1

London, 19. Juni 1817

 

 

Habt Ihr etwas dagegen einzuwenden, vergewaltigt zu werden?«, fragte der silberhaarige, elegant gekleidete Sir Charles Upcott und tunkte seine Feder in ein Tintenfass.

Caroline Keating starrte Sir Charles, Anwalt und Baronet, über den Schreibtisch aus Marmor und Malergold, der im Mittelpunkt seines imposanten Büros in der Regent Street stand, fassungslos an. Erschreckt von seiner Frage – in der Tat zutiefst entsetzt – sagte sie: »Ist es nicht nur natürlich für eine Dame, gegen einen solchen Akt Einwände zu haben?«

Sir Charles blickte sie über den Rand seiner Brille an und schrieb etwas auf einen Bogen Papier. »Solltet Ihr ausgewählt werden für die Auktion, darf der Gentleman, der Euch erwirbt – Euer Herr –, Euch zahlreichen geheimen Neigungen aussetzen, die er seiner Frau oder seiner Geliebten nie enthüllen würde. Er mag sich zum Beispiel gefragt haben, wie es sich wohl anfühlen würde, eine unwillige Frau zum Geschlechtsverkehr zu zwingen – etwas, das ein kultivierter Mann normalerweise nie tun würde, selbst nicht bei einer Dame von fragwürdiger Tugend. Aber auch kultivierte Männer haben dunkle Fantasien. Wie ich bereits zu Anfang erklärte, Miss Keating, kann Euer Herr und Gebieter Euch in jeder nur erdenklichen Weise benutzen in den sieben Tagen, in denen Ihr in seinem Besitz seid, abgesehen von schweren Verletzungen, die das Hinzuziehen eines Arztes notwendig machen, obwohl natürlich jederzeit ein Arzt zur Stelle sein wird.«

»Aber wenn es mir doch verboten ist, mich meinem … dem Mann, der … mich kauft, zu verweigern, wie will er mich denn dann zwingen? Er wird ja keinen Grund dazu haben – keine Gelegenheit –, wenn ich mich willig unterwerfe.«

Ohne von seinen Notizen aufzublicken, antwortete Sir Charles: »Er könnte Euch befehlen, Euch zu verweigern. Oder er könnte so brutal im Akt vorgehen oder andere dazu ermutigen, dass Ihr Euch zwangsläufig weigert.«

»Andere?«, fragte Caroline mit dünner Stimme.

»Es steht ihm frei, Euch einem oder mehreren anderen Gentlemen im Château auszuleihen, wenn es ihm beliebt. Eine Sklavin muss auf alles gefasst sein.«

»Aber habt Ihr nicht gesagt, dass ich mich außer meinem Herrn in dieser Woche keinem anderen Mann hingeben darf?«

Sir Charles seufzte, blickte auf und sagte: »Es sei denn, es geschieht auf Geheiß Eures Herrn. Wenn er es befiehlt, müsst Ihr es fraglos und ohne Zögern tun. Es ist wirklich ein elegant einfaches Arrangement.«

»Aber warum sollte er jemand anderen ermuntern …«

»Für gewöhnlich, damit er zuschauen kann.«

Zuschauen? Caroline blinzelte den Anwalt an. Und gewaltsam genommen zu werden … von mehr als einem Mann! Du lieber Himmel, was würde sie noch alles erfahren über die Neigungen scheinbar so kultivierter Herren?

Sir Charles nahm seine Brille ab. Das Leder knirschte, als er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und sie ruhig musterte. Wahrscheinlich überlegte er, ob es so klug gewesen war, ein so naives Mädchen wie sie in zwei Wochen auf ein geheimnisvolles, abgelegenes Château in Frankreich gehen zu lassen.

