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Du wirst uns dafür noch dankbar sein, meine Liebe«, sagte Lady L. und fesselte Emmelines Hände hinter ihrem Rücken, während ihre Zofe, die robuste Fanny, sie fest um die Taille packte.
»Lasst mich sofort los, ihr schamlosen Dirnen!«, verlangte Emmeline, als die Frauen sie auf einen seidengepolsterten Hocker drückten und ihr die Beine unanständig weit auseinanderzogen, damit sie die Füße an die Stuhlbeine binden konnten.
»Eine solche Prüderie führt nur zu Elend und hysterischen Anfällen«, erklärte Ihre Ladyschaft, während sie Emmeline mit dem Gürtel ihres mit Gänseblümchen bestickten Morgenmantels knebelte. »Du bist längst überfällig für eine sinnliche Ausbildung. «
Sie zog den Vorhang beiseite, hinter dem Emmeline ein Fenster in dem dunklen kleinen Raum vermutet hatte. Es war auch tatsächlich eine Glasscheibe, aber man sah durch sie nicht nach draußen, sondern in einen Raum, von dessen Existenz Emmeline bis zu diesem Augenblick nicht das Geringste geahnt hatte.
»Wir nennen dies die Brunftzelle«, verkündete Lady L.
Es war eine fensterlose Kammer, die jedoch dank des Lichts aus elektrischen Wandleuchtern hell erschien. An den weiß getünchten Wänden hingen Wandbehänge, auf denen unaussprechliche Ausschweifungen dargestellt waren. Auch die Möbel hatten ungewöhnliche, unvertraute Formen, aber Emmelines Blick wurde vor allem von der nackten Schönheit angezogen, die mit ausgestreckten Armen und Beinen an goldenen Ketten von der Decke hing. Sie war nicht nur geknebelt, wie Emmeline, sondern trug auch eine Augenbinde, und sie hing gerade in der richtigen Höhe, dass ein Mann in sie eindringen konnte, was genau in diesem Augenblick auch der Fall war.
Der fragliche Gentleman war nackt bis auf eine Besonderheit: Aus seiner hinteren Öffnung hing ein Schwanz aus schwarzen Pferdehaaren. Hinter ihm stand eine Frau in einem schwarzen Korsett, langen Handschuhen und hohen Stiefeln, die ihm mit einer Reitgerte aufs Hinterteil schlug und schrie: »Fester, du kümmerlicher Wallach! Ramm ihn hinein! Stoß die Hure!«
Diese drei waren jedoch nicht die Einzigen, die sich an jenem Abend in der Brunftzelle aufhielten. Was Emmeline zunächst für die lebensgroße Basreliefskulptur eines Mannes an der hinteren Wand gehalten hatte, stellte sich bei näherer Betrachtung als echter Mann heraus, der mithilfe von Gips an der Wand befestigt war. Zu sehen waren nur seine Nase, sein Mund und sein Schritt, der anscheinend rasiert und weiß bemalt worden war. Eine Frau in einem strengen schwarzen Kleid stand vor ihm und fuhr mit einer Feder über seine geschwollene Männlichkeit und den dicken Sack darunter. Er stöhnte dabei leise auf.
In einer Ecke befand sich so etwas wie ein hohes Turnpferd, über dem eine junge Frau bäuchlings lag, den Rock hochgeschoben und die Gliedmaßen an die Beine ihrer merkwürdigen Bank gefesselt. Hinter ihr stand ein eleganter Mann mit einer schwarzen Maske, die aus etwas Hartem und Glänzendem zu bestehen schien wie Lack, aber Emmeline erkannte ihn an seinen geölten, rötlichen Haaren als Lord Hardwyck, ihren Verlobten. Er nahm die Frau auf dem Pferd wie ein Hund, wobei er sie bei jedem Stoß kräftig auf ihr rosiges Hinterteil schlug. Dabei starrte er die ganze Zeit über zu Emmeline, ein lüsternes Glitzern in den Augen.
»Er kann dich nicht sehen«, sagte Lady L. »Er sieht sich selbst dabei zu, wie er es Philomena Quimsby besorgt. Auf seiner Seite ist es ein Spiegel, und hier kann man hindurchsehen … Oh, verdammt, nicht schon wieder«, stöhnte sie, als Emmeline angesichts der Unkeuschheiten, die sie sich anschauen musste, in Ohnmacht fiel.
Ihre Ladyschaft zerrte Emmelines Kopf hoch und versetzte ihr zwei Ohrfeigen. »Bleib wach und lern etwas, du Dummchen. Komm, Fanny«, wandte sie sich an ihre Begleiterin, und die beiden verließen den Raum.
Oh, lieber Leser, und was unsere Emmeline an jenem Abend alles lernte! Die seltsamsten Empfindungen stiegen in ihr auf, als sie sah, wie sich die anderen Hausgäste in der Brunftzelle vergnügten, Empfindungen, die ihr bis zu jenem Moment fremd gewesen waren. Ihr Herz schlug schneller, und die rosigen Spitzen ihres Busens wurden seltsam steif. Höchst merkwürdig und beunruhigend war die prickelnde, heiße Nässe, die sich zwischen ihren Schenkeln sammelte. Ihr Geschlecht wurde verzehrt von einem köstlichen Brennen, das sie selbst durch wiederholtes Reiben am Hocker nicht lindern konnte. Es machte sie ganz unruhig, weil es immer schlimmer wurde.
»Liebe Emmeline. Was um Himmels willen …«
Als sie sich umdrehte, sah sie ihren einzigen wahren Freund an diesem Ort, den gut aussehenden, sanften Tobias, der das dämmerige kleine Zimmer betrat.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und nahm ihr den Knebel heraus.
