4

Komm schon, Maggie.« Dereks Hände wanderten über ihre Haut und zeichneten den Ausschnitt ihres Spitzentops nach. Er küsste ihren Hals, und sie schloss die Augen und hätte nichts lieber getan, als ihm nachzugeben. Aber sie konnte jetzt nicht, durfte nicht. Brave Mädchen taten so etwas nicht.

Aber wenn es doch so schön war?

»Nicht hier«, schimpfte Maggie und wand sich auf dem Barhocker. Nigel war früh gegangen – »nächtliches Geschäft«, wie er geheimnisvoll gesagt hatte –, und sie war dabei, den Pub zum Feierabend zu schließen. Derek war geblieben, angeblich, um ihr zu helfen, aber tatsächlich behinderte er sie seit zehn Minuten, indem er sie ständig küsste und seine Hände unter ihr Hemd zu schieben versuchte.

Es war Frühling, und in den wenigen Wochen, die vergangen waren, seit Derek Stone ins Black Horse gestolpert war, hatte er Maggie nahezu unablässig nachgestellt. Seine Unberechenbarkeit trieb die ordnungsliebende Maggie in den Wahnsinn, aber sie war auch aufregend. Nie wusste Maggie, wann und wo sie ihn als Nächstes sehen würde. Mal tauchte er in der Bar mit einem Strauß welkender Freesien auf (»Hast du die vom Frauenklo bei Kettners geklaut?«, hatte Nigel genüsslich gefragt.), ein andermal mit einem kleinen Cupcake vom Bäcker um die Ecke. Oder er brachte ihr ein Frauenmagazin mit, damit sie auf der Fahrt zurück nach Shepherd’s Bush etwas zu lesen hatte. »Das lenkt dich ein wenig ab«, hatte er gesagt und sie dabei sorgenvoll angesehen. Dann schenkte er ihr ein Lächeln, seine blauen Augen funkelten, und ihr Herz setzte aus. Er war wunderschön, verführerisch und ganz Mann.

Dennoch gab sie ihm immer wieder einen Korb.

Denn sie hatte große Angst.

Maggie war noch immer Jungfrau. Sie hatte schon ein paar Jungen geküsst, aber der Gedanke an alles Weitere stieß sie ab. In der Schule in Sheffield hatte sie sich einmal mit David Crouch verabredet, der drei Jahre älter gewesen war als sie. Sie waren ins Kino gegangen, um Tommy zu sehen, und während sie versuchte, sich auf den Film zu konzentrieren und die Musik in sich aufzunehmen, begrapschte David sie unablässig. Einmal nahm er ihre Hand und legte sie sich auf den Schoß, und sie spürte die Schwellung in seiner Hose. Auf dem Nachhauseweg zog er sie in eine Nebenstraße und küsste sie, doch Maggie fand seine Zunge in ihrem Mund zunehmend unappetitlich. Plötzlich versteifte er sich und begann, seinen Unterkörper rhythmisch gegen sie zu pressen, bis er ein paar Sekunden später schließlich mit seltsam gequälter Miene gegen sie sackte und sie entsetzt feststellte, dass sie einen feuchten Fleck vorn auf ihrer Flickenjeans hatte. Angewidert hatte sie ihn von sich gestoßen und war nach Hause gerannt.

Seitdem war sie oft genug von schmierigen Regisseuren »versehentlich« an der Brust gestreift oder in den Hintern gekniffen worden. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, begafft zu werden, aber sie verabscheute es dennoch. Wie konnten sie es wagen, ihr zu sagen, sie hätte das gewisse Etwas nicht, und sie dennoch begrapschen oder zu einem »Drink« zu überreden versuchen? Sie verstand es einfach nicht.

Bei Derek wusste sie immerhin, woran sie war. Sie wusste, dass er sie begehrte. Daran ließ er keinen Zweifel.

»Na, dann gehen wir doch noch woanders einen trinken«, sagte er und strich ihr mit der Hand leicht über die rechte Brust. Sie schauderte und schob seine Hand weg.

