Kapitel siebzehn
Später lagen sie zusammen im Bett, lauschten auf das Knacken der Scheite im Feuer und spürten das Nachglühen ihres Liebesspiels.
»Ich danke dir«, flüsterte Travis ihr ins Ohr, dann küsste er sie sanft auf die Stirn.
»Wofür?«, fragte sie und strich mit den Fingern durch die dunklen Haare auf seinem Unterarm.
»Dafür, dass du du bist.«
»Ich bin, wer ich bin, das ist nichts, wofür du mir danken müsstest«, sagte sie, auch wenn sie sich sehr über seine Worte freute. Sarah konnte gar nicht genug von seinem Anblick bekommen, war bezaubert von diesem »Und sie lebten glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage«-Märchen, verkörpert durch den wunderschönen nackten Mann, der neben ihr im Bett lag.
Wow, nun überstürz mal nichts. Noch hat niemand davon gesprochen, was hierauf folgen soll.
Trotzdem konnte sie die Freude nicht bremsen, die sie erfüllte.
Aus dem Bett heraus, unter einem Stapel von Decken aneinandergekuschelt, konnten sie durch das große Glasfenster nach draußen blicken. Der Eisregen hatte aufgehört. Das Licht des Vollmonds spiegelte sich auf dem eisigen Winterwunderland. Alles war gefroren. Das spröde Gras, die kahlen Bäume mit ihren in den düsteren Himmel ragenden knochigen Gespensterfingern, die von bläulichem Eis überzogenen Stromleitungen mit den Eiszapfen daran, die unter dem zusätzlichen Gewicht durchhingen. Kein Geräusch durchbrach die Stille.
Nichts bewegte sich.
Drinnen fiel das reflektierte Mondlicht auf Travis’ Wangenknochen, die wie gemeißelt aussahen. Sarah strich mit dem Zeigefinger über seine warme glatte Haut.
Er schloss seine Hand um ihren Finger, führte ihn an seine Lippen und küsste ihn. Dann ging er zum nächsten Finger über und zum übernächsten. Seine heißen, feuchten Lippen jagten ihr einen lustvollen Schauder durch den Körper.
Sie hatte sich nie viel aus äußerlichen Zuneigungsbekundungen gemacht. Ein Arm, der sich beiläufig um ihre Schultern legte, eine Hand an ihrer Taille, ein Kuss in der Öffentlichkeit. Es beeinträchtigte ihr Bedürfnis nach Privatsphäre, nach Abstand, nach Raum für sich selbst. Bei Travis dagegen sehnte sie sich nach Berührung, konnte gar nicht genug davon bekommen, nahm sie freudig an.
Er legte seinen Arm um sie und zog sie näher, und sie kuschelte sich zufrieden an ihn. Er hatte sie gelehrt, ganz in ihrem Körper zu sein, was für sie eine völlig neue Welt der Freude und sinnlichen Wahrnehmung darstellte. Sie fühlte sich wie ein Kind, das zum ersten Mal im Disneyland ist: von Ehrfurcht ergriffen und verblüfft. Er schien genau zu wissen, wo er sie berühren musste, um sie in Erregung zu versetzen. Wusste Dinge über ihren Körper, die sie bis dahin nicht mal selbst gewusst hatte. Was für eine großartige Entdeckung!
Sarah fuhr mit der Handfläche über seine Brust und freute sich über den kleinen Fleck aus drahtigem, dunklem Haar, in den sie ihre Finger versenkte. Sie knetete seine Haut, spürte die festen, wohlgeformten Muskeln darunter. Ihre Finger strichen über seine Brustwarze, die sich augenblicklich versteifte. Er bekam eine Gänsehaut.
»Gefällt dir, was du siehst?«
»Mmm«, schnurrte sie träge und folgte der Haarspur von der Brust bis zum Bauchnabel.
Travis küsste sie sanft, doch so blieb der Kuss nicht lange, genauso wenig wie Travis.
Sarah schauderte in der kühlen Luft.
»Ist dir kalt?«
»Ganz und gar nicht, aber würdest du mich wärmen, wenn ich Ja sage?«
Travis lachte. Das Lächeln dieser Frau machte ihn durch und durch glücklich.
Jazzy war der einzige andere Mensch, dem es gelang, ein solches Glücksgefühl in ihm hervorzurufen. Er konnte nicht anders, als sie erneut zu küssen, sie zu schmecken, zu umarmen. Er konnte diesem Gefühl nicht entrinnen. Sie war überall, füllte seine Nase mit ihrem erdigen, weiblichen Duft. Das Geräusch ihres Atems ließ ihn schneller Luft holen. Er konnte nicht genug von ihr bekommen.
Er begehrte sie so sehr. Das hier fühlte sich so richtig an. So gut. So verdammt lebendig.
Sie fing an, unglaubliche Dinge mit ihrer Zunge anzustellen. Er stöhnte.
