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Emmeline wich zurück an die Wand. Sie zitterte vor Entzücken und Furcht, als Tobias’ kolossaler Schaft sich wie ein stolzer, ungezähmter Hengst aufbäumte.

»Tut es … tut es weh?«, fragte sie und starrte fasziniert auf die hoch aufragende Säule aus Fleisch.

»Er sehnt sich nach Erlösung, Emmeline. Er sehnt sich nach dir.«

Steamboat Springs, Colorado

9. Februar 1922

 

 

Lieber Rémy,

wie immer habe ich Deinen letzten Brief verschlungen. Ich liebe Deine Beobachtungen und Witzeleien – es freut mich, dass ich Dir »Wichs-Material« zur Verfügung stellen konnte. Was Elic angeht, so könntest Du mit der Macht der Suggestion durchaus recht haben. Eugène hatte mir von Dusii erzählt, und da ich müde war – schließlich war es mitten in der Nacht – und mich sowieso seit meiner Ankunft schon leicht benommen fühlte, bildete ich mir ein, ich sähe, wie eine Frau sich in einen Mann verwandelt. Das klingt wirklich sehr einleuchtend.

Zu Deinem Brief: Etwas nagt an mir, seitdem ich es zum ersten Mal – und danach noch Dutzende Male – gelesen habe. Es hat etwas zu tun mit unseren Seitensprüngen, seit wir zusammen sind. Ich finde, es war sehr zuvorkommend von mir, Dir zu schreiben, dass es bei mir niemand anderen gegeben hat. Ich war Dir diese Information keineswegs schuldig, sondern habe sie aus Rücksicht auf Deine Gefühle preisgegeben. Unter dieser Voraussetzung war es sicher nicht zu viel verlangt, Dich ebenfalls darum zu bitten. Dass Du darauf antwortest, Du seist mir weder Treue noch einen Bericht Deiner Untreue schuldig, da wir nicht Mann und Frau seien, kommt mir überraschend kalt – das sieht Dir gar nicht ähnlich, Rémy – und außerdem recht durchsichtig vor.

Wenn Du glaubst, ich heirate Dich, nur um herauszufinden, ob Du im letzten Jahr fremdgegangen bist, kennst Du mich nicht sehr gut. So wichtig ist es mir nun auch wieder nicht. Ich habe Dir bereits gesagt, dass wir beide erwachsen sind und tun und lassen können, was wir wollen. Mir ist es gleichgültig, ob Du mit anderen schläfst. Das ist nicht der Grund, warum ich das aufgebracht habe. Aber es macht mir etwas aus, wenn Du auf meine Offenheit und Aufrichtigkeit so berechnend reagierst und versuchst, mich zu bestrafen, wo ich doch nur wollte, dass Du mit mir genauso rücksichtsvoll umgehst wie ich mit Dir, und zwar aus Liebe und nicht, weil Du Dich dazu verpflichtet fühlst.

Das wollte ich mir nur von der Seele schreiben. Und Du brauchst Dir keine Gedanken zu machen, ich grübele nicht weiter darüber, nein, ganz bestimmt nicht. Es spielt keine Rolle. Es ist nicht wichtig. Wenn Du es mir nicht sagen willst, sag es mir einfach nicht.

Also, weiter mit Emilys Abenteuern.

Als wir unsere tapfere Heldin das letzte Mal gesehen haben, hat sie eine Marathon-Vögelei zwischen Elic und Helen beobachtet. Ich weiß nicht mehr, wie oft sie es in jener Nacht gemacht haben. In der Mitte des dritten Aktes bin ich in mein Zimmer gegangen, habe mir ein heißes Bad eingelassen und mir drei oder vier wilde Orgasmen gegönnt, während ich mich an das Gesehene erinnerte.

Da ich die halbe Nacht auf gewesen war, schlief ich am nächsten Morgen bis zehn Uhr. Ich hätte wahrscheinlich noch länger geschlafen, wenn nicht jemand an meine Tür geklopft hätte. Es war vermutlich Hickley, der sich verabschieden wollte, aber ich war verschlafen und im Nachthemd und hatte wirklich keine Lust, noch einmal mit ihm zu sprechen, bevor ich nicht alles noch einmal durchdacht hatte, deshalb ließ ich ihn nicht herein.

Ich hatte gehofft, das Wetter würde aufklaren, sodass ich nach Lyon zurückfahren konnte, aber der Regen schlug immer noch gegen die Fenster, und es sah nicht so besonders gut aus. Da ich nicht wieder einschlafen konnte, zog ich mich an, ergriff Mein geheimes Leben und Die Autobiographie eines Flohs – die ich noch nicht einmal angefangen hatte zu lesen – und eilte nach unten, um den Tag in der Bibliothek zu verbringen.

Die Bibliothek war vorn im Schloss mit Terrassentüren, die auf einen ebenerdigen Balkon hinausführten, von dem aus man die Auffahrt überblickte. Die scheidenden Gäste standen unter schwarzen Regenschirmen neben einer Schlange wartender Kutschen. Ich erkannte Hickley und trat rasch hinter den Samtvorhang, um durch die Lücke zu spähen.

Er plauderte mit einem Paar, das gemeinsam unter einem Schirm stand, und was er sagte, schien sie gewaltig zu erheitern. An einem Punkt machte er eine kreisförmige Geste um seinen Kopf, als wolle er einen großen Hut andeuten, tat so, als zerrte er an der Krempe, und blickte sich mit großen, verwirrten Kuhaugen um. Seine Freunde brüllten vor Lachen.

Ich hatte das Gefühl, mir hätte jemand in den Magen geboxt.

Eine Frau in einem offenherzigen, gelb gestreiften Kleid rannte vom Torhaus unter den Schutz von Hickleys Schirm, wobei sie mit der einen Hand ihre Röcke raffte und mit der anderen ihren Hut festhielt. Ich erkannte in ihr den dunkelhaarigen Vamp, den er mit der Zunge beglückt hatte, als ich am Tag zuvor den kleinen Dreier unterbrochen hatte, dieselbe Person, die ihn mit der Reitgerte verprügelt und ihm befohlen hatte, die Blonde fester zu stoßen. Hickley zog sie an sich und gab ihr einen langen Kuss.

Ich schüttelte den Kopf und flüsterte: »Du Hurensohn.«

» Wer?«

Ich wirbelte herum. Inigo lächelte mich über die Lehne der Ledercouch mitten im Raum an.

»Wie schaffen Sie es eigentlich, sich immer so an mich heranzuschleichen ?«, fragte ich.

»Ich habe die Fähigkeit kultiviert, Leute zu beobachten und ihren Gesprächen zu lauschen.«

»Meinen Sie das ernst?«

»Selten.« Er wandte den Blick zum Fenster und sagte: »Wer ist denn nun der Hurensohn?«

Ich seufzte. »Randolph Lytton, Baron of Hickley.«

»Ah, der scharfe Randy. Wie exzellent Sie doch den Charakter beurteilen können, Miss Townsend.«

Ich bat ihn, mich Emily zu nennen. »Wer ist denn diese Frau, die neben ihm unter dem Schirm steht?«

»Das ist Priscilla Brisbane«, erwiderte er, als sei das völlig offensichtlich.

