein, unter Grünanlagen Tiefgaragen zu bauen, die die Bäume ruinieren, wie auf der Place St.-Sulpice. Dort hatte man wie an anderen Stellen geschworen, die Entfernung der Bäume sei nur vorübergehend. Doch die Setzlinge, die man an ihre Stelle pflanzte, kümmern im Auspuffgas dahin.

Immer war Paris fasziniert von seinem Untergrund. Die Steinbrüche, die sich unter dem Montmartre und vom Panthéon bis zum Montparnasse hinziehen, dienten schon im 18. Jahrhundert den Schmugglern, die die Zollmauer um die Stadt unterliefen, als Wege und Lagerstätten. Junge Leute, die die Einstiege kennen und Lust am Gruseln haben, feiern dort wieder makabre Feste. Im 19. Jahrhundert erregte die Kanalisation die Fantasie von Schriftstellern wie Victor Hugo, aber auch von Kriminellen. Heute sind es vor allem die Tiefgaragen, in denen sich die Nachtseite der Stadt offenbart. Diebe und Dealer, Sexualtäter und Besessene bewegen sich, ohne es zu wissen, in einer seit alters her milieugerechten Schattenwelt.

Vor mehr als hundert Jahren prophezeite der Automobilpionier Louis Renault, durch die Einführung seiner Motorkutschen werde sich das leidige Problem der Verkehrsstauungen in Paris lösen lassen. Denn auf der Fläche eines vierspännigen Pferdewagens hätten sechs Benzinkutschen Platz. Da seine Erwartungen sich nicht erfüllten, forderte Präsident Georges Pompidou in den sechziger Jahren, man müsse »die Stadt dem Auto anpassen«. Nach der Fertigstellung des périphérique, des Autoringes um Paris, wurde unter seiner Herrschaft die Expressstraße rive droite angelegt. Sie ruinierte die Seine-Quais, erlaubt es aber immerhin, das Stadtgebiet verhältnismäßig schnell und kreuzungsfrei in west-östlicher Richtung zu durchqueren. Die Pläne für eine Expressstraße rive gauche in der Gegenrichtung wurden nach Pompidous Tod von seinem Nachfolger Valéry Giscard d’Estaing aufgegeben. Auch ein Projekt für Radialstraßen, die von der Peripherie ins Zentrum führen und sich in einem gigantischen Verkehrskreisel unter den ehemaligen Hallen treffen sollten, wurde fallen gelassen. Sie hätten die Stadt in Segmente zerschnitten.

Gegenwärtig beträgt die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit der Pariser Autofahrer siebzehn Kilometer in der Stunde. Alljährlich nimmt der Verkehr um drei Prozent zu, und der Sättigungspunkt ist fast erreicht. An den Rändern der Straßen, in den Garagen, Höfen, Parkplätzen ist legal Raum für siebenhundertzwanzigtausend Wagen. Von den Pariser Haushalten besitzen zweiundfünfzig Prozent kein Auto. Die Hauptstadt hat die niedrigste Mobilisierungsquote des Landes. Aber zwei Millionen Fahrzeuge aus der näheren und weiteren Umgebung wollen täglich in oder durch die Stadt. Zu Stoßzeiten zählt die Polizei siebenhunderttausend legal geparkte Autos, hunderttausend verboten geparkte und hundertzwanzigtausend in langsamer Bewegung.

Seit einigen Jahrzehnten gilt die alte Pariser Regel nicht mehr, dass Geschäfte nachts beliefert werden müssen. Kein Lieferant wird bestraft, wenn er eine Straße mit nur einer Fahrbahn blockiert. Jeder Polizist sieht tatenlos mit an, dass Autofahrer in Kreuzungen einfahren, auch wenn sie jenseits nicht weiter können. Hundertmal am Tag bricht der Verkehr zusammen, breiten Staus sich minutenschnell von Ampel zu Ampel aus, wird in ohnmächtiger Wut in den Straßenschluchten gehupt.

Eine Milliarde Stunden verwarten Autofahrer alljährlich in Staus. Niemand stellt den Motor ab, und die Menge des im Stadtgebiet verbrannten Treibstoffs ist dadurch binnen eines Jahrzehnts um fünfundzwanzig Prozent auf jährlich 1,1 Milliarden Kubikmeter gestiegen. An Durchgangsstraßen wird alle drei Jahre ein Fassadenputz nötig, trotzdem werden nicht einmal mögliche Verbesserungen durchgesetzt. Die Metro und die RER-Vorortsbahn geben sich Mühe. Aber sie bewältigen den Andrang in Stoßzeiten immer weniger. Die Zahl der Taxis wurde 1967 auf vierzehntausenddreihundert beschränkt und ist seither nur etwa um zweitausend erhöht worden. In den dreißiger Jahren gab es fast doppelt so viele Mietkutschen, aber die Stadtverwaltung nimmt die Drohungen der Taxilobby ernst, dass die Chauffeure bei zusätzlicher Lizenzvergabe mit massiven Verkehrsblockaden reagieren würden. Unter diesen Umständen sind drei Viertel der Vorstadtbewohner entschlossen, weiter das eigene Auto zu nehmen.

Die Stadtregion jenseits der Pariser Grenzpfähle ist riesengroß geworden. Sie umfasst individuell – und planlos – in die Landschaft gesetzte Einfamilienhäuschen, schlichte Vororte aus der Gründerzeit, schnell gebaute Betonslums aus den fünfziger und sechziger Jahren, alte Dorfkerne sowie die Satellitenstädte Marne-la-Vallée, Evry, Melun-Senart, Cergy-Pontoise und Saint-Quentin-en-Yvelines. Setzt man die Grenze bei ihnen an, so hat die Stadtregion sechzig bis achtzig Kilometer Durchmesser und zehn bis zwölf Millionen Einwohner.

Geht man von der Vorstellung aus, dass auch Fontainebleau im Süden und Chantilly im Norden zum Pariser Einzugsgebiet gehören, dann vergrößert sich der Durchmesser der Siedlungsregion auf hundertzwanzig Kilometer. Jeder fünfte Franzose wohnt in der Region. Sie ist Frankreichs wichtigstes Industriegebiet und hat durch ihr Entstehen auch die politische Geografie verändert. Die Hauptstadt selber wurde durch den Wegzug der Arbeiter konservativ und bürgerlich. Dafür entstand in den Vororten ein roter Ring, der bis in die jüngsten Jahre von den Kommunisten beherrscht wurde.

Wer Franzose ist, entscheidet die Geburt oder die Einbürgerung. Pariser zu sein ist eine Frage des Selbstwertgefühls und der Einschätzung durch die Umgebung. Ein Sechstel der Bewohner der Region sind Ausländer. Nicht bloß fünfhundertfünfzigtausend Gastarbeiter sind darunter. Von den zwölfhundert in Frankreich vertretenen deutschen Unternehmen sind mehr als die Hälfte in der Île-de-France ansässig, von siebenhundert amerikanischen Firmen über zweihundert.

Besonders hoch ist der Anteil ausländischer Beschäftigter mit dreißig Prozent in einem Gewerbe, das als besonders pariserisch gilt, der haute couture; während sie dazugehören, haben viele andere Ausländer, besonders wenn sie in kompakten nationalen Gruppen auftreten, wachsende Schwierigkeiten, akzeptiert zu werden. Paris, das die Zuwanderung von Bretonen und Auvergnanten, Deutschen, Italienern und Polen, Spaniern und Portugiesen verkraftete, ist spröde geworden.