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              OP-Schwester Claudette nützte jede Gelegenheit, um den netten Freund ihrer Tochter zu besuchen. Sie hatte den jungen Mann schon nach ganz kurzer Zeit in ihr Herz geschlossen und hoffte sehr, dass Waltraudes Liebe sich diesmal nicht wieder nur als kurzes, hell aufloderndes, rasch niederbrennendes Strohfeuer entpuppte. Beständigkeit war bisher nicht gerade Waltraudes große St"rke gewesen, deshalb wünschte sich Claudette Pessacker, dass es diesmal anders war. Es hätte ihr sehr leidgetan, wenn die Freundschaft zwischen Waltraude und Adalbert aus irgendeinem nichtigen Grund zerbrochen wäre. Claudette wusste schon sehr viel von Adalbert. Auch dass er keine Eltern mehr hatte und allein in einer kleinen Mansardenwohnung lebte, war ihr bekannt. Sie wusste, dass er ein verantwortungsvolles Verhältnis zu Geld hatte, dass er sparsam war und von einem kleinen Häuschen am Rande der Stadt träumte.

              "Wenn ich nach Hause gehen darf, lade ich Sie und Waltraude zum Essen ein”, sagte Adalbert spontan.

              Claudette Pessacker lachte. "Weshalb denn das?”

              "Weil ich finde, dass das ein Grund zum Feiern ist. Wir gehen ganz schick aus, wir drei. Einverstanden?”

              "Es reicht, wenn Sie mit Waltraude ausgehen”, sagte Schwester Claudette. "Ich muss da doch nicht dabei sein.”

              "Ich möchte Sie aber dabei haben.”

              "Warum wollen Sie so viel Geld ausgeben?”

              "Ist ja nicht jeden Tag”, erwiderte Adalbert. "Werden Sie mitkommen? Bitte. Sie sind so nett zu mir. Ich möchte mich dafür erkenntlich zeigen.”

              "Ich bin Waltraudes Mutter…”

              Adalbert lächelte. "Sie sehen wie ihre Schwester aus.”

              "Oh, vielen Dank.”

              "Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht wahr wäre”, behauptete Adalbert.

              "Sie wissen, was Frauen gerne hören.”

              "Ich bin bloß ehrlich”, gab Adalbert schmunzelnd zurück. "Darf ich mit Ihnen rechnen?”

              Claudette Pessacker zögerte noch kurz, dann nickte sie. "Sie dürfen.”

              "Sobald Sie Ihren nächsten freien Abend haben, steigt das Fest”, sagte Adalbert Siebenstern erfreut.

              Am Nachmittag besuchten ihn Waltraude und Arnulf. Arnulf blieb nur eine halbe Stunde. Er hatte einen Zahnarzttermin. Waltraude blieb länger, obwohl sie sich zum ersten Mal nicht richtig wohl in Adalberts Nähe fühlte. Ihr schlechtes Gewissen machte ihr zu schaffen. Sie hätte sich nie und nimmer von Gregor Massinger einladen lassen dürfen. Der Teufel musste sie geritten haben, als sie in sein Auto gestiegen war. Wenn Adalbert das zu Ohren kam, dachte er womöglich Gott weiß, was, obwohl die Sache völlig harmlos gewesen war. Es wäre vernünftig gewesen, darüber zu reden. Besser, Adalbert erfuhr es von ihr als von jemand anderem. Aber sie wollte ihm nicht weh tun, deshalb schwieg sie. Adalbert war gesundheitlich angeschlagen, war noch nicht ganz auf der Höhe. Aber Waltraude schwieg auch aus Feigheit - und weil es bequemer für sie war.

              "Ich habe deine Mutter heute zum Essen eingeladen”, berichtete Adalbert Siebenstern seiner Freundin.

              "Ins Kasino der Kronwasser-Klinik?” fragte Waltraude belustigt.

              "In ein schickes Restaurant, sobald man mich entlässt.” Er grinste. "Du darfst mitkommen, wenn du möchtest.”

              "Oh, das ist aber nett”, erwiderte Waltraude ironisch. Dann maß sie Adalbert mit einem strengen Blick. "Du machst es dir hoffentlich nicht zur Gewohnheit, dich hinter meinem Rücken mit meiner Mutter zu verabreden.”

              Adalbert zuckte die Achseln. "Solange du als Anstandsdame mitkommst, kann ja nichts passieren. Falls du aber mal keine Zeit haben solltest, kann ich für nichts garantieren. Deine Mutter ist nämlich nach wie vor eine sehr attraktive Frau.”

              "Du als mein Stiefvater - das würde mir gerade noch fehlen.”

              Adalbert atmete hörbar aus. "Ach, Waltraude, es tut so gut, mit dir zu albern.” Er griff dankbar nach ihrer Hand und küsste sie innig.

              Als sie ihn tags darauf wieder besuchte, eröffnete er ihr freudestrahlend: "Morgen werde ich entlassen.”

              Waltraude klatschte begeistert in die Hände. Plötzlich war ihr, als würde ihr jemand eine glühende Nadel in den Unterleib stoßen. Sie zuckte heftig zusammen, seufzte auf und legte die Hände auf ihren Leib.

              Adalbert erschrak. "Was hast du?”

              Waltraude schüttelte den Kopf. "Nichts.”

              "Doch, du hast Schmerzen. Im Bauch.”

              Waltraude versuchte ihn mit einem Lächeln zu beruhigen. "Es ist nichts, wirklich nicht.”

              "Schmerzen haben immer eine Ursache.”

              "Mach dir keine Sorgen”, sagte Waltraude sanft.

              "Ich mache mir aber welche”, entgegnete Adalbert laut.

              "Ich bin eine Frau.”

              "Was willst du damit sagen?” fragte Adalbert unruhig.

              "Es gibt kein Leben ohne Schmerzen für uns Frauen.”

              "Ich fürchte, ich verstehe dich nicht”, sagte Adalbert nervös.

              Waltraude verdrehte die Augen. "Mein Gott, habt ihr Männer manchmal eine lange Leitung. Ich habe meine Tage, und da geht es nun mal nicht ganz ohne Bauchschmerzen ab.”

              "Ich möchte, dass du dich von Dr. Emmerson untersuchen lässt.”

              "Wozu denn?” fragte Waltraude.

              "Willst du nicht auch Gewissheit haben, dass mit dir alles in Ordnung ist?”

              "Mit mir ist alles in Ordnung”, behauptete Waltraude.

              "Lass es dir von Dr. Emmerson bestätigen.” Adalbert ließ so lange nicht locker, bis Waltraude einwilligte.

              "Na schön”, gab sie nach. "Ich werde mir einen Termin geben lassen, aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass die Untersuchung nichts Beunruhigendes ergeben wird.”