34
Jetzt hatte OP-Schwester Claudette panische Angst um ihr Kind. Was sollte sie tun? Wie sollte sie sich verhalten? Wenn sie nichts gegen diesen gewissenlosen, hinterhältigen Verbrecher unternahm, würde Waltraude langsam vor die Hunde gehen. Wenn sie etwas gegen Gregor Massinger unternahm, würde sich Waltraude das Leben nehmen. Damit musste Claudette rechnen. Waltraude hatte bestimmt keine leere Drohung ausgestoßen. So oder so würde Claudette Pessacker ihre geliebte, irregeleitete, verblendete Tochter verlieren - wenn kein Wunder geschah. Aber wie sollte dieses Wunder aussehen? Claudette wusste es nicht - und sie konnte nun noch viel weniger mit jemandem über ihr Problem reden, weil die große Gefahr bestand, dass sie mit jedem Wort, das sie preisgab, das Leben ihres Kindes aufs Spiel setzte. Während Schwester Claudette in der Kronwasser-Klinik ihren schwierigen Beruf ausübte, packte ihre Tochter in aller Eile zwei Koffer und hinterließ für ihre Mutter die folgende knappe Nachricht: "Ich ziehe zu Gregor. Versuche nicht, mich zurückzuholen, es würde dir nicht gelingen. Lass mich mein eigenes Leben leben. - Waltraude.”
Eine halbe Stunde später stand Waltraude mit ihren Habseligkeiten vor Gregor Massingers Tür. Er zeigte keine allzu große Freude, als er sie mit ihren Siebensachen sah, aber er schickte sie nicht weg, sondern ließ sie ein. Er würde sie eine Weile bei sich wohnen lassen und ertragen, aber eine Dauerlösung war das mit Sicherheit nicht. Er hatte keine Lust, sich so eng an eine Frau zu binden. Das war ja beinahe wie verheiratet sein - und die Ehe war ihm seit seiner Kindheit ein ganz besonderes Gräuel, denn er hatte hautnah miterlebt, was seine Eltern daraus gemacht hatten. Es war die reine Hölle gewesen. Er vögelte Waltraude lustlos, kam heftig zwischen ihren Titten und belohnte sie für ihre Mühe mit einem Briefchen.