» Wer?«

»Sie kennen Randy, aber nicht seine Geliebte? Ich habe sie gerade erst kennengelernt – sie waren noch nie zuvor hier –, aber man hat mir gesagt, sie seien schon seit vier Jahren zusammen, man sähe sie nie getrennt und er würde sie auf der Stelle heiraten, wenn sie nicht eine unbekannte, mittellose Schauspielerin wäre. Habe ich etwas Komisches gesagt?«

Ich stellte fest, dass ich lachte, kein fröhliches Lachen, sondern dieses bittere Kichern, das sich einem manchmal entringt, wenn man keine Tränen mehr hat. Ich erwiderte ihm, ich sei nur ein wenig benommen, weil ich nicht gut geschlafen hätte.

Draußen nahm ein Kutscher den Schirm einer Dame und half ihr in einen Landauer. Es war die Kutsche, in der ich am Tag zuvor Claude Morels kleines Techtelmechtel beobachtet hatte. Die Dame war Helen, die Elic in der vergangenen Nacht im Boudoir des Miroirs so gründlich beglückt hatte.

Ich fragte Inigo, ob er sie kennen würde, und er sagte, ja sicher, er wäre über alle Gäste informiert, die nach Grotte Cachée kämen. Er sagte mir, sie heiße Helen Forrester und sie sei hierhergekommen, um schwanger zu werden. Ihr Gatte war offensichtlich zeugungsunfähig – sie war sich ziemlich sicher, dass es an ihm lag und nicht an ihr, weil er auch keine Kinder aus seiner ersten Ehe hatte. Sie wollte unbedingt ein Kind, zögerte jedoch, sich zu diesem Zweck einen Liebhaber zu nehmen, nicht nur, weil sie ihren Mann liebte, sondern weil sie wollte, dass ihr Kind Forrester-Blut hatte. Sie fand heraus, dass der Bruder ihres Mannes, ein Don Juan namens Cyrus Forrester, nach Grotte Cachée fahren wollte, und folgte ihm dorthin, in der Hoffnung, ihn überreden zu können, dass er ihr ein Kind machte. Aber er war zwar ein Lüstling und ein Lederfetischist obendrein, wie sie bald entdeckte, besaß jedoch zu viel Ehre, um seinem Bruder Hörner aufzusetzen, auch wenn er gar keinen Kontakt mehr mit ihm hatte. Helens Tränen und Annäherungsversuche bewirkten nichts, und sie glaubte schon, ohne Erfolg abreisen zu müssen, aber dann erfuhr sie, dass eine Frau namens Cassandra eine Übernachtung im Boudoir gebucht hatte und dass Cyrus sie besuchen wollte. Helen überredete Cassandra, ihren Platz einnehmen zu dürfen, und sie streifte sich eine Kapuze über den Kopf, um ihre Identität zu verbergen.

»Sie sieht recht glücklich aus«, sagte Inigo, »die kleine List hat also offensichtlich gewirkt. Wollen wir hoffen, dass sie Früchte trägt!« Er hob einen Becher wie zu einem Trinkspruch, dann sagte er: »Ich bin ja sogar noch unhöflicher als sonst. Ich habe eine Kanne voll Java mitgebracht. Möchten Sie etwas?«

»Bitte.«

Inigo klopfte einladend auf die Couch neben sich und schenkte mir einen Becher ein. Er bot an, einen Schuss Brandy hineinzugeben, aber ich lehnte ab. Als ich mich neben ihn setzte, wobei ich meine beiden schmutzigen Bücher unter dem Rock versteckte, überlegte ich, ob ich ihm erzählen sollte, was ich in der vergangenen Nacht im Boudoir gesehen hatte. Aber dann verwarf ich den Gedanken wieder. Er sollte nicht wissen, was für ein Voyeur ich war. Und wie sollte ich ihm erklären, dass es so ausgesehen hatte, als ob Elic das Geschlecht gewechselt hätte, etwas, das Dämonen machen, wie ein verrückter alter Handwerker mir erklärt hatte, um einen »transfert de sperme« zwischen einem menschlichen Paar durchzuführen?

Stattdessen lobte ich überschwänglich den Kaffee und sagte, es sei der beste, den ich seit meiner Abreise aus den Staaten getrunken hätte. Ich fragte ihn, ob er aus New York käme, denn er hörte sich so an.

Er erwiderte: »Ursprünglich nicht, aber ich liebe New York, und ich habe ein Haus dort. Nun, wir teilen es uns, aber …«

» Wir?«

»Ich lebe hier mit ein paar Freunden – und natürlich mit den Archers, dem seigneur und seinem Sohn. Elic und Lili verreisen zwar manchmal, aber selten nach New York, deshalb betrachte ich das Haus eigentlich als meines. Wir haben noch ein Haus in Paris, und dorthin fahren sie für gewöhnlich, wenn sie sich eine Zeit lang in der Stadt aufhalten möchten.«

»Paris ist meine Lieblingsstadt«, sagte ich. »Ich würde alles dafür geben, dort leben zu können.« Ich fügte hinzu, wer Elic sei, wisse ich, aber bei Lili sei ich mir nicht sicher.

»Sie hat lange dunkle Haare und sieht sehr exotisch aus. Sie und Elic lieben einander sehr.«

Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte.

Inigo fuhr fort: »Sie fragen sich, wie das sein kann, weil sie sie mit anderen Leuten gesehen haben. Das liegt daran, dass Elic … nun, es ist kompliziert, aber sie können nicht miteinander schlafen.«

Ich schwieg, weil ich meine Naivität nicht preisgeben wollte, aber ich muss wohl einen ziemlich verwirrten Eindruck gemacht haben, denn er erklärte: »Wenn ich sage ›schlafen‹, meine ich, Sie wissen schon … Geschlechtsverkehr. Sie können andere Dinge miteinander machen. Oder vielmehr, er kann Dinge mit ihr machen, aber andersherum funktioniert es nicht. Ich rede zu viel. Sie sind verwirrt, und ich kann nicht … Archer sagt mir immer, ich solle meine große Klappe im Zaum halten …« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Entschuldigung. Ich bin manchmal ein wenig geschwätzig.«

Seitdem frage ich mich, warum ein Mann, der nicht impotent war, mit einer bestimmten Frau keinen Sex haben konnte. »Müssen sie denn mit anderen Leuten schlafen?«, fragte ich. »Können sie nicht einfach … ohne auskommen?«

Inigo lächelte. »Nein, das ist leider unmöglich.«

Ich wollte gerade eine weitere Frage dazu stellen, als er das Thema wechselte und mir erklärte, er besitze zwar ein Haus in New York, er sei aber kein Amerikaner. Er meinte, die Leute würden oft über seine Herkunft spekulieren, und häufig glaubten sie, er hätte Zigeunerblut, aber in Wahrheit sei er auf Santorin geboren. Ich erwiderte, über Santorin wisse ich Bescheid. Es war die griechische Insel, die Kit Archer in seinem Roman als das wahre Atlantis identifiziert hatte. Inigo erzählte mir, er habe Kit bei seinen Studien geholfen.