»Miss Keating«, sagte er, »der Mandant, den ich in dieser Angelegenheit vertrete, hat mich beauftragt, Euch diese Fragen zu stellen, um sicherzugehen, dass Ihr zur sexuellen Versklavung geeignet seid. Ich muss Euch jedoch warnen, wenn Ihr auch nur eine negative Reaktion zeigt, werdet Ihr nicht ausgewählt – und Lord Rexton hat Euch gestern Abend, als er Euch rekrutiert hat, sicher erklärt, dass viel Geld im Spiel ist, Tausende von Pfund.«

Caroline blickte aus dem Fenster. Die Seidenvorhänge bauschten sich in der warmen Sommerbrise. Gestern Morgen um diese Zeit hatte sie mit anderen Schaulustigen der Eröffnungszeremonie der Waterloo Bridge beigewohnt und darüber nachgedacht, dass sie noch nicht einmal den Halfpenny besaß, der als Brückenzoll verlangt wurde.

Sir Charles schwieg einen Moment, dann setzte er seine Brille wieder auf. »Um zu der Frage der Vergewaltigung zurückzukommen ?«

»In Ordnung«, erwiderte sie und seufzte. Sie dachte an den Handel, den sie gestern Nachmittag mit Bram Hugget, dem Straßenkehrer, der seit Wochen um einen Kuss bettelte, abgeschlossen hatte.

»Nur einen«, hatte sie gesagt. »Aber er kostet dich einen Halfpenny. «

Er hatte sich sein stoppeliges Kinn gekratzt. »Aber dann will ich auch deine Titten anfassen.«

Am liebsten hätte sie geschrien und geweint, aber sie hatte die Zähne zusammengebissen. »Nur über den Kleidern, nicht darunter. Du hast eine Minute Zeit.«

»Miss Keating?«

Sie blickte zu Sir Charles, der sie erwartungsvoll ansah.

»Fellatio?«, fragte er.

Verwirrt runzelte sie die Stirn.

»Orale Kopulation. Seid Ihr willens, das durchzuführen?«

»Oral? Meint Ihr Küssen?«

Sir Charles zog eine Ledermappe aus einer Schublade. Er löste das Band und öffnete sie. Sie enthielt einen Stapel Bilder. Er blätterte sie durch, zog eins heraus und reichte es Caroline. Der Stich stellte einen völlig bekleideten Mann und zwei mollige, nackte Frauen dar. Der Mann lag auf einem Bett mit den Füßen am Boden. Seine Hose war weit offen, und er knetete die Brüste der einen Frau, die über seinem Gesicht hockte. Die andere Frau kniete zwischen seinen gespreizten Beinen und saugte an seinem erigierten Glied, während sie sich und ihn streichelte.

Caroline blickte schockiert auf die Abbildung.

»Lord Rexton versicherte mir, Ihr hättet Erfahrung in dieser Hinsicht«, sagte Sir Charles. »Habt Ihr ihm gestern beim Musterungsgespräch nicht gesagt, dass Ihr durch eine Liaison mit einem Soldaten entehrt worden seid?«

Caroline räusperte sich. »Es war eine äußerst kurze Liaison. «

»Wie kurz?«

»Eine Nacht.«

»Wie lange ist das her?«

»Etwas über zwei Jahre.«

Stirnrunzelnd tauchte er die Feder in die Tinte und notierte diese Information.

Tausende von Pfund.

»Meine … meine Erfahrungen sind beschränkt«, sagte sie und beugte sich vor. »Aber ich versichere Euch, Sir Charles, ich werde nicht zurückschrecken …«

»Ja oder nein zu Fellatio, Miss Keating?«

Sie schluckte und reichte ihm den Stich. »Ja.«

»Seid Ihr bereit zu Kopulation auf griechische Art?«

»Es tut mir leid, Sir, aber ich weiß nicht, was das ist.«

Mit müder Nachsicht zog Sir Charles einen anderen Stich aus dem Stapel und reichte ihn ihr.

Ein Mann und eine Frau, beide nackt, vereinigten sich auf einem üppig drapierten Bett. Sie hatte ihr Hinterteil hochgereckt, er nahm sie von hinten. Caroline musste die Abbildung einen Moment lang studieren, bevor sie merkte, dass er nicht in die Öffnung eingedrungen war, die die Natur dafür vorgesehen hatte.

»Oh«, sagte sie leise.

Sir Charles betrachtete sie erwartungsvoll über den Rand seiner Brille.

»Tut es weh?«, fragte sie.

