35. Kapitel

Das Absperrband wand sich wie eine lange Girlande zwischen den Bäumen hindurch. Es schlang sich um Stämme und hing von nackten Ästen herab. Der Weg war von den Ställen bis zum Tatort abgesperrt worden. Die Gerichtsmedizinerin und die Polizisten der Spurensicherung liefen wie seltsame, weiß verhüllte Außerirdische herum.

Jetzt kniete Carla Nanno, dieselbe Pathologin, die auch Giovanni Trantemento untersucht hatte, neben Piero Balestro. Ihre weißen Latexfinger drückten und pikten. Dann sah sie auf.

»Etwa vor acht Stunden«, sagte sie. »Schätzungsweise natürlich. Kurz nach Sonnenaufgang. Keine ungewöhnliche Zeit für Selbstmörder.«

»Sie glauben, er hat sich selbst umgebracht?«

Sie zuckte mit den Achseln und sah von Piero Balestros Hand auf die Waffe, die bereits ausgiebig fotografiert und vermessen worden war.

»Also, jedenfalls bestünde die Möglichkeit einer Selbsttötung«, sagte sie. »Das steht außer Frage. Vielleicht finde ich etwas, das dagegen spricht, wenn ich ihn erst auf dem Tisch liegen habe. Aber das bezweifle ich. Natürlich«, schränkte sie ein, »heißt das nicht, dass es eine war. Eine Selbsttötung. Ich sage nur, dass es, soweit ich das jetzt feststellen kann, eine gewesen sein könnte. Das wäre meine erste Vermutung.« Sie nickte zur ausgestreckten Hand des Toten hin. »Natürlich muss ich noch einen Test machen. Aber so wie es aussieht, sind Schmauchspuren auf dem Handschuh.«

Pallioti nickte.

»Was ist mit dem Salz?«

Sie beugte sich vor. Streckte den Finger aus und fuhr damit unter der Lippe des Alten entlang. Der Anblick wirkte obszön. Pallioti konnte nur angestrengt die Miene wahren. Carla Nanno legte die Stirn in Falten.

»Also, er hat auch welches im Mund. Allerdings längst nicht so viel wie der andere. Das würde einen Sinn ergeben. Ich meine, niemand würde so viel Salz essen, wenn er nicht dazu gezwungen wird. Wie gesagt, wenn wir ihn aufmachen, wissen wir mehr.« Sie sah zu Pallioti auf. »Er hat auch welches in seinen Taschen. Haben Sie das gewusst?«

Hatte er nicht. Nachdem er festgestellt hatte, dass sein Handy hier keinen Empfang hatte, hatte er Eleanor das Gerät in die Hand gedrückt und ihr befohlen, zum Auto zurückzugehen und dann so weit zu fahren, bis sie Enzo Saenz anrufen konnte; trotzdem hatte er Piero Balestros Leiche nicht mehr berührt. Er hatte nicht einmal den Hund berührt. Er wollte, dass die Leine fotografiert und auf Fingerabdrücke untersucht wurde. All das hatte er dem Spaniel leise erklärt, bis der schließlich zu winseln aufgehört und sich hingelegt hatte, den Kopf auf die Pfoten gebettet, um ihn von da an tiefernst zu beobachten. Danach war Pallioti den Tatort in konzentrischen Kreisen abgegangen, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Eigentlich war es nichts. Nur ein paar abgeknickte Zweige. Nachdem er weitere zehn Minuten gegangen und dabei zwischen den Bäumen des Waldstreifens bergauf gestiegen war, war er auf eine kleine Teerstraße gelangt. In der Mitte der Fahrbahn war er stehen geblieben und war dann erst fünfzig Schritte in die eine und danach fünfzig in die andere Richtung gegangen. Wobei er, genau wie erwartet, nicht fündig geworden war.

Jetzt sah er zu, wie sich Carla Nanno über die ausgestreckte Gestalt beugte, besitzergreifend und fürsorglich wie eine Krankenschwester bei einem Patienten in Lebensgefahr. Sie hob die Lasche über Piero Balestros Westentasche an. Tatsächlich rieselte es weiß heraus.

