12

Omein Gott. O Gott!«

Caroline tauchte aus der Dunkelheit auf und bemühte sich angestrengt, die Augen zu öffnen.

Etwas lag auf ihrer Brust. Sie spürte das Kitzeln von Haaren, ein Ohr. »Gott sei Dank«, hauchte er.

Sie hörte ein reißendes Geräusch, zart huschten Fingerspitzen über die Messerwunde an ihrer Seite.

Er umfasste ihren Kopf, streichelte ihr Gesicht. »Caroline.«

Sie hatte gedacht, es sei Rexton, aber das konnte nicht sein; er würde sie nicht Caroline nennen. Sie schlug die Augen auf und blinzelte zu der undeutlichen Gestalt empor.

»Was ist passiert? Wer hat das …«

Ihre Augen fielen wieder zu.

»Caroline«, sagte er mit rauer, gepresster Stimme, »bleib hier. War es Dunhurst? Er hat eine Schnittwunde. Er hat gesagt, er habe sich beim Rasieren geschnitten. War er es?«

Sie versuchte zu antworten. Ihre Lippen gehorchten ihr nicht, aber sie konnte zumindest den Kopf leicht bewegen und nickte.

Er murmelte etwas, das sie nicht verstand, dann hob er sie hoch und sagte ihr, es würde alles gut. Seine Stimme verklang, als sie wieder bewusstlos wurde.

 

 

»Sie müsste eigentlich tot sein.«

Caroline öffnete die Augen und blickte sich um. Sie war im Chambre Romaine und lag in der Mitte des großen Bettes.

»Ich verstehe nicht, Dr. Coates.« Das war Rextons Stimme. »Wie kann denn die Wunde so schnell heilen?«

Caroline wandte den Kopf nach seiner Stimme. Ihr Hals fühlte sich seltsam dünn und schwach an, und sie hob vorsichtig die Hand, um ihn zu berühren. Das Halsband war weg. Ebenso die Fesseln um Knöchel und Handgelenke.

»Das ist ein Mysterium, das sage ich Euch«, erwiderte der Arzt, der mit Rexton und Mr. Riddell auf dem Balkon stand. Alle drei Männer lehnten am Geländer, mit dem Rücken zu Caroline. »Aber es ist nicht das erste … Wunder, wenn Ihr so wollt, das ich als Arzt erlebe. Einmal habe ich einen kleinen Jungen entbunden, der mit einem Tumor im Rückgrat zur Welt kam. Diese Krebsgeschwüre sind immer tödlich – man kann nichts tun. Das sagte ich auch seiner Mutter, aber sie betete trotzdem um seine Heilung. Eines Morgens wachte der kleine Junge auf, und der Tumor war weg, als wäre er nie da gewesen. Er ist jetzt fünfzehn Jahre alt, ein gesunder, robuster junger Mann.«

»Ich glaube nicht an Wunder«, sagte Rexton.

»Zum Glück für Miss Keating lässt Gott sich davon nicht abhalten«, erwiderte der Arzt. »Es ist wirklich ein Wunder, dass sie trotz des hohen Blutverlusts überlebt hat. Allerdings wird sie jetzt eine Zeit lang zu schwach zum Reisen sein. Und, äh, ich weiß ja nicht, wie lange Ihr beabsichtigt hierzubleiben, Mylord, aber ich möchte Euch darauf hinweisen, dass die junge Dame gegenwärtig nicht in der Verfassung ist, um in intimer Hinsicht …«

»Wofür haltet Ihr mich?«, fragte Rexton.

Die beiden anderen Männer wandten den Blick ab.

Schließlich brach Mr. Riddell das verlegene Schweigen. »Archer lässt ausrichten, dass Miss Keating hierbleiben kann, bis sie völlig wiederhergestellt ist. Was ihre vertraglichen Verpflichtungen angeht, so wurde ihre Sklavenschaft zwar vorzeitig beendet, allerdings ohne ihre Schuld. Ihr versteht hoffentlich, Rexton, dass Ihr trotzdem verpflichtet seid, den vollen Preis von hunderttausend Guineen zu bezahlen.«

» Selbstverständlich.«

»Wenn ich fragen darf«, fuhr Riddell fort, »gab es einen … einen besonderen Grund, warum Ihr sie gestern Nacht im Pferdestall gelassen habt? Hat sie etwas getan, das Euch missfallen hat?«