»Das hängt weitestgehend davon ab, ob der Gentleman das wünscht oder nicht. Ja oder nein?«

Sie reichte ihm den Stich und nickte.

»Seid Ihr bereit, Euch physischen Strafen zu unterziehen wie Schläge auf das Hinterteil mit der Hand, der Rute oder der Gerte?«

Caroline zögerte. Leise Furcht stieg in ihr auf. Was hatte denn körperliche Bestrafung mit Kopulation zu tun? »Warum … warum sollte ein Mann denn solche Dinge tun wollen? «

»Weil es ihn erregt. Manche Männer – nein, eigentlich viele – empfinden fleischliche Lust, wenn sie Frauen bestrafen.« Er zog einen weiteren Stich hervor, auf dem eine erschreckt wirkende junge Frau dargestellt war, die bäuchlings über einer schmalen Bank lag, die Röcke hochgeschlagen, sodass man ihr entblößtes, kreuz und quer mit Striemen versehenes Hinterteil sah. Neben ihr stand ein maliziös grinsender Gentleman, der mit einer Hand seine Erektion streichelte und in der anderen ein Bambusstöckchen hielt.

Carolines Eingeweide zogen sich zusammen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und aus dem Zimmer gerannt.

»Nun?«, drängte Sir Charles.

Sie warf das Bild auf den Schreibtisch, als sie die Erinnerung an all die Prügel überfiel, die ihr Vater ihr und ihren Brüdern verabreicht hatte, für so unbedeutende Vergehen wie das Vergessen einer Psalmzeile oder einen Fehler in einer mathematischen Berechnung. In dem kleinen Schulzimmer im dritten Stock des schlossähnlichen Pfarrhauses, in dem sie aufgewachsen war, gab es einen breiten Lederriemen, ein Bambusstöckchen und ein perforiertes Holzpaddel, alle gut gebraucht. Sie konnte sich an keine Zeit erinnern, in der sie nicht voller blauer Flecke von seinen plötzlichen Wutanfällen gewesen war, meistens auf dem Rücken, manchmal auf der Brust und auf den Beinen – aber nie im Gesicht oder auf den Armen, wo die Mitglieder der Gemeinde von Reverend Keating es hätten sehen können. Er war grausam und erbarmungslos und wahrscheinlich halb wahnsinnig – von der französischen Krankheit, flüsterten ihre Brüder, die er sich in seiner wilden Jugend zugezogen hatte – , aber er war nicht dumm. Als Aubrey sie aus diesem Kerker, der ihr Zuhause gewesen war, befreit hatte, hatte Caroline sich geschworen, dass kein Mann sie je wieder schlagen würde.

»Miss Keating? Ja oder nein?«

»Ja«, flüsterte sie.

»Wie bitte?«

»Ja«, wiederholte sie lauter. Sie war den Tränen nahe. »Ja. Ja. Ja zu allem.«

»Ihr müsst jedem einzelnen Akt eindeutig zustimmen, damit Ihr später nicht behaupten könnt, Ihr hättet von nichts gewusst. Seid Ihr bereit, Euch fesseln, knebeln und die Augen verbinden zu lassen?«

»Ja.«

»Seid Ihr bereit, sexuelle Akte vor Zuschauern durchzuführen? «

»Ja.«

»Seid Ihr bereit, sexuelle Aktivitäten mit einer anderen Frau durchzuführen?«

Ach du lieber Himmel. »Ja.«

»Bekommt Ihr einen Orgasmus, Miss Keating?«

Caroline wurde rot.

»Das werte ich als ein Ja«, sagte der Anwalt und notierte es mit kratzender Feder. »Ihr habt also Freude an sexuellen Beziehungen ?«

»Das … das war der Fall bei der einzigen Erfahrung, die ich damit hatte.«

»Euer Alter?«

»Zwanzig.«

»Größe?«

»Ein Meter siebzig.«

»Gewicht?«

»Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen.«

»Höchstens fünfzig Kilogramm«, murmelte der Anwalt. »Teint blass, aber ohne Makel. Haare goldblond.«

»Wegen meiner Haare habe ich mir überlegt …«

»Mmm?«

»Ich möchte sie gerne mit Henna färben, wenn das erlaubt ist.«

»Um Euch unkenntlich zu machen? Manche Damen verändern zu diesem Zweck ihre Haarfarbe und verwenden Kosmetika. Ich muss sagen, in Eurem Fall wäre es eine Schande, aber wenn Ihr es wünscht, habt Ihr das Recht dazu.«

»Danke.«

Sir Charles legte die Feder beiseite und musterte sie nachdenklich.