»Wo ist der Beutel?«, fragte Pallioti.

Sie hob den Kopf. »Welcher Beutel?«

»Der Beutel. Für das Salz. Wie kam das Salz hierher?«

Sie zuckte mit den Achseln.

»Was weiß ich. Vielleicht liegt er im Auto?«

Pallioti sah zum Jeep. Von außen hatte man bereits alle Spuren gesichert. Jetzt krabbelten zwei Forensiker darin herum, um alles zu fotografieren und zu vermessen und zu bepinseln. Wenn sie damit fertig waren, würde der Wagen abgeschleppt und auf Fasern, Haare, Hautpartikel und alle anderen Spuren untersucht, die derjenige hinterlassen haben konnte, der Piero Balestro hier kurz nach Tagesanbruch aufgelauert und erschossen hatte.

Die Forensiker konnten den Wagen in Scheiben schneiden und aufessen, ohne etwas zu finden, dachte Pallioti. Ihre Suche war zum Scheitern verurteilt. Dieser Mörder hinterließ keine Fingerabdrücke, und er würde auch keine anderen Spuren hinterlassen. Er kam und verschwand wie Eleanors Gespenst und bestreute dabei seine Leichen mit Salz.

Eleanor war in einen Streifenwagen gesetzt und nach Florenz zurückgefahren worden. Pallioti hatte sie gefragt, ob er ihren Wagen ausleihen dürfte, und ausnahmsweise hatte sie nicht widersprochen. Sie hatte schweigend seine Hand gedrückt.

»Was ist mit seiner Brieftasche?«

Carla Nanno sah auf. »Linke innere Jackentasche«, sagte sie. »Über zweihundert Euro in Scheinen. Und vier Kreditkarten. Alles da und unberührt.«

Pallioti nickte.

Die Pathologin sagte: »Seine Jackentaschen. Vielleicht hat er sie selbst zu Hause mit Salz aufgefüllt.« Sie sah Pallioti an. »Wieso sollte er sich die Mühe machen, es erst umzufüllen? In einen Beutel oder sonst was. Wenn er sich nur eine Handvoll Salz in den Mund stecken und sich dann die Waffe an seine Stirn setzen wollte. Wie gesagt«, ächzte sie, während sie aufstand, »ich will nicht behaupten, dass es so war. Es sieht nur so aus, als könnte es so gewesen sein. Also, ich würde darauf wetten. Sonst wüsste ich nicht, wie man die Schmauchspuren an dem Handschuh erklären sollte, falls es welche sind.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir werden feststellen, wie viel Salz er geschluckt hat. Vielleicht finden wir Fingerabdrücke auf der Waffe.«

Pallioti warf einen Blick darauf und nickte. Er sagte nicht, dass seiner Meinung nach eher ein Schwein fliegen lernte. Von dort, wo er stand, konnte er den Bakelitgriff sehen. Man hatte die Pistole für die Polizei liegen lassen, wie ein Präsent, und zwar nur, weil sie nichts weiter verraten würde.

Eine Polizistin aus dem forensischen Team krabbelte rückwärts aus dem Jeep. Sie schob einen Fuß aus dem Wagen, tastete mit ihrem weißen Überschuh nach dem Boden und richtete sich dann auf, in der Hand mehrere Beweismittelbeutel. Als Pallioti auf sie zuging, blickte sie auf und lächelte nervös. Sie sah so jung aus, als wäre sie frisch von der Schule. Ihm war aufgefallen, dass das in letzter Zeit häufiger passierte. Er spähte durch die Tür, aus der sie eben gekrabbelt war, und sah eine Gewehrhülle auf dem Rücksitz liegen. Sie schien noch verschlossen zu sein.