Sein Penis war steinhart, und Travis’ Schmerz wurde überlagert von der Vorfreude auf das, was sie als Nächstes tun würde.
Ihre Zunge zog eine hitzige Spur von seiner Kehle zu seiner Brust, dann widmete sie sich spielerisch seinen Brustwarzen. Seine Nervenenden vibrierten wie eine Stimmgabel.
Er wünschte sich, sie würde sich ihren Weg nach unten bahnen, und er drückte den Rücken durch, schob sein Becken vor, um deutlich zu machen, was er wollte.
Als ihre Lippen seinen Penis berührten, geriet Travis völlig außer sich. Ihre Zunge war wie ein exquisites Folterinstrument, heiß und feucht. Wie hatte er je ohne das leben können? Ohne sie?
Es dauerte nicht lange, bis er spürte, dass er zum Höhepunkt kam. Sarah musste es ebenfalls gemerkt haben, denn sie entzog ihm ihre Lippen und richtete sich auf, dann lächelte sie verführerisch und setzte sich mit gespreizten Beinen auf ihn. Ihr Haar fiel wie eine weiche Kaskade um ihr Gesicht.
Travis verschlang sie mit den Augen. Im silbernen Mondlicht konnte er ihre Narbe sehen. Er fühlte sich geehrt, dass sie den Mut aufbrachte, sich ihm so darzubieten. Er wollte etwas sagen, aber sie beugte sich zu ihm hinunter und bedeckte seinen Mund mit ihrem. Mit zitternder Hand schloss er seine Hand um ihre Brust, deren Gewicht gegen seine Handfläche drückte. Sarah bewegte sich in einem trägen Rhythmus, auf und ab, auf und ab, und änderte ihre Geschwindigkeit nur, wenn sie merkte, dass er sich ihren samtigen Fängen entzog. Auf und ab. Auf und ab.
Er stieß nach oben, trieb sie an, weiterzumachen. Sie erhöhte ihr Tempo. Er spürte, wie sich ihre Muskeln um ihn schlossen. Sie bewegten sich in absolutem Gleichklang, schwer atmend, bis sie sich beide zusammen in einer hitzigen Explosion entluden.
Sarah brach auf seiner Brust zusammen, zitternd und schwitzend. Er schlang seine Arme um sie. Ihr Herz schlug wild gegen seinen Brustkorb.
Er wollte ihr sagen, dass er sie liebte, hätte sich ihr fast offenbart, aber etwas hielt ihn zurück. Travis hatte sich nie so verletzlich gefühlt wie in diesem Augenblick. Und gleichzeitig so unbesiegbar. Sie gab ihm das Gefühl, ihm gehörte die ganze Welt, dabei fürchtete er, mit einem falschen Wort, mit einer falschen Geste alles zu zerstören.
Also schwieg er einfach und hielt sie nur fest umschlungen, bis sie beide in einen tiefen, traumlosen Schlaf fielen.
Als sie wieder aufwachten, war es mitten am Vormittag. Heller Sonnenschein fiel durch das Fenster. Die Temperatur war gestiegen, die Eiszapfen an den Dachtraufen fingen schon an zu schmelzen. Das Wetter in Nordtexas war einfach unberechenbar.
Sie machten sich ein Frühstück aus Trockenfleisch, Käse und Kräckern. Sarah war so ausgehungert, dass ihr ein Filet Mignon und Rührei nicht besser hätten schmecken können. Sie war wund, und ihr Körper schmerzte an genau den richtigen Stellen, sodass sie einfach nicht aufhören konnte zu grinsen. Es war ein herrlicher Tag.
Travis, der nichts als seine Jeans trug, trat ans Fenster und betrachtete mit finsterem Blick das schmelzende Eis. Sarah stand auf und schlang ihre Arme um seine Taille. Eine so spontane Geste war untypisch für sie, aber sie konnte einfach nicht von ihm lassen. Sie hatte ihm ihr innigstes Geheimnis anvertraut und er ihr seins. Nun waren sie auf Augenhöhe, es gab keine weiteren Geheimnisse zwischen ihnen, was sich befreiend anfühlte.
»Machst du dir Sorgen um Jazzy?«, flüsterte sie.
»Woher weißt du das?« Er legte seine Hände auf ihre.
»Weil du ein guter Vater bist. Sie ist bei ihrer Tante Raylene. Du weißt, dass sie in Sicherheit ist.«
»Was, wenn sie krank wird?«, fragte er beunruhigt. »Und ich bin nicht da?«
»Sie wird nicht krank werden.«
»Das kann man nicht wissen.«
Sarah hatte nie dazu geneigt, Dinge schönzureden, und so war sie hin- und hergerissen zwischen Aufrichtigkeit und dem Wunsch, ihm zu helfen, dass er sich besser fühlte. »Okay«, sagte sie schließlich, »ich werde den Advocatus Diaboli spielen. Sagen wir mal, sie wird krank. Was ist das Schlimmste, das passieren kann?«
»Dass sie stirbt und ich nicht da bin.«
»Wie wahrscheinlich ist das, statistisch gesehen?« Sie küsste seinen nackten Rücken.
