An einem Montagabend gegen neun Uhr streifte ich mit einem Engel durch die Straßen, der aussah, als würde er auf meine Highschool gehen.
Meine Mutter hatte einmal dieses Buch gelesen, in dem stand, wenn einen die Ereignisse überwältigten, sollte man sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Im Grunde genommen bedeutete es, dass die Vergangenheit vorbei war und es nur Angst erzeugte, über die Zukunft nachzugrübeln. Sei hier und nirgendwo anders.
Also konzentrierte ich mich genau darauf. Ich dachte eine Weile nicht darüber nach, dass ich keine Seele mehr hatte oder wer sie mir gestohlen hatte und dass der süße Junge aus meiner Straße nicht wirklich an mir interessiert war, sondern sich als Monster entpuppt hatte.
Nein. Stattdessen beschäftigte ich mich damit, wie eng meine Schuhe waren und dass sie nicht für solche Spaziergänge gemacht waren. Und damit, wie kühl sich der Wind auf meinem Gesicht anfühlte. Ich dachte nicht darüber nach, was mein quälender Hunger bedeutete, sondern richtete meine Aufmerksamkeit auf den großartigen Typen neben mir und auf mein flaues Magengefühl. Vielleicht sollte ich mich besser auf etwas anderes konzentrieren. Auf diese Weise an Bishop zu denken war gefährlich. Er hatte mir versprochen, meine Seele zu heilen, wenn ich ihm half, und das war der einzige Grund, warum ich mit ihm zusammen war. Ich brauchte Informationen, und der einzige Weg, sie zu bekommen, war: fragen. Ich nahm meinen Mut zusammen.
„Kann ich dir eine Frage stellen?“ „Klar.“
„Warum arbeitest du mit einem Dämon zusammen? Ich habe immer angenommen, Engel und Dämonen seien Feinde.“
„Aber … was ist dann hier los? Ich meine, du und Kraven, ihr scheint einander nicht besonders zu mögen.“
Er zögerte. „Das tun wir nicht.“
„Hasst du ihn?“
„Engel hassen nicht.“ So redete Bishop anscheinend immer. Knappe Antworten, die sich überhaupt nicht nach einem Teenager anhörten.
„Wie alt bist du?“
Er sah mich kurz an. „Wie alt sehe ich aus?“ „Siebzehn oder achtzehn.“
Er zuckte mit den Schultern. „Dann bin ich das wohl ungefähr.“
Ungefähr? Das war keine besonders beruhigende Antwort, denn sie deutete darauf hin, dass er auf keinen Fall nur siebzehn oder achtzehn war.
Ich räusperte mich. „Also, die Nichthassen-Sache, Engel sind doch für Vergeltung und die Vernichtung der Gottlosen zuständig, oder?“
Damit erreichte ich, dass sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht zeigte, das meine Aufmerksamkeit ungünstigerweise wieder auf seinen Mund lenkte. Ich fragte mich, ob alle Grays pausenlos vom Küssen besessen waren, ob der andere nun eine Seele hatte oder nicht. Es gefiel mir nicht, dass Bishop mich so stark beeinflusste, vor allem, seit ich wusste, wer er war und wozu er fähig war.
Er schaute mich nicht direkt an, während er antwortete: „Es ist etwas anders, als du glaubst.“
„Okay, was hat es dann mit dem Engel-Dämon-Team auf sich?“
„Siehst du schon eine Lichtsäule?“, fragte er und wich einer Antwort aus.
Ich blickte mich um. „Noch nicht. Bist du dir sicher, dass es noch andere gibt?“
„Ich bin mir sicher.“
„Engel oder Dämonen?“
„Wahrscheinlich beides.“ Er schwieg einen Moment. „Engel und Dämonen – wir sind die zwei notwendigen Enden einer Skala. Die Dämonen sind die dunklen Kräfte an einem und die Engel die Kräfte des Lichts am anderen Ende. So bleibt das Gleichgewicht erhalten.“
Ich hatte das Bild einer großen Waage vor Augen, auf deren einer Seite ein Haufen Dämonen saß und auf der anderen die gleiche Anzahl Engel. „Hättest du letzte Nacht erkennen können, was Kraven ist, ich meine, wenn du den Abdruck auf seinem Rücken nicht kontrolliert hättest? Er sah so normal aus.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Hier in der menschlichen Welt hätte er ein Engel oder ein Dämon sein können – oder ein Mensch. Ich war mir nicht sicher.“
Mir fiel etwas ein. Ich erinnerte mich an Bishops anfängliches Zögern, als er Kraven in der Gasse entdeckte. „Kennst du ihn? Ich meine, von früher?“
Er warf mir einen scharfen Blick zu. „Warum fragst du mich das?“
Ich war von seiner Reaktion überrascht und machte einen Schritt zurück. „Ich weiß nicht. Es schien nur so. Ich dachte mir, dass ihr euch darum nicht leiden könnt.“
Er sah stur nach vorn. „Engel hassen Dämonen nicht, dennoch haben wir eine natürliche Abneigung gegeneinander. Das lässt sich nicht ändern.“
Das war keine direkte Antwort. „Aber warum dann die Zusammenarbeit? Wieso tust du dich nicht mit anderen Engeln zusammen?“
Wieder schwieg er einen Augenblick. Ich hatte den Eindruck, dass ihm meine Fragen unangenehm waren. Da waren wir schon zu zweit. Doch ich brauchte Antworten, um herauszufinden, welche Rolle ich bei dieser ganzen Sache spielte und wie mir Bishop helfen konnte.
