25
In acht Tagen war der kürzeste Tag des Jahres. Die Klinik würde über die Feiertage ihre Pforten schließen und erst Anfang des neuen Jahres wieder aufmachen. Bis dahin mussten die Patienten ihre Probleme auf Eis legen. Wenn sie dann zurückkehrten, war vermutlich auch Reuben zurück, um sie willkommen zu heißen – vorausgesetzt, Frieda teilte Paz mit, dass er wieder einsatzfähig sei. Deswegen steuerte sie nun an einem Sonntagnachmittag auf sein Haus zu, angeblich, um ihm ein paar Aktenordner zu bringen, die er in seinem Behandlungsraum vergessen hatte. Allzu lange würde er ihr das allerdings nicht abkaufen. Schließlich hatte sie es immer noch mit Reuben zu tun – seinem kühlen, prüfenden Blick und seinem spöttischen Lächeln.
Bevor sie die Hand heben konnte, um zu klopfen, flog die Tür auf, und Josef stürmte heraus, beladen mit einem Berg zerbrochener Bretter. Er eilte an ihr vorbei auf den bereits überquellenden Container zu, der, wie sie erst jetzt registrierte, am Straßenrand stand. Nachdem er seine Last hineingeworfen hatte, rieb er sich den Staub von den Händen und kehrte zum Haus zurück.
»Was tun Sie denn hier? Heute ist Sonntag.«
»Sonntag, Montag, wer weiß denn schon, was für ein Wochentag gerade ist!«
»Ich weiß es, und Reuben weiß es auch. Hoffe ich zumindest.«
»Gehen Sie ruhig rein. Er liegt auf dem Küchenboden.«
Zögernd trat Frieda durch die Haustür. Nach ihrem letzten Besuch wusste sie nicht recht, was sie erwartete. Überrascht schnappte sie nach Luft. Man merkte, dass Josef schon eine Weile dort arbeitete. Der Mief der Vernachlässigung war gewichen, und an seine Stelle war der beißende Geruch von Terpentin und Farbe getreten. Die vielen Flaschen, Dosen und verkrusteten Teller waren verschwunden, die Vorhänge zurückgezogen. Doch damit nicht genug: Die Diele wirkte frisch gestrichen, und die Küche wurde gerade abgebaut. Die alten Schränke hatten sie herausgerissen, und ein neuer Rahmen für eine in den Garten führende Tür war bereits eingebaut. Draußen auf dem schmalen Rasenstreifen qualmten die Überreste eines Feuers vor sich hin. Und tatsächlich lag da Reuben auf dem Küchenboden, halb unter einem neuen Porzellanspülbecken verborgen.
Frieda war so überrascht, dass sie ihn einen Moment lang mit offenem Mund anstarrte. Unter seinem schönen, etwas nach oben gerutschten Leinenhemd blitzte ein Stück Bauch hervor. Von seinem Kopf war nichts zu sehen.
»Bist das wirklich du?«, fragte sie schließlich.
Die Füße in den lila Socken zuckten, und langsam schlängelte sich der Körper unter der Spüle hervor, bis schließlich auch der Kopf zum Vorschein kam. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, erklärte Reuben.
»Du bist in flagranti erwischt worden. Do it yourself? Noch dazu an einem Sonntagnachmittag! Demnächst wirst du auch noch dein Auto selber waschen.«
Er richtete sich auf und zog sein Hemd zurecht. »Das ist kein richtiges DIY. Zumindest nicht im engeren Sinn. Du kennst mich doch: Auf mich allein gestellt, bin ich nicht mal in der Lage, eine Glühbirne auszuwechseln. Ich helfe bloß Josef.«
»Das hoffe ich. Ihn am Wochenende arbeiten zu lassen! Zahlst du ihm wenigstens den doppelten Lohn?«
»Ich zahle ihm gar nichts.«
»Wie bitte?«
»Reuben ist mein Vermieter«, meldete sich Josef zu Wort. »Er gibt mir ein Dach über dem Kopf und dafür …«
»Repariert er es«, ergänzte Reuben, während er leicht schwankend aufstand. Lachend wandten sich beide Männer Frieda zu, um zu sehen, wie sie reagierte. Offenbar hatten sie diesen kleinen Witz vorab geprobt.