Er berichtete mir, eigentlich hieße er Inignacios, was später, als er in Rom lebte, in die lateinische Form Ignatius verwandelt wurde, und schließlich zu Inigo, als er an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien im Baskenland gewohnt hatte. Ich fragte ihn, wo in New York sein Haus stand, und er antwortete : »In Greenwich Village – im East Village.«

»Oh«, sagte ich, »dann kenne ich Sie von dort. Ich habe Sie dort einmal gesehen. Es war nur im Vorbeigehen. Sie kamen gerade aus Bertha Chalmers’ Brownstone, als ich die Treppe hinaufkam. Sie tippten sich an den Hut und lächelten mich an, als Sie mir die Tür aufhielten.« Bei diesem Lächeln waren mir die Knie weich geworden – um das zu verstehen, müsstest Du ihn lächeln sehen –, aber das erzählte ich ihm natürlich nicht.

»Sie kennen Bertha?«

»Ich besuche ihren literarischen Salon. Dort habe ich auch Kit kennengelernt. Woher kennen Sie sie?«

»Sie hat eine Woche hier verbracht, als sie vor einigen Jahren durch Europa gereist ist. Ah, Bertha. Sie hatte alles – Witz, Schönheit …« Er lächelte verträumt, als ob sie ihn immer noch sexuell fesseln würde.

»Wann war das?«, fragte ich. »Wann war sie hier?« Bertha Chalmers war mindestens achtzig.

»Oh. Äh …« Er hob seine Tasse, trank einen Schluck und zuckte mit den Schultern. »Es ist schon eine Weile her. Wir sind Freunde geblieben.«

»Ja, aber … Ich meine, sie ist …«

»Haben Ihnen die Bücher gefallen?«, fragte er und wies mit dem Kinn auf die Ausbuchtung unter meinem Rock.

Ich erröte nicht so leicht, aber jetzt spürte ich, wie meine Wangen heiß wurden, als ich die Bücher unter meinem Rock hervorzog.

»So etwas brauchen Sie hier nicht zu verstecken.« Er zeigte auf Mein geheimes Leben. »Was halten Sie von diesem da?«

»Nicht viel. Man hat mir gesagt, es würde mir helfen, die sexuellen Neigungen von Männern zu verstehen, aber …«

»Vielleicht von Männern, die eingesperrt werden sollten. Wer hat Ihnen das gesagt?«

»Lord Hickley.«

»Ja, natürlich. Er und der alte Walt, sie sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Woher kennen Sie Hickley überhaupt?«

»Er will mich heiraten.«

Inigo zuckte zusammen. Zweifellos fiel ihm seine Bemerkung über Hickleys Geliebte ein.

»Aber ich ihn nicht.«

Sofort zog ein Lächeln über seine Miene. »Oh, ich liebe intelligente Frauen.«

Trübsinnig erwiderte ich: »Ich werde noch als intelligente alte Jungfer enden. So langsam frage ich mich, ob ich nicht besser dumm und schön wäre.«

»Aber Sie sind doch schön!«

Ich schüttelte den Kopf. »Wenn ich vielleicht eine andere Figur hätte, blassere Haut und dickere Haare …«

»Zurzeit sind üppige, weiche Frauen der letzte Schrei, aber das wird nicht anhalten. Es ändert sich ständig.« Er hielt mir einen amüsanten, aber überraschend lehrreichen Vortrag über die verschiedenen Moderichtungen weiblicher Schönheit in verschiedenen Zeiten und Kulturen.

»Das ist alles sehr faszinierend«, erwiderte ich, »aber leider lebe ich in der westlichen Welt an der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert, und die meisten Männer halten mich für dünn und hässlich.«

Inigo rückte ein wenig näher und sagte: »Ich finde Sie schön.«

»Ich tue Ihnen nur leid.«

»Wenn Sie mir leidtäten, wäre ich dann so versessen darauf, Sie zu küssen?«

»Sie wollen mich doch gar nicht küssen.«

Etwa eine Sekunde später lag ich in seinen Armen, und er küsste mich wie noch niemand zuvor. Sein Mund war wunderbar warm, und er wusste, was er mit seinen Lippen und seiner Zunge anfangen sollte – er leckte nur ganz leicht innen über meine Oberlippe, genug, dass mein Herz einen Schlag lang aussetzte. Ich weiß nicht, wie lange wir uns küssten, aber das Blut rauschte in meinen Ohren, und der Raum drehte sich um mich. Ich weiß nur noch, dass ich am Schluss auf der Couch lag und er halb auf mir, ohne dass ich wusste, wie es dazu gekommen war.

»Kann ich dich berühren?«, fragte er ein wenig atemlos.

»Wo?«

Sein Lächeln ließ mich dahinschmelzen. »Es würde weniger Zeit in Anspruch nehmen, die Stellen aufzuzählen, an denen ich dich nicht berühren möchte.«

Ich erwiderte sein Lächeln. »Wo willst du mich denn nicht berühren?«

»Nirgendwo.«

Ich kicherte und biss mir auf die Unterlippe. Durch Rock und Unterrock spürte ich, wie sich seine Erektion an meinen Oberschenkel drückte. Sie war so hart wie ein Eichenast. Es ging alles so schnell, und ich war nicht sicher, ob ich schon bereit dazu war.

»Ich wollte mit dir schlafen, seit ich dich das erste Mal gesehen habe«, murmelte er und begann, meinen Rock hochzuschieben. »Ich habe mir vorgestellt, dich im Stehen, im Sitzen, von hinten, vornübergebeugt …«

»Ich bin noch Jungfrau.«

Er hielt inne. »Hmm.«

»Jetzt bist du enttäuscht.«

»Nein.« Er stützte sich auf die Ellbogen und sah mich an. »Doch.«

»Weil du dir einen netten, schnellen, freundlichen Fick …« Ich benutzte das Wort zum ersten Mal. »… erhofft hast, der auf einmal kompliziert geworden ist und …«

»Ich mag komplizierten Sex«, unterbrach er mich. »Ich mag ihn auch einfach, süß oder schmutzig. Ich mag Sex schnell, ich mag Sex langsam … Was ich nicht mag, ist, wenn die Frau, mit der ich Liebe mache, vor Schmerzen weint, und wenn dein erstes Mal mit mir stattfinden würde …« Er schüttelte den Kopf.

»Tut es denn nicht immer weh?«

Er öffnete die Knöpfe an seinem Hosenlatz und holte einen dicken, harten Schwanz von etwa dreißig Zentimeter Länge heraus.

Ich starrte ihn an. Obwohl ich sexuell unerfahren war, war mir sofort klar, dass er auf exquisite Weise unnormal war. Selbst die Adern unter der glänzenden, straff gespannten Haut waren ungewöhnlich dick. Das Köpfchen war wie ein Pfirsich, mit einem feuchten kleinen Schlitz an der Spitze. Ich hätte ihn gerne angefasst, traute mich aber nicht.