»Ich weiß nicht!«, stöhnte sie. »Sie … sie haben mich gefesselt und hier zurückgelassen, und jetzt fühle ich mich so … so … Oh, Tobias.« Sie zitterte am ganzen Leib, am liebsten hätte sie geschluchzt und geschrien, und sie fragte sich, ob das wohl Hysterie war. »Was geschieht mit mir?«
Er blickte in das Brunftzimmer, nickte und kniete sich vor sie. »Ich glaube, ich weiß es. Und ich glaube, ich kann dir helfen.«
»Du … ja?«, fragte sie, und als seine Hand unter ihren Rock glitt, war es ihr auf einmal gleichgültig, dass er ihr noch nicht einmal angeboten hatte, ihre Fesseln zu lösen.
Steamboat Springs, Colorado
2. Februar 1922
Mein geliebter, dummer Rémy,
erstens: Ich mag zufällig Parenthesen – außer in Romanen –, und ich habe nicht die Absicht, sie aufzugeben, nur weil Du sie »syntaktisch nachlässig« findest.
Zweitens: Es ist sehr lieb von Dir, mir zu versichern, dass ich keineswegs unattraktiv sei, sondern eigentlich »geschmeidige weibliche Vollkommenheit« verkörpern würde, und ich danke Dir dafür, aber es ist nicht wirklich notwendig, da in den letzten Jahren mein Aussehen in Mode gekommen ist. Rückblickend bin ich eigentlich sogar froh, dass ich als hässliches Entlein aufgewachsen bin. Ich finde, es ist gut, in der Jugend nicht so hübsch zu sein, weil das den Charakter bildet.
Drittens: Nein, mit Nils habe ich nichts gehabt, und nein, ich lüge auch nicht, um Deine Gefühle zu schonen. Es war wirklich nur ein Traum. Mein Gott, er ist zwanzig! Einerseits. Und andererseits kannst Du auch nur auf die Idee kommen, Sex käme für mich infrage, weil Du mich nicht mit meinen Gipsverbänden und meinen traurigen Haaren im Rollstuhl gesehen hast. Ein Bob, wie ich ihn trage, muss regelmäßig geschnitten werden, sonst sieht er scheußlich aus, und ich hätte schon zum Friseur gemusst, bevor ich hierhergekommen bin. Meine Ponyfransen sind mittlerweile so lang, dass ich sie mit einer Spange zur Seite stecken muss. Das verleiht mir die sorglose Ausstrahlung der Bergbewohner und sollte meine komplette Treue sichern, bis wir uns wiedersehen.
Nicht dass Treue ein Thema bei uns wäre, aber Du weißt, was ich meine. Und nur zur Erinnerung, weil Dir dieser Nils wirklich unter die Haut gegangen zu sein scheint: In dem Jahr, seit wir zusammen sind, habe ich meine Option, mit jemand anderem zu schlafen, noch nicht eingelöst. Allerdings glaube ich, dass sie immer noch gilt, deshalb bin ich ehrlich gesagt ein wenig überrascht von Deinem eifersüchtigen Entsetzen bei der Vorstellung, ich könnte meine kaputten alten Schenkel für Nils breitgemacht haben. Schließlich ist das Recht, auch andere Leute zu sehen, nicht verschwunden, nur weil wir es bisher nicht genutzt haben.
Nein, richtiger müsste es heißen, weil ich es bisher nicht genutzt habe. Wir haben nie darüber gesprochen, ob wir dem anderen von den Eroberungen außerhalb unserer Beziehung erzählen sollten, aber da das Thema jetzt nun mal aufgekommen ist – und vermutlich ist es brieflich leichter zu besprechen als von Angesicht zu Angesicht –, sollten wir es vielleicht auch klären. Oder Du solltest es klären, da ich es ja bereits getan habe. Glaub bitte nicht, dass ich einen bourgeoisen Wutanfall bekomme, wenn Du mir von einer kleinen Affäre hier und da erzählst. Schließlich war diese Sache mit der freien Liebe meine Idee, und ich halte mich eigentlich nicht für eine so große Heuchlerin. Wenn ich Dich an der kurzen Leine halten wollte, würde ich Dich heiraten.
Apropos: Dein Argument, ich könnte für Jules und Inès eine »richtige Stiefmutter« sein, wenn wir verheiratet wären, ist nicht wirklich stichhaltig. Jules ist elf, Inès ist neun. Sie wissen, dass ich nicht ihre Mutter bin, schließlich leben sie bei ihr. Mich sehen sie nur, wenn sie Dich besuchen. Sie werden mich nicht plötzlich Mère nennen, wenn Du mir einen Ring an den Finger steckst, und das würde ich auch gar nicht wollen. Mir gefällt es wesentlich besser, die geliebte Tante zu sein. Die Rolle habe ich an Kitty schon bis zur Perfektion geübt, und sie liegt mir sehr. Ich liebe Deine Kinder so sehr, Rémy, und unsere Beziehung zueinander ist so warm und herzlich, dass ich es so, wie es ist, perfekt finde. Das meine ich ernst, mein Schatz. Meinst Du nicht, Du klammerst Dich an Strohhalme?
Und um das Thema zu wechseln: Ich wollte Dir unbedingt noch erzählen, dass Kitty und Nils sich jedes Mal, wenn er die Post bringt, verstohlen küssen oder streicheln. Ach, wenn man doch noch mal sechzehn wäre. Allerdings sind die beiden schon zwanzig, respektive einundzwanzig, also eigentlich schon ein bisschen zu alt, um zu lange in diesem Vorspiel-Stadium stecken zu bleiben. Das Problem ist natürlich, dass Nils dieses Kirchenmädchen aus der Ferne anbetet. Hinzu kommt die nur allzu verbreitete Auffassung unter wohlerzogenen jungen Männern, dass man es mit einer Frau, die man mag und respektiert, nicht tun darf. Warum Frauen diese Auffassung auch noch ermutigen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ja, ich weiß, ich habe gut reden, da ich mir meine Jungfräulichkeit bis vierundzwanzig bewahrt habe, aber das waren auch andere Zeiten damals. Kitty hat ein Diaphragma, seit sie neunzehn ist. Ich weiß es, da ich ihr zugeredet habe, es einsetzen zu lassen.