„Meine Mission sieht nicht unbedingt vor, dass ich meine Gedanken zu der Situation mit einer …“ Er verstummte, aber ich wusste, was er meinte.
„Mit einer der Bösen austauschst“, beendete ich den Satz. Ein unangenehmes Kribbeln glitt meinen Rücken herunter. „Aber dir ist klar, dass ich anders bin, oder? Das hast du selbst gesagt. Wenn es nicht so wäre, hättest du mich nicht gebeten, dir zu helfen, egal, über welche Fähigkeiten ich verfüge. Immerhin hast du diesen Dolch …“ Ich ließ den Rest unausgesprochen. Einiges musste wirklich nicht laut gesagt werden.
Er sah mich eingehend an, und es lag eine Spur von Bedauern in seinem Blick. „Du hast Angst vor mir.“
Ich schluckte. „Wundert dich das?“
„Du musst dich nicht fürchten. Ich will dir nicht schaden, Samantha.“ Seine wunderschöne tiefe Stimme erfüllte mich mit Wärme, obwohl wir uns gar nicht berührten. Sie weckte in mir den Wunsch, ihm zu glauben. Doch auch wenn er schön daherredete, so zählten einzig und allein seine Taten. „Okay, dann beweise es.“
„Wie?“, wollte er wissen. „Gib mir deinen Dolch.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Du denkst, das würde helfen?“
„Vielleicht. Ich meine, wenn du mir so etwas Wichtiges überlässt, etwas, das dich sogar töten könnte, würde es mir leichter fallen, dir zu vertrauen.“ Je länger ich redete, desto mehr Sinn ergab es. Zumindest für mich.
„Betrachte es als Zeichen des Vertrauens zwischen uns.“
Er hielt meinem Blick stand, während sein köstlicher und verlockender Geruch es mir schwer machte, ihn anzusehen.
Schließlich holte er den Dolch aus dem Futteral und hielt ihn mir entgegen. Ich sah ihn überrascht an.
„Wirklich?“, fragte ich.
Er nickte. „Ich will, dass du mir vertraust, Samantha.“
Ich dachte an meinen furchtbaren Albtraum, in dem ich Bishop mit diesem Messer umbrachte, bevor mich die Schatten in Stücke rissen. Mein Magen krampfte sich zusammen.
„Hast du keine Angst, dass ich dich erstechen könnte?“ Er lächelte. „Nicht ernsthaft.“
„Also glaubst du nicht, dass ich gefährlich bin?“
Das Lächeln vertiefte sich auf diesen wirklich verwirrenden Lippen. „Oh, du bist sehr gefährlich. Jedoch nicht hierbei. Dennoch bist du immer noch ein Teenager, und ich vermute mal, dass du nicht allzu viele Erfahrungen im Umgang mit Waffen hast. Ich allerdings schon. Jede Menge.“
Trotz meiner fehlenden Erfahrung glaubte er, dass ich für ihn gefährlich sei? Das lästige Zittern kehrte zurück. Schließlich nahm ich den Dolch aus seiner Hand. Meine Finger berührten seine, und dieses seltsame, energiegeladene Gefühl durchzuckte mich wieder. Diesmal hatte ich zum Glück keine albtraumhaften Visionen. Die Waffe war sehr schwer, und ich hielt sie an der Seite an mein Bein, sodass man sie nicht von der Straße aus sehen konnte. Ich fühlte mich damit tatsächlich besser.
Ich sah ihn noch einmal erstaunt an, weil er dieser Sache zugestimmt hatte. Dieser Dolch war unglaublich wichtig für seine Mission, und er gab ihn mir – einer Gray, wie sie das, was ich jetzt war, bezeichneten. Aber in einem Punkt hatte er recht– es würde mich eine Menge Überwindung und Kraft kosten, irgendjemandem dieses Messer in die Brust zu rammen. Ihn zu verletzen war das Letzte, was mir jetzt in den Sinn kam.
„Du bist anders“, meinte er nach einer Weile, als er mich unter einer Straßenlaterne musterte. „Anders als alle, die ich jemals getroffen habe. Ich wünschte, ich könnte sagen, warum.“
Jemals? Mir stockte der Atem. „Ist das ein Kompliment oder eine Beobachtung?“
Er grinste. „Beides.“
Konzentrier dich, Samantha, ermahnte ich mich. Ich durfte mich von diesem schönen, gefährlichen Engel, der in einer himmlischen Mission unterwegs war, nicht ablenken lassen. Er war nur ein Mittel, um meine Seele zurückzubekommen, und das war der einzige Grund, wieso ich jetzt hier war. Ich hatte in diesem Jahr schon genug schmerzhafte Bienenstiche kassiert, ich brauchte nicht noch einen.
