Kapitel zwanzig

Auf dem Flug nach Houston hielten sie einander an den Händen. Sarah konnte die Anspannung in seinem Körper spüren. »Alles wird gut«, murmelte sie und strich ihm sanft über den Rücken.

»Crystal hat uns schon wieder sitzen lassen.« Er zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn Sarah.

»Du darfst nicht länger auf sie zornig sein«, sagte Sarah. »Crystal hat mehr durchgemacht, als du dir vorstellen kannst.«

»Was meinst du damit?«

Leise erzählte sie ihm von dem kleinen Jungen, den seine Exfrau verloren hatte.

Travis blickte hinunter auf seine Hände, seine Schultern sackten nach vorn. »Ich hatte ja keine Ahnung. Sie hat mir nie von Shiloh erzählt. Ich bin immer noch wütend auf sie, aber wenigstens kann ich jetzt verstehen, weshalb sie sich so verhalten hat. Warum hat sie mir nie davon erzählt?«

»Es war zu schmerzhaft für sie, darüber zu sprechen. Sie konnte Jazzys Krankheit einfach nicht ertragen. Was sie getan hat, war falsch, Travis, aber ich glaube, sie gibt wirklich ihr Bestes.«

»Ja«, sagte er. »Ich vermute, du hast recht. Ich werde mir Mühe geben, ihr zu verzeihen.«

»Wenn das hier vorbei ist, könnt ihr zwei euch aussprechen und eine Möglichkeit finden, sie an Jazzys Leben teilhaben zu lassen.«

»Vorausgesetzt, Jazzy schafft es.« Seine Stimme brach.

»Sie wird es schaffen«, sagte Sarah heftig. »Deine Tochter ist eine Kämpferin.«

Als sie in Houston ankamen, hatten Sarahs Eltern und der Kinderspezialist Jazzy bereits auf der Intensivstation untersucht. Helen und Mitchell Collier traten ins Wartezimmer, kurz nachdem Sarah und Travis aus dem Aufzug gestiegen waren.

»Meine Güte, Sarah!«, rief ihre Mutter aus. »Lass dich mal ansehen! Du bist schlank, und du hast dir die Haare schneiden lassen. Du siehst wundervoll aus.«

In dem Augenblick wurde Sarah klar, wie lange sie ihre Eltern nicht mehr gesehen hatte. Im letzten Jahr war sie Mitglied bei den WeightWatchers geworden und hatte von Größe vierundvierzig auf Größe achtunddreißig abgenommen.

Ihre Eltern hatten sich ebenfalls verändert. In dem kastanienbraunen Haar ihrer Mutter schimmerten viele silberne Strähnen. Ihre Schultern wirkten schmal und zerbrechlich. Ihre Mutter war siebenundfünfzig. Wie stand sie die langen Stunden in der Chirurgie durch, die ihre Arbeit verlangte? Wie lange würde sie dieser Arbeit noch nachgehen können?

Auch ihr Vater war gealtert, aber auf keine unschöne Weise. Sein silbergraues Haar wurde an den Schläfen lichter, die Falten um seine Augen hatten sich vertieft, und er trug eine Brille, die ihm einen gelehrten Ausdruck verlieh.

Beide hatten grüne OP-Kittel mit weißen Laborjacken an und OP-Clogs. Sie rochen nach Desinfektionsmittel und Chirurgenmasken – Gerüche, die Sarah bestens vertraut waren. Manche Dinge änderten sich nie.

»Dreh dich mal um und lass mich dich richtig ansehen.« Ihre Mutter wirbelte mit dem Zeigefinger.

Sarah drehte sich.

»Ich bin so stolz auf dich«, sagte Helen Collier. »Du hast bestimmt fünfzehn Kilo abgenommen.«

Es ärgerte Sarah, dass ihre Mutter stolz auf sie war, weil sie Gewicht verloren hatte und nicht wegen ihrer anderen Leistungen, aber sie ging nicht näher darauf ein. Hier ging es nicht um die Konflikte aus der Vergangenheit. Hier ging es darum, Jazzys Leben zu retten.