»Meint Ihr, ich genüge den Anforderungen?«, fragte sie so gleichmütig wie möglich.

»Es ist schade, dass Ihr schon entjungfert worden seid, Miss Keating. Eine intakte Jungfrau erzielt den höchsten Preis als Sklavin. Jungfrauen, gefolgt von den Verderbtesten – die Unschuldigen einerseits und die liederlichsten Frauenzimmer andererseits. Ihr seid leider keins von beidem. Allerdings spielt natürlich auch große Schönheit eine Rolle und wird sich vorteilhaft für Euch auswirken. Und Eure naive Art finden gewisse Gentlemen unwiderstehlich.«

Er klappte die Mappe mit den frivolen Bildern zu und legte sie wieder in die Schublade. Dann reichte er ihr eine Visitenkarte. Auf schwerem, cremefarbenem Papier standen Name und Adresse eines Dr. Humphrey Coates.

Sir Charles sagte: »Ihr werdet Euch morgen Nachmittag um fünf Uhr zur medizinischen Untersuchung bei Dr. Coates einfinden. Er wird sich vergewissern, dass Eure Konstitution den Anstrengungen der Sklavenwoche gewachsen ist, und Euch attestieren, dass Ihr frei von Behinderungen und Krankheiten seid. Die Herren, die an der Sklavenwoche teilnehmen, müssen sich ebenfalls einer Untersuchung durch Dr. Coates unterziehen, um sicherzustellen, dass sie nicht an ansteckenden Krankheiten privater Natur leiden. Dr. Coates wird Euch etwas geben, damit Ihr nicht schwanger werdet, und ich werde arrangieren, dass …«

»Das ist möglich?« Der Gedanke an eine ungewollte Schwangerschaft hatte Caroline die ganze Nacht über nicht schlafen lassen. »Man kann … Beziehungen haben, ohne zu empfangen?«

»Es gibt zwei Vorrichtungen für diesen Zweck, eine Hülle aus Schafsdarm für den Gentleman und einen in Essig getauchten Schwamm für die Dame. Da Ihr Eurem Gebieter keine Unannehmlichkeiten verursachen solltet, bekommt Ihr einen Schwamm, den Ihr innerlich ständig tragen müsst. Ihr entfernt ihn nur während Eures morgendlichen Bads, um ihn zu säubern und frisch mit Essig zu tränken. Solltet Ihr diese Vorsichtsmaßnahme vernachlässigen und Euch hinterher in anderen Umständen befinden, so seid Ihr allein dafür verantwortlich. Laut Vertrag ist es Euch verboten, mit Eurem Gebieter darüber zu sprechen oder ihn als Vater zu benennen.«

»Vertrag?«

»Wie ich bereits erklärt habe«, fuhr er verdrossen fort, »bin ich nach einem positiven Bericht von Dr. Coates über Eure körperliche Verfassung bereit, Euch für die Sklavenauktion zu empfehlen. In diesem Fall müsst Ihr hier bei mir einen verbindlichen Vertrag über die Regeln während Eures Sklaven-Aufenthalts unterzeichnen. Die erste und wichtigste Regel ist absoluter Gehorsam Eurem Herrn gegenüber. Ihr müsst Euch jedem seiner Befehle ohne Zögern oder Widerspruch unterwerfen. Solltet Ihr diese Regel auch nur ein Mal nicht befolgen, werdet Ihr sofort nach Hause geschickt und bekommt lediglich die Reisekosten ersetzt.« Sir Charles leierte diese Informationen so lustlos herunter, als ob er das schon unzählige Male getan hätte, was wahrscheinlich auch der Fall war.