Wenn ich nur seine Gedanken lesen könnte! Er sagte ständig Dinge, die mir den Eindruck vermittelten, dass er mehr in mir sah als ein seelenloses Monster aus der Nachbarschaft. Er beobachtete mich, als wüsste er nicht, wie er sich mir gegenüber verhalten sollte. Doch er versuchte nicht, auf Abstand zu gehen. Genau genommen war er gerade etwas zu nahe – so nah, dass ich die Wärme seines Körpers spüren konnte.
Ich fühlte mich wieder wie benebelt, atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen. „Wenn ich dir helfe, dann bin ich aber irgendwie auch in deinem Team, oder?“
Diesmal sah er mich an, und seine Augen leuchteten im Mondlicht in einem intensiven Indigo. „Ich habe nicht mehr viel Zeit, die anderen aufzuspüren, denn die Lichtsäulen werden verblassen. Dann werde ich sie nie mehr finden. Sie werden in der Stadt umherwandern, ohne zu ahnen, wer sie sind und warum sie hier sind. Wir haben keine Zeit für Spielchen.“ Wieder war er meiner Frage ausgewichen.
„Mir ist auch nicht nach Spielen zumute.“
„Du hilfst mir, die anderen zu finden, das ist alles. Du gehörst nicht wirklich dazu.“
Meine Frustration schäumte über. „Wenn ich nicht dazugehöre, wieso brauchst du dann meine Hilfe? Vielleicht sollte ich für heute Schluss machen. Ich habe noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Auch Grays wie ich brauchen gute Noten, wenn sie aufs College wollen.“ Es war ein armseliger Versuch, ihn dazu zu bringen, zu sagen, dass er auf mich angewiesen war, dass ich jetzt dazugehörte, ob es mir gefiel oder nicht. Ein kleiner, verängstigter Teil von mir wollte ihm trotz allem helfen. Ich wusste, wie wichtig das hier war.
„Du wirst nicht aufs College gehen, wenn du mir nicht hilfst. Du bist genau wie die anderen in dieser Stadt gefangen, solange dir deine Seele fehlt.“
„Wegen dieser Barriere um die ganze Stadt, von der du Stephen erzählt hast? Die alle Grays davon abhält, sie zu verlassen?“
Er nickte. „Wenn es dich beruhigt, Engel und Dämonen sind davon auch betroffen. Alles Übernatürliche. Alles Nichtmenschliche.“
Ich biss die Zähne zusammen, weil ich nicht wollte, dass er bemerkte, wie sehr mich diese Nachricht niederschmetterte. „Fein. Dann besuche ich das College hier.“ Ich starrte ihn wütend an. „Ich nehme an, wo du herkommst, ist es anders, aber bei uns ist man nett zu Leuten, deren Hilfe man braucht. Mir deine glitzernde Waffe zu überlassen reicht da nicht annähernd.“
Er warf mir einen gereizten Blick zu. „Ich bin nett.“
Ich lachte schallend. „Netter Versuch. Sieh mal, ich weiß, dass du Probleme damit hast, dass ich diese bizarren Lichter für dich ausmache und dich zu den anderen leite. Doch du brauchst mich nun einmal!“
Er presste die Lippen aufeinander und sah mich so intensiv an, dass es mir schwerfiel, weiter geradeaus zu gehen. Ich fasste das als Zustimmung auf. Das vereinfachte die Dinge, ob er nun wirklich damit einverstanden war oder nicht. Wir kamen an einem Buchladen vorbei, vor dem einige Menschen standen und rauchten. Ich versteckte den schweren Dolch unter meiner Jacke, bis wir wieder außer Sichtweite waren. Das war nicht gerade ein Gegenstand, den man mal eben so mit sich herumtrug.
„Also brauchst du mich“, stellte ich fest. „Und du hast mir erklärt, dass ich dich brauche, wenn ich meine Seele wiederhaben will. Und das möchte ich auf jeden Fall. Ich versuche immer noch zu begreifen, was das alles bedeutet, aber wenn es ein Problem gibt, dann versuche ich, es aus der Welt zu schaffen. Dies hier ist das größte Problem, mit dem ich es je im Leben zu tun hatte, und ich werde es in Ordnung bringen, egal, was es kostet.“
Er nickte. „Dann verstehen wir uns.“ Bishop brachte mich derart zur Weißglut – Engel oder nicht. Obwohl ich fror,
wurde mein Gesicht immer heißer, je öfter sich unser Gespräch im Kreis drehte.
