Ein Teil von mir mochte akzeptiert haben, dass ich die Tochter eines Dämons und eines Engels war, aber während ich das Crave mit dem Dolch in meiner Tasche betrat, fühlte ich mich einfach nur menschlich und verängstigt. Vielleicht hätte ich Kraven erzählen sollen, was ich war und was ich wusste. Bishop war raus, doch vielleicht hätte der Dämon geholfen. Er war auch Teil der Mission.
Allerdings war jetzt keine Zeit mehr, ihn zu holen. Außerdem wäre er nach der Kraft, die ich in meinen elektrischen Schlag gelegt hatte, wahrscheinlich für Stunden bewusstlos. Mein Blick fiel auf ein bekanntes Gesicht am Rande der Tanzfläche. Fast hätte ich ihm zugewinkt, aber ich hielt mich rechtzeitig zurück. Ich hatte heute Morgen seine Gefühle verletzt. Seinem Gesicht nach zu urteilen, würde er wahrscheinlich nie wieder mit mir reden. Colin sah zuerst weg und lächelte einem hübschen Mädchen zu, das ich von der Schule kannte. Vielleicht glaubte er, dass es mich eifersüchtig machen würde, doch stattdessen hoffte ich, dass er an jemand anderem interessiert war. Jemand, der eine weniger gefährliche Gesellschaft war als ich.
Zack!
Carly glitt mit ihren Händen über Bishops Schultern und schaute ihm in die Augen. Er warf einen Blick ans andere Ende der Lounge.
Natalie wartete in ein paar Metern Entfernung und beobachtete die beiden genau. Ihre Lippen umspielte ein düster zustimmendes Lächeln.
„Küss mich“, sagte Bishop.
„Okay.“ Carly grinste ihn an und zog ihn an seinem TShirt näher an sich heran. Ihr Blick konzentrierte sich auf seinen Mund.
Zack!
Es gab keine Zeit zu verlieren. Mein Herz raste, als ich zwei Stufen auf einmal nehmend die Lounge erreichte. Dort ignorierte ich alles und jeden um mich herum und steuerte ohne Umschweife auf die beiden zu. Gerade rechtzeitig, bevor sich ihre Lippen berührten, packte ich Carly am Arm und riss sie von Bishop weg. Ich war wohl stärker als gedacht, denn sie taumelte zurück gegen die Glaswand und starrte mich schockiert an. „Was zur Hölle …“, stammelte sie. „Wo kommst du denn jetzt her?“
„Das scheint die Frage der Woche zu sein.“ Ich stand vor Bishop und hielt ihn von Carly fern, falls er auf irgendwelche Gedanken käme. Ich spürte seinen wütenden Blick in meinem Rücken. Er war nahe genug, dass ich seinen Atem auf meiner Haut fühlen konnte. „Bleib weg von ihm.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Ich habe gehört, dass du dich diese Woche an Colin herangemacht hast. Ist es da nicht nur fair, wenn ich es mit dem Typen mache, an dem du interessiert bist?“
Ich funkelte sie an. „Versuche nicht, das zu rechtfertigen.“ „Ich dachte, wir wären beste Freundinnen.“
„Das dachte ich auch.“ Was sie sagte, versetzte mir einen Stich ins Herz. Sie hatte glasige Augen, und ich wusste, dass ich jetzt nicht zu ihr durchdringen konnte. Sie begriff nicht, dass das falsch war.
Schließlich sprach Bishop. „Verdammt, Samantha. Du solltest nicht hier sein.“
Ich drehte mich so weit herum, dass ich ihn anschauen konnte, und mir wurde es eng in der Brust. Das letzte Mal, als ich ihn angesehen hatte, wollte ich ihn verzweifelt küssen. Seit letzter Nacht hatte sich nicht viel geändert. Das wollte ich immer noch. Seine Gesichtszüge wurden weicher, und seine dunklen Brauen zogen sich zusammen. Man konnte mir meine Gefühle wahrscheinlich vom Gesicht ablesen. Das Mädchen, das Romantik ignorierte, um schmerzvolle Erlebnisse zu vermeiden, war direkt in den Bienenkorb gesprungen.