Er nickte zu der Hülle hin. »Ist die Waffe noch drin?«

»Ja.« Das Mädchen nickte. »Der Reißverschluss war zugezogen.«

»Munition?«

»Eine Schachtel mit Patronen. Im Handschuhfach.«

Pallioti nickte. Er sparte sich die Frage, welches Kaliber sie hatten. Er war überzeugt, dass mindestens eine von Balestros Waffen mit .22ern schoss, der am weitesten verbreiteten Munition der Welt. Dem gleichen Kaliber, das auch die Waffe neben seiner ausgestreckten Hand und die Kugel in seinem Kopf haben würden. Sie würden feststellen, dass er ständig Munition nachkaufte. Irgendwo im Haus würden mindestens noch eine und wahrscheinlich mehrere Schachteln mit Patronen liegen. Seine Handschuhe stammten wahrscheinlich aus demselben Laden, wenn es ein anständiges Geschäft für Jagdbedarf war.

»Salz«, sagte er und sah dabei das Mädchen an.

»Dottore?«

»Ich möchte, dass Sie vor allem nach Salz suchen.« Er deutete zu dem Wagen hin. »Ob Sie irgendwo Spuren davon finden. In den Fußmatten oder den Sitzen. Irgendwo im Wagen. Das wäre besonders wichtig.«

Sie nickte und gab sich Mühe, ihn nicht allzu verblüfft anzusehen. »Salz?«

»Genau«, bestätigte Pallioti. »Salz.«

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Im Haus durchsuchte Enzo Saenz gerade Piero Balestros Schreibtisch. Er war wieder in Jeans; der Anzug, den er in letzter Zeit getragen hatte, gehörte offenbar der Vergangenheit an. Wenigstens heute. Mit gerunzelter Stirn und gesenktem Kopf, den Pferdeschwanz in den Kragen der Lederjacke gestopft, unter der sich das Schulterholster abzeichnete, sah er weniger nach einem Polizisten als nach einem nachdenklichen und besonders gründlichen Kriminellen aus. Nur die weißen Latexhandschuhe verrieten ihn.

Pallioti trat in den Raum. Wieder hatte er dasselbe Gefühl wie am Nachmittag, als er in die Zufahrt eingebogen war. Das Haus sah genauso aus wie am Vortag, aber es hatte sich verändert. Er hatte das schon oft gespürt, wenn er in ein Haus getreten war, dessen Bewohner gerade gestorben war. Eine plötzliche Veränderung in der Luft. Ein Wandel der Moleküle. Als würden die Dinge schaler, dumpfer, kälter wirken, sobald sie den Status des persönlichen Besitzes verloren hatten.

»Haben Sie was gefunden?«

Enzo sah von seiner Arbeit auf.

»Schwer zu sagen. Über diese Sache hier? Eigentlich nicht. Dafür ein paar merkwürdige Überweisungen, bei denen beträchtliche Summen von Kapstadt auf eine Bank auf den Cayman Islands verschoben wurden.«

Pallioti musste an das blinzelnde Auge der Überwachungskamera denken, an das elektrische Tor, die Batterie von Schlössern an der Haustür.

»Er fürchtete sich vor etwas. Oder jemandem.«

Enzo nickte.

»Also, wenn ich mir das alles ansehe, sagt mir mein Bauch, dass er vielleicht gute Gründe dafür hatte.«

»Er erzählte etwas von ein paar ›Kliniken‹ in Südafrika. Er hat dort für ein Medizinunternehmen gearbeitet. Wenigstens anfangs.«

Enzo zog einen weiteren Papierstapel unter der Rollklappe des Sekretärs heraus und blätterte ihn durch.

»Und«, meinte er, »wenn man dazu bedenkt, dass ich das Hausmädchen gefragt habe, wieso sie ›Papa Balestro‹ nicht suchen gegangen ist oder die Polizei angerufen hat, wenn sie sich solche Sorgen um ihn gemacht hatte, und sie mir daraufhin erzählt hat, dass sie nicht aus dem Haus gehen oder telefonieren darf, dann …« Er verstummte. »Wir werden sehen. Ich möchte, dass sich die Steuerfahndung das hier ansieht. Vielleicht bringt es uns nicht weiter. Aber vielleicht sind sie uns dann einen Gefallen schuldig.«

»Munition?«

Enzo nickte. Er legte die Papiere beiseite.