Inigo setzte sich auf, um seine Hose wieder zuzuknöpfen, und sagte: »Ich habe keine Jungfrau mehr gehabt seit … Na ja, sagen wir mal, du würdest nicht glauben, wie lange es her ist. Ich halte mich lieber an erfahrene Frauen, weil ich ihnen nicht wehtue und sie eher ihre Wünsche äußern, sodass ich langsamer werden kann oder …«

Ich setzte mich ebenfalls auf und fuhr mir durch die Haare. »Es ist schon in Ordnung. Ich wollte eigentlich auch nicht wirklich. Ich kenne dich ja kaum, und ich glaube auch nicht, dass es für dich so schön gewesen wäre. Ich meine, ich weiß überhaupt nichts – weniger als nichts. Bevor ich hierherkam, war mir nicht klar, wie unwissend ich bin, aber jetzt … ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«

»Wenn du nicht willst, brauchst du nicht unwissend zu bleiben«, erwiderte er. »Geschlechtsverkehr bedeutet nicht nur, für einen Mann … die Beine breitzumachen. Es gibt Dinge, die ich dir beibringen kann …«

»Sex-Unterricht?« Ich stand auf und fuhr über meinen zerknitterten Rock. »So soll man es aber eigentlich nicht lernen.«

Inigo erhob sich und sagte: »Bei diesen Dingen gibt es kein Falsch oder Richtig, Emily. Warum lässt du mich nicht …«

»Nein. Wirklich.« Ich wich zurück, als er die Hand nach mir ausstreckte. »Ich schäme mich so schon genug.«

»Unschuld ist nichts, weswegen man sich schämen müsste. Aber wenn du lernen willst …«

»Es tut mir leid, Inigo«, sagte ich und wandte mich zur Tür. »Ich weiß, du versuchst nur, mir zu helfen, aber ich glaube wirklich nicht …« Ich keuchte erschreckt auf, weil ich fast mit einer dunkelgrauen Katze zusammengestoßen wäre, die gerade in die Bibliothek kam.

Die Katze machte einen Buckel und fauchte mich an.

»Kusch, Darius«, sagte Inigo. »Sie wird dich nicht anfassen.«

Die Katze schoss zu einem Ledersessel gegenüber vom Sofa.

»Sobald es aufhört zu regnen, reise ich ab«, sagte ich zu Inigo. »Ich verabschiede mich also jetzt schon mal.«

Ich ging in mein Zimmer, setzte mich auf die Bettkante und hätte am liebsten geweint. Noch nie war ich so verwirrt und unsicher gewesen. Mein Blick fiel auf meinen ruinierten schwarzen Hut mit den Straußenfedern, den ich zum Trocknen über einen der Bettpfosten gestülpt hatte. In Gedanken sah ich Hickley, wie er mich zur Erheiterung seiner Freunde und seiner Geliebten nachäffte – der lächerliche durchweichte Hut, der Schmollmund, die großen, traurigen Augen.

Die eingebildete, langweilige Amerikanerin: Das war die Rolle in dem kleinen Drama, die Hickley mir zugewiesen hatte. Und ich spielte sie perfekt. Unwissend und überwältigt war ich auf die Bühne gestolpert, und genauso würde ich sie wieder verlassen. So hatte es Lord Hickley verfügt.

Aber ich wusste doch aus meinen Romanen, dass fiktive Charaktere manchmal einen eigenen Willen entwickelten und die Geschichte in eine andere Richtung trieben, als es der Autor beabsichtigt hatte. Entschlossen stand ich auf und sagte laut: »Fahr zur Hölle, Randy!« Und dann ging ich nach unten, in der Hoffnung, dass Inigo noch in der Bibliothek war.

Dort war er. Er blickte von seiner Zeitschrift auf, als ich eintrat, und lächelte.

Ich sagte: »Ich, äh, ich war vielleicht ein bisschen voreilig …«

Inigo stand auf. Ein anderer Mann, den ich nicht gesehen hatte, weil er in dem Sessel saß, in den die Katze gesprungen war, erhob sich ebenfalls. Er war noch dunkler als Inigo, mit einem leichten Bartschatten.

»Miss Emily Townsend«, sagte Inigo. »Darf ich Ihnen meinen Freund Darius vorstellen?«

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Ich trat auf ihn zu, um ihm die Hand zu schütteln, aber er verbeugte sich nur. Zuerst glaubte ich, mit seiner rechten Hand sei etwas nicht in Ordnung, aber er hielt ein Buch damit.

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Seine Stimme war sehr tief, mit einem leichten Akzent, den ich nicht einordnen konnte.

Ich sagte: »Verzeihung, aber heißt nicht die Katze auch Darius? «

»Ja, in der Tat«, erwiderte Darius. »Und ich bin mir nicht sicher, ob sie oder ich beleidigt sein sollte.«

Inigo ergriff meine Hand und drückte sie beruhigend. Er wies zur Tür und sagte. »Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen?«

Es war nur ein kurzer Spaziergang, der in seiner Suite im Südwest-Turm schon zu Ende war. Die Möbel im Arts-and-Crafts-Stil waren selbst nach heutigem Standard bemerkenswert modern und verliehen seiner Zimmerflucht eine warme, männliche Note. An den Wänden hingen Original-Kunstwerke von Aubrey Beardsley, Gustav Klimt und allen möglichen Präraffaeliten und Impressionisten.

Inigo bot mir einen Cognac an, und als ich ihn annahm, obwohl es noch nicht einmal Mittag war, führte er mich in sein Schlafzimmer, wo sich der Schrank mit den alkoholischen Getränken befand. Er goss für uns beide eine großzügige Menge in geschliffene Cognacschwenker aus Kristall.

Ich kippte meinen herunter, weil ich so entspannt wie möglich sein wollte für das, was mich erwartete, aber als er mich fragte, ob er mich ausziehen dürfe, stieg doch Panik in mir auf. Er muss es mir angesehen haben, denn er lächelte und fragte: »Macht es dir etwas aus, wenn ich mich meiner Kleidung entledige?«

Ohne große Umstände zog er sich aus, dann ergriff er seinen Cognacschwenker und trank so beiläufig einen Schluck, als stünde er nicht splitternackt vor mir. Ich versuchte, ihn nicht zu offensichtlich anzustarren.

»Du kannst ruhig hinschauen«, sagte er. »Darum geht es ja mehr oder weniger.«

Also schaute ich hin. In schlaffem Zustand war sein kräftiger Penis etwa zwanzig Zentimeter lang. Ich hätte ihn gern angefasst, traute mich aber nicht, deshalb war ich dankbar, als Inigo meine Hand ergriff und sie um seinen Schaft legte. Es überraschte mich, wie heiß er sich anfühlte und wie weich – allerdings blieb er nicht lange so. Unter meiner Hand wurde er schwerer und auch länger und dicker. Ich hielt mein Glas so fest umklammert, dass es ein Wunder war, dass es mir nicht unter den Fingern zersplitterte.

