2. Kapitel

Marta spürte eine leise Beklemmung, als sie den Mann in dem dunklen Mantel auf sich zukommen sah.

Er war weder groß noch klein, dieser Polizist. Er war auch nicht hässlich. Oder gut aussehend – so wie der junge. Yai. Marta wollte sich nicht ausmalen, wie viele er in Aufregung versetzte. Und wie schön es sein musste, seinetwegen in Aufregung zu geraten. Es war bestimmt ein höchst angenehmer Schauder. Ganz anders als das hier. Aber wenn sie nicht aufpasste, konnte auch der Mann, der jetzt auf sie zukam, Aufregung verursachen, aber in ganz anderer Hinsicht. Es waren die Stillen, dachte sie, immer waren es die Stillen. Dann sagte sie sich, dass sie nichts Falsches getan hatte. Sie hatte es einfach nicht mit Männern in gut geschnittenen dunklen Anzügen. Sonst nichts. Diejenigen, die so leise redeten, hatten ihr immer am meisten Angst gemacht.

»Signora Buonifaccio, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen.«

Es war eine Höflichkeitsfloskel. Sie wussten beide, dass sie keine Wahl gehabt hatte.

»Ich werde versuchen, mich kurzzufassen«, ergänzte Pallioti. »Mir ist klar, dass das ein schrecklicher Schock für Sie sein muss. Sie werden später noch eine ausführliche Aussage machen müssen.«

Die Frau nickte, sah aber nicht auf. Das Kopftuch, das sie sich umgebunden hatte, bedeckte ihr Haar und ließ sie merkwürdig alterslos aussehen. Das und der feste Körper, der nichts von jener Gebrechlichkeit erkennen ließ, die sie ihrem Nachbarn von oben zugeschrieben hatte, erschwerten es Pallioti, ihr Alter zu schätzen. Sie konnte ebenso gut eine früh gealterte Fünfzigjährige wie eine jung gebliebene Achtzigjährige sein. Dafür war unübersehbar, dass sie Angst hatte. Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Irrglauben hatte Pallioti festgestellt, dass verängstigte Menschen keineswegs zappelig wurden. Sie wurden ganz ruhig. Diese Frau versuchte zu versteinern.

»Könnten Sie mir«, bat er freundlich, »genau schildern, was heute Morgen passiert ist?«

Die Frage blieb absichtlich offen. Es war immer interessant festzustellen, wo jemand zu erzählen begann.

»Da hatte es zu regnen angefangen«, antwortete Marta. »Gegen elf Uhr.« Sie sah zu ihm auf. »Ich konnte es hören. Wie Getrommel. Ich bin vors Haus getreten und habe zugesehen. Ich habe ihn schon immer lieber gemocht. Den Winter.«

Pallioti lächelte. Ein winziger Funke der Komplizenschaft erglühte. Marta senkte den Blick und holte Luft.

»Eigentlich gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte sie. »Ich habe eine Weile in den Regen geschaut. Dann bin ich wieder ins Haus gegangen. Da oben«, sie nickte in Richtung Treppe, »im ersten Stock haben sie gekocht. Es muss also kurz vor Mittag gewesen sein. Ich esse mittags nicht«, ergänzte sie. »Aber ich bin trotzdem ins Haus gegangen, weil meine Lieblingssendung anfangen sollte, und da lag dieses Zeug auf dem Boden, Speisekarten und so weiter. Also habe ich sie aufgehoben.«

»Von wem waren die?«

»Von dem Chinarestaurant unten an der Straße«, antwortete Marta. »Dem, das sie vor zwei Jahren schon einmal geschlossen haben wegen der toten Ratte.« Die in der Toilette gefunden worden war, wenn Pallioti sich recht erinnerte. Das hatte Schlagzeilen gemacht. »Und von einem Taxiunternehmen. Wenn Sie wollen, können Sie nachsehen«, ergänzte sie. »Ich habe alles in den Papierkorb geworfen. Und dabei habe ich den Brief für Signor Trantemento gesehen.«