Rexton seufzte. »Ich war betrunken.«

Lügner, dachte Caroline. Ja, er war betrunken gewesen, aber der eigentliche Grund war das nicht gewesen. Er hatte es getan, um sie auf Distanz zu halten, damit er sie wie ein Ding behandeln konnte. Deshalb hatte er ihr auch immer die Augen verbunden oder die Kapuze aufgesetzt. Und er vollzog mit ihr gerade die Akte, von denen er wusste, dass sie sie verabscheute, damit sie auch ganz bestimmt nur negative Gefühle für ihn entwickelte.

Sie hatte diese Lektion nur langsam gelernt, aber mittlerweile hatte sie es begriffen. Zwar war sie sich bewusst, welche unglücklichen Umstände Rexton dazu getrieben hatten, niemanden an sich heranzulassen, aber die Tatsache blieb bestehen, dass er ein distanzierter, gefühlloser Mann geworden war. Die kleinste warmherzige Geste von ihrer Seite hatte er grausam bestraft. Er konnte einfach keine echte Bindung mehr zu einem anderen menschlichen Wesen aufbauen.

»Seht Ihr?«, hatte er am Nemeton gesagt, nachdem er ihr bewiesen hatte, was für ein Monster er war.

Da hatte sie es noch nicht wirklich gesehen. Aber jetzt.

 

 

»Dann machst du es also?«, fragte Lili, die am späten Nachmittag bei Caroline auf der Bettkante saß.

Die Tür ging auf. Lord Rexton, unrasiert, ungekämmt und immer noch in den Kleidern, in denen er geschlafen hatte, trat mit einem schwer beladenen Teetablett ein.

»Ja«, erwiderte Caroline leise.

»Gut«, flüsterte Lili. »Du wirst es nicht bereuen.«

Rexton begrüßte Lili und stellte das Tablett auf Carolines Nachttisch ab. Eine Kanne Tee und ein Teller mit Plätzchen und belegten Broten standen darauf. »Ich habe das aus dem Salon Bleu stibitzt.«

»Darf ich Euch kurz sprechen, Mylord?«, fragte Lili.

Misstrauisch blickte er von einer Frau zur anderen. »Selbstverständlich. «

Lili küsste Caroline auf die Wange und versprach, später noch einmal wiederzukommen. Dann trat sie mit Rexton in den Gang. Sie zogen die Schlafzimmertür hinter sich zu, aber ihre Stimmen waren trotzdem gedämpft zu hören.

»Vielleicht«, sagte Lili, »würdet Ihr besser woanders schlafen, in Anbetracht von Carolines Verfassung und ihrem Bedürfnis nach Ruhe.«

»Hat Caroline darum gebeten?«

Lili zögerte, erwiderte dann aber: »Ja, Mylord.«

»Nun gut«, antwortete er nach einer Weile.

Nachdem Lili sich verabschiedet hatte, war es so lange still, dass Caroline schon annahm, Rexton sei ebenfalls gegangen. Aber dann öffnete sich die Tür wieder.

Er trat an ihr Bett, sah sie aber nicht an. Er machte ihr einen Teller zurecht und sagte: »Ihr müsst etwas essen, damit Ihr wieder zu Kräften kommt.«

»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte sie, »aber ich hätte gerne etwas Tee.«

»Nur Sahne, oder?«, fragte er und schenkte ihr eine Tasse ein.

»Ja, richtig«, erwiderte sie überrascht.

Er reichte ihr Tasse und Untertasse und setzte sich auf den roten Ledersessel. Mit einer Hand fuhr er über die Stoppeln an seinem Kinn und sagte: »Dunhurst ist tot.«

Sie senkte die Tasse und blickte ihn an.

»Ich war es nicht.«

Aber er hätte ihn bestimmt am liebsten umgebracht. Lili hatte Caroline erzählt, wie Rexton im Frühstücksraum auf Dunhurst losgegangen war, nachdem er Caroline am Morgen ins Schloss zurückgebracht hatte. Er hatte den Marquess aus seinem Stuhl gezerrt und ihn wild geschüttelt. »Wenn Inigo und Cutbridge ihn nicht zurückgehalten hätten«, hatte Lili gesagt, »dann hätte er den Schurken umgebracht.« Wenn man bedachte, wie sehr die beiden Männer einander verabscheuten, war Rexton zweifellos dankbar für den Vorwand gewesen, Dunhurst zu verprügeln.

