Historischer Hintergrund
Jeder historische Roman stützt sich auf reale Personen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen – die kleine Anna, die Bediensteten in Slains und Sophia –, gab es die beschriebenen Figuren im achtzehnten Jahrhundert tatsächlich, und ihre Handlungen entsprechen den realen.
Nicht, dass es einfach wäre herauszufinden, was während der Invasion von 1708 wirklich passierte. Die Beteiligten versuchten aus unterschiedlichen Gründen, die Wahrheit zu vertuschen, so dass man selbst den Zeitzeugnissen nicht trauen kann. Ich bin John S. Gibsons vorzüglicher Schilderung dieser Invasion mit dem Titel Playing the Scottish Card: The Franco-Jacobite Invasion of 1708 verpflichtet, dem Buch, das mich überhaupt erst darauf brachte, über diese Zeit zu schreiben, außerdem Colonel Nathaniel Hookes herrlich detaillierten Erinnerungen, die 1760 als The Secret History of Colonel Hooke’s Negotiations in Scotland, in Favour of the Pretender veröffentlicht wurden. Ich hatte das Glück, auf eine Originalausgabe von Hookes Bericht zu stoßen, der nun nicht nur meine Hausbibliothek ziert, sondern sich auch von unschätzbarem Wert für die Entwicklung der Handlung erwies.
Ich habe versucht, so weit wie möglich Zeitzeugnisse zu verwenden. Wo Dialoge zwischen Personen schriftlich fixiert wurden, zitiere ich sie. Wenn sich Captain Gordons Schiff an einem bestimmten Tag im Edinburgher Hafen Leith aufhielt, befindet es sich auch in meinem Roman dort. An diese Regel halte ich mich sogar bei den Nebenfiguren: Mr. Halls* [* In Playing the Scottish Card behauptet Gibson, »Mr. Hall« sei der Deckname eines gewissen Father Carnegy gewesen.] Slains-Besuche für den Duke of Hamilton entsprechen ebenso den Tatsachen wie Mr. Malcolms Aktionen bei der Invasion.
Allerdings erlaube auch ich mir einige Freiheiten. Trotz aller Recherchen, die ich über Moray angestellt habe, weiß ich nicht mit letzter Sicherheit, ob er in Malplaquet war. Da aber der einzige Hinweis auf seinen Tod, den ich finden konnte, zu dem Datum der Schlacht passt, und es meine Handlung voranbrachte, ließ ich ihn daran teilnehmen. In dem Wald kämpfte tatsächlich das Royal Irish Regiment gegen das Irish Regiment in Diensten von Frankreich und King James.
Es besteht außerdem weder Zweifel daran, dass Captain Gordon während des Invasionsversuchs als einziger britischer Kapitän ein Schiff erbeutete, noch daran, dass er Jakobit war. Da niemand wirklich weiß, warum er die Mannschaft dieses Schiffs gefangen nahm, habe ich ihm in meinem Buch eine Ausrede in den Mund gelegt, die zu ihm zu passen scheint.
Er unterstützte die Jakobiten sein Leben lang. Als Queen Anne 1714 starb und der erste hannoveranische König George I. auf den britischen Thron kam, weigerte Gordon sich, den Treueeid zu schwören, und wurde entlassen. Daraufhin trat er in die russische Marine von Zar Peter dem Großen ein, wo er aufgrund seiner Verdienste schon bald zum Admiral und Gouverneur von Kronstadt ernannt wurde. Während seiner gesamten Zeit in Russland propagierte er die Sache der Jakobiten und hielt den Briefkontakt mit King James und seinen Anhängern aufrecht. Das Gentleman’s Magazine bezeichnete ihn in seinem Nachruf im Jahr 1741 als »wahren Freund seiner Landsleute«.
Der Duke of Hamilton hatte weniger Glück. 1711 begannen seine Bemühungen allmählich Früchte zu tragen – Queen Anne erhob ihn in den britischen Adelsstand, außerdem wurde er zum Botschafter in Frankreich ernannt. Doch bevor er nach Paris reisen konnte, um den Posten anzutreten, mündete eine lang andauernde Auseinandersetzung mit seinem Rivalen Lord Mohun in ein Duell. Die beiden trafen sich eines Novembermorgens in der Dämmerung im Londoner Hyde Park. Beide Männer zückten ihr Schwert, und beide kamen bei dem Kampf ums Leben. Dieser Zwischenfall verursachte einen beträchtlichen Skandal. Was damals wirklich geschah, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Der Mann bleibt im Tod wie im Leben ein Rätsel.
Das frühe Leben von Morays Onkel Colonel Patrick Graeme in Schottland hingegen lässt sich leicht recherchieren, weil er als Captain der Stadtwache von Edinburgh diente, bevor er für den alten King James zu den Waffen griff und dem jungen James nach Frankreich ins Exil folgte. Allerdings konnte ich bis jetzt nicht herausfinden, wie er die Jahre nach der fehlgeschlagenen Invasion von 1708 verbrachte. Da ich glaube, dass er sich immer gern im Mittelpunkt des Geschehens befand, hoffe ich, einmal einen Brief oder ein anderes Dokument aufzuspüren, das Licht in die Zeit vor seinem Tod im August 1720 bringt.