»Er lag im Papierkorb?«

Sie nickte. »Da drüben, neben dem Tisch. Das kommt hin und wieder vor. Die Leute nehmen ihre Post heraus und werfen alles weg, was sie nicht interessiert. Früher haben sie alles auf den Boden geworfen, deshalb habe ich den Papierkorb aufgestellt. Manchmal passen sie nicht auf und werfen versehentlich zu viel weg.«

»Ist das Signor Trantemento öfter passiert?«

»Nein. Nicht öfter. Aber er wurde allmählich alt, Sie verstehen? Darum habe ich beschlossen, ihm den Brief zu bringen.«

»Und die Post? Wie wird die zugestellt? Hat der Briefträger einen Schlüssel?«

Marta sah ihn an, als wäre er beschränkt. Wie viele Schlüssel müsste ein Briefträger in diesem Fall mit sich herumtragen?

»Der wirft alles durch den Schlitz in der Haustür«, sagte sie. »Und ich verteile die Briefe dann auf die verschiedenen Briefkästen.«

»Sie haben also einen Generalschlüssel? Für alle Briefkästen?«

Sie nickte. »Früher hat sich jeder seine Briefe selbst herausgesucht. Aber da gab es dauernd Verwechslungen. Also habe ich das Sortieren übernommen, vor zehn Jahren ungefähr. Mir macht das nichts aus.« Marta zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. »Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Ich bin nach oben gegangen. Dann habe ich das Blut gesehen, das unter der Tür hervorkam. Ich habe versucht, die Tür zu öffnen, und weil sie nicht abgeschlossen war, konnte ich sie aufdrücken. Und da lag er, direkt dahinter.«

»Haben Sie ihn berührt? Nach seinem Puls gefühlt?«

Sie zögerte ganz kurz. »Ja«, sagte sie schließlich. »Ich habe meinen Finger auf seinen Hals gelegt. Er war tot. Also bin ich wieder nach unten gegangen und habe angerufen. Dann habe ich gewartet.«

»Hier unten?«

»Genau hier. Wo ich jetzt stehe.«

»Und hat irgendjemand das Haus betreten oder verlassen, bevor der erste Polizist eintraf?«

»Nein. Niemand. Es hat nur eine Viertelstunde gedauert. Der Krankenwagen und die Polizei kamen mehr oder weniger gleichzeitig.«

Pallioti nickte. »Haben Sie ein Handy?«

Das brachte sie tatsächlich zum Lächeln. Ein kleines Schmunzeln zupfte an ihren Mundwinkeln.

»Sie sind also alle Stockwerke wieder nach unten gegangen, um die Polizei anzurufen?«, fragte Pallioti. »Oder haben Sie Signor Trantementos Telefon benutzt?«

Wieder zögerte sie. Dann sagte sie: »Ich bin wieder nach unten gegangen. Ich – ich weiß nicht recht, warum. Wahrscheinlich, weil ich noch nie in seiner Wohnung war. Ich weiß nicht, wo sein Telefon steht, außerdem …« Sie zuckte mit den Achseln.

Außerdem war er tot, dachte Pallioti, es gab also keinen Grund zur Eile, oder?

»Eines noch«, sagte er. »Der Aufzug. Den haben Sie nicht benutzt? Obwohl Sie wussten, dass er tot war, und obwohl Sie die Polizei anrufen mussten?«

Sie schüttelte energisch den Kopf.

»Und können Sie mir sagen, ob Sie sich eventuell gemerkt haben, auf welchem Stockwerk der Aufzug stand?«

Sie blickte auf das Gitter mit dem Absperrband, als hätte Pallioti angedeutet, dass der Aufzug persönlich aus der Haustür ins Nachbarhaus geflohen sein könnte. Dann sagte sie: »Ach so, jetzt verstehe ich. Nein. Nein, ich weiß nicht, auf welchem Stockwerk er stand. Ich interessiere mich nicht für ihn«, ergänzte sie, als wäre der Aufzug ein ungezogenes Kind.

Pallioti zog eine Visitenkarte aus seiner Tasche.