Da wir gerade von meiner Jungfräulichkeit sprechen und dem Bericht darüber, wie ich sie verloren habe – Deine Reaktion auf die Geschichte mit Claude im Landauer hat mich umgehauen. Zu behaupten, Du hättest Dich »emotional hintergangen« gefühlt, finde ich eine Spur zu melodramatisch, um nicht zu sagen, vorsintflutlich.
Hast Du diesen erotischen Film vergessen, den wir mit Margaux und Denis letztes Jahr im Sommer in Deinem Büro im Pathé-Cinéma gesehen haben, als alle schon nach Hause gegangen waren? Der, wo der Mann das Hausmädchen dabei erwischt, wie es sich mit dem Staubsaugerschlauch befriedigt, und er seine Frau zu einer kleinen Ménage à trois holt? Du hast mir gesagt, was die beiden Frauen miteinander gemacht haben, sei das Heißeste gewesen, was Du jemals gesehen hast. Ich glaube es Dir sofort, denn kaum waren wir allein, hast Du mich auf die Knie gezwungen, deinen Schwanz herausgezogen und gegrollt: »Suce-le.« Ich werde schon nass, wenn ich nur daran denke, wie herrisch Deine Stimme geklungen hat. Und als Du mir sagtest, ich solle aufhören und mich über den Schreibtisch beugen, bin ich gekommen, ohne dass Du mich überhaupt angefasst hast, das einzige Mal in meinem Leben, dass mir so etwas im Wachzustand passiert ist. Wenn Du Dich erinnerst, habe ich pausenlos »Oh« geschrien, während Du in mich hineingehämmert hast – und dann noch ein paarmal, als Du auf dem Heimweg in diese Nebenstraße abgebogen bist, mich auf den Schoß gezogen und ihn mir erneut hineingesteckt hast. Du bist wirklich der heißeste Mann, dem ich je begegnet bin, und der beste Liebhaber. Ich habe solches Glück gehabt, Dich zu finden.
Aber ich werde rührselig. Ich habe diesen Film ja nur erwähnt, weil ich nicht verstehe, warum Du es »verstörend und unangenehm« findest, wenn zwei Männer es tun, während Du nichts dagegen hast, zwei Frauen dabei zu beobachten. Hast Du etwa Angst, Dein pénis könnte reagieren und Du müsstest über die Konsequenzen nachdenken? Ich frage ja nur, weil es mich verblüfft, dass ein so toleranter Mann wie Du so spießig reagiert.
Und jetzt wieder zu der wöchentlichen Folge von Emilys Abenteuer im Schloss, Teil zwei.
Die erwartete Aussprache zwischen Hickley und mir fand später an jenem Nachmittag statt. Er fand mich weinend in der Bibliothek. Das heißt, ich führte die Aussprache herbei, denn er starrte mich nur stumm an. Dass ich weinte, kannte er nicht an mir. Damit er mich über dem Regen, der aufs Dach trommelte, überhaupt hören konnte, musste ich schreien, weil die Bibliothek, die Kit völlig umgestaltet hatte, drei Stockwerke hoch war, mit einer breiten Galerie an der vorderen Wand. Es war die extravaganteste, bestausgestattete Privatbibliothek, die ich je gesehen hatte.
Ich beschuldigte Hickley der Untreue, der Perversität und des Betrugs, weil er in mir den Glauben geweckt hatte, er mache sich etwas aus mir, während ihm in Wirklichkeit nur die zwei Millionen Dollar meines Vaters etwas bedeuteten. Ich sagte, er habe mir vorgegaukelt, wir würden aus Liebe heiraten, und dabei sei es einfach nur eine geschäftliche Transaktion zwischen einem gierigen britischen Lord und einer naiven amerikanischen Erbin. Ich zerrte mir den Saphirring vom Finger und warf ihn ihm an den Kopf. Erst da begriff er die wirkliche Tragweite meiner Wut und die Konsequenzen für ihn: Die kleine Yankee hatte ihm das Geschäft vermasselt.
Sein Verhalten änderte sich, und seine milde Verwirrung wich ernsthafter Nervosität. Er schwor, er habe unsere Verlobung nie als geschäftliche Transaktion betrachtet, ich bedeute ihm weit mehr, als er sich anmerken ließe, aber er habe Angst gehabt, sich zu erklären, da wir uns doch erst so kurze Zeit kennen würden. Ich könne mich auf keinen Fall so schnell in ihn verliebt haben wie er sich in mich, und ich solle ihm doch bitte, bitte eine zweite Chance geben …
Ich erwiderte, dass ich ihm das nicht abkaufen würde. Wenn er mich wirklich liebte, dann hätte er mir in New York mehr als nur ein trockenes Küsschen gegeben. »Ich weiß, dass ich nicht schön bin, aber wenn Sie eine Frau lieben, wollen Sie dann nicht … dieser Liebe mit mehr als Worten Ausdruck verleihen ?«
Hickley sagte, er sei verrückt nach mir, aber er habe sich im Zaum gehalten, um keine Grenzen zu überschreiten. Er erklärte, alle Männer hätten Bedürfnisse, aber ein wahrer Gentleman würde nicht im Traum daran denken, die Unschuld und den Ruf seiner Verlobten aufs Spiel zu setzen. Deshalb würde er, wie jeder andere Junggeselle, den er kannte, seine Lust »dort abladen, wo er niemals wieder mit ihr konfrontiert würde«. – Es fällt Dir vielleicht auf, dass er mir hinsichtlich meines Mangels an Schönheit nicht widersprochen hat.