Ich stellte ihm alle möglichen dummen Fragen – unter anderem auch, ob es wehtat, wenn er hart wurde –, die er mit unendlicher Geduld beantwortete. Er zeigte mir, wie Männer gerne angefasst werden, und erklärte mir die unterschiedlichen Liebkosungen und Bewegungen. Es erregte mich enorm, als ich spürte, wie die Spannung in seinem Körper wuchs. Seine Stimme wurde immer heiserer, und ich spürte seine Erregung. Dass seine Erektion sich, trotz ihres Gewichts, so hoch aufrichten konnte, kam mir wie ein Wunderwerk hydraulischer Technik vor. Er sagte mir, der kleine Tropfen klarer Flüssigkeit, der aus der Spitze seines Schwanzes austrat, werde Lusttropfen genannt, weil der Penis so schlüpfriger würde und besser in die Vagina eindringen könne. Allerdings bräuchte er für gewöhnlich auch noch ein Gleitmittel, wie Öl.

Schließlich zog er mich mit sich aufs Bett und befreite mich behutsam von Bluse, Rock und Korsett. Allerdings war ich immer noch sehr bekleidet, da wir damals eine absurde Menge an Unterwäsche trugen. Es war ein unglaubliches Gefühl, als er meine Brüste streichelte, vor allem, als er mein Leibchen aufknöpfte und meine nackte Haut berührte. Was er mit meinen Nippeln machte, erst mit seinen Händen und dann mit seinem Mund, verschlug mir den Atem.

Als er unter meine Unterröcke griff und auf mein Höschen stieß, zog er es mir aus, wobei er brummelte, dass Frauen so etwas gar nicht bräuchten.

Ich sagte: »Frauen tragen so etwas schon fast ein ganzes Jahrhundert lang«, aber dann begann er mich zu streicheln, und ich verlor den Faden. Ich kam heftig, und dann legte er sich auf mich und rieb seinen riesigen Schwanz in meiner Spalte, bis wir beide uns stöhnend aneinanderklammerten. Er krümmte sich und gab ein langes, bebendes Stöhnen von sich. Ich spürte, wie heiße Flüssigkeit pulsierend auf meinen Bauch spritzte, und kam erneut.

Danach ließ ich mich von ihm komplett ausziehen, damit wir zusammen baden konnten. Er las mir laut aus der Autobiographie eines Flohs vor, dann kniete er sich im Wasser hin und ließ sich von mir masturbieren, weil ich unbedingt sehen wollte, wie er ejakulierte. Ich war überrascht, wie viel herauskam und wie weit es durch die Wanne spritzte. Allerdings war es nicht so cremig wie Elics Sperma – es sah eher aus wie ganz gewöhnlicher Samen.

Wir wuschen uns gegenseitig mit einem seifigen Schwamm ab. Inigo shampoonierte meine Haare, erlaubte mir jedoch nicht, ihm die Haare zu waschen. Er meinte, er könne es nicht leiden, wenn man seinen Schädel berührte. Daran kann ich mich noch gut erinnern, weil ich es so ungewöhnlich fand, denn sonst wollte er so ziemlich an jeder Stelle berührt werden. Inigo liebte es über alles, wenn man ihn streichelte, rieb und leckte. Natürlich hat jeder das gern, aber Inigo lebte dafür. Körperliche Lust bedeutete ihm alles. Als wir erst einmal vertraut miteinander geworden waren, war er wie eine Katze. Ständig rieb er sich an mir und bettelte darum, gestreichelt zu werden. Er war eigentlich vierundzwanzig Stunden am Tag scharf. Im Gegensatz zu Elic brauchte er eine kurze Erholungspause zwischen den Orgasmen, aber nicht viel.

Er überredete mich, für den Rest meines Aufenthalts in seine Suite zu ziehen. »Hier denkt sich niemand etwas dabei.« Und am nächsten Morgen beherrschte ich fließend die Freuden der oralen Befriedigung, konnte sie sowohl geben wie auch empfangen, in jeder nur denkbaren Position.

Der nächste Tag war ein Freitag. Wir erwachten an einem klaren, schönen Sommermorgen. Ich hätte nach Lyon zurückfahren können, aber Inigo hatte darauf bestanden, dass ich bis Sonntag blieb – dem Tag, an dem Biddie mich spätestens zurückerwartete – , um das Gelernte in verschiedenen Formen der sexuellen Vereinigung zu festigen.

Den Großteil des Tages verbrachten wir im Badehaus, einem weißen Marmorbau, der eher aussah wie eine kleinere Ausgabe unseres Sommerhauses in Newport, wenn auch viel älter. Schließlich war es fast schon zweitausend Jahre alt. Innen war es ein klassisches Badehaus, abgesehen von der hinteren Wand, die aus einem mit Moos bewachsenen Felsen mit einer niedrigen Öffnung bestand, die in die Grotte Cachée führte. Unter einem großen Oberlicht war ein Becken eingelassen, etwa fünf Quadratmeter groß und anderthalb Meter tief, mit einer unter Wasser liegenden umlaufenden Marmorbank. Das Wasser für dieses Becken, das außergewöhnlich warm und beruhigend war, kam aus einem Bach, der durch die Höhle plätscherte.

An jeder Ecke des Beckens stand eine Säule mit einer lebensgroßen Skulptur eines Satyrs und einer Nymphe. Der Satyr, der kurze, lockige Haare hatte, hatte kleine Stummelhörner, die aus seinem Schädel ragten, leicht spitz zulaufende Ohren und einen glatten Schwanz mit einer Haarquaste am Ende. Mir fiel auf, dass der Satyr Inigo sehr ähnlich sah, aber er meinte, das läge daran, weil er so klassisch griechische Gesichtszüge habe.

»In Athen sieht praktisch jeder so aus«, behauptete er. Seit damals war ich einige Male in Athen, aber es stimmt nicht.

Ich wollte jede Stellung, die die Statuen darstellten, ausprobieren, also machten wir das auch. Zuerst kniete ich mich hin, um ihm einen zu blasen, dann hob er mich auf seine Schultern, wobei ich mit dem Rücken an einer Säule lehnte und ihn ansah, damit er mich lecken konnte. Er drückte mich gegen die Wand und rieb sich an mir, bis wir beide kamen, und nachdem wir ein wenig im Wasser geplanscht hatten, schlang ich die Arme um eine Säule, beugte mich vor, und er rieb sich an meinem Hintern, während er gleichzeitig meine Klitoris streichelte. Ich sagte zu ihm, ich wünschte, wir könnten wirklich Liebe machen, aber er erwiderte, ich sei sehr eng und er habe Angst, mir wehzutun, wenn er in mich eindringen würde.