»Danke«, sagte er noch einmal. »Ich werde Sie jetzt nicht weiter belästigen, aber falls Ihnen noch etwas einfällt, was Sie mir erzählen möchten …«

Sie nahm die Karte zaghaft aus seinen Fingern und schob sie in ihre Schürzentasche. Er wollte sich gerade abwenden, als Enzo nach ihm rief.

»Chef?«

Enzo drückte sich an der Polizistin vorbei, die zuvor die Straße mit Pylonen abgesperrt hatte und jetzt unter dem Vordach Wache stand, wo ihr neonfarbener Anorak auf die Steinplatten tropfte. Enzo selbst war triefnass, schien das aber nicht zu merken. Er marschierte eifrig auf Pallioti zu und streckte ihm einen durchsichtigen Beweisbeutel hin. Im Halbdunkel des Hausgangs brauchte Pallioti ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass eine Brieftasche darin lag. Eine lange, schwarzlederne Herrenbrieftasche.

»Sein Ausweis liegt noch drin«, sagte Enzo. »Und außen sind seine Initialen eingeprägt.«

Er drehte den Beutel um, sodass Pallioti die in Gold geprägten Buchstaben G. B. T. erkennen konnte. Mit Sicherheit hieß er Giovanni Battiste. Pallioti brauchte nicht zu fragen, wann der Mann Geburtstag hatte.

»Wo?«, fragte er.

Enzo grinste.

»In der Gasse neben dem Haus, ungefähr auf halber Höhe. Ich habe die Stelle absperren lassen. Der Ausweis und ein paar Karten sind noch drin. Keine einzige Banknote. Aber dafür das hier.«

Er zog aus seiner Jacke einen zweiten Beweismittelbeutel und präsentierte ihn Pallioti wie ein Zauberkünstler. Darin lag ein durchnässter Zettel.

»Eine Quittung für einen eingelösten Scheck«, sagte Enzo.

Pallioti hatte beinahe vergessen, dass solche Dinge existierten. Inzwischen wurde die Welt von Plastikkärtchen regiert.

»Der lag im Münzfach«, erklärte Enzo soeben. »Gestern Nachmittag um fünfzehn Uhr zwölf hat er einen Scheck über fünfhundert Euro eingereicht. Ich gehe nach oben und suche nach dem Scheckbuch.« Enzo sauste los und die Treppe hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. »Der Safespezialist ist schon unterwegs«, rief er noch.

Seine Worte hallten durchs Treppenhaus. Pallioti sah ihm nach und überlegte, was er Marta hatte fragen wollen, bevor Enzo aufgetaucht war. Dann fiel es ihm wieder ein. Er drehte sich zu ihr um und sagte: »Verzeihung, Signora Buonifaccio, aber der Brief?«

»Der Brief?«

Marta starrte auf den Punkt auf dem Treppenabsatz, wo Enzo verschwunden war. »Ach ja«, sagte sie plötzlich. »Der Brief. Richtig.«

Sie griff in ihre Schürzentasche, zog einen Umschlag heraus und reichte ihn Pallioti. Das Papier fühlte sich fest und teuer an. Die Tinte auf der Vorderseite war im Regen leicht verlaufen, weshalb die Adresse aussah, als würde sie tropfen. Er drehte den Umschlag um und sah den kleinen Drachen im Kreis. Dann stellte er fest: »Der ist ja offen.«

Marta sah ihn an. Dann bestätigte sie seine Worte mit einem winzigen Nicken.

»War er schon offen, als Sie ihn gefunden haben? Im Papierkorb?«

Marta nickte abermals kurz. »Ich dachte, ich sollte nachsehen«, sagte sie. »Nur um sicherzugehen, dass er sich nicht geirrt hat. Das sah nicht aus wie ein Brief, den man wegwirft.«

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25. Oktober 2006

Sehr geehrter Signor Trantemento,

es war mir wie jedes Mal ein Vergnügen, Sie vergangenen Monat in Ihrer schönen Stadt besuchen zu dürfen.

