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              Benommen öffnete Adalbert Siebenstern die Augen. Alles war verschwommen und eine starke Übelkeit stieg in ihm hoch. Er befürchtete, sich übergeben zu müssen, kämpfte dagegen an und wollte sich aufsetzen, doch eine Hand legte sich mit sanftem Druck auf seine Brust und ließ es nicht zu. Vage nahm er ein schmales Gesicht wahr, das von blondem Haar umrahmt war.

              "Bleib liegen”, sagte eine warme Stimme.

              "Waltraude?”

              "Ja.”

              Es tat ihm gut, dass sie bei ihm war. Er sah allmählich klarer, erkannte eine fremde Umgebung. "Wo bin ich?”

              "In der Kronwasser-Klinik.” Waltraude strich ihm mit den Fingerkuppen zärtlich über die Wange.

              "Warum?” fragte Adalbert völlig verwirrt.

              "Ich habe es veranlasst”, antwortete Waltraude leise.

              "Was ist passiert?”

              Waltraude beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie war froh, dass er das Bewusstsein endlich wiedererlangt hatte. "Du weißt es nicht?”

              "Nein, ich habe keine Ahnung.”

              "Du hattest einen Unfall”, informierte Waltraude ihn.

              "Einen Unfall?”

              Waltraude nickte. "Einen Sportunfall. Hallenfußball hast du gespielt. Du wolltest ein Tor schießen, dein Gegenspieler wollte es verhindern, dabei kam es zu einem höchst unsanften Zusammenstoß, du flogst durch die Luft und schlugst mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf.”

              "Wieso kann ich mich nicht daran erinnern?”

              "Nach einer schweren Gehirnerschütterung erinnert man sich fast nie an das, was unmittelbar vor dem Unfall geschehen ist”, erklärte Waltraude. Sie stand auf. "Ich hole einen Arzt. Man muss wissen, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Nicht weglaufen. Ich bin gleich wieder bei dir.” Sie verließ das Krankenzimmer und kam mit Dr. Reberg wieder.

              Der Assistenzarzt untersuchte Adalbert gewissenhaft. "Commotio cerebri”, murmelte Dr. Reberg.

              Adalbert sah ihn fragend an.

              "Gehirnerschütterung”, sagte Dr. Reberg. "Ist Ihnen schlecht?”

              "Ja, aber nicht so sehr, dass ich mich übergeben muss.”

              "Benommenheit?”

              Adalbert nickte. "Ziemlich stark. Ich weiß nicht, wie es zu diesem Unfall gekommen ist, Doktor.”

              "Wir Mediziner nennen das retrograde Amnesie - das ist das Unvermögen, sich an den Unfallvorgang oder an die Zeit unmittelbar vor dem Unfall zu erinnern”, erklärte Dr. Reberg. "Diese Erinnerungslücke braucht Sie nicht zu beunruhigen, Herr Siebenstern.”

              "Wie lange war ich bewusstlos?”

              "Etwa drei Stunden”, antwortete Dr. Reberg.

              Adalbert erschrak. "So lange?”

              "Solche Bewusstseinsstörungen können von Sekundendauer bis zur tagelangen tiefen Bewusstlosigkeit reichen.”

              "Und - was - nun…?” fragte Adalbert abgehackt.

              Dr. Reberg lächelte freundlich. "Ich würde sagen, Sie bleiben zunächst einmal ein paar Tage bei uns.”

              "Und dann?”

              "Sie brauchen fürs erste sehr viel Ruhe”, erklärte Dr. Reberg, "müssen liegen und sich erholen. Sobald es Ihnen bessergeht, dürfen Sie heimgehen.”

              "Wie lange muss ich hierbleiben?”

              "Schwer zu sagen.” Dr. Reberg zog die Mundwinkel nach unten und hob die Schultern. "Das h"ngt davon ab, wie rasch Sie sich erholen.”

              "Zwei, drei Tage?”

              "Drei, vier Tage - denke ich”, sagte Dr. Reberg.

              Nachdem er gegangen war, setzte sich Waltraude wieder zu Adalbert. Sie nahm seine Hand, drückte sie innig gegen ihre Wange und flüsterte: "Ich bin bei dir. Es wird dir bald wieder gutgehen, Liebster.”