»Sie sind hier eingezogen?«
Josef deutete auf den Kühlschrank. Frieda entdeckte ein Foto mit Eselsohr, das per Magnet an der Tür befestigt war: eine dunkelhaarige Frau auf einem Stuhl, flankiert von zwei in steifer Haltung posierenden Jungen. »Meine Frau, meine Söhne.«
Frieda sah Josef an. Eine Hand an sein Herz gepresst, wartete er auf ihren Kommentar.
»Sie sind ein Glückspilz«, sagte sie.
Woraufhin er eine Zigarettenschachtel aus der Hemdtasche zog und sie erst Reuben hinhielt, ehe er sich selbst eine herausnahm. Reuben holte sein Feuerzeug hervor und zündete beide an. Befremdet sah Frieda ihnen zu. Zwischen den zwei Männern herrschte irgendeine Art stillschweigendes Einvernehmen, als würden sie sich insgeheim über Frieda lustig machen. Als wären sie zwei ungezogene Lausbuben und Frieda die strenge Erwachsene.
»Tee, Frieda?«, fragte Reuben.
»Ja, bitte. Wobei ihr mir ruhig etwas von dem Wodka anbieten könntet, den ihr da unter dem Spülbecken versteckt habt.«
Die beiden Männer schauten sich an.
»Du bist hier, um mich auszuspionieren«, stellte Reuben fest. »Um herauszufinden, ob ich wieder einsatzfähig bin.«
»Und? Bist du?«
»Mein Niedergang ist quasi der Tod deiner Vaterfigur«, verkündete Reuben theatralisch, »also genau das, was du dir schon so lange wünschst.«
»Was ich mir wünsche, ist, dass die Vaterfigur erst wieder zur Arbeit erscheint, wenn sie wirklich so weit ist, und nicht vorher.«
»Heute ist Sonntag. Ich kann mich am Sonntag betrinken und trotzdem am Montag zur Arbeit gehen. Ich kann mich sogar am Montagmorgen betrinken und dann zur Arbeit gehen, wenn mir danach ist. Du bist nicht mein Aufpasser.«
»Ich mache uns mal Tee«, meinte Josef verlegen.
»Ich will keinen Tee!«, herrschte Reuben ihn an. »Die Engländer meinen immer, Tee wäre ein Allheilmittel.«
»Ich bin aber kein Engländer«, gab Josef zu bedenken.
»Es war keineswegs mein Herzenswunsch herzukommen«, erklärte Frieda.
»Warum bist du dann gekommen? Weil man es dir befohlen hat? Bist du geschickt worden? Von der eifrigen jungen Paz? Das klingt gar nicht nach der Frieda Klein, die ich kenne. Meine Frieda Klein tut, was sie will.« Er ließ seine Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. Josef beugte sich hinunter, hob die Kippe auf und trug sie zum Mülleimer.