»Nein«, sagte sie und warf ihr Haar zurück. »Ich muss nach Hause. Wenn ich jetzt nicht gehe, verpasse ich meine Bahn.«

»Komm mit mir«, sagte Derek. »Ich habe hier gleich um die Ecke ›ne hübsche kleine Bude.«

»Über dem Puff?«, sagte Maggie. »Wofür hältst du mich!«

Derek sah sie gekränkt an. »Über einem Herrenkino. Und es ist wirklich schön dort.«

»Aha. Also tatsächlich über dem Puff«, sagte Maggie. »Nein, danke, Derek.« Sie sah auf die Uhr. »Du solltest jetzt gehen.«

Derek schob die Hände in seine Taschen. »Liebes, du bringst mich um.«

»Du Armer«, sagte sie. »Gute Nacht.«

In den vergangenen Wochen hatte Maggie festgestellt, dass Nigel zum Teil recht hatte. Derek war eine zwielichtige Gestalt. Als er gegangen war und Maggie den Pub abgeschlossen hatte, beschloss sie, zur U-Bahn einen Umweg zu machen. Derek hatte ihr oft genug von seinem Amours du Derek vorgeschwärmt, und sie wanderte über die Brewer Street, blickte in verschiedene Gassen und Nebenstraßen und entdeckte schließlich, was sie gesucht hatte.

Das Neonschild summte laut. Es stellte eine Palme und ein Mädchen im hawaiianischen Baströckchen dar – warum ausgerechnet dieses Bild, war ihr ein Rätsel –, darüber prangte der Name Amours du Derek.Die Doppeltür war verschlossen, sie konnte also nicht hinein, aber sie war dennoch beeindruckt. Also hatte er nicht gelogen. Er besaß tatsächlich ein Theater.


Derek wusste, wie er sie zu nehmen hatte. Als Maggie am nächsten Abend hinter der Theke stand und sich alle Mühe gab, nicht darauf zu hoffen, dass er endlich hereinschneite, wurde die Tür aufgestoßen. Derek trug einen karierten Mantel mit Samtkragen, und seine Goldkette schimmerte im dämmrigen Licht des Pubs. Im Arm hatte er eine Blondine mit Lockenmähne, und während beide auf die Theke zuschlenderten, wanderte seine Hand wie beiläufig zu ihren Rippen, um ihr die Seite der Brust zu liebkosen.

»Daisy, Daisy«, sagte er und knabberte an ihrem Hals. Dann wandte er sich an Maggie, als seien sie alte Kumpels aus Kindertagen: »Hallöchen, meine Liebe. Reich uns mal eine Flasche eures besten Champagners.«

»Sofort«, sagte sie automatisch. Sie würde ihm nicht zeigen, dass sie eifersüchtig war.

»Danke, Püppchen.« Er drückte Daisy herzhaft den Hintern und sagte: »Daisy und ich schauen mal im Hippodrom vorbei, dann geht’s weiter zu Sheekey’s, um ein Häppchen zu essen. Wir bleiben also gar nicht lange.« Er blies nonchalant auf seine Fingernägel.

»Okay«, sagte Maggie und warf das Haar zurück, als sie sich umdrehte und die Gläser holte. »Klingt toll. Dann wünsche ich euch einen schönen Abend.«

»Oh, den werden wir haben«, antwortete Derek fröhlich.

Nigel stand etwas abseits und beobachtete die Szene. Er sagte nichts, aber er sah den hellen Schimmer in Maggies Augen, die Wangen, die sich röteten, und schüttelte resigniert den Kopf. Arme, dumme Maggie. Warum Derek? Warum musste sie sich ausgerechnet in ihn verlieben?


Zwei Wochen lang ließ er sich nicht mehr blicken.

Und als er dann schließlich das Black Horse betrat und sie fragte, ob sie nicht nach Feierabend noch mit ihm etwas essen gehen wollte, zögerte sie allerhöchstens eine Sekunde, bevor sie ja sagte.

Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt
titlepage.xhtml
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_000.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_001.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_002.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_003.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_004.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_005.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_006.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_007.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_008.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_009.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_010.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_011.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_012.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_013.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_014.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_015.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_016.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_017.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_018.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_019.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_020.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_021.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_022.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_023.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_024.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_025.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_026.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_027.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_028.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_029.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_030.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_031.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_032.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_033.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_034.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_035.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_036.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_037.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_038.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_039.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_040.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_041.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_042.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_043.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_044.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_045.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_046.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_047.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_048.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_049.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_050.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_051.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_052.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_053.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_054.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_055.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_056.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_057.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_058.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_059.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_060.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_061.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_062.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_063.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_064.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_065.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_066.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_067.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_068.html
CR!2R6TV3EBQ5075B8JRD9ECBKVQMNR_split_069.html