»Es steht Eurem Herrn frei, sich Eurer so zu bedienen, wie er es möchte, solange er sich an die Regeln im Vertrag hält. Sollte er sie nicht befolgen, werdet Ihr ihm weggenommen und an einen anderen Herrn versteigert. In diesem Fall erhaltet Ihr beide Kaufsummen. Sollte Euer Gebieter Euch eine Verletzung zufügen, die Dr. Coates als ausreichend schwer erachtet, werdet Ihr aus der Sklaverei entlassen, aber Euer Herr muss Euch die gesamte Kaufsumme ausbezahlen. Solltet Ihr nicht verletzt sein, wollt aber trotzdem zu irgendeinem Zeitpunkt in dieser Woche aus Eurem Vertrag entlassen werden, werdet Ihr sofort nach London zurückgeschickt. In diesem Fall habt Ihr die Regeln des Vertrags nicht eingehalten, und die finanziellen Verpflichtungen Eures Herrn Euch gegenüber sind null und nichtig. Habt Ihr verstanden, was ich Euch gerade erklärt habe?«

»Ja.«

»Zusätzlich«, fuhr er fort, »seid Ihr verpflichtet, die Lage des Schlosses, in das Ihr gebracht werdet, sowie die Identitäten der Teilnehmer, sowohl der Herren als auch der Sklavinnen, geheim zu halten. Ihr werdet hören, wie sich die Herren mit Namen anreden, aber Ihr dürft das nie tun. Sobald Ihr aus dem Château wieder zu Hause seid, müsst Ihr diese Namen aus Eurem Gedächtnis tilgen. Solltet Ihr in Zukunft jemandem begegnen, den Ihr aus der Sklavenwoche wiedererkennt, müsst Ihr Euch verhalten, als wärt Ihr Euch nie begegnet. Der Vertrag der Herren enthält die gleiche Klausel. Wird sie verletzt, so ist die Folge der komplette gesellschaftliche Ruin.«

»Wie könnt Ihr …?«, fragte Caroline.

»Gewisse außergewöhnlich betrübliche Sünden machen die angesehensten Mitglieder der Gesellschaft zu Parias, wenn sie öffentlich bekannt werden. Wenn nötig, werden solche Sünden erfunden.«

Sir Charles gab ihr zwei weitere Karten, eine für einen Schneider, der sie mit Kleidern und Unterwäsche für die neuen Erfordernisse ausstatten würde. »Die andere Karte ist von einem Waffenschmied, der spezielle Arbeiten für uns verrichtet. Er wird Euch ein Halsband, ein Paar Handschellen und Knöchelfesseln anmessen. Er macht sie aus gehärtetem Stahl mit Ringen zum Befestigen der Ketten und Lederriemen.«

Caroline starrte Sir Charles an.

Er erwiderte ihren Blick, bis sie wegschaute und zitternd die Luft ausstieß.

»Halsband und Fesseln müsst Ihr die ganze Woche über tragen«, fuhr er fort. »Auch wenn Ihr badet, was Ihr jeden Morgen tun werdet. Das Badewasser wird von einer Kammerzofe mit duftenden Ölen versetzt.«

Na, das ist doch etwas, dachte Caroline. Sie hatte schon viel zu lange kein richtiges Bad mehr genossen, und es fehlte ihr. Als sie jünger war, hatte sie manchmal über eine Stunde in der Badewanne gelegen und ihre Gedanken schweifen lassen.

»Man wird Euch unterrichten wegen der Transportmöglichkeit nach Calais und von dort zum Château.« Sir Charles tunkte die Feder erneut in die Tinte. »Wo wohnt Ihr, Miss Keating?«

»In St. Giles«, antwortete sie. Ihr entging nicht, wie seine Augenbrauen sich hoben, als sie das berüchtigte Elendsviertel nannte. »Ich teile mir ein Bett in einem Schlafhaus auf der Denmark Street, Ecke Charing Cross Road. Aber …«

»Ja?«

»Als ich gestern Abend gegangen bin, habe ich Mrs. Milledge, meiner Vermieterin, gesagt, ich würde nicht zurückkommen, und ich … ich weiß nicht, ob sie mich noch einmal aufnimmt, weil es pro Nacht Tuppence kostet, und ich konnte seit einiger Zeit nicht mehr bezahlen.«