»Vier Schachteln oben in einer abgeschlossenen Schublade. Außerdem gibt es einen Safe. Er ist unter einem Kleiderschrank in den Boden eingelassen. Sehr professionell. Bis zum Abend haben wir ihn geöffnet. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass irgendwas für uns darin liegt. Die Waffenscheine habe ich auch gefunden«, ergänzte er. Er sah Pallioti an. »Alle sind ordnungsgemäß registriert«, erklärte er. »Die Flinte und die Kleingewehre. Die Pistole ist nicht verzeichnet. Andererseits hat er sie vielleicht nicht registrieren lassen, weil sie nur ein Erinnerungsstück war. Vielleicht hat er sie einfach irgendwo in einer Kiste aufbewahrt, als Souvenir aus seinen Heldentagen. Vielleicht hat er sie darum heute Morgen genommen.«

»Sie glauben also, dass es sich so abgespielt hat?«

Enzo blieb stumm. Er schaute auf die weißen Handschuhe an seinen Fingern, dann auf Pallioti. In der späten Nachmittagssonne wirkten seine Augen nicht braun, sondern ockerfarben, beinahe golden wie die eines Raubvogels oder einer Katze.

»Ganz ehrlich«, sagte er nach einer Weile, »nach dem, was Sie mir neulich Abend erzählt haben und was Guillermo mir berichtet hat, bevor ich losgefahren bin, glaube ich das durchaus. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Maestro. Ich glaube, Sie hatten von Anfang an recht. Als die Sache vor dem Theater schiefging, wurden die drei verhaftet, und einer von ihnen, wahrscheinlich Massimo, entdeckte ein Schlupfloch. Er scheint der Rädelsführer gewesen zu sein. Sie schlossen einen Handel mit den Faschisten und durften entkommen. Der Preis war das Funkgerät. Ich glaube, sie dachten, sie würden damit durchkommen, und um ehrlich zu sein …«, Enzo sah sich achselzuckend in dem weitläufigen Raum um, »… sieht es so aus, als wäre ihnen das auch lange gelungen. Aber irgendwann holt einen die Vergangenheit immer ein. Ich weiß nicht, ob es mit den Orden anfing oder schon davor – aber sie zerstritten sich. Vielleicht wollte einer von ihnen auspacken, weil sich sein Gewissen rührte, selbst wenn es dafür reichlich spät war. Wenn Sie mich fragen, waren es höchstwahrscheinlich die Orden. Wir wissen, dass Trantemento keinen bekommen wollte, aber ich wette, die beiden anderen wollten das sehr wohl. Vielleicht erklärt das die Geldscheine im Safe, wenigstens zum Teil. Wir wissen, dass Trantemento Roblinos Empfehlungsschreiben verfasste. Ich wette, das für Balestro stammt auch aus seiner Feder. Aber das ließ er sich bezahlen. Vielleicht hat einer die anderen erpresst. Oder sie erpressten sich alle gegenseitig. Oder in diesem Buch, von dem Massimo gesprochen hat, sollte etwas stehen, das den anderen nicht gepasst hat. Der Orden hätte ihm übrigens bestimmt geholfen, einen Verleger zu finden.«

»Haben Sie irgendwas von diesem Buch gefunden? Ein Manuskript?«

»Nichts«, bekannte Enzo. »Vielleicht taucht es noch irgendwo auf, vielleicht ist es wie die meisten Bücher ein Hirngespinst geblieben. Um die Wahrheit zu sagen«, sagte er, »wir werden wahrscheinlich nie erfahren, was sich zwischen den dreien abgespielt hat. Aber ja, ich glaube, Sie hatten im Großen und Ganzen recht. Massimo hat die beiden anderen umgebracht. Das erklärt auch, warum sie sich nicht gewehrt haben. Warum sie ihn in die Wohnung gelassen haben. Als Sie ihm dann am Samstag einen Besuch abgestattet haben, wusste er, dass es vorbei ist. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, hört er sich nicht nach jemandem an, der anderen die Entscheidung überlässt. Also hat er beschlossen, einen ehrenhaften Abgang hinzulegen. Oder einen feigen. Oder wie Sie es auch nennen wollen. Ich bin da ganz offen.« Enzo sah Pallioti an. »Natürlich«, ergänzte er, »müssen wir abwarten, bis die Pathologin mit ihm fertig ist. Aber wenn Sie mich fragen, was ich glaube …« Er nickte. »Das glaube ich.«

