12
Dem Ehepaar Sommerfeldt, das in der Silvesternacht schwerverletzt in die Kronwasser-Klinik eingeliefert worden war, ging es den Umständen entsprechend gut. Man konnte mit dem Genesungsverlauf zufrieden sein. Nur das sieben Monate alte Baby, das Dr. Wolling mittels Kaiserschnitt geholt hatte und das seither im Inkubator lag, gab Anlass zu leichter Besorgnis. Es war so zart, nur eine Handvoll Mensch, der außerhalb des Brutkastens noch lange nicht lebensfähig sein würde. In der Nachmittagssprechstunde empfing Dr. Emmerson unter anderem eine Patientin, der von mehreren Gynäkologen eine irreparable Unfruchtbarkeit bescheinigt wurde. Der letzte Arzt, bei dem sie gewesen war, weil sie sich mit ihrem Schicksal einfach nicht abfinden wollte, hatte gemeint: "Bei jeder vierten unfruchtbaren Frau ist die Ursache eine Verwachsung oder ein Verschluss der Eileiter, und die operative Öffnung mit mikrochirurgischen Methoden führt nur in jedem fünften Fall zum Erfolg. Wenn Sie sich das antun wollen…”
Sie wollte nicht - und ging zu Dr. Emmerson in die Kronwasser-Klinik. Sie brachte alle Befunde mit. Dr. Emmerson studierte diese aufmerksam und untersuchte die Patientin anschließend ebenfalls.
"Sie sind meine letzte Hoffnung, Dr. Emmerson”, seufzte die junge Frau unglücklich. "Wenn Sie mir auch nicht helfen können, weiß ich nicht, an wen ich mich sonst noch wenden könnte. Sind die Erfolgsaussichten eines Eingriffs wirklich so deprimierend gering?”
Hadubrand Emmersons Kollegen schienen nicht auf dem Laufenden zu sein. Dem Ärzteteam eines Instituts für Reproduktionsmedizin war es nämlich gelungen, verschlossene Eileiter mit Hilfe eines Spezialkatheters ohne Operation zu öffnen. Man führte zu diesem Zweck das sondenartige Mini-Ballon-Gerät durch die Gebärmutter ein und konnte den Verschluss sodann problemlos beseitigen. Ein Verfahren, das ambulant und ohne Narkose durchgeführt wurde. Dr. Emmerson hatte bereits siebenundsiebzig Frauen mit Hilfe dieses Spezialkatheters geholfen, und er war ziemlich zuversichtlich, dass er auch bei dieser Patientin Erfolg haben würde.
Als er ihr das sagte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie flehte mit belegter Stimme: "Bitte versuchen Sie auch mir zu helfen, Dr. Emmerson. Mein Mann und ich sehnen sich so sehr nach einem Baby…”
Schwester Walpurga brachte den Katheter, und Dr. Emmerson führte ihn vorsichtig ein. Reglos saß die Patientin auf dem Gynäkologenstuhl. Völlig entspannt, um Dr. Emmerson die Arbeit zu erleichtern. Behutsam tastete der Klinikchef sich vorwärts. Diese Tätigkeit erforderte große Geschicklichkeit und sehr viel Fingerspitzengefühl. Über beides verfügte Dr. Emmerson in ausreichendem Maße. Er spürte die Verwachsung und löste sie mit Hilfe des Miniballons sehr sachte. Danach war der Eileiter frei, und einer Befruchtung der Frau stand nach Hadubrands Dafürhalten nichts mehr im Wege. Er würde die Patientin wiedersehen, wenn sie schwanger war.
Hoffnungsvoll verabschiedete sich die Frau. "Es wäre wunderbar, wenn es endlich klappen würde”, sagte sie. "Ein Baby wäre für meinen Mann und mich ein Geschenk des Himmels.”
"Ich drücke Ihnen die Daumen.”
"Danke, Dr. Emmerson.”
Als die Frau gegangen war, bat Dr. Emmerson Schwester Walpurga, die nächste Patientin hereinzurufen.