»Selbst bei einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent ist dieses eine Prozent zu viel«, erwiderte er.
»Dann müssen wir also nach Twilight zurückkehren.«
»Ja.«
»Wie sollen wir das am besten anstellen, in Anbetracht dessen, dass die Achse deines Pick-ups gebrochen und dein Akku kaputt ist?«
»Zu Fuß. Ich wünschte, wir wären früher aufgebrochen. Das habe ich nicht bedacht, als wir so lange geschlafen haben.«
Sie waren so beschäftigt miteinander gewesen, dass keiner von beiden den Kopf für etwas anderes frei gehabt hatte. »Wie weit ist es bis in die Stadt?«
»Ungefähr zweiundzwanzig Meilen.«
»Selbst wenn wir vier Meilen die Stunde schaffen, was ganz schön schnell ist, würden wir ohne Pause über fünf Stunden brauchen.«
»Wir müssen es nur bis zum Highway schaffen. Von dort aus können wir uns mitnehmen lassen.«
»Falls jemand auf den vereisten Straßen unterwegs ist, vor allem in dieser abgelegenen Gegend.«
»Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.«
Weil sie wussten, dass er recht hatte, packten sie ihre Sachen und gingen nach draußen. Mittlerweile war das meiste Eis zu einem schmutzigen Matsch geschmolzen. Vorsichtig bahnten sie sich einen Weg über das rutschige Terrain und marschierten in Richtung Highway. Sie waren schon über eine Stunde unterwegs und kaum eine Meile vorwärtsgekommen, als sie das Geräusch eines schweren Motors hörten.
Ein paar Minuten später kam rumpelnd ein großer gelber Bulldozer in Sicht. Bürgermeister Moe saß am Lenkrad.
»Sieh dir das an.« Travis grinste und fing an zu winken. »Hier kommt die Kavallerie.«
Raylene, Jazzy und Patsy verließen soeben das Funny-Farm-Restaurant auf dem Stadtplatz, wo sie zu Mittag gegessen hatten, als Bürgermeister Moe Schebly mit seinem Bulldozer in die Stadt gerumpelt kam und einen Flachlader hinter sich herzog. Raylene hatte keine Lust zum Kochen gehabt, und Jazzy hatte sich ein Hähnchenschnitzel gewünscht. Earl hielt im Horny Toad die Stellung. Das Geschäft ging auch bei eisigem Wetter weiter, also hatte sie Patsy gebeten, sie zu begleiten.
»Sieh mal, wer mit Moe in der Kabine sitzt«, sagte Patsy.
»Daddy!«, rief Jazzy, als ihr Vater aus dem Bulldozer kletterte und sich dann umdrehte, um Sarah hinauszuhelfen. Jazzy riss sich von Raylenes Hand los und rannte über die Straße in die weit geöffneten Arme ihres Vaters.
»Er ist der beste Vater auf der ganzen Welt«, sagte Patsy. »Er hat sich ganz schön anstrengen müssen, um die Sache mit diesem Miststück von Mutter auszugleichen.«
»Musst du sie gleich so hart verurteilen?«, fragte Raylene.
»Nun, was stimmt an meinem Urteil denn nicht?«
»Egal, was sie getan hat, Crystal ist immer noch ein Mensch.«
Patsy legte den Kopf schräg und warf Raylene einen merkwürdigen Blick zu. »Seit wann stellst du dich auf die Seite von Crystal Hunt?«
»Sie ist schließlich nicht der Teufel. Sie hat bloß einen Fehler gemacht.«
»Hm. Einen verdammt großen Fehler, wenn du mich fragst.«
Travis hatte Jazzy auf die Hüfte gehoben und einen Arm um Sarah gelegt. Sarah blickte ihn bewundernd an. Raylene war augenblicklich klar, dass sie in der Jagdhütte von Frank Jennings’ Ranch gelandet waren, und man musste kein Genie sein, um sich ausmalen zu können, was letzte Nacht passiert war.
Aus irgendeinem merkwürdigen Grund brauten sich Ärger, Sorge und Beklemmung in ihr zusammen. »Mein Neffe und die Schriftstellerin wirken ja ziemlich vertraut«, murrte sie.
»Warum beschwerst du dich darüber? Ich dachte, genau aus dem Grund hätten Dotty Mae und du Sarah hierher zurückgelockt … um sie mit Travis zu verkuppeln.«
»Wer sind wir, dass wir uns in das Leben eines anderen einmischen dürften?«
»Du benimmst dich wirklich komisch.« Patsy stemmte die Hände in die Hüften. »Sieh doch nur, wie glücklich sie sind.«
»Vielleicht sollte er nicht mit Sarah glücklich sein. Vielleicht sollte er seinen Zwist mit Crystal beilegen, damit seine Tochter ihre Mutter kennenlernen kann.« Raylene dachte an den schrecklichen Fehler, den sie selbst begangen hatte. Sie durfte einfach nicht zulassen, dass Crystal dasselbe passierte. Es mochte durchaus sein, dass Sarah gut war für Travis, aber das Wichtigste war Jazzy. Ein kleines Mädchen verdiente es, mit seiner richtigen Mutter aufzuwachsen. Jazzy hatte sich zu Weihnachten eine Mommy gewünscht, und wer wäre da geeigneter als ihre leibliche Mom? Es war falsch, Crystal die Chance zu nehmen, die Dinge zu bereinigen.