Dem Vorwurf der Perversität setzte er entgegen, dass ich nur deshalb so schockiert sei, weil die Amerikanerinnen im Gegensatz zu den Europäerinnen so prüde seien. Ich sei zwar aufgeklärt, fuhr er fort, aber meine Kultur habe mich nie auf etwas anderes vorbereitet als auf meine ehelichen Pflichten – »im Nachthemd und bei gelöschtem Licht«. Da ich also ein typisch ahnungsloses, uninformiertes amerikanisches Mädchen sei, würde ich die kreativeren Formen des Liebesspiels natürlich widerwärtig finden.
Es war mir schrecklich peinlich, dass er mich mit allen anderen in einen Topf warf, was zweifellos seine Absicht war, aber das wurde mir erst später klar, da ich so einem geübten Lügner noch nie begegnet war. Ich behauptete also, ich fände es überhaupt nicht widerwärtig. Dabei hatte mich der Cunnilingus erschreckt, und was ich von dem Auspeitschen halten sollte, wusste ich auch nicht. Ich sagte, ich sei nur ein wenig enttäuscht über seine Untreue. Und dann, Gott möge mir beistehen, ich verstünde nun besser, warum er sich so zurückgehalten habe, aber es sei wirklich nicht nötig gewesen, weil ich alles andere als prüde sei.
Nun, jetzt hatte er mich, und ich muss beschämt gestehen, dass mein Entschluss, die Verlobung zu beenden, wankte. Der Bastard sank auf die Knie, ergriff meine Hände und erklärte, er sei noch nie so verliebt gewesen, habe noch nie eine wirkliche Beziehung gehabt und könne den Gedanken nicht ertragen, mich zu verlieren. Da es mich bekümmere, ihn mit anderen Frauen zu sehen, versprach er, bis zur Hochzeit »wie ein Mönch zu leben«. Und unsere »ehelichen Beziehungen« würden so abenteuerlich sein, wie ich es wünschte.
Ich erwiderte, ich hätte mich immer schon als abenteuerlustig empfunden. »Ich mag über solche Angelegenheiten gegenwärtig nicht viel wissen, aber ich versichere Ihnen, ich bin offen für alles und bereit zu lernen – wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Er sprang auf und holte aus der gegenüberliegenden Ecke der Bibliothek ein Buch, das er mir reichte. »Es gibt hier eine herausragende kleine Sammlung erotischer Literatur, aber das hier ist mein Lieblingsbuch. Sie werden es sehr instruktiv finden, wenn Sie bereit sind, so etwas zu lesen.«
Ich nahm es und sagte: »Ich halte nichts von Selbstzensur.« Natürlich hatte ich solche Literatur noch nie in meinem Leben gelesen. Das Buch war der erste Band von Mein geheimes Leben , verfasst von einem gewissen »Walter«. Hickley sagte, dass ich daraus viel über die sexuellen Neigungen von Männern lernen würde. »Das kann unserer Ehe nur nützen.«
Er versuchte, mich zu überreden, den Ring wieder anzunehmen, aber ich erwiderte, ich müsse darüber nachdenken – eine Entscheidung, für die ich mir im Nachhinein sehr dankbar bin, da ich auf diese Weise wenigstens einen letzten Rest von Würde in dieser demütigenden Episode bewahren konnte. Hickley sagte mir, er würde mit seinen Freunden morgen in die französischen Alpen abreisen, aber sie kämen in ein paar Tagen wieder zurück, und er hoffe, dass ich »dann in der geeigneten Stimmung sei, um den Ring wieder anzunehmen«. Ich erwiderte, ich sei dann bereits abgereist, wenn das Wetter es zuließe. – Es stellte sich heraus, dass ich noch nicht abgereist war, aber das lag nicht am Wetter. – Ich ließ mich von ihm zum Abschied nicht küssen, und er schlich davon wie ein geprügelter Hund.
Die Haushälterin informierte mich, dass mein Gepäck ins Chambre Rouge gebracht worden sei, ein Zimmer im zweiten Stock des Ostflügels. Um dorthin zu gelangen, musste ich die Steintreppe im Südostturm hinaufsteigen. Auf dem Weg drängte sich ein elegant gekleidetes Paar mit einer atemlosen Entschuldigung an mir vorbei.
»Oh, das ist Hickleys Yankee«, sagte die Frau über die Schulter, als sie ein paar Stufen weiter stehen blieb. Es war »Fick mich oder leck mich«-Fanny. »Kommen Sie doch mit uns. Ich habe gehört, Lucinda Mumford lässt uns alle zuschauen.«
Ich hatte zwar keine Ahnung, was sie meinte, folgte ihnen aber neugierig den Turm hinauf. Oben angekommen war mir sofort klar, dass dies ein besonderer Ort war. Ich versuche mal, ihn so gut wie möglich zu beschreiben. Der Turm war rund und ziemlich groß, mit Schießscharten in der dicken Außenmauer. Auf den unteren Stockwerken waren verschiedene Zimmer untergebracht, manchmal achteckig oder in anderen ungewöhnlichen Formen, damit sie in den runden Turm passten. Hier im oberen Stockwerk jedoch gab es nur einen einzigen runden Raum, etwas kleiner als der Durchmesser des Turms, sodass außen eine Art Korridor von etwa zwei Meter Breite darum herumführte, in dem Sofas und Chaiselonguen standen. Der runde Raum sah so aus, als sei er erst kürzlich fertiggestellt worden. Die Außenwände waren mit dunklem Holz verkleidet und hatten alle paar Meter ein großes Fenster. Durch diese Fenster konnte man in den Innenraum sehen, dessen Wände mit apricotfarbener Seide bespannt und mit hohen Spiegeln in Goldrahmen behängt waren. In der Mitte dieses seltsamen »Boudoirs« stand ein Bett mit vier Pfosten. Auf dem Bett lag eine schöne junge Frau in einem schwarzen Satin-Gewand und masturbierte. Ihr Schmuck glitzerte in der Nachmittagssonne, die durch die Lichtkuppeln im spitz zulaufenden Dach drang.