„Ich sollte nicht hier sein?“ Ich atmete unregelmäßig und bemühte mich, ruhig zu klingen. „Aber ich liebe diesen Club. Neuerdings bin ich fast jeden Abend hier. Ein großes Vergnügen.“
Wenn man unsicher, zu Tode verängstigt und von einer wirklich fatalen Anziehung geplagt ist, hilft nur noch Sarkasmus.
„Das hier ist nicht deine Angelegenheit.“ Trotz seiner Worte hörte ich seine Verletzlichkeit aus der Stimme heraus. Er hatte nicht erwartet, dass ich hier auftauchen würde, um ihn zu stoppen, und war darauf vorbereitet, dass dies für ihn das Ende sei. Mich wiederzusehen schien ihn zutiefst erschreckt zu haben. Zwar hatte er Carly gebeten, ihn zu küssen, doch jetzt ruhte sein Blick auf mir.
„Sieht so aus, als wäre das mit uns nichts Exklusives, was?“ Ich versuchte witzig zu klingen, aber das klappte nicht sehr gut. „Du willst noch andere treffen. Ich verstehe. Ich meine, ich werfe es dir nicht vor. Letzte Nacht – das hätte nicht passieren dürfen.“ Ich las in seinem Blick denselben Schmerz, den ich empfand, und er sah auf meinen Mund. Dieser Kuss hatte also nicht nur mich süchtig gemacht. Dennoch würde ich ihn nicht noch einmal küssen, da ich ihn damit vollkommen vernichten könnte. Trotzdem konnte ich an nichts anderes denken.
„Du solltest nicht hier sein“, wiederholte er noch einmal. „Du genauso wenig.“
Frustriert stöhnte er auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich bin genau da, wo ich sein muss.“
Ich ließ Natalie nicht aus den Augen, seit ich hier angekommen war, um zu verhindern, dass sie flüchtete. Sie hatte es jedoch nicht einmal probiert. Sie beobachtete meine Auseinandersetzung mit Carly und Bishop mit wachsendem Interesse. Stephen war auch da und stand wie ein guter und gehorsamer Lakai neben ihr. Es waren noch weitere Grays dort – sechs Jungen und zwei Mädchen –, die uns mit ausdruckslosen Gesichtern musterten. Sonst hatten sie immer wie normale Teenager gewirkt. Heute taten sie das nicht. Mir fiel auf, dass ihre Augen alle schwarz waren.
Ich drehte mich zu Bishop um. Seine Miene war düster. „Verschwinde jetzt, Samantha. Du musst hier nicht hineingezogen werden.“
Er klang wie ein Befehl, aber aus seiner Stimme hörte ich auch Unsicherheit heraus. Ich musste nicht seine Gedanken lesen, um zu wissen, was er gerade dachte. Ihm war klar, dass wir uns zum letzten Mal sähen, wenn ich jetzt abhaute.
„Ich weiß, was du vorhast“, sagte ich so leise, dass nur er mich verstehen konnte.
Er biss die Zähne zusammen und schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Bitte geh einfach.“
„Ich kann das nicht tun. Es gibt noch einen anderen Weg.“
„Nein, den gibt es nicht.“ Er hatte keine Ahnung, dass ich im Besitz des goldenen Dolchs war und ich für heute Abend andere Pläne hatte. Auf keinen Fall würde ich ihn sterben lassen.
Schließlich trat Natalie auf uns zu. Ihr Blick wanderte zwischen mir und Bishop hin und her. Carly wich zurück und schaute mich missmutig an.
„Alles ein bisschen sehr dramatisch. Alles in Ordnung?“ „War niemals besser“, log ich.
Ich sah ihr in die Augen und versuchte ihre Gedanken zu lesen, aber es fühlte sich anders an als bei den Übrigen. Bei ihnen konnte ich spüren, wenn sie ihren Geist schützen. Bei ihr fühlte ich gar nichts. Und ich nahm auch nichts wahr.