Wenn die anderen Mitglieder des Plätzchenclubs geahnt hätten, was sie vorhatte, hätten sie einen Wutanfall erlitten. Besonders Dotty Mae, die immer ein Faible für Sarah gehabt hatte. Nicht dass Raylene sie nicht gemocht hätte, aber Crystal verdiente eine zweite Chance. Sie war die biologische Mutter des Mädchens. Sie musste wissen, dass das ihre letzte Gelegenheit war, zu ihrer Familie zurückzukehren.
»Mir ist kalt«, sagte sie zu Patsy. »Ich gehe zurück zum Auto.«
»Dir wäre nicht so kalt, wenn du aufhören würdest, diese Miniröcke zu tragen.«
Raylene schnalzte verächtlich mit den Lippen. »Ach? Du bist doch nur eifersüchtig, dass ich mir das immer noch leisten kann.«
»Ha! Träum weiter!«
»Richte Travis einfach aus, dass ich ihn später anrufe.«
»Hast du heute vergessen, dein Östrogen zu nehmen?«, murrte Patsy.
Raylene zeigte ihr einen Vogel, drehte sich um und ging zu dem rosa Cadillac, den Earl ihr zum fünfundfünfzigsten Geburtstag geschenkt hatte, zusammen mit einer CD von Bruce Springsteen, auf der »Pink Cadillac« zu hören war. Earl liebte es, mit ihr auf dem Rücksitz rumzumachen, während Musik von Springsteen lief.
Bibbernd stieg sie ein, knallte die Tür zu und ließ den Motor an. Raylene war genauso gewesen wie Crystal. Sie hatte berühmt werden wollen und dachte, sie wäre zu gut für ein Städtchen wie Twilight. Sie hatte unvorstellbare Dinge getan und Leute verletzt, nur um ihre Karriere voranzutreiben. Und sie hatte einen sehr hohen Preis dafür bezahlt, genau wie die Exfrau ihres Neffen.
Mitgefühl, vermischt mit bitterer Reue, überwältigte sie. Im Rückspiegel sah sie, wie Travis lässig und unbefangen den Arm um Sarah schlang und mit der freien Hand durch Jazzys Haare wuschelte. Sie sahen aus wie eine Bilderbuchfamilie. Sarah wandte ihm den Kopf zu, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, und als sich ihre Blicke begegneten, konnte Raylene durch die Windschutzscheibe ihres Cadillacs förmlich die Funken sprühen sehen.
Oh, oh, wenn es mal nicht schon zu spät war.
Unter Hunderten erkannte sie ein glückliches Paar. Die beiden waren zweifelsohne intim miteinander gewesen.
Raylene war über ihre emotionale Reaktion überrascht. Schließlich war sie diejenige gewesen, die die ganze Sache angeleiert hatte, die herausgefunden hatte, dass Sadie Cool Sarah war. Die dem Plätzchenclub davon erzählt und die Damen angestiftet hatte, Travis und Sarah miteinander zu verkuppeln. Die den Babysitter für Jazzy gespielt hatte. Und das alles nur, damit der letzte Wunsch auf der Weihnachtswunschliste ihrer Großnichte in Erfüllung ging.
Raylene war überzeugt gewesen, genau das für Travis zu wollen.
Doch als ihr Neffe seinen Kopf neigte, um Sarah auf dem Rasen des Rathauses einen langen, gefühlvollen Kuss zu geben, einen Kuss, der deutlich sagte, dass er sich in sie verliebt hatte, wusste Raylene, dass das nicht richtig war. Ein schreckliches Gefühl der Panik, das nur wenig mit Sarah und Travis zu tun hatte, dafür aber alles mit dem dunklen Geheimnis, das sie nun seit sechsunddreißig Jahren mit sich herumschleppte, überkam sie. Sie dachte an ein anderes mutterloses kleines Mädchen, und ihr drehte sich der Magen um.
Sie musste dieser Beziehung ein Ende bereiten, bevor sie aus dem Ruder lief. Raylene mochte Sarah. Mochte sie sogar sehr gern. Doch sie war nicht die Richtige für Travis, und vor allem: Sie war nicht die Mommy für Jazzy.
Angetrieben von einem Impuls, den sie nicht unterdrücken konnte, selbst wenn ein Teil von ihr schrie: Halt dich da raus und lass deinen Neffen in Ruhe!, wählte Raylene die Nummer der Telefonauskunft. Sie hatte einen äußerst wichtigen Anruf zu tätigen, und sie konnte nur beten, dass es nicht zu spät war.