Sie lag auf dem Bauch, hatte die Röcke hochgeschoben, und ihre schwarzen Petticoats bauschten sich um ihre Taille. Ihre ebenfalls schwarze, gerüschte Unterhose hatte sie bis zu den Strümpfen hinuntergezogen. Der einzige entblößte Körperteil war ihr Hintern, der wie glatter weißer Marmor aus all dem Schwarz herausragte. Sie stieß langsam mit den Hüften, und ich sah, dass sie einen Arm unter sich geschoben hatte und ihn rhythmisch bewegte. Ihr Mund stand offen, die Augen hatte sie verträumt halb geschlossen. Durch die Scheibe hörte ich ihren bebenden Atem, und ich weiß noch, dass ich dachte: Mein Gott, das ist real. Sie befingert sich tatsächlich selbst, und ich sehe wirklich zu.
Fanny und ihr Begleiter sanken auf eine Ledercouch, die im Halbdunkel an der Wand stand. Sie knöpfte seine Hose auf, während er die Hand unter ihren Rock schob. Beide starrten sie in den runden Raum hinein. Von überallher im Korridor hörte ich stoßweises Atmen und leise Stimmen, und ich stellte fest, dass sie nicht das einzige Paar waren, das dieses Schauspiel genoss. Aber wie konnten sie in das Zimmer hineinblicken, in dem doch offensichtlich Spiegel hingen?
»Es sind transparente Spiegel«, flüsterte ein Mann neben mir, den ich vorher nicht bemerkt hatte.
Er sah unglaublich gut aus, auf eine südländische Art, mit dichten dunklen, lockigen Haaren und warmen braunen Augen wie geschmolzene Schokolade. Sein Gesichtsausdruck und seine Haltung vermittelten eine Aufrichtigkeit und Offenheit, die entwaffnend waren. Es war der Mann vom Brunnen, der mich eine Schönheit genannt und aufgefordert hatte, mich ihnen anzuschließen. Sein Englisch mit einem amerikanischen Akzent weckte eine Erinnerung in mir, die ich jedoch nicht greifen konnte. Ich hatte das Gefühl, ihm schon einmal begegnet zu sein.
»Ein Russe hat sie vor ein paar Monaten für uns angebracht«, sagte er und hob eine Weinflasche zum Mund.
»Für uns?«
»Nun, für den Seigneur des Ombres. Ich bin lediglich ein … Langzeit-Mieter, sozusagen.« Er wies mit der Flasche auf die Spiegel und sagte: »Sie sind nur halb versilbert. Wenn man aus einem dunkleren Raum in einen hell erleuchteten blickt, kann man hineinsehen, aber die Personen im Raum sehen nur ihr Spiegelbild.«
»Sie weiß also gar nicht, dass sie beobachtet wird?«, fragte ich mit leiser Stimme. »Das ist ja schrecklich. Das ist …«
»O doch, das weiß sie. Jeder weiß, was es mit dem Boudoir des Miroirs auf sich hat. Es gibt eine Warteliste für diesen Raum. Sie wären überrascht, wie viele Menschen eine exhibitionistische Ader haben. Man kann den Raum für eine ganze Nacht oder aber für ein ›Nickerchen am Nachmittag‹, so wie jetzt, buchen. Ich bin übrigens Inigo.« Er reichte mir so nonchalant die Hand, als befänden wir uns auf einer Dinnerparty an der Fifth Avenue.
»Emily Townsend.«
»Ich weiß.«
»Entschuldigung, aber sind wir uns schon vorgestellt worden ?«
»Nicht dass ich wüsste. Fanny Caddingdon sagte mir Ihren Namen, als ich fragte, wer das hübsche neue Mädchen sei. Sie haben nicht zufällig amerikanische Zigaretten dabei?«
»Leider nein.«
Eine Tür auf der anderen Seite des »Boudoirs der Spiegel« öffnete sich langsam, und ein Mann schlüpfte hinein. Er war etwa dreißig und sah nett aus, hatte jedoch ein gefährliches Glitzern in den Augen, bei dem es mir kalt den Rücken herunterlief.
Inigo klopfte mir leicht auf die Schulter und sagte: »Das gehört alles zu dem, was Lucinda sich erhofft hat, als sie um diesen Raum gebeten hat.«
»Sie meinen, es ist inszeniert?«
»O nein. Wenn jemand das Boudoir gebucht hat, dann handeln die anderen Gäste für gewöhnlich untereinander aus, welche Person oder vielleicht auch welche Gruppe überraschend zu Besuch kommt. Aber die Person im Boudoir hat keine Ahnung, wer es sein könnte. In der Ungewissheit liegt ja gerade der Reiz. Dieser Mann ist Theodore Newton. Er und Lucinda sind Amerikaner. Sie waren früher einmal ein Liebespaar, aber ich habe gehört, sie hätte ihn vor ein paar Jahren gegen ein älteres, reicheres Modell eingetauscht. Seit sie hier sind, versucht er die alte Flamme wieder zu entzünden, aber bis jetzt hat sie ihm die kalte Schulter gezeigt. Möchten Sie sich eigentlich nicht setzen?« Er wies auf einen leeren Stuhl.