»Ich kann euch nicht genug danken, dass ihr zugestimmt habt, euch Jazzy anzusehen«, sagte sie daher. »Sie ist mir sehr wichtig.«

»Du musst nur darum bitten«, sagte ihr Vater ein wenig traurig. »Wir sind nur einen Telefonanruf entfernt.«

Als träfe sie die Schuld an ihrer Entfremdung! Aber Sarah ging auch darauf nicht näher ein. »Lasst mich euch Jazzys Vater vorstellen«, sagte sie, trat einen Schritt zurück und legte einen Arm um Travis’ Schulter, wobei sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

»Wie geht es ihr?«, fragte Travis. »Was ist passiert? Dr. Adams schien ratlos zu sein.«

»Wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie«, sagte Dr. Mitchell Collier. »Vielleicht sollten wir uns setzen.«

Travis wurde sichtbar blass. »Ist es so schlimm?«

»Zum Glück sind Sie zu uns gekommen«, sagte Helen mit wohlverdientem Selbstbewusstsein. »Man hat Ihrer Tochter vier Jahre lang eine falsche Diagnose gestellt. Sie leidet keineswegs an schwerem Bronchialasthma, und deshalb hat sich ihr Zustand mit zunehmendem Alter auch nicht verbessert.«

»Was hat sie dann?« Travis war so angespannt, dass Sarah die Muskeln an seinen Schultern hervortreten sah. Wieder legte sie den Arm um ihn und spürte, wie er sich ein wenig entspannte.

»Sie hat Herzasthma, was eine vollkommen andere Behandlung erfordert als Bronchialasthma.«

»Das verstehe ich nicht. Wir haben sie zu verschiedensten Spezialisten gebracht. Warum hat das denn vorher niemand entdeckt?«

»Dafür gibt es mehrere Gründe«, erklärte Mitchell. »Zum einen waren Jazzys Symptome untypisch für Herzasthma. Dann war da die Geschichte mit Ihrer Mutter, die tatsächlich an schwerem Bronchialasthma litt. Bronchialasthma kann erblich sein, was die Ärzte vermutlich dazu veranlasst hat, zunächst in diese Richtung zu denken.«

»Wodurch wird es verursacht?«

»Das ist die schlechte Nachricht. Jazzy leidet unter einer kongenitalen Herzerkrankung. Sie muss operiert werden, und zwar sofort.« Sarahs Eltern fingen an, die medizinischen Details zu erörtern.

»Sind Sie sicher?«, fragte Travis. »Es ging ihr gut, nachdem Dr. Adams ihr das neue Medikament verschrieben hatte.«

»Das Mittel hat lediglich die Symptome verschleiert. Es hat ihr nicht geholfen. Ein chirurgischer Eingriff ist die einzige Möglichkeit«, erklärte Sarahs Mutter.

»Die gute Nachricht ist die«, schaltete sich Mitchell ein, »dass Jazzy wieder voll und ganz genesen wird.«

»Wann werden Sie die Operation vornehmen?«

»Sie wird gerade darauf vorbereitet. Sie müssen nur noch die notwendigen Papiere unterschreiben.«

Sarah nahm ihren Arm von Travis’ Schulter und sah ihre Eltern an. Aus dieser Perspektive hatte sie sie noch nie betrachtet: Sie war immer das Kind gewesen, das an Weihnachten von seinen Eltern versetzt worden war, doch jetzt begleitete sie das Kind, dem ihre Eltern ihr Weihnachten widmeten. Ein krankes Kind, das verzweifelt Mitchell und Helen Colliers Hilfe brauchte.

Plötzlich sah sie ihre Eltern in einem ganz neuen Licht. Sie wünschte, sie hätten sie mitgenommen ins Krankenhaus, um ihr die Menschen zu zeigen, denen sie halfen. Vielleicht hätte sie dann nicht einen solchen Groll auf das Weihnachtsfest gehabt. Doch das zählte jetzt nicht mehr. Sie erinnerte sich an Travis’ Worte, als sie ihm von ihrer Narbe erzählt hatte. Narben zeugen davon, wo du warst, sie sind kein Hinweis darauf, wohin du gehen wirst.

