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OP-Schwester Claudette ging wieder an die Arbeit. Es war warm im Operationssaal. Die Klimaanlage sorgte für konstante fünfundzwanzig Grad, das war die ideale OP-Temperatur. Normalerweise vertrug Schwester Claudette sie recht gut, aber heute schwitzte sie - und ihre Gedanken kreisten ständig darum, dass man mit ihrer Leistung nicht mehr zufrieden war, um Adalbert Siebenstern, dem Waltraude den Laufpass gegeben hatte, und um ihre Tochter, die mit einem Verbrecher zusammen war. Es muss etwas geschehen, dachte Claudette angespannt. Ich muss etwas dagegen unternehmen. Wenn jemand mit Drogen handelt, nimmt er zumeist auch selbst welche, und ist auch bereit, das wunderbare Gefühl, das das Rauschgift hervorruft, mit dem Mädchen, das er liebt, zu teilen. Waltraude - eine Drogenbraut! O Gott!
"Tupfer!” sagte Dr. Wolling.
Die OP-Schwester wollte ihm eine Klemme reichen, bemerkte es gerade noch rechtzeitig und gab ihm das Verlangte. Der Chirurg warf ihr einen besorgt-vorwurfsvollen Blick zu.
"Entschuldigung”, presste Schwester Claudette hinter der Gesichtsmaske betreten hervor.
Du musst dich zusammenreißen, sagte sie sich eindringlich, musst dich konzentrieren. Es ist eine Appendektomie. Du weißt doch, wie die abläuft, warst schon so oft dabei, dass du bereits selbst operieren könntest. Du darfst dir auf keinen Fall einen weiteren Schnitzer erlauben, auf keinen Fall! Dr. Wolling hatte einen kleinen Zickzack-Schnitt gemacht und entfernte den Wurmfortsatz, der der Patientin seit längerem immer wieder Beschwerden gemacht hatte. Es war eine 08/15-Operation, und es gab keine Komplikationen. Als die Patientin in den Aufwachraum gebracht wurde, sagte Schwester Claudette zu Dr. Wolling: "Tut mir leid, was vorhin passiert ist. Ich habe mich vergriffen.”
"Schon gut”, sagte Dr. Wolling und verließ den Operationssaal.
Die OP-Schwester brachte das chirurgische Besteck zum Sterilisieren, und ihre Gedanken begannen wieder zu kreisen - Waltraude… Adalbert… Gregor… Drogen… Drogen… Drogen… Sie musste dieses bedrohliche Problem schnellstens in den Griff bekommen. Sobald ihr Dienst zu Ende war, fuhr sie zu Gregor Massinger. Er öffnete, und der Blick, mit dem er sie musterte, gefiel ihr nicht, beleidigte ihre Frauenehre. Ihm hätte dafür eine kräftige Ohrfeige gebührt.
"Sind Sie sicher, dass Sie zu mir wollen?” erkundigte er sich grinsend.
"Herr Gregor Massinger?”
"Der bin ich - seit meiner Geburt”, scherzte er. "Und wer sind Sie?”
"Claudette Pessacker, Waltraudes Mutter.”
"Waltraudes Mutter”, wiederholte Gregor, und sein frecher Blick tastete Claudette noch einmal ab. "Donnerwetter. Und was will Waltraudes Mutter von mir?”
"Darf ich reinkommen?”
"Ich muss Sie fairerweise warnen. Ich bin allein - und Sie sind eine sehr begehrenswerte Frau. Mein Schwanz weiß reife Frauen sehr zu schätzen.”
"Ich muss mit Ihnen reden.”
Er gab die Tür frei. "Hat Waltraude Ihnen meine Adresse genannt?”
Claudette trat ein. "Nein. Sie weiß nichts von diesem Besuch.”
Gregor führte sie ins Wohnzimmer. Sie sah sich flüchtig um. Gregor Massinger wohnte nicht schlecht, aber das interessierte sie kaum. Der ganze junge, selbstgefällige, widerliche Typ interessierte sie nicht. Sie wäre nicht hier gewesen, wenn sie sich nicht so große Sorgen um Waltraude gemacht hätte.
"Setzen Sie sich”, sagte Gregor. "Wohin Sie wollen. Machen Sie es sich bequem. Kann ich Ihnen irgendetwas anbieten?”
"Danke, nein.”
Gregor nickte. "Sie möchten gleich zur Sache kommen, nicht wahr?”
"Ja.”
"Okay, schießen Sie los”, forderte Gregor die Besucherin auf.
"Ich möchte, dass Sie Waltraude nicht wiedersehen.”
Gregor sah Claudette Pessacker zuerst ärgerlich an, dann lachte er laut. "Wie stellen Sie sich das vor? Waltraude liebt mich, sie ist verrückt nach mir.”
"Ich glaube nicht, dass Sie Waltraude ebenfalls lieben.”
"Ich begehre sie”, sagte Gregor. "Sie ist sehr schön. Ich mag schöne Mädchen.”
"Es gibt eine Menge anderer schöner Mädchen.”
"Was haben Sie gegen mich?” wollte Gregor wissen. "Sehe ich nicht gut genug aus für Ihre Tochter?”
"Sie sind nicht der Richtige für Waltraude.”
"Wir haben nicht die Absicht, gemeinsam alt zu werden”, konterte Gregor. "Wir bleiben zusammen, solange es uns gefällt, haben unseren Spaß miteinander, ficken so oft wie möglich - und wenn es vorbei ist, ist es vorbei.”
