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Hi!« Amber ließ die Tasche auf den Boden fallen. Der Chauffeur blieb hinter ihr stehen. Amber klappte der Unterkiefer herab. »Mein Gott, Chelsea, schau dich bloß an. Du siehst fantastisch aus!«

Sie schlang die Arme um ihre Schwester. »Danke«, sagte Chelsea und drückte Amber herzlich; es war sehr viel einfacher, Begeisterung zu zeigen, wenn man nicht viermal so schwer war wie die andere Frau. Dann trat sie einen Schritt zurück und fuhr sich verlegen durchs Haar. »Schön, dass du wieder da bist.«

»Wow!« Amber nahm die Sonnenbrille ab und musterte Chelsea von Kopf bis Fuß. Chelseas glänzendes Haar hatte einen neuen Schnitt, ihre Haut strahlte, die Augen funkelten, und ihre Figur … sie trug jetzt höchstens Größe achtunddreißig. »Das ist ja toll. Sieh nur, dein Bauch ist fast so flach wie meiner, und dein Dekolleté ist ein Traum.«

Ja, in Ambers Augen sah Chelsea wirklich großartig aus. Fast zu großartig. Nach Hollywood-Standard war sie noch immer zu füllig, aber der Bauch war wirklich flach und straffer, und die Beine, die immer formlos und voller Dellen gewesen waren, schienen nun rank, schlank und endlos lang. Die Zehen waren pedikürt, und sie trug ein dunkelrotes Neckholder-Kleid, das ihre Sanduhrfigur, die üppige dunkle Mähne, die helle Haut und das dezente Make-up, das Jen ihr aufzulegen beigebracht hatte, noch betonte.

»Wow …«, sagte Amber wieder. »Ich kann es einfach nicht fassen. Du bist so verändert. Und dieses Kleid …«

Chelsea sah verlegen an sich herab. »Oh, das. Tut mir leid. Ich habe mir von dir Sachen geliehen …«

Amber sah sich im Wohnzimmer des Gästehauses um, wo auf dem Boden und über den Sessellehnen überall Kleidungsstücke lagen. Sie lachte. »Mach dir keine Gedanken. Ich habe sie ja nicht gebraucht. Außerdem steht dir die Farbe einfach zu gut. Das habe ich schon immer gesagt.«

Es folgte ein unbehagliches Schweigen, dann lachten beide, und Amber nahm Chelseas Hände in ihre. »Ich freu mich für dich, Chelsea.«

Oh, Mann, kannst du bitte noch etwas gönnerhafter klingen?, dachte Chelsea.

Und dann sagte eine Stimme hinter ihnen: »Mein Gott, Chelsea.« Leo Russell stolzierte herein, das BlackBerry in der Hand, die Sonnenbrille noch auf der Nase. Er lachte. »Sie sehen verdammt umwerfend aus. Was haben Sie mit sich gemacht?«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Mich jeden Tag gequält und nichts gegessen. Horror.«

Amber erstarrte und warf Leo einen entsetzten Blick zu. Es war Gesetz in Hollywood, nie, nie, niemals zuzugeben, dass man etwas dafür tat, schlank zu bleiben. Wer ein Star war, sagte: »Ich liebe es, zu essen!«, »Ich kann nie widerstehen!« oder »Ich habe einfach Glück mit meinem Stoffwechsel. Ich nehme nicht zu!« Zu erklären, dass man sich quälte, joggte, Gewichte stemmte, dass man auf alles verzichtete, was schmeckte, Pillen schluckte und zur Not sogar erbrach, stand unter Todesstrafe.

Aber Leo lachte nur herzlich. »Aber es hat etwas gebracht. Ich liebe Ihre Aufrichtigkeit!«

Chelsea betrachtete ihn. Er war derjenige, für den sie das getan hatte, dessen mitleidiger Blick ihr den nötigen Ansporn ab. Und nun, da sie derart gekämpft und gesiegt hatte, sagte er, er liebe ihre gottverdammte Aufrichtigkeit? Mistkerl!

Aber sie lachte. »Mit Komplimenten gehen Sie nicht gerade verschwenderisch um, nicht wahr? Also – wollen Sie mich zum Vorsprechen einladen? Ich wäre dann so weit.«

»Tja«, sagte Leo und nestelte an seiner riesigen Platin-Rolex, ohne den Blick von ihr zu nehmen, »das sollten wir unbedingt tun.«

»Schön.« Chelseas Augen funkelten. »Wirklich schön. Danke, Leo.«

Amber schwieg zähneknirschend. Was für ein Vorsprechen? Ihre Schwester strahlte vor Aufregung. War ich jemals so aufgeregt wegen eines Vorsprechens? Weil ich einen Film in Los Angeles machen durfte? Chelseas Leidenschaft war mitreißend.