Jeder hatte Dinge in seiner Vergangenheit, die er gern ändern würde. Manch einer hütete Geheimnisse, Geheimnisse, die an der Seele nagen und zu Einsamkeit und Isolation führen konnten. Wie bei Travis’ Vater und Crystal. Doch andere waren klug genug, sich zu öffnen, das emotionale Risiko einzugehen, ihren geheimen Schmerz zu teilen, um Liebe und Anerkennung zu finden.

Tief in ihrem Innern spürte Sarah hundert verschiedene Dinge gleichzeitig. Spürte sie und ließ zu, dass sie sich in ihr entfalteten. Überraschung, Freude, Erleichterung. Der Groll, an dem sie festgehalten hatte, verschwand. Mit schräg gelegtem Kopf betrachtete sie ihre Eltern. Sie waren brillante, versierte Menschen, die einen wirklichen Einschnitt in anderer Leute Leben darstellten. Sie waren nicht perfekt. Sie machten Fehler, aber sie gaben ihr Bestes.

Und sie liebten sie, auf ihre Weise. Sie konnte es in ihren Augen sehen, wenn sie sie anblickten. Merkwürdig, dass ihr das nie zuvor aufgefallen war.

»Sarah«, sagte ihre Mutter, als sie aufstanden. »Darf ich dich einen Augenblick unter vier Augen sprechen?«

»Sicher.« Sie drehte sich um und lächelte Travis an. »Ich bin gleich wieder da.«

Sie ging mit ihrer Mutter den Gang entlang, erfreut darüber, dass die Anspannung fehlte, die für gewöhnlich zwischen ihnen in der Luft lag. Vielleicht hatte sie für ihre Eltern ein ebensolches Problem dargestellt wie die beiden für sie.

»Das ist er, hab ich recht?«, fragte ihre Mutter, als sie außer Hörweite waren. »Der Mann, von dem du als Kind geträumt hast.«

Sarah nickte.

»Er macht dich glücklich.«

»Woher weißt du das?«

»Eine Mutter spürt, wenn ihr Kind glücklich ist. Er liebt dich ebenfalls, musst du wissen.«

»Wie bitte?«

»Er kann nicht aufhören, dich anzuschauen. Er sieht dich genauso an wie dein Vater mich.«

»Ich dachte, du glaubst nicht an Seelenverwandtschaft und Schicksal und das ganze Zeug.«

»Vielleicht nicht«, sagte ihre Mutter, »aber ich glaube an die heilende Kraft der Liebe. Das erlebe ich bei meiner Arbeit jeden Tag. Sieh zu, dass das so bleibt, Liebes.« Dann küsste ihre Mutter sie auf die Wange, was ganz und gar untypisch für sie war. »Er ist der Richtige.«

Während Jazzy operiert wurde, saß Sarah mit Travis im Wartezimmer. Sie sprachen nicht, hielten sich einfach an den Händen und warteten. Sarah kuschelte sich neben Travis aufs Sofa und schlief ein. Er war ebenfalls fast eingeschlafen, als Sarahs Eltern ins Wartezimmer traten. Travis stand auf und streckte die Beine aus. Sein Herz schlug wie verrückt.

Sie lächelten.

Erleichterung durchflutete ihn. Lächeln war ein gutes Zeichen. Travis wollte so gern an ein Weihnachtswunder glauben. Nein, nicht an ein Wunder – hierfür hatte Sarah gesorgt. Allein, dass er zugegeben hatte, Hilfe zu benötigen, mit der Situation allein nicht klarzukommen, hatte ihm ein großes Gewicht von den Schultern genommen.

»Ihre Tochter hat die Operation mit Bravour überstanden«, versicherten sie ihm.

»Wir werden sie ein paar Tage hierbehalten«, sagte Helen. »Wir gehen davon aus, dass sie sich ganz erholt. Wahrscheinlich können Sie sie Mitte nächster Woche wieder mit nach Hause nehmen.«

»Ich kann Ihnen gar nicht genug danken«, sagte er.

»Ruhen Sie sich etwas aus.« Mitchell Collier klopfte ihm auf die Schulter.

»Ich muss zu meiner Tochter.«

»Sie steht noch unter Narkose«, erklärte Helen und blickte zu Sarah hinüber, die auf dem Sofa schlief.