„Nein, ich verstehe nicht. Das ist der Grund, weshalb ich dir Fragen stelle – oder es zumindest versuche. Hör endlich auf, ihnen auszuweichen. Ich muss diese Dinge wissen. Wenn du mich an deiner Seite haben willst, solltest du mich nicht wie irgendein seltsames, stinkendes Etwas behandeln, dessen Nähe du nicht ertragen kannst.“
Sein Mundwinkel zuckte. „Glaub mir, du stinkst auf keinen Fall. Du riechst meiner Meinung nach sehr gut.“
Wieder gelang es ihm, mich für einen Augenblick sprachlos zu machen. Ich lief beinahe gegen einen Laternenmast, konnte aber im letzten Moment noch ausweichen. „Also, okay. Dann bin ich eben nur seltsam.“
„Wenn du es sagst.“ Er wurde wieder ernst und schaute suchend zum sternenreichen Himmel hoch. „Irgendetwas zu sehen?“
Ich sah hinauf. „Noch nicht. Glaub mir, wenn plötzlich ein strahlendes Licht auftaucht, gebe ich dir Bescheid. Vorausgesetzt, dass du aufhörst, so geheimnisvoll zu tun.“
Er fuhr sich durch die Haare und reckte das Kinn vor. „Okay. Ich erzähle dir ein paar Dinge über meine Mission.“
„Ich höre zu.“
„Engel und Dämonen haben sich auch schon in der Vergangenheit zusammengeschlossen, allerdings nur ein paarmal. Auch wenn Himmel und Hölle notwendig sind, um das Gleichgewicht zu wahren, sind wir nicht gerade Freunde. Wir arbeiten zusammen, wenn eine Bedrohung existiert, die uns alle betrifft und die Balance gefährdet. Und eine solche Bedrohung gibt es zurzeit.“
Ich erschauerte. „Die Grays.“ „Ja.“
„Sie sind“ – ich mochte nicht „Wir sind“ sagen, trotz meines ständig knurrenden Magens – „wirklich eine Bedrohung für Himmel und Hölle? Ausreichend, um ein Team aus Engeln und Dämonen zu schicken, damit sie aufgehalten werden?“
Diesmal sah er nachdenklich aus, als er mich anschaute. „Es gab einmal eine ähnliche Situation, die von einem Dämon heraufbeschworen wurde, der menschliche Seelen verzehren konnte. Diese Fähigkeit machte den Dämon zu einer gefährlichen Anomalie.“
„Lustig“, bemerkte ich unsicher. „Ich dachte, dass Dämonen genau das tun können.“
Er zuckte mit den Schultern. „In Horrorfilmen vielleicht, doch nicht in der Realität. Seelen sind zu wichtig für die universelle Balance. Der ursprüngliche Dämon, der diese Fähigkeit hatte, wurde besiegt. Aber jetzt, mit der erneuten Konfrontation dieses speziellen Problems …“ Er sah mich aus dem Augenwinkel an. „Die Frage ist, ob wir es mit einem neuen Dämon mit der gleichen Fähigkeit zu tun haben. Einer, der diese Abart nun wie eine Krankheit durch einen Kuss verbreiten kann. Oder ist es der gleiche Dämon wie beim letzten Mal? Allerdings wäre das unmöglich.“
„Wie ich schon gesagt habe. Er wurde an einen Ort geschickt, von dem er nicht hätte zurückkehren können – von dem niemand zurückkehrt.“ Seine Anspannung stieg. „Aber wenn sie einen Weg gefunden hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass sich etwas sehr Bösartiges erhebt – schlimmer sogar als das, womit wir es jetzt zu tun haben.“
Ich umfasste den Dolch fester. „Also, dieser Dämon – das ist die Quelle, von der du gesprochen hast? Die Quelle der Grays? Wie Patient null?“
Er sah mich verständnislos an.
Ich zuckte die Achseln. „Das ist ein Begriff aus Zombiefilmen. Der erste Infizierte, der dann die anderen ansteckt. Und so weiter.“
„Das stimmt. Ich soll sie finden, herausfinden, wo sie herkam und was ihr Masterplan ist. Wenn sie einen hat. Mein Team ist hier, um die Stadt vor dem unstillbaren Hunger der Grays zu schützen, der die Menschen gefährdet.“
Ich dachte darüber nach. „Also ist sie wie ein Vampir, der Blut trinkt und dadurch noch mehr blutsaugende Vampire erschafft. Richtig?“ Ich brauchte dringend einen Vergleich, den ich auch verstand. Zombies verstand ich. Vampire verstand ich. Über beides hatte ich viele Filme gesehen. Offen gestanden war das Beißen in den Nacken gegen das Aussaugen der Seele eher niedlich.