Eine Minute später, bewaffnet mit einer Telefonnummer aus Nashville, drückte Raylene die Tasten ihres Handys.
»Hallo?«, sagte eine Frau. Im Hintergrund konnte Raylene Country- und Westernmusik vernehmen.
»Crystal? Crystal Hunt?«
»Ja? Wer ist dran?«
»Hier spricht Raylene Pringle, die Tante von Travis Walker.«
»Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie?« Crystal klang aggressiv, und Raylene hätte das Gespräch am liebsten beendet, aber sie konnte es einfach nicht. Das war ihre einzige Möglichkeit, für ihre eigenen Sünden Buße zu tun.
Sie stieß die Luft aus, und zum ersten Mal in sechsunddreißig Jahren beichtete sie die schreckliche Tat, die sie begangen hatte.
Am nächsten Abend, dem Sonntag vor Heiligabend, eröffnete Bürgermeister Moe Schebly um Punkt achtzehn Uhr das offizielle Schmücken des Weihnachtsbaums von Twilight. Die Menge, die sich auf dem Rasen vor dem Rathaus versammelt hatte, stürmte begeistert nach vorn, bewaffnet mit Plastikkugeln und knallbunten Girlanden, silbernem Lametta und glänzenden Bändern, farbigen Schleifen und Pfefferminzstangen.
Sarah blickte auf den Baum, den sie zusammen mit Travis gefällt hatte. Die schöne Weihnachtszeder, die nun von der ganzen Stadt geschmückt wurde. Die Lichter funkelten in atemberaubender Schönheit. Schneeflocken tanzten in der Luft. Weihnachtssänger stimmten »Let It Snow« an. Da stand sie, hielt mit der Linken Travis’ Hand, mit der Rechten Jazzys. Es war ein unglaublicher Augenblick, absolut überwältigend. Wenn sie eine alte Dame im Schaukelstuhl wäre, die auf ihr Leben zurückblickte, würde sie sich an diesen perfekten Augenblick erinnern, als sie vollkommen glücklich gewesen war.
Travis wandte sich ihr zu und fuhr ihr mit der freien Hand durchs Haar. Die Vertrautheit dieser Geste ließ ihr Herz höher schlagen. Er berührte sie, als wären sie offiziell ein Paar. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dir die Haare hast schneiden lassen.«
Nachdem sie am gestrigen Nachmittag aus der Jagdhütte in die Stadt zurückgekehrt waren, war Sarah direkt in den nächsten Friseursalon gegangen und hatte sich ihre taillenlangen Locken bis zur Schulter kürzen lassen. Rapunzel hatte sich viel zu lange in ihrem Elfenbeinturm versteckt. Sie hatte sich verändert, und eine neue Frisur würde zu der neuen Sarah passen.
Sie hob das Kinn und fuhr sich mit der Hand an den Kopf. »Der Zopf hat mich herabgezogen. Mich gestört.«
»Mir gefällt die neue Frisur … Du wirkst … freier, unbeschwerter.« Er zauste ihr Haar. »Deine Haare sind immer noch lang genug, um sexy zu sein, aber nicht mehr so lang, dass sie sich überall verheddern.« Das Funkeln in seinen Augen verlieh diesem »überall« etwas Zweideutiges.
»Ach, dann habe ich vorher also verschlossen gewirkt.«
»Ein bisschen«, bestätigte er. »Du hast einen so kontrollierten Eindruck gemacht. Was nicht schlecht ist, nur das hier ist … anders. Du siehst anders aus.«
»Das hatte ich beabsichtigt.«
»Es hat funktioniert.« Er zwinkerte.
»Ich finde es hübsch«, erklärte Jazzy.
»Danke.« Sarah lächelte.
»Sarah«, sagte Jazzy, die immer noch ihre Hand hielt. »Jetzt, wo du zurück bist, könnten wir an Heiligabend doch Schicksalsplätzchen backen, oder?«
»Da musst du deinen Vater fragen.«
»Dürfen wir, Daddy? Bitte, bitte, bitte!«
Travis warf Sarah einen »Willst-du-das-wirklich?«-Blick zu.
Sie nickte. »Ich würde Grams Tradition liebend gern weiterführen.«
»Super!« Jazzy strahlte. »Also dann, Heiligabend, bei uns zu Hause. Komm nicht zu spät! So, jetzt hole ich mir etwas Lametta, bevor alles weg ist.«
Sarah und Travis lachten, als Jazzy zu den Ständen hinüberlief, an denen ehrenamtliche Helfer Weihnachtsbaumschmuck verteilten.