»Dein Privatleben ist deine Sache, Reuben. Du kannst meinetwegen den ganzen Tag Wodka trinken und dein Haus zumüllen, wenn du meinst. Aber du bist Arzt. Es ist deine Aufgabe, Menschen zu heilen. Manche von den Leuten, die in die Klinik kommen, sind sehr verletzlich, sehr instabil, und sie vertrauen uns. Wir lassen dich erst wieder arbeiten, wenn wir uns darauf verlassen können, dass du deine Macht nicht missbrauchst. Und es ist mir völlig egal, wie wütend du auf mich bist.«
»Ich bin sogar sehr wütend.«
»In Wirklichkeit tust du dir nur selber leid. Ingrid hat dich verlassen, und nun hast du auch noch das Gefühl, von deinen Kollegen schlecht behandelt worden zu sein. Aber Ingrid hat dich verlassen, weil du ihr über Jahre hinweg mit wechselnden Geliebten untreu warst, und deine Kollegen haben lediglich auf die einzig mögliche Art auf dein Verhalten in der Klinik reagiert. Deswegen bist du so wütend. Weil du genau weißt, dass du im Unrecht bist.«
Reuben öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, hielt dann jedoch abrupt inne. Stöhnend zündete er sich eine weitere Zigarette an und setzte sich an den Küchentisch. »Du lässt einem Mann keinen Platz zum Verstecken, was, Frieda?«
»Brauchst du denn einen Platz zum Verstecken?«
»Natürlich. Braucht den nicht jeder?« Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Seit er in Zwangsurlaub war, hatte er es nicht mehr schneiden lassen, so dass es ihm mittlerweile bis über die Schultern fiel und er noch mehr aussah wie ein Dichter nach einer durchzechten Nacht. »Kein Mensch mag es, wenn man ihn beschämt.«
Frieda ließ sich ihm gegenüber nieder. »Apropos«, sagte sie, »ich habe ein paar Sachen angestellt, von denen ich dir erzählen möchte.«
Er lächelte sie zerknirscht an. »Ist das jetzt dein quid pro quo, damit ich mich wieder besser fühle? Ein Austausch von Peinlichkeiten? Meine gegen deine?«
»Ich würde gern etwas mit dir durchsprechen«, erklärte Frieda, »wenn es dir recht ist.«
»Es ist mir recht«, antwortete er. »Es kommt nur völlig unerwartet.«
Am darauffolgenden Dienstag erzählte Alan Frieda eine Geschichte, sprach dabei aber ganz anders als sonst. Normalerweise verhaspelte er sich oft und sprang zeitlich vor und zurück, weil ihm immer wieder etwas einfiel, das er ausgelassen hatte. Diesmal jedoch erzählte er flüssig, und seine Geschichte wirkte strukturiert und kohärent. Frieda kam sie irgendwie einstudiert vor, als hätte er sie schon mehrmals aufgesagt. Bestimmt war er sie im Geiste etliche Male durchgegangen, um alle Unsicherheiten und Widersprüche zu eliminieren.
»Gestern Vormittag …«, begann er, nachdem er die Beine erst in die eine Richtung und dann in die andere übereinandergeschlagen hatte. »Gestern Vormittag musste ich ein Bauprojekt überprüfen. Obwohl ich ja eigentlich beurlaubt bin, schaue ich doch ab und zu im Amt nach dem Rechten. Es gibt ein paar Dinge, über die nur ich Bescheid weiß. In diesem Fall betraf das eine Baustelle in Hackney, einen umgebauten Büroblock nahe dem Eastway. Kennen Sie die Gegend?«
»Das ist nicht wirklich meine Ecke von London«, entgegnete Frieda.
»Es geht dort gerade ein bisschen chaotisch zu, weil doch das ganze Zeug für Olympia gebaut wird. Es ist, als würde auf den Trümmern einer alten Stadt im Eilverfahren eine neue errichtet. Und da sie die Deadline nicht nach hinten hinausschieben können, schicken sie einfach immer mehr Leute hin. Jedenfalls beschloss ich, eine Runde spazieren zu gehen, nachdem ich dort fertig war. Ich brauchte trotz der Kälte noch ein bisschen frische Luft, einfach, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ehrlich gesagt wird mir im Moment jedes Mal etwas schummrig, wenn ich in der Arbeit vorbeischaue. Ich ging also den Kanal entlang und bog dann in Richtung Victoria Park ab. Ich empfand es fast