"Denken Sie immer nur an Ihr Vergnügen?”
Gregor bleckte seine blitzweißen, regelmäßigen Zähne. "So ist das Leben am leichtesten zu ertragen.”
"Und was ist mit der Verantwortung?” fragte Claudette Pessacker.
"Mit was für einer Verantwortung denn?”
"Wenn ein Mann und eine Frau…”
Gregor winkte unwillig ab. "Kommen Sie mir nicht mit dem verzopften Schmus. So, wie Sie aussehen, sollten Sie modernere Ansichten haben. Verantwortung… Sitte… Anstand… Moral… Alles Käse. Die Menschen machen sich das Leben viel zu schwer. Ich bin dafür, dass man einfach mitnimmt, was man kriegen kann, dass man genießt, was es zu genießen gibt - und wenn es vorbei ist, tritt man sang- und klanglos ab. Das sind die Gregor-Massinger-Regeln - simpel und bequem.” Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen. "Hat Adalbert Siebenstern Sie gegen mich aufgehetzt?”
"Hören Sie, warum suchen Sie sich nicht ein Mädchen, das besser zu Ihnen passt?”
"Oh, Sie scheinen nicht richtig informiert zu sein, Frau Pessacker. Waltraude und ich passen ganz hervorragend zusammen. Wir ergänzen uns auf eine geradezu wunderbare Weise. Möchten Sie ein paar pikante Details hören? Ihre Tochter bläst mir die Schalmei...”
"Wie viel?” fragte Claudette Ehrenwirt schneidend.
Er sah sie verwirrt an. "Was? Ich verstehe Sie nicht.”
"Typen wie Sie kann man kaufen. Also sagen Sie mir, wie viel ich Ihnen zahlen muss, damit Sie Ihre dreckigen Finger von meiner Tochter lassen.”
"He!” beschwerte sich Gregor. "Warum beleidigen Sie mich?”
Claudette Pessacker musterte ihn verächtlich. "Jemanden wie Sie kann man nicht beleidigen.”
"Was habe ich Ihnen getan? Wieso sind Sie auf einmal so aggressiv?” fragte Gregor.
"Fünftausend Euro. Ich gebe Ihnen fünftausend Euro, wenn Sie mir versprechen, Waltraude nicht wiederzusehen.”
Gregor schnalzte mit der Zunge. "Fünf Riesen zu bekommen, ist zwar nicht schlecht, aber wir reden hier von einer großen, leidenschaftlichen Liebe, Frau Pessacker. Sie können nicht von mir verlangen, dass ich die für läppische fünftausend Euro - also weit unter ihrem Wert - verschachere.”
"Siebentausend!”
"Ich bitte Sie, Frau Pessacker. Wofür halten Sie mich? Ich bin ein Mann von Ehre.”
"Zehntausend!” krächzte die Krankenschwester.
"Sie müssen auch an Waltraude denken. Es wird ihr sehr weh tun, wenn ich mich von ihr trenne”, gab Gregor zu bedenken.
"Zwölftausend!”
Gregor grinste. "Wer von uns beiden hat hier eigentlich keinen Charakter?”
Hitze stieg in Claudette Pessacker hoch. "Fünfzehntausend! Das ist alles, was ich habe, mehr besitze ich nicht.”
Gregor lächelte wölfisch. "Ihre Bank würde Ihnen bestimmt einen Kredit einräumen.”
"Überspannen Sie den Bogen nicht, Herr Massinger!”
Gregor seufzte, als wäre er im Begriff, ein großes Opfer zu bringen. "Na schön, weil ich ein mitfühlender Mensch bin und ein gutes Herz habe, werde ich mich mit dem Wenigen, das Sie aufbringen können, begnügen. Wann kann ich damit rechnen?”
"Morgen. Morgen gehe ich zur Bank und bringe Ihnen das Geld. Und Sie machen Schluss mit Waltraude.”
"Es wird mir nicht leicht fallen”, sagte Gregor mit theatralischer Miene. "Mir wird das Herz brechen.”
"Ich denke, dass mein Geld ein annehmbares Trostpflaster ist.”
Gregor wiegte den Kopf. "Nun ja, es hört sich viel an - aber wenn man bedenkt, was ich dafür aufgeben muss.”
"Sie werden es überleben.”
Eine Idee blitzte in Gregor Massingers Augen auf. "Wenn ich mich schon von Waltraude zurückziehen muss - wie wär’s dann, wenn ihre Mutter den frei gewordenen Platz einnehmen würde?”
Wieder hätte ihn Claudette Pessacker am liebsten geohrfeigt.
Gregor grinste anzüglich. "Wie ich schon anklingen ließ, meine Nudel mag reife Jahrgänge. Frauen Ihres Alters wissen wenigstens schon, was sie wollen.”
"Da haben Sie recht. Ich weiß zum Beispiel ganz genau, dass ich Sie nicht will.”
Gregor grinste dreckig. "Ich wette, Sie verstehen mit einem schönen Schwanz hervorragend umzugehen."
Die Krankenschwester stand wortlos auf und ging. Tags darauf löste sie ihr Sparbuch auf. Es schmerzte sie, Gregor Massinger das gute Geld in den gierigen Rachen schmeißen zu müssen, aber wenn sie damit verhindern konnte, dass Waltraude auf die schiefe Bahn geriet, war es ihr das wert.
Doch es änderte sich nichts!