In jener Nacht bat er mich, im Bett zu masturbieren, während er zuschaute. Er meinte, er fände nichts so fesselnd, wie einer Frau dabei zuzusehen, wie »sie sich selbst liebte«. Ich konnte mich aber nicht dazu überwinden, also holte er zwei breite, grob gerippte rote Bänder aus der Schublade seines Nachttischs – er hatte eine faszinierende kleine Spielzeug-Sammlung in dieser Schublade – und band meine Beine und meinen linken Arm an die Bettpfosten. Den rechten Arm ließ er frei, und er sagte, er würde mich erst losbinden, wenn ich mich selbst zum Orgasmus bringen würde. Ich weigerte mich jedoch immer noch, deshalb las er mir laut aus seinem Lieblingsroman Der lustvolle Türke vor, damit ich in Stimmung kam. Nach einer Stunde gab ich schließlich meinen Widerstand auf und begann, mich zögernd zu streicheln. Um sich zu vergewissern, dass ich keinen Orgasmus vortäuschte, um die Sache so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, schob er zwei Finger in mich hinein, wobei er mir erklärte, er würde die Kontraktionen spüren, wenn ich zum Orgasmus käme. Während ich mich streichelte, bewegte er seine Finger langsam, und die Wirkung war erstaunlich. Ich wusste ja, wie es sich anfühlte, wenn ich die Klitoris stimulierte, aber das bei einer ausgefüllten Muschi zu spüren und dabei noch gefesselt zu sein überwältigte mich. Ich kam nicht nur, ich explodierte geradezu.

Am nächsten Tag, einem Samstag, wachte ich bei Sonnenaufgang auf. Eine Weile lag ich nur da, betrachtete den schlafenden Inigo und staunte darüber, wie es so weit gekommen war. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht mir zugewandt, und ich war fasziniert davon, wie jung er im rosigen Morgenlicht aussah. Die Nacht war warm gewesen, und er hatte die Decke weggeschoben. Ich setzte mich auf, um seinen Körper zu bewundern und mir sein Bild genau einzuprägen, damit ich in der Erinnerung davon zehren konnte. Ich hatte zuvor noch nie darüber nachgedacht, dass auch Männer ein schönes Hinterteil haben könnten, aber Inigos Hintern war wirklich aufregend – klein, muskulös und so anmutig geformt, dass ich wieder einmal an diese Statuen im Badehaus denken musste. Direkt über der Kimme, im Bereich des Steißbeins, entdeckte ich eine dünne, senkrechte Narbe, etwa fünf Zentimeter lang und so blass, dass sie mir gar nicht aufgefallen wäre, hätte ich seinen Körper nicht so eingehend betrachtet. Ich beugte mich dichter darüber, um sie besser sehen zu können.

»Sie stammt von einer Operation.«

Ich zuckte erschreckt zusammen und presste die Hand auf mein heftig klopfendes Herz. »Was … äh, was für eine Operation? «

»Ich weiß nicht mehr«, erwiderte er verschlafen und drehte sich um. »Ich habe geschlafen. Gott segne Chloroform.« Er zog mich in die Arme, stupste mich mit seiner Morgenlatte an, und das beendete unser Gespräch.

Nach dem Frühstück ging Inigo mit mir im Park spazieren. Wir schlenderten über Waldwege, erforschten die Höhle – dabei wurde mir so schwindlig, dass wir umkehren mussten – und verbrachten den Nachmittag im Badehaus. Inigo legte mich am Beckenrand so zurecht, dass er mich mit dem Mund befriedigen konnte, dann setzte er mich auf die Bank und nahm mich zwischen meinen Brüsten.

Anschließend brach ich in Tränen aus. Er nahm mich in die Arme, streichelte mir über die Haare, küsste mich auf die Stirn und murmelte tröstende Worte. Er fragte mich, ob ich traurig sei, weil wir uns morgen trennen müssten. Nein, erwiderte ich, ich fände ihn hinreißend, aber ich hätte unsere Liaison nie als den Beginn einer ernsten Beziehung gesehen, sondern eher als verzaubertes Intermezzo. Mich betrübte, dass ich abreisen musste, ohne wirklich mit ihm geschlafen zu haben. Er versuchte mich zu überzeugen, dass das eigentlich ein Segen sei, weil ich es mir so aufsparen konnte, bis ich mich wirklich verliebte, aber ich wollte nichts davon wissen. Ich erklärte ihm, jetzt sei ich dazu bereit, mehr als bereit, weil es der natürliche Höhepunkt dessen sei, was wir in den letzten drei Tagen geteilt hätten. Ich hätte das Gefühl, in mir sei eine Leere, die gefüllt werden müsste.

Kurz darauf betraten Elic und Lili Hand in Hand das Badehaus. Ich hatte die beiden in den vergangenen Tagen besser kennengelernt, aber ihre bemerkenswerte Schönheit faszinierte mich immer aufs Neue. Elic habe ich bereits beschrieben. Lili hatte tiefliegende Augen, hohe Wangenknochen und Haare wie schwarze Seide. An diesem Nachmittag trug sie, wie üblich, ein elegant einfaches Gewand aus goldbestickter Seide, das an einer Schulter wie ein Sarong gebunden war. Sie nannte es lubushu und sagte, das trügen die Frauen in ihrer Heimat. Ich fragte sie, wo das war, und sie erwiderte: »Der fruchtbare Halbmond.« Mehr bekam ich nicht aus ihr heraus. Der lubushu fiel ihr bis auf die Füße und enthüllte einen gehämmerten Goldreif um den Knöchel mit einer Scheibe aus blauem Stein, der aussah wie Lapislazuli.

Als sie uns begrüßten, hockte ich im Wasser und schlang die Arme um mich, um meine Nacktheit zu bedecken. Aber dann entkleideten sie sich beide wie selbstverständlich und kamen zu uns ins Becken, und binnen Kurzem gehörte mein sinnloses Schamgefühl der Vergangenheit an.

Lili fielen meine verquollenen Augen auf, und sie fragte mich, was los sei. Ich antwortete wortkarg, nichts, aber ich sah ihr an, dass sie mir das nicht abkaufte. Als wir später zusammen zum Château zurückgingen, hörte ich, wie die Männer, die ein paar Meter hinter Lili und mir gingen, miteinander flüsterten. Ich nahm an, sie redeten über mich, und wie sich herausstellte, hatte ich recht.

Als wir später aneinandergekuschelt im Bett lagen, las Inigo mir vor – nicht aus einem schlüpfrigen Roman, wie üblich, sondern aus den erotischen Gedichten von Catull, der bei Miss Cox im Klassik-Unterricht leider gefehlt hatte. Er klappte das Buch zu, küsste mich und sagte leise: »Elic möchte mit dir schlafen.«

Mir verschlug es die Sprache, und Du weißt ja, mein lieber Rémy, wie selten mir so etwas passiert.

Er sagte: »Ich meine, richtig – also, du weißt schon.«

»Aber Lili …« Bestürzt schüttelte ich den Kopf.