Er schüttelte den Kopf, als wir eine Kreuzung überquerten. „Das mit dem Blut ist nicht das Gleiche wie mit der Seele. Die Seele ist die Essenz des menschlichen Lebens. Eine kostbare und unbezahlbare Sache. Wenn ein Mensch stirbt, existiert seine Seele weiter – unsterblich –, genau wie in den meisten eurer Religionen. Sie wird beurteilt und dann in den Himmel oder die Hölle geschickt. Jede Seele ist wichtig, um die Balance zu erhalten – egal ob es eine Seele der Dunkelheit oder des Lichts ist.“
Ich blickte finster vor mich hin, während ich versuchte, das alles zu verstehen. „Warte mal. Du sagst also, dass der Himmel – genau wie bei den Engeln und Dämonen – eine jeweils gleiche Anzahl von Seelen braucht, damit diese Balance nicht zerstört wird. Bedeutet das etwa, dass einfach fifty-fifty gemacht wird? Die Hälfte der Menschen geht in die Hölle und die andere Hälfte in den Himmel?“ Allein der Gedanke daran ließ mein Herz vor Angst rasen. Obwohl ich über solche Themen nicht so oft nachdachte, wollte ich von nun an, wenn ich meine Seele wieder hatte, alles dafür tun, um nicht in die Hölle zu kommen. Da ich jetzt wusste, dass ein solcher Ort existierte. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass man, wenn man ein guter Mensch war, automatisch ein Ticket in den Himmel erhält. Aber du sagst, es ist eher wie eine Lotterie?“
„Nein, es ist definitiv kein Glücksspiel.“ Diese Bemerkung brachte das Grinsen zurück in Bishops hübsches Gesicht. Ich starrte ihn an. Schön, dass ich ihm half, die Komik in dieser absolut unkomischen Situation zu erkennen. „Seelen sind … Wie soll ich dir das erklären, damit du es verstehst? Sie können sich verändern, wenn ein Mensch lebt und Entscheidungen trifft. Je besser diese Entscheidungen sind, desto leichter wird die Seele. Je schlechter die Entscheidungen sind, desto schwerer wird die Seele durch die Dunkelheit. Mach dir keine Sorgen, Samantha. Es kommen mehr Seelen in den Himmel, und ein Mensch kann während seines Lebens durch sein Handeln absolut beeinflussen, wie leicht oder schwer seine Seele sein wird. Beurteilt zu werden bedeutet, dass die Seele gewogen wird.“
Ich blinzelte und war von alldem überwältigt. „Wie auf einer Waage?“
„Es ist nicht ganz so wörtlich zu nehmen, aber so in etwa, ja.“
Ich schluckte schwer. „Also, wenn die Grays menschliche Seelen verschlingen, bleibt nichts übrig, das in den Himmel oder die Hölle gehen kann. Und das zerstört diese total wichtige Balance.“
„Korrekt.“
Ich nagte an meiner Lippe, und mein Puls beschleunigte sich weiter.
„Also, was bedeutet das für mich? Was passiert, wenn ich sterbe?“
Er antwortete nicht und hatte den Blick fest auf den Bürgersteig gerichtet, während wir weitergingen. Ich griff seinen Arm und zwang ihn, stehen zu bleiben und mich anzusehen.
„Bishop, was bedeutet es, wenn ich ohne Seele sterbe?“
Er presste die Lippen zusammen und schaute die Straße rauf und runter. Nach einer Weile sah er mich wieder an. „Wenn du vorsichtig bist, brauchst du dir darüber sehr lange keine Gedanken machen. Abgesehen davon habe ich dir versichert, einen Weg zu finden, dir deine Seele zurückzuholen.“
Das beruhigte mich nicht im Geringsten. Angst überrollte mich. „Aber … was geschieht, sollte ich getötet werden? Du hast vor, das mit den anderen Grays zu tun, oder? Mit diesem Dolch?“ Ich hielt seine Waffe hoch. Mir tat der Arm weh davon, sie die ganze Zeit umklammert zu halten, trotzdem war ich nicht bereit, sie Bishop wiederzugeben.
Er schwieg für einen Augenblick. „Dann ist es das Ende. Genau so, als würde ein Engel oder ein Dämon vernichtet. Du wirst aufhören zu existieren.“
Ich machte einen Schritt zurück und spürte, wie mein Gesicht schneeweiß wurde. Dann begann ich, von Kopf bis Fuß zu zittern.
„Nein, nicht weinen, Samantha“, flüsterte Bishop und kam näher. „Alles wird gut.“
Ich runzelte die Stirn und schaute zu ihm auf. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich weinte, bevor er es erwähnte. Sanft strich er die Tränen von meinen Wangen. Die Wärme seiner Haut erfüllte meine, und das angenehme Gefühl ließ mich den Atem anhalten. Er nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und blickte mich an.
„Ich verspreche, dass ich dich beschützen werde“, sagte er. „Ich habe versprochen, dass ich dir helfe, deine Seele zurückzuholen. Ich weiß, dass ich dir keinen Grund gegeben habe, mir zu vertrauen, aber bitte glaub mir, wenn ich sage, dass mir klar ist, dass du anders bist als die anderen. Du bist etwas unglaublich Besonderes. Und ich schwöre, dass ich nicht zulasse, dass dir etwas Böses geschieht. In Ordnung?“ Er beugte sich vor und küsste meine Stirn. Ich glaube, ich hörte für einen Moment vollständig auf zu atmen. Seine Lippen hinterließen ein heißes Gefühl auf meiner Stirn. Alles fiel von mir ab – alle Sorgen und Ängste.