„Hast du mir gebracht, worum ich dich gebeten habe?“
„Ich arbeite noch daran.“ Das war eine Lüge, doch ich beabsichtigte nicht, ihr den Dolch auszuhändigen. Enttäuschung huschte über ihr Gesicht, aber dann deutete sie mit dem Kopf auf Bishop. „Dir liegt etwas an ihm, oder?“ Die Art, wie sie es sagte, war merkwürdig. Es klang nicht wie die Frage einer neugierigen Tante, die wissen wollte, welcher Junge ihre Nichte gerade interessierte. Es lag eine Unfreundlichkeit in der Stimme, die vorher nicht da gewesen war. Mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken.
„Fragst du als meine Tante oder als jemand, der meine Gefühle gegen mich verwenden will?“ Sie zog eine Augenbraue hoch und betrachtete mich amüsiert.
„Zwischen uns scheint sich etwas verändert zu haben, Samantha. Ich dachte, wir wären dabei, eine Beziehung zueinander aufzubauen. Habe ich mich da geirrt?“
Meine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. „Du hast gesagt, dass sie unter Kontrolle sind.“ Ich zeigte auf die Gruppe der Grays, die uns beobachteten. „Und du hast gesagt, dass es für einen Menschen befreiend ist, die Seele zu verlieren, und dass der Hunger nicht so schlimm sei.“
„Das habe ich gesagt.“
„Aber Carly hat sich verändert.“ Ich musste mich zusammenreißen, damit mir nicht die Stimme brach. „Ich will meine beste Freundin zurückhaben, die wie ich noch den Unterschied zwischen Recht und Unrecht kennt.“
Carly stöhnte: „Oh Mann, hör doch auf. Das Universum dreht sich nicht nur um dich, Sam. Krieg dich mal wieder ein.“
Ich warf meiner Tante einen Blick zu. „Siehst du, was ich meine?“
„Du glaubst also, das sei besser für sie? Sie ist so ein bisschen frecher, findest du nicht?“
Ich antwortete nicht. Sie wollte mich ködern, und ich wollte nicht darauf eingehen. Sie fand all das hier amüsant. Mein Schmerz amüsierte sie. Aber je länger ich hier war, desto mehr zweifelte ich an meinem ursprünglichen Plan. Auch wenn Natalie sich als bösartiger Dämon ohne Interesse an ihrer Erlösung entpuppt hatte, konnte ich sie wirklich töten? Vielleicht nicht. Doch Bishop konnte es. Ich hatte miterlebt, wie er diesen Dolch ohne zu zögern benutzt hatte. Es war seine Mission, in diese Stadt zu kommen, die Quelle aufzuspüren und sie zu stoppen, weil sie eine gefährliche Bedrohung für die Balance des gesamten Universums darstellte. Ich musste ihm den Dolch zuspielen, das war allerdings etwas schwierig.
Seine Nähe, der Duft seines Körpers und seine Wärme, die mich umfing, erleichterten es mir nicht gerade, mich zu konzentrieren. So ging es mir eigentlich immer, wenn er mir so nah war.
„Was willst du?“ Bishop wandte sich an Natalie.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn, und ihr Gesicht wirkte nun verkniffen und unzufrieden. Aber da war noch etwas anderes. Ich kannte diesen Ausdruck in ihren Augen, denn ich hatte ihn schon bei Carly gesehen: ein Raubtier.
„Oh, ich weiß nicht.“ Sie trat auf ihn zu, und ihr Blick glitt an seinem Körper herab. „Glück, Reichtum, wahre Liebe. Wie alle anderen auch.“
„Das ist alles?“
„Was ist denn sonst noch von Bedeutung?“
Er zuckte mit den Schultern. „Zerstörung, Rache, Macht, Weltherrschaft.“
Ihr falsches Lächeln wurde breiter. „Das macht auch alles Spaß.“
„Wie bist du dem Schwarz entkommen?“
Sie sah ihn ruhig an, und es schien, als hätte sie Mühe, sich zu beherrschen. „Weißt du, Samantha, dieser Dolch, den dein Freund Bishop normalerweise bei sich trägt, gleicht dem, der gegen deine Mutter verwendet wurde.“
Der Schmerz traf mich wie ein Faustschlag in den Magen.