Jetzt sagte Rexton: »Die Schweizergardisten des Seigneur des Ombres haben ihn im Keller angekettet, um ihn den hiesigen Behörden zu übergeben, damit er wegen versuchten Mordes vor Gericht gestellt werden konnte. Archer hat ihm gesagt, sie würden ihn wahrscheinlich nicht hängen, aber für den Rest seines Lebens einsperren. Er hat erwidert, er habe nicht die Absicht, in einem französischen Gefängnis zu verrotten, und anscheinend hat er das ernst gemeint. Sie haben ihn mit Fußeisen an eine hohe Steinsäule gekettet. Als er einen Stuhl verlangte, um sich hinsetzen zu können, haben sie ihm einen gebracht, und als die Wachen weg waren, hat er aus seiner Krawatte eine Schlinge gemacht und sie sich um den Hals gelegt. Dann ist er auf den Stuhl gestiegen, hat sie an einem Eisenring oben an der Säule befestigt und den Stuhl weggetreten.«

Caroline nickte benommen. Sie trank einen Schluck Tee, dann stellte sie die Tasse wieder auf das Tablett und sagte: »Ich bin müde. Ich möchte jetzt schlafen.«

Nervös rieb er seine Hände an der Hose. »Ich dachte, vielleicht …«, stammelte er. »Wir beide, nun ja, wir haben uns unter ungewöhnlichen Umständen kennengelernt, aber ich dachte, vielleicht …« Er holte tief Luft und fuhr entschlossen fort: »Ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn Ihr einwilligen würdet, meine Frau zu werden.«

Sie starrte ihn an.

»Wenn Ihr wollt, könnt Ihr trotzdem unterrichten«, sagte er hastig. »Ich … ich könnte Euch eine Schule bauen. Mir ist klar, dass alles … nun ja, ich meine, man kann unsere Beziehung wohl kaum als normal bezeichnen. Ihr seid als Sklavin an mich verkauft worden. Aber im Laufe der letzten Tage …«

»O mein Gott«, murmelte sie. »Natürlich. Natürlich. Wenn Ihr mich heiraten würdet, würdet Ihr die hunderttausend Guineen nicht bezahlen müssen. Nun, die zehntausend Guineen Kommission müsstet Ihr auf jeden Fall bezahlen, aber den Rest könntet Ihr Euch sparen.«

Er starrte sie an. »Ich weiß, was Ehe in Eurer Gesellschaftsschicht bedeutet«, erklärte sie ihm. »Es ist nur ein vertragliches Arrangement. Es hat nichts mit Liebe oder Zuneigung zu tun. Ihr bekommt Euren Erben und den Anschein von Achtbarkeit, ohne irgendetwas aufgeben zu müssen – den Gin nicht, das Opium, die Huren, die Geliebten …«

»Himmel«, flüsterte er und schüttelte den Kopf.

»Macht Euch keine Gedanken, Mylord. Ihr braucht mich nicht zu heiraten, um die neunzigtausend Guineen zu sparen. Ich will das Geld nicht. Behaltet es nur.«

»Das könnt Ihr doch nicht ernst meinen. Würdet Ihr wahrhaftig in das Elend und die Armut von St. Giles zurückgehen, nur um mein Geld nicht nehmen zu müssen?«

»Ich gehe nicht zurück nach London. Ich gehe nach Russland. «

Er starrte sie so fassungslos an, als hätte sie gesagt, sie wolle zum Mond.

»Lili hat mir von einer Familie erzählt, mit der der Seigneur des Ombres befreundet ist. Sie sind mit der kaiserlichen Familie verwandt. Ich glaube, die Frau ist eine Cousine des Zaren. Sie haben zwei kleine Töchter und suchen eine Gouvernante. Lili hat bereits mit dem Seigneur darüber gesprochen, und er ist bereit, ein gutes Wort für mich einzulegen. Sie hat gesagt, die Russen seien ganz versessen auf englische Gouvernanten, und selbst wenn diese Familie mir keine Stellung anbietet, wird mich schon jemand anderer nehmen.«