»Oh. Nein. Nein, ich, äh …«
»Nur um sich hinzusetzen«, sagte er. »Ich meinte nicht unbedingt … Sie wissen schon.«
Unbedingt? »Mir macht es nichts aus zu stehen.«
Newton knöpfte seine Hose auf, zog seine Erektion heraus und rieb sie ein paarmal mit festem Griff. Eigentlich hätte ich auf der Stelle gehen sollen, aber ich blieb wie gebannt stehen. Ich hatte noch nie zuvor einen Penis gesehen, erigiert oder nicht, und ich weiß noch, dass ich völlig überrascht von seiner seidenglatten Struktur und der violett schimmernden Eichel war. Er steckte sich drei Finger in den Mund, um sie anzufeuchten, und sagte dann: »Ich wüsste zu gerne, was du jetzt denkst, Luce.«
Sie keuchte, aber bevor sie reagieren konnte, drückte er ihr das Knie auf den Rücken und stieß die Finger in ihre Spalte. Sie schrie und bäumte sich auf, wobei sie versuchte, ihn mit der freien Hand zu schlagen.
»Ach, willst du es mir nicht sagen?«, fuhr er fort und stieß mit den Fingern zu. »Aber so nass, wie du bist, kann ich deine Gedanken sowieso erraten. Du denkst bestimmt an all die Rubine, Smaragde und Perlen, für die du mich eingetauscht hast. Das macht dich klatschnass, was?«
»Du Hurensohn!«
Er öffnete den Verschluss von einer ihrer Ketten, Diamanten im Wechsel mit dicken, unregelmäßig geformten Barockperlen, und sagte: »Denkst du daran, wenn dieser vertrocknete alte Winzling in dir steckt?« Er ließ die Kette vor ihrem Gesicht baumeln. »Ich wette mit dir, du würdest am liebsten nur den Schmuck ficken und den Mann dazwischen auslassen. Hast du es immer noch so gerne, wenn man ihn dir in den Arsch steckt?«
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er die Kette in ihr Rektum schob, eine dicke Perle nach der anderen, bis man nur noch den Verschluss am Ende einer kleinen Diamantenschnur sah. Es sah obszön schön aus, wie Schmuck fürs Hinterteil. Er zog leicht daran. Sie holte tief Luft, und ihre Hüften bebten.
Dann begann er, sie mit den Fingern zu ficken, während er an der Kette zog und wackelte. Dabei drückte er sie die ganze Zeit mit dem Knie aufs Bett. Sie stöhnte rau.
»Teddy, du Bastard«, hauchte sie und bog sich ihm entgegen. »Schwanzlutscher, Fickschwanz …«
Er zog das Knie weg. Sie schien es gar nicht zu merken. Und gerade als sie zum Höhepunkt kam, zog er die Kette heraus … plopp-plopp-plopp-plopp-plopp …
Sie schrie und bäumte sich auf, während der Orgasmus sie überwältigte. Als sie wieder zu Atem gekommen war, beugte sich Teddy dicht über sie und sagte leise: »Wusstest du, dass ich hier sein würde, Luce? Hast du ihm gesagt, ich sei der Grund, warum du ohne ihn nach Frankreich fahren wolltest, weil du mich unbedingt wiedersehen, mit mir ficken wolltest, auch wenn du zu stolz bist, es zuzugeben?«
»N-nein«, stammelte sie und rang nach Luft. »Gott, nein. Wenn er es herausfindet …« Sie schüttelte den Kopf.
Mit einem triumphierenden Blick warf sich Teddy über sie, riss ihr die Unterhose herunter und bestieg sie. Er packte ihre Hüften und drang so kraftvoll ein, dass ich leise aufschrie. Er fickte sie fest und grunzte bei jedem Stoß. Erneut kam sie, klammerte sich an seinen Rücken und stöhnte: »Oh, Teddy … O Gott, wie ich diesen großen, harten Schwanz vermisst habe. Tiefer, Teddy, tiefer …«
»Ist alles in Ordnung, Miss Townsend?« Inigo berührte mich am Arm.
Ich zuckte zusammen. Schon diese leichte Berührung durch den Stoff meines Ärmels ließ mich sexuell erschauern, so erregt war ich. »Ich muss gehen. Es … es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
Er rief meinen Namen, als ich die Treppe hinunterrannte, aber ich blieb nicht stehen, bis ich die schwere Eichentür des Chambre Rouge hinter mir geschlossen hatte. Vom Abendessen abgesehen hielt ich mich für den Rest des Nachmittags und Abends in meinem Zimmer auf. In jener Nacht schlief ich kaum, sondern saß stundenlang in meinem Bett mit den roten Samtvorhängen und las Mein geheimes Leben. Ich fand es zutiefst deprimierend, nicht nur weil es weitschweifig und banal war, sondern weil der Sex schmutzig und hässlich war, stank und vage skatologische Anklänge hatte. Und »Walter« selbst kam mir unreif und triebhaft vor, ein Räuber, der Frauen, auch unschuldige Jungfrauen, ohne jeden Skrupel überfiel.
Da ich fand, eine »herausragende Sammlung erotischer Literatur« sollte attraktivere Geschichten enthalten, ging ich mitten in der Nacht in die Bibliothek, um nachzuschauen, was sonst noch in der Ecke stand. Ich entdeckte zehn weitere Bände von Mein geheimes Leben, wählte aber stattdessen die Autobiographie eines Flohs von »Anonymus«, weil ich beim kurzen Überfliegen feststellte, dass es sowohl witzig als auch erotisch war.