als Wohltat, mal in einer ganz anderen Gegend als sonst herumzuspazieren. Im Park waren etliche Leute unterwegs, aber niemand außer mir hing einfach nur herum. Alle schienen es eilig zu haben und steuerten in strammem Tempo und mit gesenktem Kopf auf irgendein Ziel zu. Nur ich hatte kein Ziel. Zumindest kam es mir so vor. Obwohl ich mir die Leute gar nicht so genau ansah. Ich setzte mich eine Weile auf eine Bank, gleich neben dem Bowlingplatz, und dachte über die vergangenen Wochen nach, wobei ich mich fragte, was mir wohl noch alles bevorstand. Ich fühlte mich ziemlich müde. Mittlerweile bin ich eigentlich ständig müde. Jedenfalls war mir immer noch leicht schummrig. Von meiner Bank aus konnte ich ein paar von den Kränen erkennen, die in Richtung Stratford und Lee Valley Park stehen. Ich stand auf und schlenderte zwischen den Teichen entlang. Es gibt dort einen Musikpavillon und einen Brunnen. Alles wirkte verlassen und für den Winter bereit. Ich kam auf der anderen Parkseite heraus, überquerte die Straße und sah mir die Schaufenster an. Dabei stieß ich auf einen Laden mit Antiquitäten – obwohl Antiquitäten in dem Fall vielleicht ein wenig zu hoch gegriffen ist. Im Grunde war es hauptsächlich Krimskrams. Früher habe ich viele alte Möbel gekauft. Ich bildete mir immer ein, ein Auge für besondere Stücke zu haben. Carrie hasst das. Ihr wäre es am liebsten, ich würde das ganze Zeug, das ich schon habe, möglichst schnell wieder loswerden, statt weitere Sachen zu kaufen. Trotzdem macht es mir immer noch Spaß, durch solche Läden zu stöbern und mir anzuschauen, welche Preise die Leute verlangen. In der besagten Straße gab es ein paar urige alte Geschäfte, unter anderem eine Eisenwarenhandlung voller Schrubber und Metallkübel und einen seltsamen Klamottenladen, in dem nur Kleidung für Omas hing, lauter altmodische Strickjacken und Tweedmäntel. Bestimmt fragen Sie sich, warum ich Ihnen das alles erzähle?« Frieda gab im keine Antwort. »Jedenfalls stand ich gerade vor einem weiteren Krimskramsladen, vollgestopft mit altem Krempel, bei dem normalerweise kein Mensch auf die Idee käme, ihn zu kaufen oder zu verkaufen. Ich weiß noch, dass ich eine ausgestopfte Eule anstarrte, die auf einer Art künstlichem Ast saß, und schon halb überlegte, ob Carrie wohl einen weiteren toten Vogel im Haus dulden würde. Während ich da so stand und starrte, kam eine Frau auf mich zu. Anfangs schenkte ich ihr gar keine Beachtung. Sie marschierte einfach nur durch mein Gesichtsfeld, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie trug eine Jacke in einem knalligen Orange, einen sehr kurzen, engen Rock und dazu diese hochhackigen Stiefel.«
Alan wechselte verlegen die Sitzposition und senkte den Blick. Dann erzählte er weiter, sah Frieda dabei aber nicht mehr an.
»Plötzlich begriff ich, dass sie mit mir redete. Sie sagte: ›Wen haben wir denn da?‹, und drängte sich an mich.« Alan stockte einen Moment. »Sie schlang die Arme um mich und küsste mich. Sie… es war ein richtiger Kuss. Mit Zunge und allem Drum und Dran. Wissen Sie, wie das ist, wenn man im Traum seltsame Dinge erlebt und sie einfach geschehen lässt, ohne sich dagegen zu wehren? So war das in dem Moment auch. Deswegen habe ich die Frau auch nicht weggeschoben. Ich kam mir vor wie in einem Film oder so. Als würde das gar nicht wirklich mir passieren, sondern einer anderen Person.« Er schluckte krampfhaft. »Dabei hatte ich schon blutige Lippen. Nach einer Weile ließ sie von mir ab. Sie sagte: ›Ruf mich an. Wir haben uns lange nicht gesehen. Habe ich dir denn gar nicht gefehlt?‹ Dann war sie weg. Ich stand da wie angewurzelt und beobachtete, wie sie in ihrer orangeroten Jacke davonstöckelte.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Geht es noch weiter?«, fragte Frieda schließlich.