»Ich hatte vergessen, wie das ist«, sagte Sarah. »Was für ein ausgelassenes Tollhaus!«
Travis hatte die Arme vor der Brust verschränkt, ein stolzes Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er trug einen rot-grün gestreiften Pullover und gebügelte Jeans. Jazzy hatte sich bereits mit einer Handvoll Lametta und Zuckerstangen für den Baum unter die Menge gemischt. Die Tonanlage, die für die Dickens-Veranstaltung installiert worden war, war noch an Ort und Stelle, und die Klänge von Burl Ives’ Interpretation von »Holly Jolly Christmas« schallten über den Platz. Die Luft roch nach heißem Früchtepunsch, Zimt und dem frisch geschlagenen Baum. Die Temperatur bewegte sich um die sieben Grad, und jeder fragte sich, ob sie wohl steigen oder fallen würde.
»Was hattest du vergessen?« Er drehte sich um und begegnete ihrem Blick.
»Wie diese Stadt an Weihnachten ist. Einfach surreal. Ich habe das Gefühl, in Ist das Leben nicht schön? gefangen zu sein.«
Seine grauen Augen blieben fest auf sie gerichtet. »Das Leben ist schön, Sarah. Wir sollten jede Chance nutzen, die wir bekommen.«
Der Optimismus auf seinem Gesicht berührte sie. Er glaubte tatsächlich daran. Selbst nach all dem, was er durchgemacht hatte. Vielleicht gerade deswegen. Wie konnte ein Mensch eine so hoffnungsfrohe Lebenseinstellung entwickeln?
Er legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie näher. »Du hast bloß Angst, daran zu glauben«, sagte er, als würde er ihre Gedanken lesen.
Das stimmte. Einst hatte sie so tief an die Kraft der Schicksalsplätzchen geglaubt, und sie war so tief von der Realität verletzt worden. Sie konnte ihre Unschuld nicht zurückgewinnen, egal, wie sehr sie sich darum bemühte.
»Versuchst du etwa, mir weiszumachen, dass es so etwas wie ›Und sie lebten glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage‹ tatsächlich gibt?«
Seine Augen waren rätselhaft, sein Gesichtsausdruck sanft. »Du bist die Schriftstellerin. Sag du es mir.«
»Es ist bloß eine Fiktion, ein Märchen.«
»Und warum schreibst du dann darüber?«
»Weil ich immer noch hoffe …«
»Siehst du. Bewahr dir diese Hoffnung. Man braucht Hoffnung im Leben.«
»Du wirst jetzt aber kein aufmunterndes Liedchen anstimmen, oder?«
»Wenn es helfen sollte …« Er grinste. »Hör mal, Sarah, ich bin nicht immer so optimistisch gewesen. Bis vor Kurzem stand es noch sehr schlimm um Jazzy, und ich hatte schon Angst, sie würde ihren neunten Geburtstag nicht mehr erleben. Aber sieh sie dir jetzt an …« Er winkte seiner Tochter zu, die um den Weihnachtsbaum herumlief, Lametta auf die Zweige warf und ihn mit Zuckerstangen schmückte, ein breites Lächeln auf dem hübschen Gesichtchen. »Siehst du das? Das ist Hoffnung.«
Hoffnung. Was für ein großartiges Wort. Warum nur hatte sie das Gefühl, es sei unerreichbar?
»Hier, ein bisschen Lametta«, sagte Travis und reichte ihr eine Handvoll glänzender Silberfäden. »Lass uns zu den anderen gehen und unser wundervolles Leben genießen.«
Travis sah zu, wie Sarah behutsam einen Strang Lametta über einen Zweig hängte.
Die Art und Weise, wie die Leute einen Baum mit Lametta schmückten, sagte viel über sie aus, befand Travis. Da gab es die Groben, Ungeduldigen, die sich nicht um die Feinheiten scherten. Ihnen ging es um das Erlebnis an sich, sie zupften das Lametta einfach auseinander und hängten es irgendwie an den Baum. Jazzy zählte zu ihnen. Sie liebte es zu beobachten, wie die Silberfäden über die Nadeln glitten, und lachte, wenn sie sich zu einem Klumpen verhedderten.
Dann waren da die Minimalisten, die mit Lametta geizten oder ganz darauf verzichteten, weil es ihnen zu viel war. Sein Vater war ein solcher Minimalist gewesen. Er hatte schlichte weiße Lichter bevorzugt, ein paar Kugeln, und das war’s schon. Keine Girlanden, keine Moosbeeren- und Popcornschnüre, keine Zuckerstangen. Nachdem Travis’ Mutter gestorben war, hatte er sich sogar ganz geweigert, einen Baum aufzustellen. Vielleicht liebte es Travis deshalb, Weihnachtsbäume zu schmücken.
Es gab auch noch die Künstler, die jeden Lamettastrang mit Bedacht positionierten, einen Schritt zurücktraten, um ihr Werk zu begutachten, und sich dann erneut daran zu schaffen machten, bis es in ihren Augen perfekt war. Zu diesen Künstlern zählte Sarah.
Wobei jegliche künstlerischen Ambitionen sinnlos waren, wenn man bedachte, dass es sich beim Schmücken des Weihnachtsbaums von Twilight um ein Gruppenprojekt handelte.