Später im Haupthaus wanderte Amber durch ihre Räume und richtete sich nach der monatelangen Abwesenheit wieder ein. Amber war ungern weg. Sie hatte Hotels satt. Die vielen Jahre auf Tournee als Popstar und die Drehtage an den unterschiedlichsten Orten hatten dafür gesorgt, dass sie einen großen Teil ihres Lebens in anonymen Hotelzimmern gelebt hatte, und diese Zeit wollte sie endlich hinter sich bringen. Sie wollte Ruhe, wollte in einer Umgebung sein, die sie mochte, die Frieden ausstrahlte, wollte sich mit Dingen beschäftigen, die ihr guttaten und die sie liebte.

Aber was waren denn eigentlich die Dinge, die sie liebte?

Sie wusste es nicht mehr genau. Sie hatte seit Monaten nicht mehr gesungen, war nicht mehr mit ihren Hunden am Strand laufen gewesen, hatte eine Ewigkeit nicht mehr mit Freunden bei einem Glas Wein geplaudert und gelacht. Marco und Maria – sie waren längst Geschichte; sie hatte nicht einmal versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Aber sie hatte Freunde auch nicht verdient. Sie verbrachte ihr Leben damit, Filme zu drehen, die ihr nichts bedeuteten und die immer schlechter wurden (der aktuelle, der natürlich alle Merkmale einer typischen Amber-Stone-Komödie besaß, entwickelte sich gerade zu etwas, das gleichzeitig total schlaff und aufgeblasen wirkte, was wahrlich eine beachtliche Leistung war), aber zum Glück war sie endlich wieder zu Hause und konnte sich dem Film The Time of My Life widmen. Leo sollte jetzt das endgültige Drehbuch in den Fingern haben. Vielleicht würde dieser Film ihre Erschöpfung, ihre Mattigkeit vertreiben. Vielleicht konnte auch sie ein wenig von der Leidenschaft entwickeln, die in Chelseas Augen glühte.

Vorsichtig wickelte Amber ihren Schmuck aus. Sie hatte einige wirklich teure Stücke, aber die lagen in einem Banksafe. Diese hier waren schlicht, doch sie bedeuteten ihr viel: eine Kette, die George ihr geschenkt hatte, als sie dreizehn Jahre alt war. Ein Armband mit ihrem Namen von Marco, mit Absicht billig und schäbig. Amber hatte es immer bei sich, obwohl sie es Leo nicht sagte. Sie vermisste Marco noch immer.

Leo stand auf dem Balkon und blickte nachdenklich über das Meer hinaus.

»Woran denkst du?«, fragte sie zögernd.

»Hm? Ich? Ach, an nichts Besonderes«, gab er zurück, aber die Antwort kam zu schnell. Nun kehrte er ins Zimmer zurück und räusperte sich.

Amber hatte plötzlich eine dumpfe Vorahnung, wenn sie auch nicht hätte sagen können, worauf die sich bezog. »Weißt du, ich liebe meine Schwester«, sagte sie und hoffte, dass sie sich locker und leicht anhörte, »aber ich verstehe sie nicht. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer sie ist. Ich habe eine Fremde in meinem Gästehaus, und die trägt auch noch mein heißgeliebtes Roberto-Cavalli-Kleid.«

»Ja, ich weiß«, sagte Leo genüsslich. »Und ihr steht es viel besser, meine Liebe.«

Er hatte Amber damals gesagt, dass sie in dem Kleid zu dick aussah. Ausgerechnet dieses Kleid war der Auslöser dafür gewesen, dass sie anschließend monatelang sieben Tage die Woche mit einem Militärausbilder trainiert hatte.

Wütend knallte Amber den Deckel ihrer Schmuckschatulle zu. Das Armband von Marco lag noch immer daneben, und sie starrte es sehnsüchtig an. Von unten drang Chelseas kehliges Lachen herauf, die am Pool mit Rosita plauderte.

Wieder überlegte Amber, was sie alles aufgegeben hatte, um hierherzukommen.

War es das wirklich wert gewesen?

Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt
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