Auf dem Weg zurück in den zweiten Stock hörte ich leise Schritte über mir auf der Wendeltreppe. Zuerst zögerte ich, aber dann gewann meine Neugier doch die Oberhand. Ich huschte nach oben, wobei ich eigentlich erwartete, auch andere Gäste in dem Gang um das Boudoir des Miroirs anzutreffen. Es war schwer zu sagen, weil es stockdunkel war, aber ich schien die Einzige zu sein – es war schließlich ganz früh am Morgen.
Durch die durchsichtigen Spiegel konnte ich in das Boudoir sehen, wenn auch nicht so deutlich wie am Nachmittag zuvor, da die Lichtverhältnisse nicht ideal waren. Inigo hatte mir erklärt, die Spiegel funktionierten am besten, wenn man von der Dunkelheit ins Licht schaute; es drang zwar Mondschein durch die Oberlichter, aber Mondlicht ist eben nicht so hell wie Sonnenschein.
Ich sah jedenfalls alles ein wenig verschwommen, so wie auf diesen unscharfen Julia-Cameron-Fotografien, die Dir unerklärlicherweise so gut gefallen. Ich sah das Bett, auf dem eine Frau zusammengerollt auf der Seite lag. Sie war völlig – beziehungsweise zur Hälfte – in schwarzes Leder gekleidet: ein Wespentaillen-Korsett, Handschuhe bis zu den Schultern und eine Kapuze, die eng um Kopf und Schultern lag und sie komplett verdeckte. Von meinem Standort aus – ich blickte diagonal über das Bett von den Füßen zum Kopf – sah ich, dass die Kapuze hinten geschnürt war. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie durch das feste Leder atmen konnte, aber dann sah ich, wie sich die Stelle über dem Mund bei jedem Atemzug hob und senkte, also befand sich dort offensichtlich ein Stück luftdurchlässige Gaze. Sie schien fest zu schlafen, auch wenn ich mir nicht denken konnte, wie man mit so einem Ding über dem Kopf überhaupt einschlafen konnte.
Ich fragte mich, wer die Person wohl war, die vor mir die Treppe hinaufgegangen war, als ich auf der anderen Seite des Raums, in der Nähe der Tür, eine Bewegung bemerkte. Es war schwer, etwas zu erkennen, zum einen wegen der Entfernung, zum anderen, weil das Mondlicht hauptsächlich auf das Bett fiel, aber verschwommen sah ich eine Gestalt in einem dunklen Morgenmantel. Wegen der Größe, vermutlich über eins achtzig, nahm ich an, es sei ein Mann, aber dann glitt der Morgenmantel zu Boden, und ich stellte fest, dass es eine Frau war, wenn auch eine große.
Sie hockte sich anmutig auf die Fersen. Ich weiß noch, dass sie mich an eine große, geschmeidige Raubkatze erinnerte. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen bewegten sich – aber sie murmelte so leise, dass ich durch die Scheibe nichts hören konnte. Zitternd biss sie die Zähne zusammen, dann senkte sie den Kopf, und ihre Haare flossen wie ein glänzender Bronzestrom über den Boden. Minutenlang verharrte sie in dieser Position, eine Hand auf dem Boden, die andere auf ihrem Knie. Schließlich schien sie sich zu entspannen. Sie warf die Haare zurück und stand auf.
Ich trat näher an die Scheibe. Mehr aus der Nähe betrachtet, hatte die Gestalt breite Schultern, schmale Hüften und war sogar noch größer, bestimmt eins achtundachtzig. Das war keine Frau, trotz der langen Haare. Es war der blonde Mann vom Brunnen, der, der eine Frau geküsst hatte, während er in die andere eingedrungen war.
Ich weiß noch, dass ich mit offenem Mund dastand und zu verstehen versuchte, was ich gerade gesehen hatte. Unwillkürlich fielen mir Eugènes Dusii ein, die sich vom Mann zur Frau und wieder zurück verwandeln konnten. Aber eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, einen Sex-Dämon zu betrachten – ich fühlte mich lediglich die ganze Zeit über ein bisschen berauscht. Weißt du noch, wie wir mit Gertrude und Alice Haschisch geraucht haben? Und dieses Gefühl war so ähnlich, als ob ich die Realität aus einer gewissen Distanz wahrnähme. Und wenn man bedenkt, dass die Lichtverhältnisse nicht besonders gut waren, kann ich mich auch geirrt und vielleicht gar keine Frau gesehen haben.
Der Mann blickte an sich herunter und betastete seine Genitalien, nicht auf eine sexuelle Art, sondern als wolle er sich vergewissern, dass alles an Ort und Stelle war. Er kreiste mit den Schultern, streckte Arme und Beine aus und ließ die Knöchel knacken. Dann hockte er sich hin, nahm etwas aus der Tasche des Morgenmantels, ein Band oder ein Stück Schnur, und band damit seine Haare nach hinten. Anschließend trat er ans Bett und betrachtete die schlafende Frau auf eine Art, die ich nur als hungrig bezeichnen kann.
Ich konnte ihn jetzt besser sehen. Er war prachtvoll. Ehrlich, Rémy, es war, als sähe ich die Gestalt eines jungen Gottes, gebadet in silbriges Mondlicht. Tut mir leid, wenn ich in so poetischen Formulierungen schwelge, aber er raubte mir buchstäblich den Atem. Er hatte ein wundervolles Gesicht – strahlend blaue Augen unter geschwungenen Augenbrauen, eine Adlernase, volle Lippen. Beinahe wäre er zu hübsch gewesen, hätte er nicht ein so kantiges Kinn gehabt. Er war schlank, aber muskulös – auch sein Schwanz, der wuchs und sich glänzend und hart aufrichtete, während er die Frau betrachtete. Er streichelte ihn ganz leicht mit den Fingerspitzen, und er schien noch länger und dicker zu werden. Ich war allein schon vom Zusehen erregt.