»Reicht Ihnen das denn noch nicht? Eine Frau, die ich nicht kenne, kommt auf mich zu und küsst mich! Was wollen Sie mehr?«
»Wie haben Sie sich danach gefühlt?«
»Am liebsten wäre ich ihr hinterhergelaufen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte dieser Film nicht so schnell zu enden brauchen. Aber ich bin stehen geblieben, und dann war sie weg, und ich wurde wieder ich selbst – der langweilige alte Alan, der nie etwas wirklich Aufregendes erlebt.«
»Wie hat die Frau ausgesehen?«, fragte Frieda. »Oder haben Sie nur Jacke, Rock und Stiefel wahrgenommen?«
»Sie hatte langes Haar. Rötlich blond. Und klimpernde Ohrringe.« Alan fasste an seine eigenen Ohrläppchen. Er hüstelte und lief rot an. »Einen großen Busen. Und sie roch nach Zigaretten und irgendetwas anderem.« Er rümpfte die Nase. »Hefe oder so was in der Art.«
»Und ihr Gesicht?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie haben ihr Gesicht nicht gesehen?«
Er starrte sie bestürzt an. »Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich glaube, sie war …« – er musste husten – »… recht gut aussehend. Es ist alles so schnell gegangen. Außerdem hatte ich die meiste Zeit die Augen zu.«
»Sie hatten also eine erotische Begegnung auf der Straße. Mit einer wildfremden, quasi gesichtslosen Frau.«
»Ja«, antwortete Alan. »Dabei bin ich eigentlich gar nicht der Typ für so was.«
»Ist das Ganze wirklich passiert?«
»Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Womöglich bin ich einfach nur auf der Parkbank eingeschlafen und habe es geträumt.«
»Haben Sie es genossen?«
Alan überlegte einen Moment. Dabei sah er aus, als müsste er sich ein Grinsen verkneifen. »Ich war erregt, falls Sie das meinen. Doch, ja. Und das ist ziemlich schlimm, ganz egal, ob es wirklich passiert ist oder nicht. Schlimm ist es so oder so, auf die eine oder andere Weise. Stellen Sie sich vor, was Carrie dazu sagen würde!«
»Sie haben es ihr nicht erzählt?«
»Nein! Nein, natürlich nicht. Wie kann ich ihr erzählen, dass ich mich, obwohl wir beide schon seit Monaten keinen Sex mehr haben, von einer attraktiven Frau mit großem Busen habe küssen lassen, nun aber nicht mehr weiß, ob es wirklich passiert ist oder nur ein Wunschtraum von mir war?«
»Können Sie sich irgendeinen Reim auf die ganze Geschichte machen?«
»Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich mich immer als unsichtbar empfunden habe. Die meisten Leute nehmen mich kaum wahr, und wenn doch, dann nur, weil sie mich mit jemand anderem verwechseln. Als mir die Sache mit dieser Frau passiert ist, war wohl ein klitzekleiner Teil von mir versucht, mit ihr mitzugehen und in die Rolle des Mannes zu schlüpfen, mit dem sie mich verwechselt hat. Es klang ganz danach, als hätte er mehr Spaß als ich.«
»Was wollen Sie jetzt von mir hören?«
»Hinterher war ich ganz durcheinander, und dann schoss mir plötzlich durch den Kopf: Das ist genau die Sorte Geschichte, die Dr. Klein eigentlich von mir hören möchte. Ich glaube, das meiste von dem, was ich Ihnen bisher erzählt habe, war ziemlich langweilig. Dieses Erlebnis aber fand ich richtig schräg. Fast schon ein bisschen unheimlich. Deswegen dachte ich mir, es könnte genau das Richtige für Sie sein.«
Über diese Bemerkung musste Frieda gegen ihren Willen lächeln. »Sie glauben, ich interessiere mich für schräge, unheimliche Dinge?«
Er ließ den Kopf in die Hände sinken. Zwischen seinen Fingern hindurch sagte er: »Früher war alles so einfach. Jetzt ist auf einmal gar nichts mehr einfach. Ich weiß nicht mal mehr, wer ich eigentlich bin. Oder was real ist und was sich nur in meinem Kopf abspielt.«