PROLOG
Einmal ziemlich spät am Abend kam ein junger Mann in den Massagesalon auf der Caledonian Road in Tottenham, London, wo ich arbeitete. Er hatte zwei Freunde dabei. Sie waren alle betrunken, aber er wirkte ruhig. Er war klein, hatte hellbraunes Haar und war stämmig. Er war Anfang zwanzig und Engländer.
Ich saß am Empfang, wie üblich. Die Kunden kommen rein, mustern die Mädchen, die noch nicht mit einem Freier beschäftigt sind, und suchen dann eines aus, mit dem sie mitgehen wollen.
Mit nur mäßigem Interesse betrachtete ich den Jungen. Für mich waren sie alle gleich, diese Männer, die sich hier ein Stück Fleisch zum Ficken aussuchten. Aber die Nacht war bisher ziemlich ruhig gewesen für mich, und wenn ich nicht bald einen Kunden abbekam, würde ich Ärger kriegen. Mein Zuhälter Ardy wartete auf mich, wie er das immer tat. Er würde mir das Geld abnehmen, das ich im Lauf des Abends womöglich verdiente, aber auch um aufzupassen, dass ich nicht abhaute. Wenn ich ihm weglief, würde seine Einkommensquelle mit mir verschwinden, und er hatte in aller Deutlichkeit erklärt, er würde mich jagen und mich umbringen, falls das passierte. So wie die Dinge lagen, konnte aber schon eine ruhige Nacht bedeuten, dass ich bestraft wurde, weil ich es nicht geschafft hatte, Ardys Taschen in angemessener Weise zu füllen.
Der Junge starrte mich an. Er hatte den glasigen Blick eines Betrunkenen, aber er war jung, also würde er sich vielleicht mit Handentspannung oder Französisch zufriedengeben. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er mir zu.
»Kommst du?«, fragte er.
»Klar. Wieso nicht?«, antwortete ich.
»Du bist keine Engländerin«, stellte er fest. »Wo kommst du her?«
»Aus der Türkei«, log ich. Die Geschichte erzählte ich jedem. Es war irgendwie einfacher. Wie sollte ich auch einem die Wahrheit sagen über das, was mir passiert war?
Als wir in die kleine Massagekabine gingen, versuchte er, mir an den Hintern zu fassen.
»Lass das«, sagte ich entschieden.
»Ja, klar. Das magst du nicht.«
»Genau.«
Ich schloss die Tür. »Eine halbe Stunde kostet fünfundvierzig Pfund.«
Er fischte in seinen Taschen und reichte mir ein paar zerknitterte Geldscheine. Ich nahm sie. »Ich muss das Geld am Empfang abgeben, aber ich bin gleich wieder da.« Ich ging raus, und als ich ein paar Minuten später wiederkam, saß der Junge auf dem Stuhl neben dem Massagetisch. »Also, willst du eine Massage?«, fragte ich ihn.
»Nein. Ich will dich einfach ficken.«
Ich musterte ihn. Es war deutlich zu sehen, dass er betrunken war. Ich hatte gelernt, bei solchen Männern vorsichtig zu sein – die waren für so manche Überraschung gut, konnten sich übel benehmen –, aber trotzdem war ich einigermaßen schockiert. Er sah noch so jung aus.
»Willst du nicht lieber eine schöne, sanfte Massage?«, fragte ich gedehnt. Es war besser für mich, damit anzufangen.
»Nein. Zieh dich einfach aus.«
Ich wollte ja tun, was er verlangte, aber ruhig und ernsthaft, um es sachte anzugehen. »Na schön. Willst du dich nicht auch ausziehen?«
»Nein. Zieh du dich zuerst aus.«
Ich knöpfte mein Kleid auf. Als ich es auf den Boden fallen ließ und nur noch in Unterwäsche dastand, bekam ich auf einmal Angst. Er war zu kalt und zu dominierend für meinen Geschmack. Wieso wollte er sich nicht ausziehen? Hatte er etwas in seinen Taschen versteckt? Er nickte zufrieden, als ich halbnackt vor ihm stand.
»Leck mich«, sagte er.
Ich nahm ein Kondom aus der Schachtel neben der Liege.
»Nein. Kein Kondom.«
»Das ist die Regel.«
»Aber ich gebe dir einen Hunderter.«
»Das ist mir egal. Entweder mit Kondom oder gar nicht.«
»Ach, komm schon. Ich bin sauber.«
»Nein. Wenn du nicht willst, dann such dir ein anderes Mädchen.«
Der Junge schwieg, als ich mich vor ihn hinkniete. Ich hatte Mühe, ihm das Kondom überzuziehen, weil er noch nicht so weit war, also versuchte ich, mit der Hand nachzuhelfen.
»Hast du viel getrunken heute?«, fragte ich.