»Du weißt doch, dass sie und Elic auch mit anderen schlafen. «

»Ja, aber wenn man sie zusammen sieht … es ist so offensichtlich, wie sehr sie sich lieben. Ständig berühren sie sich, umarmen einander, wechseln Blicke. Und ich mag Lili. Sie war so freundlich zu mir, so warmherzig. Ich hätte das Gefühl, sie zu betrügen …«

»Sie hat es vorgeschlagen.«

Ich setzte mich auf. »Wie … wie konnte sie denn wissen …?«

Inigo stützte sich auf einen Ellbogen: »Ich habe eine Andeutung gemacht, als sie mich fragte, warum du so …«

»Das ist Wahnsinn«, sagte ich.

»Wir sind hier in Grotte Cachée.« Er ergriff meine Hand und küsste meine Finger. »Elic sagt, du seist exquisit, voll ›unterdrückter Leidenschaft‹. Er ist sehr gut im Entjungfern, und er tut es gerne.«

»Aber ich habe … ich habe so etwas bisher doch nur mit dir getan. Ich kenne ihn doch kaum. Ich war noch nie allein mit ihm, habe ihn noch nie berührt.« Ah, aber ich hatte ihn in jener Nacht mit Helen im Boudoir beobachtet, und ich wurde immer noch nass, wenn ich daran dachte.

»Ich wäre ja dabei«, sagte Inigo.

»Du … du wärst …«

»Natürlich«, sagte er und setzte sich auf. »Ich versuche doch nicht, dich weiterzureichen, Em. Ich will dich doch nur glücklich machen. Ich würde gerne dein erstes Mal mit dir erleben, es sei denn, du willst mich nicht dabeihaben. Es ist deine …«

»Natürlich will ich dich dabeihaben.«

Er lächelte. »Soll ich ihn zu uns bitten?«

»Jetzt?«

Er strich mir übers Gesicht und sagte leise: »Heute ist deine letzte Nacht hier, mein Liebling.«

Ich umarmte ihn, während ich darüber nachdachte. Schließlich nickte ich. Er küsste mich auf den Scheitel und stand auf, um Elic, der in einem anderen Turm wohnte, vom Telefon in der Halle aus anzurufen.

Als Inigo ins Schlafzimmer zurückkam, hatte ich mein Nachthemd angezogen. Ich sagte: »Lach nicht.«

»Ich lache nicht.« Und das tat er auch nicht. Er lächelte noch nicht einmal.

Ich zupfte am Saum des Nachthemds und sagte verlegen: »Ich weiß, das macht keinen Sinn, zumal er mich ja auch schon einmal nackt gesehen hat, aber … ich fühle mich dadurch mehr …«

»Natürlich«, erwiderte er. »Hier.« Er zog eine Unterhose an. »Damit du nicht die Einzige bist.«

Er blies alle Kerzen bis auf eine aus und legte die Kissen gegen das Kopfteil. Wir schlüpften unter das Laken – die Nacht war zu warm für die Steppdecke – und saßen eng umschlungen da und küssten uns. Schließlich klopfte es an der Tür.

»Entrez«, rief Inigo.

Als Elic das Schlafzimmer betrat, konnte ich ihm zuerst nicht in die Augen blicken. »Ist das ein neuer Renoir über dem Kamin?«, fragte er und setzte sich auf die Bettkante. Er trug eine dunkle Hose mit einem offenen Hemd darüber und war barfuß.

Inigo nickte. »Ich habe das Bild letzten Monat in Paris gekauft. Ist es nicht schön?«

»Ja«, erwiderte Elic, »obwohl ich mir eigentlich noch nie viel aus Stillleben gemacht habe. Wie findest du es, Emily?«

»Ich liebe es«, sagte ich. »Es ist exquisit, so üppig und farbenfroh. « Ich plapperte dummes Zeug, wie immer, wenn ich nervös bin. »Ich schaue es mir ständig an, aber Papageientulpen sind schon in meiner Kindheit meine Lieblingsblumen gewesen. Ich liebe ihre fedrigen Blütenblätter.« – Ja, Rémy, mein geliebter Renoir stammt von Inigo. – Ich erzählte ihnen, dass Nana im Frühjahr immer Vasen voller Papageientulpen in ihrem Haus hatte, aber meine Mutter fand sie »zu auffällig und aufdringlich«.

Die Unterhaltung wandte sich von bürgerlichen Empfindlichkeiten über Bildung der Gleichberechtigung der Frau zu. Es war rührend, wie sie sich bemühten, mich mit Small Talk zu entspannen, und es schien auch tatsächlich zu wirken. Als Elic schließlich die Hand ausstreckte, um mir über die Haare zu streichen, und dabei sagte, sie erinnerten ihn an Fortunys Gemälde von Odalisken, hatte ich die List schon vergessen.

»Deine Haare sind Fortuny«, sagte er sanft, »aber deine Haut ist Ingres.« Er streichelte mir über Gesicht und Hals, bis mir die Augen zufielen. Ich spürte, wie seine Hand leicht über meine Brust glitt, während Inigo die andere streichelte. Lippen berührten meinen Mund, und als ich die Augen öffnete, stellte ich fest, dass es Elic war und nicht Inigo, der mich küsste.

»Ist das in Ordnung?«, fragte Elic leise.

Ich nickte.

Er zog seine Hose aus, aber nicht seine Unterhose und auch nicht sein Hemd. Wahrscheinlich spürte er, dass ich mein Nachthemd anließ, weil ich diese dünne Leinenschicht zwischen uns brauchte. Er schlüpfte unter die Decke und küsste mich auf eine Wange, während Inigo die andere küsste. Ich lächelte bei der Aussicht, von zwei schönen, aufregenden Männern geliebt zu werden, die dazu auch noch nett waren, beinahe zu nett, um wahr zu sein. Sie streichelten und liebkosten mich, küssten mich, rieben sich an mir und flüsterten Worte, die jede Frau hören will. Irgendwann steckte einer von beiden einen Finger in mich und fand mich nass und bereit.

Als Elic begann, seine Unterhose aufzuknöpfen, sagte ich: »Ich, äh, ich möchte nicht in Schwierigkeiten geraten.«

»Du hast in dieser Hinsicht nichts zu befürchten«, sagte Elic. »Ich bin steril. Aber wenn es dich beruhigt, werde ich ein Kondom benutzen.«

Ich lehnte das Kondom ab, weil ich an Syphilis oder Gonorrhö noch nicht einmal dachte. So naiv war ich. Glücklicherweise jedoch holte ich mir nichts von ihm, was eigentlich ein Wunder ist, wenn man bedenkt, mit wie vielen Frauen er zusammen gewesen sein muss.

Inigo hielt mich in den Armen, als Elic sich zwischen meine Beine kniete und meine Hüften zu sich heranzog. Ich spürte, wie seine Finger sanft meine Schamlippen auseinanderzogen und die Spitze seines Schwanzes dagegendrückte.

»Sei vorsichtig, Bruder«, ermahnte Inigo ihn. »Sie ist eng.«

Elic dehnte mich ein wenig. Ich zuckte zusammen.

»Ganz langsam«, murmelte Inigo. Ich wusste nicht, ob er mit Elic oder mir redete.