Dann lehnte er sich zurück, und etwas in seinem Blick hatte sich verändert. Bis jetzt lagen heute Abend Verwirrung, Ablehnung und eine gesunde Portion Misstrauen darin. Aber jetzt sah ich … Leidenschaft. Alles, was ich noch wahrnehmen konnte, war sein Mund. Auch wenn Bishop gemeint hatte, dass er keine Seele hätte, wollte ich ihn so verzweifelt küssen, dass es unmöglich war, das Bedürfnis, ihn an mich zu pressen und genau das zu tun, zu ignorieren. Der Dolch rutschte mir aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden, sowie ich sein Shirt packte und ihn an mich heranzog. Immer näher, bis unsere Lippen nur noch einen Atemzug voneinander entfernt waren. Ich brauchte seinen Mund so dringend auf meinem, dass ich nichts anderes mehr wahrnahm. Und er stieß mich nicht fort.
Ganz in unserer Nähe räusperte sich jemand. „Entschuldigung! Störe ich bei irgendetwas?“
Bishop wich überrascht dreinblickend von mir zurück. Er bückte sich, um den Dolch aufzuheben, und drehte sich dann von mir weg. Es fühlte sich an, als wäre durch einen Schlag ins Gesicht eine Art Zauber gebrochen worden.
Kraven lehnte an einer Mauer und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er grinste. „Siehst du, Kumpel? Ich wusste einfach, du würdest sie überzeugen, uns zu helfen.“
„Wir sind auf der Suche nach den anderen.“
„Aber natürlich. Ab und zu ein kleines Päuschen, um einander besser kennenzulernen, was?“
Bishop warf mir einen aufgewühlten Blick zu. War er wütend, weil wir unterbrochen worden waren? Oder darüber, dass wir uns beinahe geküsst hatten? Ich hoffte, dass nicht Letzteres der Fall war, und war mir selbst nicht im Klaren, was da gerade passiert war. Warum hatte ich ihn beinahe geküsst? Nein, streicht das. Ich wusste, warum. Es lag an Bishops starker Anziehungskraft, die ich auch letzte Nacht gespürt hatte, als ich ihn zum ersten Mal traf. Etwas bestand zwischen uns, das ich nicht haben wollte. Und trotzdem wollte ich ihn auch jetzt noch unbedingt küssen.
„Ich glaube, du hast sie abgeschreckt.“ Kraven weidete sich an meinem Elend. „Schlechter Engels-Atem, vielleicht?“
„Wir müssen weitersuchen“, antwortete Bishop.
Er schien immer noch verwirrt zu sein, aber ich berappelte mich schnell wieder. Dieser Dämon erleichterte mir die Sache. Wahrscheinlich weil ich ihn so sehr hasste. Engel konnten vielleicht nicht hassen, mir bereitete es jedoch keinerlei Probleme.
„Bist du überrascht, dass das Gray-Mädchen mal zulangen möchte?“ Kraven hob eine Hand und betrachtete seine Fingernägel. „Weißt du, wenn man eine von denen ist … Bist du dir wirklich sicher, dass wir sie nicht einfach töten und es hinter uns bringen sollten?“
Der einzige Anhaltspunkt für mich, dass er nur dumme Witze riss, war das Klugscheißer-Grinsen in seinem Gesicht, das ich ihm gern mit der Schuhsohle herausgetreten hätte.
„Wenn ihr das tut, werdet ihr eure Leute nie finden“, konterte ich. „Ich habe das Gefühl, ihr beide hängt hier zusammen fest, bis ihr euren Job erledigt habt, du Idiot.“
„Idiot? Ist das alles, was du draufhast? Wie enttäuschend!“ Sein Grinsen wurde noch breiter.
„Ich muss einen Augenblick mit dir reden“, sagte Bishop zu Kraven.
„Oh schweige, mein Herz.“
„Unter vier Augen.“ Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
Ich seufzte. „Macht nur. Ich warte hier und überlege mir noch ein paar bessere Beleidigungen.“
Kraven folgte Bishop um die Ecke außer Hörweite. Es dauerte nicht lange, und die Nacht um mich herum schien mich einzuhüllen. Die Kälte durchdrang mich, obwohl ich meinen Mantel bereits fester um den Körper gewickelt hatte. Ich war neugierig, worüber die beiden sprachen. Wahrscheinlich über mich.
Langsam schlich ich zur Ecke des Gebäudes, bis ich sie hören konnte. Dort presste ich meinen Rücken gegen die Mauer und verharrte still, um zu lauschen.
Ich hatte recht. Sie redeten über mich. Und sie sprachen sehr leise, als wollten sie verhindern, dass ich etwas aufschnappen konnte. Aber vergeblich.