Er hockte sich auf das Bett hinter die Frau und ließ seine Hand leicht über ihre Hüfte gleiten. Sie fuhr aus dem Schlaf auf, aber er streichelte sie beruhigend, flüsterte »schscht«, und sie entspannte sich. Sie versuchte, sich zu ihm zu drehen, aber er hielt sie auf der Seite fest und begann, die Haube aufzuschnüren.
Als sie merkte, was er vorhatte, schüttelte sie heftig den Kopf und versuchte, seine Hände wegzuschieben. Aber er wehrte sie ab, und als er die Haube von ihrem Kopf zog, befreite er ihre wellige, mahagonibraune Haarpracht.
»Beruhige dich«, sagte er. »Beruhige dich, Helen. Ich bin es, Elic.«
»Elic?« Sie wollte sich aufrichten, aber er schlang die Arme um sie und sagte: »Entspann dich, Helen. Es ist alles in Ordnung. Du wirst schon sehen.« Er hatte eine tiefe, angenehm raue Stimme mit einem leichten europäischen Akzent, den ich nicht ganz einordnen konnte.
Helen wehrte sich und trat nach ihm – ich bekam schon Panik, weil ich fürchtete, es handele sich um eine Vergewaltigung – , aber dann strich er ihr über die Stirn und murmelte etwas in einer Sprache, die skandinavisch klang. Sofort war sie völlig entspannt, und mit verzücktem Gesichtsausdruck ließ sie sich von ihm zwischen den Beinen streicheln. Ich habe keine Ahnung, was er zu ihr sagte, aber von diesem Moment an war sie enthusiastisch.
Sie lagen in der Löffelchen-Stellung hintereinander. Er drückte die Spitze seines Schafts, wobei ein klarer Sirup austrat, den ich in meiner Unwissenheit für Samen hielt. Mittlerweile weiß ich natürlich, dass er seinen Schwanz mit seinen Lusttropfen einrieb. Er stützte sich auf einen Ellbogen, ergriff sein Glied und schob die Eichel in sie hinein. Mit einem Arm umfasste er ihre Hüften und schob sie ganz auf sich. Dabei stöhnte er so hingerissen auf, dass der Laut in meinem Bauch vibrierte.
Mit langen, stetigen Stößen trieb er seinen Schaft in sie hinein, während er zugleich ihre Klitoris befingerte. Stöhnend klammerte die Frau sich an das Laken. Von meinem Standpunkt aus hatte ich einen guten Blick auf alles, und ich fand es unglaublich erregend zu sehen, wie dieser harte, glatte Schwanz wie ein Kolben in sie stieß. Ich glaube, ich atmete genauso schwer wie die beiden, und ich war so nass, dass mir mein Honig an den Innenseiten der Schenkel herunterlief.
Helen kam zweimal. Als ihre zweite Klimax sich ankündigte, stützte Elic sich auf einen Arm, wahrscheinlich, damit er tiefer in sie eindringen konnte. Mit jedem Stoß spannte sich sein ganzer Körper an. Einen Moment hielt er inne, und dann stöhnte er ekstatisch auf. Ich konnte sehen, wie seine Eier pumpten, als er sich in sie entleerte – faszinierend! Und unglaublich erregend. Der Orgasmus dauerte viel länger, als es die Norm ist – wie ich jetzt weiß. Gegen Ende sickerte eine cremige Flüssigkeit, die ich als Sperma erkannte – obwohl ich mich erinnere, dass sie dicker war als normaler Samen –, aus ihr heraus.
Als es schließlich vorüber war, sank er atemlos und erschöpft auf das Bett zurück. Er schob ihre prächtige Haarmähne beiseite, zog sie an sich und küsste sie sanft und zärtlich auf den Nacken. Die Worte, die er flüsterte, brachten sie zum Lächeln. Langsam zog er seinen Schwanz aus ihr heraus. Er war immer noch halb erigiert. Sperma tropfte aus ihm heraus wie schmelzende Eiscreme.
Er setzte sich auf, um ihr das Korsett und die Handschuhe auszuziehen, dann ließ er sie wieder aufs Bett sinken und saugte an ihren Brüsten, während er mit der Hand seinen Schwanz rieb. Innerhalb weniger Sekunden war er wieder steif, und er hob ihre Beine über seine Schultern, keine fünf Minuten, nachdem er seinen Schwanz aus ihr herausgezogen hatte. Heute weiß ich natürlich, dass das ungewöhnlich ist, aber damals war mir nicht klar, dass Männer eine Erholungspause brauchen. Er fickte sie ein zweites Mal, und wieder kam sie zweimal zum Höhepunkt, bevor er abspritzte. Allem Anschein nach war der Orgasmus ebenso heftig wie der erste, wenn auch vielleicht nicht ganz so lang. Und ich sah kein Sperma mehr, also hatte er sich in dieser Hinsicht wohl beim ersten Mal verausgabt. Ein paar Minuten später führte er ihre Hand über seine leicht nachlassende Erektion, zog sie auf alle viere und nahm sie erneut.
Du musst mir nicht glauben, Rémy. Aber ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.
Oder zumindest erinnere ich mich so daran. Wer weiß schon, ob das dasselbe ist?
Und jetzt, mon chéri, sage ich Dir Adieu, weil es schon fast zwei Uhr morgens ist und ich kaum noch die Augen offen halten kann. Bitte, halt mich nicht für verrückt wegen dem, was ich Dir berichtet habe. Verrückt bin ich nur nach Dir.
Tu me manques,
Em