25

 

              Waltraude hatte die Tür wild zugeworfen und war die Treppe hinuntergerannt. Sie weinte heiße Zornestränen, und ihre Liebe schlug in Hass um. Jawohl, sie hasste Adalbert Siebenstern. Er hatte keinen Grund, ihr zu misstrauen. Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit machte sie rasend. Sie wollte nichts mehr von Adalbert wissen, er war für sie erledigt. Gestorben war er für sie. Wenn er ihr nicht vertraute, war er ihre Liebe nicht wert. Weinend rannte sie die Straße entlang. Eine alte Frau blieb stehen und sah ihr besorgt nach. Waltraude beachtete sie nicht. Zornig wischte sie sich die Tränen ab.               Sie wollte nicht weinen. Adalbert war das nicht wert. Kein Mann war es wert, dass man seinetwegen auch nur eine einzige Träne vergoss. Männer… Sie waren alle gleich - selbstgefällig und arrogant, intolerant und ungerecht. Waltraude hatte die Nase von Männern gestrichen voll. Sie wollte nichts mehr von dieser misslungenen Gattung Mensch wissen. Ziellos lief sie durch Haidhausen. Plötzlich fuhr ein Wagen neben ihr - so langsam, dass er ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie drehte den Kopf gereizt nach links und erkannte den Mann am Steuer. Es war Gregor Massinger. "So allein, schöne Frau?” rief er grinsend.

              "Verschwinde!” fauchte sie ihn an.

              "Komm, ich nehme dich mit.”

              "Lass mich in Ruhe!” Sie blieb stehen.

              Gregor hielt den Wagen an. "Na komm schon, steig ein.”

              Warum nicht? dachte sie plötzlich trotzig. Warum eigentlich nicht. Ich hab’ was gut. Adalbert hat mir Dinge unterstellt, die ich noch nicht einmal getan habe… Gregor stieß den Wagenschlag auf, und sie stieg ein.

              "Wohin?” fragte er.

              "Ist mir egal. Irgendwohin.”

              "Was ist passiert?” erkundigte sich Gregor.

              "Ich möchte nicht darüber reden.”

              "Okay. Möchtest du dich amüsieren?” fragte Gregor.

              "Keine schlechte Idee.”

              Gregor fuhr weiter. "Knatsch mit Adalbert gehabt?”

              "Schon möglich.”

              "Hast du endlich begriffen, dass er nicht der Richtige für dich ist?” fragte Gregor.

              "Habe ich”, gab Waltraude trocken zurück.

              "Hat lange gedauert”, sagte Gregor.

              "Die Liebe hat mich blind gemacht.”

              "Und nun?” wollte Gregor wissen.

              "Wurden mir die Augen geöffnet.”

              "Ist es vorbei mit Adalbert?” erkundigte sich Gregor.

              "Ich bin mit ihm fertig”, sagte Waltraude mit schmalen Lippen.

              Ein zufriedenes Funkeln befand sich in Gregor Massingers Augen. Jetzt war Waltraude endlich da, wo er sie schon seit langem haben wollte. Es hatte sich gelohnt, sich in Geduld zu fassen. Als er seinen Wagen vor einem schmalen grauen Haus ausrollen ließ, sah Waltraude ihn fragend an.

              "Wir sind da”, erklärte er.

              "Wo - da?”

              "Ich wohne hier.”

              Ihr war alles egal. Sie stieg aus und folgte ihm in seine Wohnung, um einen dicken Schlussstrich unter das Kapitel Adalbert Siebenstern zu ziehen. Niemand eignete sich dafür besser als Gregor Massinger.