„Dein Vater hat sie wirklich geliebt, doch ihre Beziehung war verboten. Nichts, was die perfekte Balance des Universums gefährdet, ist erlaubt. Unfair, oder nicht?“
„Wo ist mein Vater?“, fragte ich, und es kostete mich Mühe, nicht hysterisch zu werden.
„Ich habe dir versprochen, dass ich dich zu ihm bringe, wenn du mir hilfst.“ Mit ihren braunen Augen, die meinen so ähnelten, schaute sie mich eindringlich an. „Er wird enttäuscht sein, dass es dir nicht gelungen ist, mir zu bringen, worum ich dich gebeten habe.“
„Du möchtest den Dolch“, stellte Bishop fest.
Ihr Lächeln kehrte zurück. „Das will ich.“
„Was ist in all den Jahren im Schwarz mit dir geschehen? Wie ist es dort? Es soll eigentlich ein Nichts sein – das Ende aller Dinge.“
Ihre Augen glühten rot. „Vielleicht ist es so, wenn du tot bist. Aber genau wie mein Bruder wurde ich dort lebendig hineingeworfen.“
„Er wurde nicht geworfen, er ist gesprungen“, korrigierte ich sie. „Du hast mir erzählt, er sei Anna gefolgt.“
„Das läuft auf das Gleiche hinaus.“
„Ich bin mir sicher, dass ihr nicht die Ersten gewesen seid, die so ins Schwarz gelangt sind. Es verschlingt alles in seiner Umgebung – nicht nur die Toten.“
„Du hast recht. Da ist eine Menge Abfall drin, von dem Himmel und Hölle überzeugt waren, dass sie das Tageslicht niemals wieder erblicken würden. Alle nehmen an, dass alles Dunkle und Bösartige in der Hölle endet, doch sogar dort gibt es gewisse Standards. Alles, was nicht akzeptabel ist, alles Problematische und Anormale fliegt raus.“ Ihre Lippen wurden schmal. „Aber es ist nicht das Ende – kein schwarzes Nichts. Es ist jetzt sehr viel mehr als das.“
„Seit wann?“, hakte Bishop nach. „Wann hat es sich verändert?“
Sie lachte – ein unangenehmes Geräusch. „Bist du hierher geschickt worden, um mir diese Fragen zu stellen, bevor du mich umbringst? Ich denke, sie wissen, dass mit dem Schwarz etwas nicht stimmt, und sie haben Angst davor, was dies für ihre kostbare Balance bedeutet.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie fürchten sich nicht.“
„Das sollten sie aber. Sie sollten entsetzt sein. Wenn ich es geschafft habe, dann werden auch andere dort rauskommen. Das kann ich euch versprechen. Wesen, gegen die ich nichts weiter als ein hübsches Mädchen bin, das gerne süße Jungs küsst. Alles hier in Trinity.“
„Also ist es hier erweckt, aber nirgendwo sonst. Und wegen des Schutzwalls hängt es hier genauso fest wie ihr.“
Der freundliche Ausdruck in ihrem Gesicht verschwand und ließ sie hässlich erscheinen. „Ich brauche deinen Dolch, Engel.“
Bishops Miene wirkte hart und grausam, als er sie ansah. „Du glaubst, Samantha kann dir mit ihren Fähigkeiten zur Flucht verhelfen.“
Sie warf mir einen Blick zu. „Er wird dich töten, weißt du. Es ist nur eine Frage der Zeit. Du bist eine Anomalität, genau wie ich. Eine Bedrohung für das universale Gleichgewicht. Sei vorsichtig mit dem gefallenen Engel, Samantha. Seele oder nicht, er wird dir das Herz stehlen, bevor er seine scharfe Klinge hineinstößt.“
Obwohl ich ihr kein Wort glaubte, fuhr mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich sah zu Bishop hinüber, aber der konzentrierte seine Aufmerksamkeit vollkommen auf meine Tante. Er hatte die Fäuste geballt, und seine Armmuskeln waren angespannt.