Sarah wirkte verletzlich, wie sie den Kopf schräg legte und den Baum betrachtete, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sich womöglich im nächsten Augenblick ein ungestümes Kind einen Spaß erlauben und das sorgfältig drapierte Lametta wieder herunterreißen konnte.
Travis verspürte einen Stich tief in der Brust, eine plötzliche Traurigkeit, kombiniert mit dem mächtigen Drang, sie zu beschützen, koste es, was es wolle.
Ihre blauen Augen funkelten unter den blinkenden Lichtern des Weihnachtsbaums. Sie trug einen hellblauen Mantel von der Farbe einer Eisscholle und eine schwarze Wollhose, dazu die Stiefel mit den hohen Absätzen, die er ihr scheinbar nicht ausreden konnte. Er musste zugeben, dass sie verdammt gut darin aussah. Eine weiße Bommelmütze über ihrem neuen sexy Haarschnitt ließ sie wie einen Schneehasen aussehen, gleichzeitig unschuldig und kokett.
Sarah strahlte eine Ruhe aus, die sich auf ihn übertrug und ihm das Gefühl vermittelte, alles würde gut werden. Doch sein Leben war so lange in Aufruhr gewesen, dass Travis der Ruhe misstraute.
Und trotzdem gab Sarah ihm Halt. Wenn sie da war, hatte er nicht das Gefühl, der Himmel drohte jeden Augenblick über ihm einzustürzen oder er würde doch nur auf die nächste Hiobsbotschaft warten. Sie nahm die Dinge, wie sie kamen, außerdem war sie eine gute Zuhörerin, und wenn er sie um sich hatte, gewann er den Eindruck, er sei für sie der einzige Mensch auf der Welt. Sie konnte unglaublich gut auf ihn eingehen, und ihre Fähigkeit, sich von ihren Emotionen zu lösen, verlieh ihr eine Weisheit, die viele andere Leute entbehrten.
Er genoss es, den positiven Einfluss zu betrachten, den er auf sie ausübte. Sie war aufgeblüht, hatte sich weiter geöffnet, als er es erwartet hatte. Wenn er sie zum Lächeln brachte, fühlte sich das besser an als Sonnenschein an einem bewölkten Wintertag. Travis hätte ihr gern gesagt, wie attraktiv er sie fand, aber jedes Mal, wenn er es versuchte, wischte sie seine Komplimente fort, als glaubte sie ihm nicht. Sie hielt sich noch immer für ein hässliches Entlein, für eine Frau, die durch Brandnarben entstellt war, was sie dadurch verriet, dass sie stets errötete, wenn er ihr sagte, wie schön sie sei.
Aber es steckte mehr dahinter, das wusste er. Sie konnte nicht glauben, dass er sich für sie interessierte. In ihren Teenager-Fantasien hatte sie ihn zum Helden verklärt, ohne ihn wirklich zu kennen. Sie war in ihn verschossen gewesen und völlig verblendet, und jetzt, da er ihre Gefühle erwiderte, wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Außerdem hatte sie diese Gefühle lange abgeschottet und diesen Abschnitt ihres Lebens inzwischen hinter sich gelassen. Hatte sie auch ihn hinter sich gelassen?
Dieser verunsichernde Gedanke hatte seit ihrer gemeinsamen Nacht in der Jagdhütte an ihm genagt. Sie hatte viel erlebt, war viel herumgekommen. Sie hatte mit Prominenten diniert, lebte in einer der größten Städte der Welt und war reich und berühmt. Er war bloß ein Bursche vom Lande, der sein unspektakuläres Leben liebte und kein größeres Ziel hatte, als mit seiner Tochter bei deren Hochzeit zu tanzen. Wie konnte Sarah mit einem Mann wie ihm, an einem Ort wie diesem jemals glücklich werden?
Sarah drehte sich zu ihm um, als hätte sie gespürt, dass er sich ihretwegen sorgte. »Du schmückst ja gar nicht den Baum!«
»Es macht mir Spaß, dir und Jazzy dabei zuzuschauen.«
»Komm schon, du hast mich hierhergebracht, jetzt musst du auch mitmachen!« Sie griff nach seiner Hand und zog ihn zu sich herüber.
In der Hoffnung, sie würde ihm nichts anmerken, stürzte er sich kopfüber ins Geschehen und ahmte sie beim Lamettaaufhängen nach. Neben ihnen stand Belinda Murphey mit ihrem Mann Harvey und ihren fünf Orgelpfeifen Kimmie, Kameron, Karmie, Kyle und Kevin. Sie hängten rote Schleifen an die Zweige.
Auf der anderen Seite waren Jesse Calloway und seine Braut Flynn; sie knutschten mehr, als dass sie den Baum schmückten. Jesse gehörte der Motorradladen, Flynn wollte Grundschullehrerin werden. Jesse hatte seinen Arm um ihre Taille gelegt und küsste sie immer wieder auf die Schläfe, während sie versuchte, Rentierschmuck am Baum zu befestigen.