»Ihre Tochter hat meine offenbar sehr ins Herz geschlossen«, murmelte Helen. »Jazzy wollte nur wissen, wo Sie beide sind. Oh, und sie wollte, dass ich sicherstelle, dass sie ihre Isabella-Puppe und Das magische Weihnachtsplätzchen hat, wenn sie aufwacht.«

»Das haben wir dabei«, sagte er und stellte fest, dass er von sich und Sarah sprach, als wären sie ein Paar.

Helen lächelte, als verstünde sie, was ihm durch den Kopf ging. »Sie sind ein großartiger Vater«, sagte sie. »Sie leisten weit mehr, als Mitchell und ich zusammen je für Sarah geleistet haben. Wir haben eine ganze Menge wiedergutzumachen.«

Er sah den Schmerz und das Bedauern in ihren Augen. »Dazu ist jede Menge Zeit. Sarah hätte gern eine engere Beziehung zu Ihnen.«

»Tatsächlich?« Helen wirkte überrascht, doch gleichzeitig voller Hoffnung.

»Sie mag zwar nicht in der Lage sein, das auszusprechen, aber es ist das, was sie sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht.«

Helen schüttelte den Kopf. »Sie sind derjenige, den sie mehr als alles andere möchte. Das erkenne ich daran, wie sie Sie ansieht.«

Konnte das wahr sein? Travis schüttelte den Kopf. Er hätte Helens Worte gern geglaubt, aber er hatte Angst, sich zu große Hoffnungen zu machen. »Wann dürfen wir zu Jazzy?«

»Mitchell und ich werden gleich nach ihr sehen, um sicherzugehen, dass alles nach Plan läuft. Eine Krankenschwester wird Sie benachrichtigen, wenn sie so weit stabil ist.«

Sarah war aufgewacht und stand nun mit verschränkten Armen im Wartezimmer.

Ihre Eltern gingen, und Travis und sie blieben allein in dem leeren Raum zurück. Er sah ihr direkt in die Augen.

Travis griff nach ihrer Hand. »Ich war ein Dummkopf«, sagte er. »Ein verdammter Dummkopf, dass ich mich von dir habe überreden lassen, Crystal noch eine Chance zu geben.«

»Sie ist Jazzys Mutter, ich musste dich dazu bewegen, die Dinge mit ihr ins Reine zu bringen. Außerdem warst du kein Dummkopf. Crystal ist ziemlich angeschlagen. Sie braucht ein wenig Mitgefühl.«

»In den drei Wochen warst du für Jazzy eine bessere Mutter, als Crystal das in vier Jahren jemals war.«

»Aber das bedeutet doch nicht, dass wir kein Verständnis für Crystals Notlage haben dürfen. Sie versucht, ihr Bestes zu geben, auch wenn das nicht gut genug ist. Manche Frauen sind eben nicht zu Vollzeit-Müttern geboren.«

»Du denkst an deine eigene Mutter«, stellte Travis fest.

»Ich mache meinen Eltern nicht zum Vorwurf, dass sie so sind, wie sie sind. Ich verstehe sie jetzt besser denn je, und ich denke, dass auch sie mich ein bisschen besser verstehen. Trotzdem solltest du Crystal noch eine Chance geben, ihr Verhalten wiedergutzumachen.«

»Ich werde es versuchen.« Er nickte. »Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass ich ein verdammter Narr war.«

»Und welchen?«

»Ich habe meine Gefühle verletzen lassen.«

»Ich habe deine Gefühle verletzt?«

»Ganz genau. Als du mir weisgemacht hast, dass das, was in der Jagdhütte zwischen uns vorgefallen ist, für dich nicht mehr als ein netter Zeitvertreib war. Zwar gefällt es einem Mann, wenn er weiß, dass er die Frau glücklich macht, aber das bedeutet nicht, dass er sich gern zum Sexobjekt degradieren lässt.«

»Armer Kerl.«

»Das stimmt, dreh nur das Messer, das du mir ins Herz gestoßen hast.«

Sarah schnaubte. »Habe ich dich wirklich verletzt?«

»Ich habe mich gefühlt, als hättest du mir das Herz herausgerissen und wärst mit deinen Stiletto-Stiefeln darauf herumgetrampelt. In meiner Pein konnte ich die Wahrheit nicht erkennen: dass du genauso fertig warst wie ich.«

»Jazzy hat es besser gewusst.« Sarah lächelte. »Sie hat mir an Heiligabend ein Schicksalsplätzchen unters Kopfkissen gelegt.«

»Unter meinem Kissen lag auch eins.«

»Hast du von deiner einzig wahren Liebe geträumt?«, fragte Sarah.