Stephen stand hinter Natalie und folgte dem Gespräch mit gerunzelter Stirn.
Carly stellte sich neben ihn. Ihr Blick wanderte zwischen uns hin und her, als verfolgte sie ein Tennismatch. Ich hasste es, dass sie in diese Sache mit hineingezogen worden war. Meine beste Freundin seit dem Kindergarten – meine engste Verbündete und Vertraute. Ich wollte sie unbedingt retten, doch ich hatte keine Ahnung, wie. Ich konnte nicht akzeptieren, dass sie sich jetzt für immer verändert hatte. Carlys Seele zu verlieren fühlte sich noch schlimmer an als der Verlust meiner eigenen. Es musste einen anderen Weg geben, dem hier ein Ende zu setzen. Was war in all den Jahren im Schwarz mit Natalie geschehen? Wie hatte es sie verwandelt? Ich konnte sie dafür nicht hassen – sie tat mir leid. Und wenn das so war, dann wollte ich ihr helfen.
„Wie bist du entkommen?“, fragte Bishop noch einmal.
„Du bist sehr hartnäckig“, säuselte sie. „Du bist der Anführer, oder? Es sind noch andere wie du jede Nacht in der Stadt unterwegs und töten meine Brut. Das gefällt mir nicht besonders.“
Ich beobachtete die Gesichter der Personen um mich herum. Carly stand mit ausdrucksloser Miene neben Stephen. Sein Gesichtsausdruck war auch nicht zu deuten, aber sein Blick fixierte jetzt eher mich als Natalie. Das ließ mich zittern.
Und die anderen …
Ich sah mich um und hätte beinahe aufgeschrien, als ich bemerkte, dass sie sich alle erhoben hatten und näher gerückt waren. Auch ihre Mienen waren ausdruckslos, und sie blockierten den Weg zur Treppe. Keiner der normalen Teenager war jemals hier hochgekommen. Dies war zu einem Bereich der Grays geworden. Der Gedanke, was geschehen würde, wenn irgendjemand sich hierher traute, jagte mir panische Angst ein.
„Hast du einen Deal abgeschlossen, damit du aus dem Schwarz fliehen konntest?“ Bishop ließ nicht locker. „Mit wem? Und worum ging es dabei?“
Ihr Blick streifte bedächtig über seinen großen muskulösen Körper und seine breiten Schultern. „Es war eher ein Gefallen.“
„Warum hat sich das Schwarz verändert? Es ist nicht immer so gewesen.“
„Nein, das war es nicht. Erst seit etwa siebzehn Jahren.“
Siebzehn Jahre. Seit ich geboren wurde. Seit meine leibliche Mutter getötet wurde und mein Vater und Natalie ebenfalls vom Schwarz verschlungen worden waren. Ich umklammerte immer noch den Gurt meiner schweren Ledertasche. Meine Hände schwitzten. Die ganze Zeit war Bishop bei Verstand geblieben. Aber jetzt konnte ich spüren, wie er um seine Konzentration kämpfen musste. Er starrte sie an, und Frustration spiegelte sich in seinem hübschen Gesicht. Sie beantwortete seine Fragen nicht, sondern stiftete noch mehr Verwirrung.
Ich wusste, dass ich seinen Plan, Natalie mit sich ins Schwarz zu reißen, richtig erkannt hatte. Meine Anwesenheit verkomplizierte die Dinge für ihn. Es ging sogar noch weiter. Ich hatte seine Chance, sich für die Mission zu opfern, komplett verdorben. Mir war klar, warum ich das getan hatte. Auch wenn ich wusste, dass ich ihn nie wieder küssen konnte, wollte ich ihn dennoch nicht verlieren. Nicht auf diese Weise. Egal, was das bedeuten würde.