Travis verspürte Eifersucht; er hätte Sarah ebenfalls gern geküsst, aber er hatte bereits verstanden, dass sie nicht gerade scharf darauf war, ihre Gefühle in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen, und er fragte sich, warum. Vielleicht wollte sie nicht, dass die Leute erfuhren, wie nahe sie sich gekommen waren, auch wenn die ganze Stadt wusste, dass sie zusammen in einem Eissturm festgesteckt hatten. Selbst wenn sie nicht miteinander ins Bett gegangen wären, hätte sich doch jeder seine Gedanken gemacht.
»Weißt du«, sagte sie, »das ist seit Jahren das erste Mal, dass ich Weihnachten wirklich genieße.«
»Dann solltest du jedes Jahr herkommen«, sagte er, und dann wagte er es hinzuzufügen: »Oder bleib doch einfach. Schließlich bist du gerade dabei, ein Haus zu kaufen.«
»Ich kann nicht«, sagte sie. »Ich habe doch Mieter.«
»Und wenn du bei den Mietern einziehen würdest?«, platzte er heraus und bereute es sogleich. Er hatte gelernt, dass er bei Sarah behutsamer vorgehen musste. Das hier war nicht die richtige Zeit oder der richtige Ort, um ihr vorzuschlagen, dass sie zusammenziehen sollten. Ihm war selbst nicht klar gewesen, wie oft er schon an ein Leben mit ihr gedacht hatte, und jetzt, da die Worte heraus waren, hingen sie wie etwas Greifbares zwischen ihnen in der Luft.
Sie sahen einander an. Er konnte den Ausdruck in ihren Augen nicht deuten, doch sie blickte leicht unbehaglich drein. Sein Magen fuhr Achterbahn. Er hätte das nicht sagen sollen. Sein Tempo war viel zu schnell, und zwar nicht nur für Sarah, sondern auch für ihn selbst. »Was denkst du?«, fragte er.
Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. »Immer, wenn ich in dieser Stadt bin, habe ich den Eindruck, eine Schneekugel in der Hand zu halten. Und darin ist diese magische Welt, in die ich nicht vordringen kann.«
Ihre Worte bestürzten ihn. »Du hast also das Gefühl, du stündest außerhalb der Schneekugel und blicktest hinein; ich dagegen habe manchmal den Eindruck, ich wäre in ebenjener eng umrissenen Welt innerhalb dieser Schneekugel und könnte nicht heraus. Sicher, es ist warm und behaglich und einladend, aber ich wäre für immer und ewig wie eine Raupe eingeschlossen in ihrem Kokon, niemals in der Lage, meine Flügel zu spreizen und zu fliegen. Versteh mich nicht falsch, ich liebe meine Stadt, ich liebe meine Tochter mehr als mein Leben, aber meine Flügel wurden an dem Tag beschnitten, an dem Crystal schwanger wurde. Du bringst für mich die Außenwelt in mein Leben. Wenn ich mit dir zusammen bin, habe ich nicht das Gefühl, irgendetwas zu vermissen. Du bist das Teil des Puzzles, das mich zu einem Ganzen macht, Sarah, und ich hoffe, ich bin dasselbe für dich.«
Sie erwiderte nichts. Seine Sphinx.
»Wir können jeder für sich auf seiner Seite der Schneekugel bleiben. Du in aller Ruhe draußen, ich sicher, aber beengt im Innern. Oder wir können uns zusammentun und in beiden Welten leben.«
Jemand rempelte ihn an. »Ups! Entschuldigung, ich bin über einen Haufen Stechpalmenzweige gestolpert.«
Es war seine Tante Raylene, die ihm einen merkwürdigen Blick zuwarf. Hatte sie gehört, dass er Sarah gebeten hatte, bei ihm einzuziehen? Zum Teufel, hatte er das wirklich getan?
Plötzlich hatte Travis einen Einfall. »Könntest du für ein paar Minuten ein Auge auf Jazzy werfen, Tante Ray?«, fragte er.
Raylenes Blick wanderte zu Sarah. »Natürlich, geht nur.«
»Danke.« Er nahm Sarah bei der Hand und zog sie aus dem Gedränge.
»He«, sagte sie und hielt eine Handvoll Lametta in die Höhe. »Ich war noch nicht fertig.«
»Moment.« Er nahm ihr das Lametta ab und reichte es Moe, der gerade vorbeigeschlendert kam. »Hängen Sie noch ein bisschen Lametta auf, Herr Bürgermeister.« Dann zog er Sarah zum Rinky-Tink. »Lass uns eine heiße Schokolade trinken.«
»Ich bin mir sicher, Jazzy würde auch gerne mitkommen …«
»Keine Sorge, ich beiße nicht«, sagte er, und dann fügte er neckend hinzu: »Es sei denn, du möchtest das.«