»Nicht so viel. Wieso, wo ist das Problem?«
»Na ja, du wirst nicht richtig steif.«
»Ach Scheiße, du bist doch eine Nutte. Das ist immerhin dein Job.«
Sein Ton gefiel mir nicht. Instinktiv spürte ich, dass ich ihn ablenken musste, also gab ich mir Mühe, vernünftig zu klingen. »Ich weiß, aber wenn du viel getrunken oder Drogen genommen hast, geht es nicht.«
Er schob mich weg. »Ich weiß schon, wie ich das hinkriege«, nuschelte er. Er streifte sich das Kondom über den halbsteifen Penis. Dann stand er auf, und ehe ich mich versah, hatte er mich umgedreht, so dass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Auf einmal war er ganz energisch und drückte mich nach unten, während ich über dem Massagetisch lehnte und mein Hintern sich ihm entgegenreckte. Mit der einen Hand hielt er mir den Kopf fest, so dass sich meine Wange gegen den billigen Baumwollbezug auf dem Tisch presste. Dann griff er mir in die Haare und packte mit der anderen Hand meine Hüfte. Er presste sich an mich, und ich spürte, dass sich jetzt was bei ihm regte – er hatte einen Ständer. Wieder und wieder stieß er gegen mich, und schließlich gelang es ihm, in mich einzudringen.
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, mich zu wehren – ich wusste, es wäre sinnlos. Er war stark und entschlossen. Gegen ihn hatte ich keine Chance.
Er fing an, sich hin und her zu bewegen, sein Unterleib klatschte gegen meinen Hintern.
»Sag mir, dass du gefickt werden willst«, forderte er plötzlich. »Sag mir, dass du eine Schlampe bist, eine Nutte.«
Ich schwieg. Reichte es nicht, dass ich das hier ertragen musste?
»Sag es.«
»Nein.«
»Doch.«
Er zog mich an den Haaren und fing an, mir auf den Hintern zu schlagen. »Sag es, oder ich mache immer weiter. Na los. Sag es. Du bist ein Dreckstück, eine Schlampe, eine Scheißnutte.«
Das wollte ich nicht sagen, das konnte ich nicht sagen.
»Nein«, flüsterte ich, als er fester und immer fester in mich stieß.
»Sag es«, sagte er, und ich spürte einen dumpfen Schmerz im Magen.
»Nein.«
»Du bist eine Nutte.«
Er packte meinen Kopf, als er seinen Penis immer härter in mich hineinrammte.
»Sag es.«
Wut stieg in mir hoch.
»Sag es.«
»Nein.«
»Sag es einfach!«, brüllte er.
Er tat mir so weh. Mit dem Unterleib stieß ich immer wieder gegen die Kante des Massagetischs. Ich wollte nur noch, dass er aufhörte – wollte nur noch, dass das Geschrei aufhörte. Meine Wut verflog.
»Ich bin eine Nutte«, sagte ich.
»Noch mal!«, rief er.
»Ich bin eine Schlampe.« Meine Stimme war vollkommen ausdruckslos.
Mit einem Aufstöhnen hörte er auf, sich über mir zu bewegen, und ich griff nach unten, um das Kondom zu nehmen, ihn wegzuschieben und mein Kleid aufzuheben. Der Junge sah mich nicht an, als er unter die Dusche ging. Später, als er rauskam und sich angezogen hatte, drehte er sich zu mir um und hielt mir fünf Pfund hin.
»Tut mir leid«, sagte er und konnte mir dabei nicht in die Augen sehen.
»Geh einfach«, sagte ich. »Ich will dein Geld nicht.«
Der Junge sagte nichts, als er ging. Schnell setzte ich mich; ich spürte, dass meine Beine ganz kraftlos wurden.
»Ich ertrage das nicht«, flüsterte ich, den Kopf in die Hände gestützt. »Ich ertrage dieses Leben einfach nicht mehr. Lieber wäre ich tot, als das hier zu ertragen.« In meiner Vorstellung sah ich Blut, tief im Herzen spürte ich Aggressionen, und zum ersten Mal hatte ich Angst, dass ich nicht unter Kontrolle halten könnte, was da aus mir herausbrechen wollte. Ich hatte keine Ahnung, wozu ich fähig wäre, sollte ich den Jungen wiedersehen. Schweigend saß ich da, starrte die Wand an und versuchte, das Tier wegzuschieben, das da von innen an mir nagte.
Ich wusste, ich würde diesen Kampf gewinnen müssen. Mein Überlebenswille war immer noch stark. Es ging einfach nicht anders. Ich musste nach Hause zu meinen Kindern. Sie waren das Einzige, was mir durch dieses furchtbare Elend und diese ganze Gewalt hindurchhalf. Ich hatte gelitten. Ich hatte ihnen gesagt, Mami würde nach Hause kommen, und ich wusste, ich musste überleben, wenn ich mein Versprechen halten wollte.