»Ihr wollt das Geld zurückweisen, nach allem, was Ihr in der vergangenen Woche durchgemacht habt?«

»Ja, genau das ist der Grund, warum ich es nicht annehmen will. Es würde mich immer daran erinnern, wie ich es verdient habe, wie ich … wie ich mich habe erniedrigen lassen, was Ihr mit mir …« Sie brach ab und blickte ihn mit brennenden Augen an. »Ich wünsche bei Gott, ich wäre nie hierhergekommen. Könnte ich sieben Jahre meines Lebens aufgeben, um die vergangenen sieben Tage auszulöschen, so würde ich nicht zögern.«

»Caroline …«

»Nennt mich nicht so!« Sie setzte sich auf und sagte mit bebender Stimme: »Warum solltet Ihr mich gerade jetzt mit meinem Vornamen anreden? Warum?«

Ihr Ausbruch schien ihm die Sprache zu verschlagen. Er hob beschwichtigend die Hände und sagte: »Ihr habt recht. Das steht mir nicht zu. Aber, Miss Keating, ich bitte Euch, überlegt Euch das mit dem Geld …«

»Geht jetzt bitte«, sagte sie. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten, und er sollte sie nicht weinen sehen. »Ich bin so müde. Ich möchte einfach nur schlafen.« Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken und zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz die Wunde an ihrer Seite durchschoss.

Er erhob sich und streckte die Hand aus. »Wartet, lasst mich …«

»Nein. Lasst mich einfach in Ruhe. Ich möchte schlafen.«

Caroline öffnete die Augen, wobei sie sich fragte, was sie geweckt hatte.

Ein Geräusch. Ein Keuchen oder so.

Es dämmerte bereits. Sie lag ganz still im Halbdunkel und lauschte, aber sie hörte nichts mehr. Vorsichtig drehte sie sich um, zum Balkon hin. Die Doppeltür war geschlossen, aber durch die Glasscheiben konnte sie Rexton sehen. Er saß mit dem Rücken zu ihr auf dem Stuhl.

Zuerst dachte sie, er würde lachen, weil seine Schultern bebten, aber dann senkte er den Kopf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Sein Rücken zuckte, und jetzt hörte sie auch den keuchenden Laut wieder.

Ungläubig setzte sie sich hastig auf. Erneut schoss ein scharfer Schmerz durch die Wunde, aber sie ignorierte es. Sie schob die Decke zurück und stand auf. Ihr seidener Morgenmantel lag am Fußende des Bettes, und sie warf ihn sich über ihr Hemd.

Entschlossen öffnete sie die Balkontür und trat zu Rexton hinaus. Als er hörte, dass die Tür aufging, fuhr er sich rasch mit den Händen durch die Haare, wobei er sich verstohlen über die Wangen wischte. Dann räusperte er sich und saß ganz still da, drehte sich jedoch nicht um. »Ihr solltet nicht aufstehen. Dr. Coates hat gesagt, Ihr müsst im Bett bleiben.«

»Ich bin aufgewacht und … sah Euch hier draußen.«

Der Viscount schwieg einen Moment, dann beugte er sich vor und sagte ein wenig verlegen: »Ich habe nicht mehr geweint, seit meine … seit ich sechs war.«

»Seit Eure Mutter starb«, sagte Caroline.

Er warf ihr einen fragenden Blick über die Schulter zu. Seine Augen waren rot gerändert und verquollen. »Ach so, Cordelia«, sagte er dann.

»Wer?«

»Cordelia Beckinridge. Narcissa.«

»Ja, Narcissa. Sie hat erschöpfend über das Leben von Lord Rexton berichtet.«

»Erschöpfend trifft es genau, glaube ich.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Geht wieder zu Bett, Caro… Miss Keating. Ihr braucht Ruhe, und ich bin keine gute Gesellschaft. Gott, was müsst Ihr von mir denken.«

Sie setzte sich hinter ihn auf die Liege – vorsichtig, weil sie sich nicht klar darüber war, ob dieses Gespräch eine so gute Idee war – und sagte: »Es ist keine Schande, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.«

»Das habe ich nicht gemeint«, erwiderte er. »Ich meinte, was Ihr nach dieser Woche von mir als Mann denken müsst. Mein Gott, ich habe Euch fast getötet.«