Elic drang Stück für Stück in mich ein. Immer wieder zog er seinen Penis zurück, sodass mein Körper sich an ihn gewöhnen konnte. Schließlich packte er meine Hüften, stieß einmal kurz und fest zu, und ich spürte, wie etwas in mir nachgab – mein Hymen, natürlich.

Er hielt einen Moment inne und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich antwortete, es ginge mir wunderbar, und beide Männer lachten leise. Elic stieß weiter in mich hinein. Ich empfand eine Art brennenden Schmerz, aber ich war so überwältigt von dem Gefühl, dass ein Mann in mich eingedrungen war, dass ich kaum darauf achtete.

Als er seinen Penis schließlich komplett in mir hatte, küsste er mich und sagte mir, wie eng ich sei und wie unglaublich es sich anfühle. »Es fühlt sich beinahe zu gut an«, sagte er. »Wenn ich mich davon hinreißen lasse und dir wehtue, musst du es mir sagen.«

Ich versicherte ihm, dass ich das tun würde. Dann zog ich mein Nachthemd hoch und hob sein Hemd ein wenig an, damit ich ihn in mir sehen konnte. Es war ein faszinierender, äußerst erregender Anblick. Da Inigo meine Neugier anscheinend spürte, ergriff er meine Hand und führte sie dorthin, wo mein Körper und Elics miteinander verbunden waren. Sein Schwanz war so hart wie Marmor, und es erstaunte mich, dass mein Körper ihn tatsächlich aufnehmen konnte.

Elic gab einen tiefen, schnurrenden Laut von sich, als ich mit den Fingerspitzen seinen Schwanz streifte. Er begann erneut zu stoßen und blickte dabei auf meine Brüste, die Inigo sanft knetete. Dann ließ er seine Hand tiefer gleiten und streichelte meine Klitoris. Stöhnend packte ich Elic an den Schultern und bog mich seinen Stößen entgegen, die immer schneller und fester wurden.

»Tut das weh?«, fragte er mit heiserer, atemloser Stimme.

»Nein.«

Ich spürte Inigos Erektion durch seine Unterhose und begann, sie aufzuknöpfen. Er küsste mich dankbar und rieb sich an meinem schweißbedeckten Oberschenkel, während er gleichzeitig mit seiner intimen Liebkosung fortfuhr. Wir bewegten uns alle drei im gleichen Rhythmus, keuchten und bebten. Ein Schweißtropfen fiel von meiner Stirn auf Elics Gesicht.

Inigo kam als Erster. Mit einem Grollen der Befriedigung drückte er sich fest an mich. Jeder heiße Strahl seines Spermas auf meinem Oberschenkel brachte mich näher zum Höhepunkt, und als seine Klimax abnahm, kam ich. Elic richtete sich stöhnend über mir auf, sein Gesicht war gerötet, an seiner Stirn pochte eine Ader. Ich verspürte ein pumpendes Gefühl in mir, und ein zweiter Orgasmus folgte dem ersten auf dem Fuß.

Danach lagen wir eine Minute lang erschöpft auf dem Bett, und schließlich flüsterten beide Männer gleichzeitig: »Wow!«

Das abschließende Trennungsgespräch mit Hickley fand am nächsten Morgen statt, als er ins Château zurückkam. Er traf mich im Morgenmantel in Inigos Suite an, wo ich meine Sachen packte. Empört gab er mir mindestens fünfzig verschiedene Bezeichnungen für Schlampe. »Du bist eine verlobte Frau, um Himmels willen!«

Ich erklärte ihm, dass ich faktisch eine freie Frau sei, da ich so viel gesunden Menschenverstand besessen hätte, seinen Ring nicht zurückzunehmen, und dass ich außerdem für den Rest meines Lebens auf dieser Erde eine freie Frau zu bleiben gedächte.

Er schrie, dass er mich ruinieren und dafür sorgen würde, dass jeder in New York von meiner kleinen Affäre mit Inigo erfahren würde. »Du wirst nie wieder einen Heiratsantrag bekommen, jedenfalls nicht von einem Mann mit Rang und Namen. «

Ich erwiderte ihm, ich hätte in der letzten Zeit einige äußerst nützliche und interessante Dinge gelernt, unter anderem auch, dass das Leben zu kurz sei, um es in einem goldenen Käfig zu verbringen. »Ich kann mein Leben durchaus alleine genießen, bestimmt besser, als wenn ich Ihre Frau wäre – oder überhaupt eine Ehefrau.«

Ich sagte ihm, meinetwegen könne er sein Gift in ganz New York verstreuen, ich hätte sowieso vor, mich in Paris niederzulassen, wo mich niemand wegen einer kleinen Affäre verurteilen würde. »Wenn ich wählen müsste zwischen den Fesseln der Ehe oder einem ruinierten Ruf, der es mir ermöglicht, frei zu sein, dann würde ich jederzeit den ruinierten Ruf wählen.«

Und das, lieber Rémy, ist die Geschichte, wie Deine Geliebte ihre Unschuld und ihren nervenden Verlobten verlor. – Ich wette, es gibt nicht viele Frauen, die sogar zweimal kommen, wenn sie ihre Unschuld verlieren.

Ach, apropos, Nils hat seine vor zwei Tagen verloren, dank meiner entschlossenen Nichte, die ihn endlich besiegt hat. Sie hat mir erzählt, das Warten habe sich gelohnt, er sei »ein Tier« und es sei der »absolute Fick« gewesen.

Das ist für heute alles, mon cœur. Bitte denk daran, mit den kleinen Affären ins Reine zu kommen, die Du im vergangenen Jahr gehabt hast. Mit »ins Reine kommen« meine ich nicht, dass es ein Schuldbekenntnis sein soll, denn es gibt nichts, dessen Du Dich schuldig bekennen müsstest. Ich werde Dir keine Vorwürfe machen, falls Du mir erzählst, dass es andere Frauen gegeben hat. Oder sollte ich sagen, wenn Du es mir erzählst, denn ich denke langsam, es muss tatsächlich andere Frauen gegeben haben, sonst hättest Du längst schon etwas gesagt. Ich würde wirklich gerne wissen, ob auch Freunde von uns darunter sind, weil ich finde, ich habe das Recht zu erfahren, ob ich von meiner eigenen Freundin betrogen worden bin. Und ich hoffe natürlich, dass Du so viel Verstand besessen hast, Kondome zu benutzen, denn es wäre NICHT in Ordnung, wenn Du mich mit einer Geschlechtskrankheit anstecken würdest. Auch würde ich es nicht allzu freundlich aufnehmen, wenn Du einer anderen ein Kind gezeugt hättest, zumal Du dann möglicherweise heiraten müsstest. Es ist Dir doch wohl klar, dass manche Frauen Männer so in die Ehe locken. Eine offene Beziehung wie unsere kann sehr kompliziert sein, und ich weiß nicht, ob Du wirklich alle möglichen Störungen bedacht hast.

Ich liebe Dich so sehr, Rémy. Du bist mein Ein und Alles.

Je pense tout le temps à toi,

Em