Sir Charles grunzte, schrieb etwas auf ein Blatt Papier, faltete es um eine Fünfpfundmünze und versiegelte es mit Wachs. »Gebt das Mr. Peckham im St. James’s Royal Hotel auf der St. James’s Street. Das Geld reicht für zwei Wochen Bett und Verpflegung. Seht zu, dass Ihr ordentlich esst – dass Ihr so dünn seid, lenkt unnötig von Eurer Schönheit ab. Esst Rind und Lamm, und trinkt dazu viel guten roten Burgunder, damit Ihr ein wenig Farbe in die Wangen bekommt.«

Caroline nahm den Brief, der durch die Goldmünze schwer in ihrer Hand lag. So viel Geld hatte sie sehr lange nicht in der Hand gehabt. »Danke, Sir«, sagte sie. »Ihr seid äußerst großzügig. «

»Es ist weniger Großzügigkeit als eine Investition in zukünftigen Gewinn. Meine Kanzlei erhält fünf Prozent Kommission von Eurem Verkaufspreis, ebenso viel wie Riddells Auktionshaus, in dem die Versteigerung stattfindet. Je höher der Preis ist, den Ihr erzielt, desto mehr bekommen wir, und wenn Ihr ausgeruht und gut genährt seid, ist Euer Wert höher. Ich muss Euch ja wohl kaum daran erinnern, dass Eure Attraktivität als Sklavin bestimmt, wie viel Geld Ihr am Ende der Woche erhaltet. «

Eine Woche entsetzlicher Erniedrigungen. Wenn sie durchhielt, würde sie für immer frei sein von Elend, Hunger und Hoffnungslosigkeit der letzten beiden Jahre. Sie konnte sich ein kleines Cottage in einem Ort in den Cotswolds kaufen, wo niemand Caroline Keating und ihren angeschlagenen Ruf kannte. Vielleicht konnte sie sogar die Schule für Mädchen eröffnen, von der sie seit ihrer Kindheit träumte.

»Wenn Ihr keine weiteren Fragen habt…« Sir Charles schob seinen Stuhl zurück.

»Das Geld«, sagte sie und beugte sich vor. »Ihr sagtet, Tausende. Lord Rexton hat das Gleiche gesagt. Ist das wahr? Kann ein Sklave erwarten, für so viel … verkauft zu werden?«

»Mindestens zweitausend«, antwortete der Anwalt, »und möglicherweise sogar noch ein bisschen mehr. Der höchste Preis in der Geschichte der Sklavenauktion ging letztes Jahr an eine junge Dame, eine herausragende Schönheit, die jungfräuliche jüngere Tochter eines Dukes. Sie kostete ihren Herrn dreiundzwanzigtausend Guineen.«

»Du lieber Himmel!«

»Wenn das Sieger-Angebot angenommen worden ist, muss der Gentleman einen Schuldschein über diese Summe minus zehn Prozent Kommission für die Dame unterschreiben, deren Dienste er erworben hat. Der Schuldschein wird treuhänderisch von Lord Rexton verwaltet.«

»Ist er auch da?«

»Als Repräsentant von Burnham, Childe und Upcott, ja. Unser Mandant, ich nenne ihn einmal Seigneur X, ermächtigt uns, die rechtlichen und finanziellen Aspekte der Sklavenwoche zu verwalten – und die jungen Damen hier in England auszusuchen. Die ausländischen Damen werden von Seigneur X’ Verwalter, einem Mr. Archer, rekrutiert. Riddell wählt die Gentlemen aus, verschickt aber nur Einladungen, wenn ich persönlich ihre finanzielle Solvenz überprüft habe. Natürlich versteht es sich von selbst, dass manche wesentlich mehr bieten können als andere. Am Ende der Woche, wenn alles gut gegangen ist und die Dame den Vertrag eingehalten hat, wird ihr dann der Schuldschein ausgehändigt. Versteht Ihr?«

Er presste seine Lippen zusammen und lächelte dünn. »Elegant einfach, die ganze Angelegenheit.«