Sie streckte die Hand aus, um ihn am Rücken zu berühren, ließ sie dann jedoch wieder sinken. »Ihr habt mir das nicht angetan, das war Dunhurst.«

»Ja, aber ich habe Euch ihm praktisch übergeben. Ich bin daran schuld, dass Ihr so zugerichtet worden seid. Ihr habt das Recht, mich zu verabscheuen. Ich wünschte nur …« Er rieb sich mit den Fäusten über die Stirn. »Oh, wenn ich doch nur einen einzigen Menschen auf dieser Welt lieben könnte, der nicht … o Gott!«

Er drehte sich halb zu ihr um und fuhr mit leiser, rauer Stimme fort: »Ich reise morgen ab. Ich werde Euer Leben nicht mehr zerstören, aber Ihr sollt eins wissen: Als ich Euch gefragt habe, ob Ihr mich heiraten wollt, da ging es mir nicht um die neunzigtausend Guineen. Ich verstehe, warum Ihr mich nicht haben wollt – warum solltet Ihr? Aber Ihr müsst wissen, dass Ihr … Mein Gott, Ihr seid nicht die Frau, die ein Mann wegen Geld oder aus Verpflichtung heiraten will …« Er schluckte und zitterte am ganzen Leib.

»Ihr seid die Frau, an die ein Mann sein Herz verliert, auch wenn es das Letzte auf der Welt ist, was er will. Ihr seid die Frau, für die ein Mann ein besserer Mensch sein möchte, die er beschützen und in seiner Nähe haben will, mit der er sein Leben teilen will, auch wenn er das nie für möglich gehalten hätte.«

»Ihr seid ein Mensch, David, wie wir alle«, erwiderte Caroline leise. »Wir alle brauchen …«

»Sagt das noch einmal.«

Caroline wusste sofort, was er meinte. »David«, sagte sie. Sie streichelte sein Gesicht und flüsterte: »David … David …«

Er schloss die Augen und ließ den Kopf sinken, bis seine Stirn an ihrer lag. Eine heiße Träne lief über ihre Wange, aber sie hätte nicht sagen können, ob es seine oder ihre war.

»Es tut mir leid, Caroline«, sagte er. »Es tut mir so leid, dass …«

»Du brauchst dich nicht …«

»Doch. Ich muss es sagen. Und du hast ein Recht darauf, es zu hören.« Er packte sie an den Schultern. »Es gibt keine Entschuldigung dafür, wie ich dich behandelt habe, und sag nicht, es sei in Ordnung, denn das ist es nicht.«

»Ich verzeihe dir.«

»Ich verdiene nicht …«

»Frag mich noch einmal.«

Er starrte sie an, als würde er seinen Ohren nicht trauen. »Nachdem ich dich so ungeheuerlich behandelt habe?«

»Du hast die Maske eines Ungeheuers getragen, aber jetzt, wo du sie abgenommen hast, stelle ich fest, dass mir der Mann, der sich dahinter verbirgt, sehr gefällt.«

»Wirklich?«, sagte er. »Du … du …«

»Frag mich noch einmal, David.«

Er umfasste ihren Kopf mit seinen großen Händen und fragte: »Willst du mich heiraten, Caroline?«

Sie lächelte. »Einen Mann heiraten, der mich noch nicht einmal geküsst hat? Ich weiß nicht, ob das so eine gute …«

Sein Mund senkte sich über ihre Lippen, und ihr blieb beinahe das Herz stehen. Der Kuss war lang und tief und berührend zärtlich.

Danach hielt er sie eng umschlungen und rieb sein stoppeliges Gesicht an ihrem. »Ich kann es kaum erwarten, dass es dir besser geht, damit ich dich lieben kann – wirklich lieben, nicht so wie vorher. Ich verspreche dir, dass ich dich nie wieder solchen Zumutungen aussetze.«

Mit einem spitzbübischen Lächeln erwiderte sie: »Ich würde es vermutlich verstehen, dass du von Zeit zu Zeit den Drang verspüren könntest, dein Versprechen zu brechen, wenn ich sehr, sehr unartig war … Mylord.«

»Miss Keating«, sagte er schmunzelnd, »was für ein skandalöser Vorschlag.« Und bevor er sie erneut küsste, fügte er hinzu: »Ich glaube, das wird eine äußerst interessante Ehe.«