»Und Bruno Torricci?«

»Ein bigotter Drecksack, der nicht schreiben kann und sein Geld wahrscheinlich damit verdient, Zement für die Camorra anzurühren, der aber in dieser Sache ausnahmsweise die Wahrheit sagt. Er hat niemanden umgebracht.«

Pallioti nickte. »Und das Salz?«

Enzo verzog den Mund. »Die Pathologin glaubt, dass er es einfach in seine Tasche gefüllt hat. Wahrscheinlich hat sie recht. Die anderen? Dass er sie dazu zwang, es zu essen?« Er schüttelte den Kopf. »Wer weiß? Weil er ein wilder Hund war? Weil sich vor sechzig Jahren irgendwas zugetragen hat, irgendein ›Verrat‹, den er ihnen nie verziehen hat? Wahrscheinlich hockten sie zusammen auf einem Berg, und die anderen haben ihn seine Wurst nicht salzen lassen, und das hat er ihnen nie verziehen. Solche Menschen sind so«, sagte er. »Wenn sie wie Sie und ich wären, wenn ihr Verstand so arbeiten würde wie unserer, dann würden sie auch nicht durchs Land ziehen und andere Menschen erschießen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ganz ehrlich?«, sagte er dann. »Warum alle Salz essen mussten? Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, was es damit auf sich hat.« Er lächelte. »Das gehört mit zu den ersten Dingen, die Sie mir beigebracht haben. Wir können nicht alles wissen, Lorenzo.«

Pallioti nickte. Seine verdeckten Ermittler hatten begonnen, ihn Lorenzo zu nennen, nachdem er begonnen hatte, sie als seine Engel zu bezeichnen.

Jemand rief von oben. Enzo antwortete und entschuldigte sich dann.

Von der Tür zum Wohnzimmer aus beobachtete Pallioti, wie Enzo Saenz mit langen Schritten die Treppe hinaufeilte. Dann drehte er sich um und ging durch den Flur in die Küche.

Das Hausmädchen saß am Tisch. Eine uniformierte Polizistin brachte ihr etwas zu trinken. Während sie die Wasserkaraffe aus dem Kühlschrank holte und ein Glas vollschenkte, murmelte sie in ein an ihre Schulter geklemmtes Funkgerät – etwas von einer Sozialarbeiterin und der Einwanderungsbehörde. Der Hund, der inzwischen losgebunden und ins Haus zurückgebracht worden war, lag vor dem riesigen Ofen. Alle sahen auf, als Pallioti in den Raum trat.

Das Gesicht des Hausmädchens war von Tränen gezeichnet. Pallioti wusste nicht, ob sie fünfzehn oder fünfunddreißig war. Die Polizistin fragte ihn, ob er auch etwas zu trinken wollte, aber er schüttelte den Kopf. Neben dem Ofen stand eine Reihe von Dosen. Methodisch öffnete er eine nach der anderen.

»Salz«, sagte er, als er damit fertig war. »Wo wird bei Ihnen das Salz aufbewahrt?«

Das Mädchen sah ihn an.

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.

»Nein?«

»Nein. Kein Salz. Nur ganz wenig.«

Sie stand auf, öffnete einen Schrank und reichte ihm einen kleinen Salzstreuer, der aussah, als hätte sie ihn aus einem Restaurant gestohlen. Randvoll hätte er höchstens ein paar Teelöffel Salz enthalten.

»Und mehr Salz haben Sie nicht im Haus?«, fragte Pallioti.

»Nein.« Sie nahm ihm den Streuer aus der Hand und stellte ihn in den Schrank zurück.

»Papa hat Blutdruck«, sagte sie. »Kein Salz.«