Ich habe den von Ihnen unterbreiteten Vorschlag zur Vervollständigung meiner Kollektion überdacht und bin nach gründlicher Erwägung zu dem Schluss gekommen, dass dies tatsächlich die beste Vorgehensweise ist, da – wie Sie richtig bemerkten – ich nicht in der Lage bin, so oft zu reisen, wie es notwendig wäre, um potenzielle Neuerwerbungen in Augenschein zu nehmen. Außerdem umgehen wir dadurch, wie Sie selbst bemerkten, die zunehmend impertinente Wissbegier der »verflixten Kontrollen am Flughafen« – mögen sie in der Hölle schmoren! Daher, und weil ich Ihren Geschmack für unbestechlich und meinem sehr, sehr ähnlich halte, möchte ich Ihnen Vollmacht erteilen, in meinem Namen zu handeln. Ich sehe voller Spannung einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit zur Förderung unserer gemeinsamen Leidenschaft entgegen.

Hochachtungsvoll

Der Brief war auf ein einzelnes Blatt Papier getippt, das dem eingeprägten Briefkopf zufolge einem gewissen David, Lord Eppsy, Eppsy House, 15 Pont Street, London SW1 gehörte. Pallioti wollte beim besten Willen nicht in den Kopf, warum die Menschen, je fantasievoller ihre Titel waren, umso unfähiger schienen, leserlich zu unterschreiben.

Mit einem Stich der Enttäuschung steckte er den Brief wieder ein. Er hatte nicht ernsthaft erwartet, dass er ihm einen magischen Hinweis auf Trantementos Mörder liefern würde. Trotzdem hatte er sich etwas Interessanteres erhofft als ein kleines Liebesbriefchen zwischen zwei Pornografie-Sammlern.

Natürlich, dachte er, während er den Brief noch einmal überflog, hätte David, Lord Eppsy auch auf ihre gemeinsame Leidenschaft fürs Briefmarkensammeln anspielen können. Aber der Hinweis und der folgende Fluch auf die Kontrollen am Flughafen ließen das nicht vermuten. Zwei schmutzige alte Männer, dachte er säuerlich. Vor allem das enttäuschte ihn so. Die Engländer – gut, denen mochte so etwas gefallen. Aber irgendwie machte ihn die Vorstellung traurig, dass ein großer Held des Widerstands, einer jener zielsicheren, viel zu dünnen Jungen mit einem Gewehr über der Schulter, ein so schmähliches Ende genommen haben sollte – als einsamer alter Kerl, der sein Leben in einer stickigen, überladenen Wohnung fristete, umgeben von exquisit gezeichneten sodomitischen Darstellungen.

Er sah auf die Uhr. Die Obduktion sollte in einer halben Stunde vorgenommen werden. Er hatte sich bereit erklärt, ihr beizuwohnen, damit Enzo freie Hand hatte, sein Team zusammenzustellen und loszulegen. Merkwürdigerweise hatte Pallioti, dem bekanntlich schon schwummrig wurde, wenn er einen Finger verpflastern musste, Obduktionen nie besonders unangenehm gefunden. Der Umgang mit verletzten Lebenden fiel ihm schwer, aber mit Toten hatte er keine Probleme. In deren Augen stand kein Schmerz mehr.

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»Es war nicht nur in seinem Mund.«

»Oh.«

Die Gerichtsmedizinerin sah auf und nickte.

»Genau. Oh. Er hatte auch Salz im Magen, in der Speiseröhre und in der Kehle. Sogar ziemlich viel. So viel«, erläuterte sie, »dass er wahrscheinlich daran erstickt wäre, wenn man ihn nicht erschossen hätte.«

»Der Mörder hat ihn also gezwungen …« Pallioti schüttelte den Kopf. Die Vorstellung war verstörend. Sie war in einer Art und Weise brutal, wie sie ihm bis dahin nicht untergekommen war. Er hatte Erstochene, Erschossene, Erwürgte gesehen – alles Mögliche. Aber hier hatte er es mit einer verschrobenen, symbolischen – und sehr persönlichen – Grausamkeit zu tun, bei der es ihn fröstelte.

»… es zu essen«, vollendete die Gerichtsmedizinerin den Satz. »Sein Mörder hat ihn Salz essen lassen.«

»Wie viel?«

Sie legte den Kopf schief und betrachtete nachdenklich den ausgeweideten Leichnam, der offen auf dem Tisch vor ihr lag.