Er sah ihr tief in die Augen. »Ich könnte dich das Gleiche fragen.«

»Ich habe von meinem Hochzeitstag geträumt.«

»Und wen hast du geheiratet?«

»Meinen Seelenverwandten.«

»Wie hat er ausgesehen?«

»Was denkst du denn?«, neckte sie ihn.

Er lächelte. »Genau wie ich.«

Sie gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. »Was für ein eingebildeter Kerl du doch bist.«

»Du hast es mir vor neun Jahren gestanden, doch damals war es mir unmöglich, dich zu erhören. Schließlich warst du erst fünfzehn.«

»Aber du mochtest mich?«

»Ja, aber wie hätte ich das bei meiner Hochzeit mit Crystal zugeben können? Ich dachte, meine Gefühle stammten daher, dass ich kalte Füße gekriegt hatte, aber ein Teil von mir wusste, dass mehr dahintersteckte. Etwas, das ich nicht zugeben konnte.«

»Schlechtes Timing meinerseits.«

»Aber jetzt bin ich nicht mehr mit Crystal verheiratet«, sagte er, »und du bist nicht mehr fünfzehn. Ich bin mit vielen Frauen zusammen gewesen, Sarah. Es ist nichts, worauf ich besonders stolz bin, aber ich habe nie … niemand hat mich je so …« – er zögerte und suchte nach den richtigen Worten – »berührt, wie du es getan hast.«

»Das Gleiche gilt für dich.«

»Ich liebe dich, Sarah Collier. Vielleicht bist du nicht in der Lage, diese Worte zu mir zu sagen, aber ich weiß, dass du mich ebenfalls liebst.«

Sarah ging das Herz auf. Endlich hatte er die Worte ausgesprochen, die sie so sehr hatte hören wollen, obwohl sie gleichzeitig Angst davor hatte, da sie tatsächlich nicht wusste, ob sie sie würde erwidern können. Doch hier stand er nun und sah sie mit einem solchen Verlangen in den Augen an, als würde er sich regelrecht danach verzehren.

Ihm ihre Liebe zu erklären, würde bedeuten, sich ihm voll und ganz zu öffnen. Sich für ihn zu entscheiden hieße, sich für die Unsicherheit zu entscheiden. Ihn zu lieben, bedeutete sich einzugestehen, dass die Möglichkeit bestand, ihn zu verlieren.

Sie sah ihm in die Augen, die so ehrlich und offen waren, und fühlte, wie sich etwas in ihr bewegte. Er war das Risiko wert. Diese Beziehung war es wert, sich der erschreckenden Kluft zwischen Fantasie und Realität zu stellen.

Sarah schaltete den Teil ihres Gehirns aus, der zu viel dachte, schaltete ihren emotionalen Filter aus, der sie dazu gebracht hatte, dass sie sich in ihrem metaphorischen Elfenbeinturm einschloss, und gestattete ihrem Herzen, die Oberhand zu gewinnen.

Sie machte einen Schritt nach vorn. »Travis.«

Er öffnete die Arme, in seinem Lächeln spiegelte sich zaghafte Hoffnung, doch er wartete, dass sie auf ihn zukam. »Sarah.«

Sie stürzte auf ihn zu wie der Fluss, der in den Lake Twilight stürzte, Hals über Kopf, unbedacht, glücklich. »Ich liebe dich, Travis!«, rief sie überschwänglich. »Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.«

Er fing sie auf und wirbelte sie im Kreis. Sein glückliches Lachen hallte durch den Raum, und in diesem Augenblick stellte Sarah Collier fest, dass sie endlich, endlich nach Hause gekommen war.