Die Musik unten aus dem Club wurde lauter, und die Bässe dröhnten. Auch mein Herzschlag beschleunigte sich. Bishop rückte näher an mich heran, bis sein Arm den meinen berührte. Ich spürte diesen Funken zwischen uns wieder, und die Wärme glitt in meinen Körper. Seine Nähe stellte verrückte Dinge mit mir an und machte mich schwindelig. Ich kämpfte um meine Selbstbeherrschung, doch ich rückte nicht von ihm weg, denn er gab mir Mut.
„Wie auch immer es dir gelungen ist, zurückzukehren, du bringst mit deiner Anwesenheit die Welt in Gefahr“, meinte Bishop zu Natalie.
„Du sagst das so, als sollte es mich interessieren.“ „Wie könnte es dir egal sein?“
„Mir ist bewusst, dass du das nicht verstehst, Samantha.“ Sie schenkte mir ein gewinnendes Lächeln. „Aber das musst du auch nicht. Alles, was du tun musst, ist, mir dabei zu helfen, die Stadt zu verlassen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, das kann ich nicht machen.“
Sie kam auf mich zu und packte mein Handgelenk. „Das wirst du.“ Ihr Griff wurde so fest, dass ich wimmerte, als ich versuchte, mich aus ihrem dämonisch kräftigen Griff zu befreien. Bishop umfasste ihren Arm und bog ihn so stark nach hinten, dass er bei einem Menschen wohl gebrochen gewesen wäre. Sie schrie vor Schmerzen. Bishops Augen leuchteten blau. „Wenn du sie verletzt, dann verletze ich dich. Siehst du, wie es läuft, Dämon?“
Natalies Gesicht verzerrte sich zu einer Mischung aus Lächeln und Grimasse. „Du bist immer noch schwächer, als du es sein solltest mit dieser Seele in deinem Körper. Gut zu wissen.“
„Es war eine harte Woche.“
„Davon bin ich überzeugt. Aber du hattest die Chance, meine wundervolle Nichte zu treffen, und es ist offensichtlich, dass dir etwas an ihr liegt – vielleicht mehr, als es sollte. Mir geht es auch so.“
„Du hast deinen Laufburschen geschickt, um ihr mit einem Kuss die Seele auszusaugen. Das klingt für mich nicht gerade nach einer liebevollen Tante, sondern nach einem selbstsüchtigen Dämon, für den nur sein eigener Vorteil zählt.“
„Es war die einzige Möglichkeit für sie, ihr wahres Potenzial zu entdecken. Das war mein Geschenk an sie.“
Bishop funkelte sie an. „Du bist ein eiskaltes, verblendetes Miststück, wenn du das wirklich denkst.“
„Vielleicht bin ich eiskalt, aber ich bin nicht verblendet.“
Natalie sah wieder amüsiert aus. Sie liebte es, Bishop zu reizen und ihn zu provozieren. „Ich habe für Samantha eine Ausnahme gemacht, weil wir eine Familie sind. Ich habe Stephen sehr genaue Instruktionen gegeben, als er ihr die Seele genommen hat. Er sollte sie mit einem Kuss davon befreien. Das ist nicht einfach. Mein Stephen ist allerdings sehr talentiert.“ Sie warf ihm einen wohlwollenden Blick zu. Stephen schwieg und zog die Augenbrauen zusammen.
Bishop spannte sich an. „Was soll das heißen?“
„Samanthas Seele wurde mit einem Mal als Ganzes aufgesogen, nicht in einzelnen Teilen. Also kann sie wiederhergestellt werden.“
Mir blieb die Luft weg, als hätte mich jemand in den Magen geschlagen. Das war das Letzte, was ich erwartet hätte, von ihr zu hören. „Du meinst, meine Seele ist nicht für immer verloren?“
„Er hat sie mir gebracht, nachdem er mit dir fertig war.“ Natalie lächelte immer noch. „Ich habe deine Seele, Samantha. Und wenn du sie jemals wiederhaben willst, musst du genau das tun, was ich dir sage.“