Mona Lisa: Einsame Schönheit hinter Panzerglas
Die große Attraktion ist sichtbar geworden
Das Matterhorn kann man jederzeit, außer bei schlechtem Wetter, besichtigen. Mit der Mona Lisa taten sich die meisten jahrzehntelang schwer. Denn man kam an das populärste Kunstwerk der Erde kaum heran. Es gibt Leute gesetzten Alters, die siebzehnmal in Paris und im Louvre waren und es dennoch nie geschafft haben. »Da ist sie«, rief einmal hoffnungsvoll eine Familie aus dem Rheinland, die glaubte, einen Blick der Gioconda aufgefangen zu haben, bevor ihr berühmtes Lächeln wieder in der Brandung versank. Einem muskulösen Skandinavier gelang es, sich ins sechzehnte Glied vorzuarbeiten, dann wurde auch er abgedrängt. Noch weniger Glück hatten zwei italienische Damen, die Menschenmengen nicht ausstehen können und den Kampf deshalb gar nicht aufnehmen wollten. Sie schlichen die jenseitige Wand des Saales entlang, rasch entschlossen, sich wie der Rest der Welt auch hinfort mit Reproduktionen zu bescheiden. Allgemeine Bewunderung war einem agilen Südamerikaner sicher, der schwor, er habe für Sekunden die Glasabdeckung des populärsten Kunstwerks der Erde gesehen. Erst dann habe ihm die geschlossene Phalanx einer japanischen Reisegruppe Blick und Weg verstellt.
Das ist vorbei. Die Mona Lisa hat eine wohlverdiente Solowand erhalten. Sie ist durch eine Schranke und Panzerglas vom Volk geschützt, aber jeder Verehrer kann sie sehen. Er findet sie auch leicht, denn schon von den Eingängen des Louvre weisen Schilder den kürzesten Weg. Eilige Touristen können alles andere links oder rechts hängen lassen. Natürlich bleibt es der Laune des Einzelnen überlassen, ob er beim Eiffelturm oder bei den Katakomben Schlange stehen will. Wer das reglementierte Warten nicht liebt, kann sich auch spontan um die Venus von Milo oder um die Place du Tertre schieben lassen. Auf ihr allerdings herrscht Einbahnverkehr. Wer das Geviert einmal betreten hat, kann weder umkehren noch aussteigen, bevor er den Ausgang erreicht. Auch darin ähnelt der Montmartre von heute einer Geisterbahn.
Letzte Meldung: Ein Londoner Sammler behauptet, er habe die echte Mona Lisa. Was in Paris hängt, sei nur minderwertige Nachahmung. Acht Millionen Besucher im Jahr können eben doch irren.