»Eine ganze Menge«, sagte sie. »In meinem Bericht werde ich die Menge natürlich genauer bestimmen. Aber schätzungsweise mindestens ein Pfund. Vielleicht noch mehr.« Sie sah ihn an. »Es muss grässlich gewesen sein. Aber man glaubt gar nicht, wozu die Menschen fähig sind, wenn sie Todesangst haben.«

»Was haben Sie sonst noch?«

Pallioti war sich nicht sicher, ob er es wirklich erfahren wollte, aber er musste die Frage stellen.

»Nicht viel.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Kampfwunden. Keine einzige. Was mir ein bisschen merkwürdig vorkommt. Ich weiß nicht, warum, aber es sieht so aus, als hätte er das Salz mehr oder weniger freiwillig gegessen. Als hätte er nicht einmal versucht, sich zu wehren. So, wie wir den Leichnam vorgefunden haben, hätte ich angenommen, dass sein Mörder ihn überrascht hat. Wenn das Salz nicht wäre. Übrigens werde ich es natürlich noch analysieren«, ergänzte sie, »aber ich glaube, Ihr Tybalt hatte recht.«

Unwillkürlich musste Pallioti lächeln, als er hörte, wie sie Enzo nannte. Tatsächlich sah er verdächtig nach einem der Capulets aus.

»Ich würde auf gewöhnliches Speisesalz tippen«, fuhr sie fort und zuckte die Achseln. »Ansonsten war er für einen Mann seines Alters in guter Verfassung. Die Sehkraft war natürlich eingeschränkt. Daher die Brille. Aber er trug kein Hörgerät, und ich habe weder ein künstliches Hüftgelenk noch eine Schweineherzklappe entdeckt.«

Versonnen betrachtete sie den Leichnam. Bislang waren sie bei ihren Ermittlungen vom wahrscheinlichsten Tathergang ausgegangen, einem Einbruch oder einem Treffen mit katastrophalem Ausgang. Pallioti hatte von Prostituierten, Gigolos und Strichern gehört, die Waffen bei sich trugen. Aber er hatte noch nie gehört, dass sich einer mit Salz bewaffnet hätte. Soweit er wusste, hatte man in Trantementos Küche nur ein kleines Schälchen mit Meersalz gefunden. Er griff hinter sich nach seinem Mantel. Plötzlich merkte er, wie er rastlos und nervös wurde. Er brauchte ein paar Minuten allein, bevor er mit dem Bürgermeister oder auch nur mit Enzo sprach.

»Ach ja, und ich hatte recht«, ergänzte die Gerichtsmedizinerin und sah ihn wieder an. »Wegen der Kugel. Ich lasse sie sofort in die Ballistik bringen. Aber es war eine Kleinkaliberwaffe. Es gibt keine Austrittswunde. Sie saß noch im Kopf. Ein einzelner Schuss, ohne jeden Zweifel. Die Waffe wurde am Hinterkopf aufgesetzt.« Sie lächelte. »Und zwar von oben.«

Pallioti, der sich gerade den Mantel zugeknöpft hatte, erstarrte.

»Sagen Sie das noch mal.«

»Von oben«, wiederholte sie. »Ich habe Ihnen schon in der Wohnung gesagt, dass ich mir fast sicher bin, aber jetzt habe ich den Winkel genau vermessen. Der Täter stand direkt über und hinter dem Opfer, und zwar so dicht, dass er die Mündung auf den Kopf aufsetzen konnte. Sie können das ganz deutlich sehen, die schwarzen Stellen sind …«

»Schmauchspuren?«

»Ja«, bestätigte sie. »Genau. Am Hinterkopf. Und der Täter zielte nach unten. Ohne jeden Zweifel.«

»Wie hat es sich also Ihrer Meinung nach abgespielt?«

»Also«, antwortete sie, »für mich sieht es so aus, als hätte ihn der Mörder hinknien lassen, ihn erst eine Unmenge Salz essen lassen, dann seinen Mund damit vollgestopft und ihn zuletzt von hinten erschossen.«