„… die Verantwortung für die Mission. Du hättest sie nie einweihen dürfen. Wie viel hast du ihr erzählt?“
„Genug, damit sie versteht.“
„Großartig. Ich hätte nicht gedacht, dass du ein kompletter Idiot bist, aber offenbar habe ich mich geirrt. Doch ich habe mich ja in einigen Dingen geirrt, nicht wahr?“
Bishops Stimme wurde schärfer. „Dann sind wir schon zwei.“
„Sie ist eine von ihnen.“
„Natürlich ist sie das. Vielleicht bist du nicht so klar bei Verstand, weil du auf sie stehst. Ich meine, sie ist ziemlich süß, aber ist sie es wert, alles aufs Spiel zu setzen?“
„Die Mission ist alles, woran ich denke.“ Bishops Stimme klang angespannt, und ich war mir nicht sicher, ob er log.
Aber er hatte gesagt, Engel würden niemals lügen.
Ich rang nach Atem. Die Mission war das Einzige, das ihm wichtig war. Ich war nur ein Mittel zum Zweck, um sie erfolgreich zu erfüllen. Stimmte das? Aber ich hatte vorhin etwas in seinen Augen gesehen. Ich hasste den Gedanken, dass mir nur meine Fantasie einen Streich gespielt oder – noch schlimmer – er mich für seinen Auftrag manipuliert hatte.
„Klar, du würdest niemals etwas für ein Mädchen riskieren. Du doch nicht.“ Kraven schnaubte verächtlich. „Also, was ich da gerade eben unterbrochen habe – du wolltest nicht gerade gleich hier in der Gasse loslegen?“
Bishop stieß heftig die Luft aus. „Ich habe alles unter Kontrolle.“
„Das will ich zum Teufel auch hoffen.“ Ich konnte den Spott in Kravens Stimme erkennen. Diese Typen hassten einander wirklich. Es war mir egal, dass Bishop behauptet hatte, Engel würden nicht hassen. Zwischen den beiden hier gab es eindeutig böses Blut. „Ich weiß, dass sie irgendeinen Hokuspokus mit deinem Hirn anstellt, wenn ihr euch berührt. Kannst du dir vorstellen, was bei vollem Körpereinsatz passieren würde? Vielleicht solltest du dich mal abreagieren, sie auf den Boden werfen und einfach mal …“
Als Nächstes hörte ich einen Faustschlag, gefolgt von einem Schmerzenslaut. Ich entschied mich, in diesem Moment um die Ecke zu gehen, und sah Kraven mit einer Hand auf dem Magen über den Boden kriechen, ehe er sich sehr langsam wieder aufrappelte. Seine Augen glühten rot in der Dunkelheit. Bishop stand mit geballter Faust neben ihm, als erwartete er einen Gegenangriff. Beide blickten wütend in meine Richtung.
Ich zögerte aufgrund ihrer hitzigen Blicke einen Moment, zwang mich dann aber, mich mit verschränkten Armen an die Mauer zu lehnen und Kravens vorherigen Spruch nachzuahmen.
„Entschuldigung! Störe ich bei irgendetwas?“
„Überhaupt nicht“, antwortete Kraven und setzte dieses von mir so gehasste verdorbene Lächeln wieder auf. „Ich dachte, du hättest vielleicht schon das Weite gesucht.“
„Noch nicht, allerdings ist es sehr verlockend.“
Bishop sah nicht glücklich aus. Ob ihn das Thema ihrer Auseinandersetzung mehr aufbrachte als die Tatsache, dass er Gewalt gebraucht hatte, um sie zu beenden, war schwer zu sagen. Ich persönlich fühlte mich ein wenig geschmeichelt, weil er mich auf diese Weise verteidigt hatte. Das hätte er nicht getan, wenn ich für ihn nur Mittel zum Zweck wäre, oder? Das war etwas Persönliches. Trotzdem überraschte es mich, dass Kravens billige Sticheleien ihn so aufregten. Er hatte offenbar niemals eine öffentliche Schule besucht.
Ich kannte Typen wie Kraven schon mein ganzes Leben lang: alles Schwätzer. Manipulieren nur die Gefühle anderer. Und ja, sie sind Idioten. Nur weil er ein Dämon war, bedeutete das noch lange nicht, dass ich ihn nicht in die Tasche stecken konnte. Mit ihm kam ich zurecht. Der Engel war eine neue Herausforderung für mich. Die ganze Situation brachte mich ziemlich aus dem Gleichgewicht. Das schien der ganze Grund ihrer Mission zu sein. Das Gleichgewicht erhalten. Die Bedrohung für die Seelen ausschalten, die Himmel und Hölle benötigten, um ihre ach so wichtige universelle Balance zu bewahren. Ich hatte es kapiert. Es war verrückt und beängstigend, und mein Verstand konnte es noch immer nicht so ganz fassen, aber der Kern der Sache war mir nun klar.
„Du würdest jetzt gerne nach Hause gehen, oder?“, meinte Bishop. Seine Frage klang nicht verärgert oder vorwurfsvoll. Er suchte in meinem Gesicht nach einer Antwort.
