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              Die Ernüchterung kam erst, als Waltraude zu Hause war. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer, legte sich auf ihr Bett, zog die Beine an und dachte weinend: Mein Gott, was habe ich getan? Tags darauf spürte sie ein starkes Verlangen nach diesem wunderbaren Hochgefühl, und so ging sie zu Gregor, um sich eine weitere Prise zu holen. Sobald das Kokain wirkte, schlief sie wieder mit Gregor. Er nahm sie in den verrücktesten Stellungen, und sie fand nichts dabei. Erst nachdem die Wirkung des Rauschgifts nachließ, schämte sie sich für das, wozu sie sich hatte hinreißen lassen. Daraus wurde für sie allmählich ein Teufelskreis. Sie nahm Kokain, um ihre Schuldgefühle zu betäuben, und sie tat im Drogenrausch Dinge, die immer wieder neue Gewissensbisse hervorriefen. Unmerklich glitt sie in eine gefährliche Abhängigkeit. Immer öfter zog es sie zu Gregor Massinger, und sie durchraste mit ihm die triebhaftesten Nächte ihres Lebens und ließ sich von ihm auch durchs Hintertürchen verwöhnen. Mit viel Gleitmittel klappte das sehr gut. Nie hätte sie gedacht, dass sie auch zu einem analen Orgasmus fähig wäre, aber sie erlebte ihn mit einer Intensität, die sie fast um den Verstand brachte.

              Irgendwann fiel ihrer Mutter auf, dass der Name Adalbert schon lange nicht mehr gefallen war. "Was ist mit ihm?” erkundigte sich Claudette Pessacker. Es war ein sonniger Montagmorgen. Mutter und Tochter frühstückten zusammen.

              "Ich weiß es nicht”, antwortete Waltraude gleichgültig.

              "Du weißt es nicht?”

              "Es gibt keinen Adalbert Siebenstern mehr in meinem Leben”, erklärte Waltraude kühl.

              "Aber Kind, du warst doch so sehr verliebt in ihn.”

              Waltraude zog die Augenbrauen zusammen und machte ein finsteres Gesicht. "Das ist vorbei.”

              Claudette Pessacker tat leid um den sympathischen jungen Mann, der nach ihrer Meinung so gut zu ihrer Tochter gepasst hatte. "Wieso?” fragte sie verstört.

              "Adalbert hat mich bitter enttäuscht”, sagte Waltraude grimmig.

              "Was hat er getan? Hat er dich betrogen?”

              "Er hat mir nicht vertraut. Er hat an meiner Liebe gezweifelt. Ich bin fertig mit ihm. Adalbert Siebenstern war ein Fehler, ein Irrtum. Zum Glück habe ich das noch rechtzeitig gemerkt.”

              "Und was nun?”

              "Wie du siehst, komme ich auch ohne Adalbert sehr gut zurecht.”

              Claudette schaute auf die Küchenuhr. "Ich muss in die Klinik. Ich bin spät dran. Wir sprechen heute Abend weiter, ja?”

              Waltraude richtete es so ein, dass sie am Abend nicht zu Hause war. Sie ging ihrer Mutter auch an den nächsten Tagen aus dem Weg, denn sie wollte sich mit ihr nicht über Adalbert Siebenstern unterhalten und auch keine weiteren Erklärungen abgeben. Das Kapitel Adalbert war zu Ende. Der neue Mann in Waltraudes Leben hieß Gregor Massinger. Von ihm bekam sie, was sie brauchte, um sich gut zu fühlen. Ihm fraß sie immer mehr aus der Hand. Er konnte von ihr verlangen, was er wollte, sie tat alles für ihn - und für eine Prise Koks. Sie brauchte das Zeug, sonst litt sie an Beklemmungen, Schlafstörungen und Herzklopfen. Aber Gregor hatte zum Glück immer Verständnis für sie und ließ sie niemals leiden. Gregor war lieb. Gregor war nett. Gregor war ein guter Freund. Ein viel besserer Freund, als es Adalbert je gewesen war. Und sie hatte kein Problem damit, ihm einen zu kauen, wenn sie dafür ein kleines Briefchen bekam.