Ich schluckte schwer. „Wahnsinnig gerne.“ „Wir brauchen dich.“
„Das hast du gesagt.“ „Wirklich.“
Ich warf einen Blick auf Kraven, dann nahm ich all meinen Mut zusammen und näherte mich ihm. Ich wollte ihn nicht glauben lassen, dass ich Angst vor ihm hatte. Diese Macht über mich konnte ich ihm nicht geben.
„Brauchst du mich auch?“, fragte ich. Höhnisch grinste er mich an. „Nein.“
„Kannst du die Lichtsäulen sehen, mit denen ihr die anderen finden könnt?“
Er machte einen Schritt auf mich zu, schien mich herausfordern zu wollen und griff mich am Handgelenk. Meine Anspannung wuchs, doch ich versuchte, nicht zurückzuweichen. „Du bist schlau und gewitzt, Gray-Mädchen.“
Er hielt meinem Blick mit diesem überheblichen Grinsen im Gesicht stand.
Und plötzlich konnte ich seine Gedanken lesen.
Ich blickte hinter seine Angeberei und sein spöttisches Äußeres tief in seine bernsteinfarbenen Augen. Es fühlte sich ein wenig so an wie heute Morgen, als ich ihm einen elektrischen Schlag versetzt hatte, um mich zu schützen. Diese Fähigkeit hatte den gleichen Ursprung. Ich hatte gehört, dass die Augen das Fenster zur Seele sind. Da Dämonen keine Seele besitzen, sah ich also wohl nur hinein in Kravens wahres Selbst.
Ich weiß nicht, ob ich das schaffen werde. Nicht mit ihm hier. Ich wusste nicht, dass es so hart werden würde.
Es waren seine Gedanken und nicht meine, das wusste ich. Ich spürte es. Alles war für mich kristallklar.
„Du zweifelst an dir selbst“, sagte ich laut. „Du hast Angst, zu versagen. Da bist du genau wie Bishop. Ihr beide habt weit mehr gemeinsam, als ihr bereit seid zuzugeben.“
Er zog seine Hand von mir zurück. Die Belustigung war komplett aus seinem Gesicht gewichen und wurde von Verwirrung abgelöst.
„Wie hast du …“, begann er.
„Sie hätten dich nicht ausgewählt, wenn sie nicht geglaubt hätten, dass du es schaffen kannst.“ Wenn Kraven auf diese Mission geschickt worden war, dann musste er dafür qualifiziert sein. Jemand, von dem man dachte, dass er eine harte Situation meistern konnte. War ihm das nicht bewusst?
„Du hast keine Ahnung, wovon zur Hölle du redest.“
Er warf einen finsteren Blick zu Bishop hinüber, der uns eingehend beobachtete.
Bishop zog eine Augenbraue hoch. „Siehst du? Ich habe dir gesagt, dass sie etwas Besonderes ist.“
Kraven wandte seinen wütenden Blick wieder mir zu, und diesmal bemühte er sich deutlich, nicht zu zucken. „Tu das nie wieder.“
„Willst du nicht, dass jemand dein wahres Ich sieht?“
„Du willst mein wahres Ich nicht sehen, glaub mir.“ Er schaute zu Bishop hinüber. „Du würdest auch nicht wollen, dass sie mein wahres Ich sieht, oder? Und was ist mit deinem wahren Ich?“
„Das Risiko würde ich eingehen“, antwortete Bishop gleichgültig.
Kravens kalter Blick traf wieder mich. „Wie hast du das gemacht?“
Was auch immer es war, es fühlte sich natürlich an. Einfach. Als wäre es nur eine Erweiterung dessen, was ich bereits war.
Mir war klar, dass das keinen Sinn ergab. „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.“
„Das glaube ich dir nicht.“
„Dein Problem. Und du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Ich probierte, mit ruhiger Stimme zu sprechen. „Jedenfalls nicht ernsthaft. Kannst du die Lichtsäulen sehen, die zu den anderen führen?“
Er antwortete durch zusammengebissene Zähne: „Nein, kann ich nicht.“
Ich nickte. „Na ja, ich kann es. Und ich habe einen neuen Lichtstrahl entdeckt, also scheinst du mich wohl doch zu brauchen. Solange du mich so anschaust, als würdest du mich lieber tot sehen, kann ich jedoch nicht gerade von mir behaupten, dass ich besonders daran interessiert wäre, dir zu helfen.“
„Kraven“, stieß Bishop knurrend aus. Eine Warnung. „Sei nett zu Samantha.“
Der Dämon sah mich mit verwirrtem und wütendem Gesichtsausdruck noch einen Moment durchdringend an, bis schließlich ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Es reichte jedoch nicht bis zu seinen Augen. „Natürlich. Willkommen im Team, Süße. Scheint so, als machten wir für dich eine ganz gewaltige Ausnahme.“
Na klasse. Ich war noch nie ein besonders guter Teamplayer gewesen und wenn, dann hätte ich jemanden wie ihn bestimmt nicht ausgewählt. Ich nickte wieder und wickelte meinen Mantel noch enger um den Körper. Meine Angst versuchte ich herunterzuschlucken.
„Alles klar. Dann mir nach.“