Mehr Informationen hätte ich auch gern über Anne Drummond, die Countess of Erroll, die in den Jahren nach 1708 praktisch von der Bildfläche verschwand – was einer Frau ihres Temperaments gar nicht so leicht gefallen sein dürfte.
Ihr Sohn Charles, der dreizehnte Earl of Erroll, kämpfte auch nach der Ratifizierung der Union noch für die Rechte seiner Landsleute. Obwohl seine Position als Lord High Constable of Scotland eigentlich verlangt hätte, dass er an der Krönungszeremonie von George I. teilnahm, weigerte er sich. Er starb wenig später 1717 im Alter von vierzig Jahren unverheiratet und kinderlos als letzter männlicher Nachkomme seiner Linie. Sein Titel ging an seine Schwester Mary, die wie alle Countesses of Erroll eine mutige Frau war und beherzt für die Sache der Stuarts eintrat.
Nathaniel Hooke, der so viel Zeit und Energie in die Invasionspläne von 1708 gesteckt hatte, war zutiefst enttäuscht über ihr Scheitern und kritisierte offen den französischen Anführer. Nach einer langen, erfolgreichen Karriere im diplomatischen Dienst von Frankreich kehrte er im Alter zu seinen Erinnerungen an den Invasionsversuch von 1708 zurück und ordnete seine Dokumente und Tagebücher über diese Zeit mithilfe seines Neffen. Er starb 1738 vor Abschluss der Aufgabe, und als sein Sohn zwei Jahre später versuchte, die Papiere zu verkaufen, wurden sie von einem Vertreter des französischen Hofs beschlagnahmt und, soweit bekannt, vernichtet. Doch zwei Bündel Dokumente in der Schrift von Hookes Neffen, in denen sich Hookes eigene Beschreibung seiner Verhandlungen über die geplante Invasion befand, entgingen dem französischen Beamten.
Aus solchen kleinen Zufällen besteht die Geschichte.
Keiner wurde wohl Opfer von mehr Zufällen als der junge James Stuart, der Geburt nach James VIII. von Schottland und James III. von England. Es gibt guten Grund zu der Annahme, dass seine Halbschwester Queen Anne tatsächlich mit dem Gedanken spielte, ihn zu ihrem Erben zu machen, denn in den letzten Jahren ihrer Regierungszeit scheint es rege Verhandlungen darüber gegeben zu haben. In diese Zeit fällt auch die Beendigung des Spanischen Erbfolgekriegs durch den Vertrag von Utrecht, der unter anderem von Ludwig XIV. forderte, James aus Frankreich zu verbannen. James verlegte seinen Hof bereitwillig nach Lothringen, wo er seinen protestantischen Bediensteten die Freiheit gab, Gott nach ihrem Glauben zu verehren, was er nach französischem Recht nicht hatte tun können.
Das änderte jedoch nichts am katholischen Glauben von James, und als Queen Anne 1714 starb, folgte ihr der Protestant George I. auf dem Thron nach.
Das hatte 1715 einen weiteren Jakobiten-Aufstand zur Folge. Obwohl es James dieses Mal gelang, nördlich von Slains in Peterhead zu landen, war die Gelegenheit von 1708 vertan. Die westlichen Presbyterianer, die damals noch bereit gewesen waren, für ihn zu den Waffen zu greifen, stellten sich ihm nun entgegen. Auch dieser Aufstand schlug fehl. James zog sich nach Lothringen zurück, aber da König Ludwig XIV. inzwischen das Zeitliche gesegnet hatte, empfingen ihn seine französischen Nachbarn nicht mehr mit offenen Armen. Daraufhin verlegte er seinen Hof wieder, zuerst nach Avignon, später nach Rom.
Zwei weitere Versuche, den Thron mithilfe der Schweden und der Spanier zurückzuerlangen, führten zu nichts, und selbst James’ mit Prinzessin Maria Clementina 1719 geschlossene Ehe erwies sich als kurzlebig. Nach sechs Jahren verließ sie ihn und ging ins Kloster, allerdings erst nach der Geburt seiner Söhne. Der ältere namens Charles Edward erhielt seines guten Aussehens wegen den Beinamen »Bonnie Prince«. Ihm zuliebe griffen die Jakobiten fünfundzwanzig Jahre später noch einmal zu den Waffen … aber das ist eine andere traurige Geschichte.
Lieber denke ich da an James III. und VIII., wie er seine letzten Jahre in Rom verbrachte, vielleicht in der warmen italienischen Nachmittagssonne vor sich hin döste und sich an den Norden Schottlands, die stolzen roten Mauern von Slains, wie er sie einmal vom Meer aus gesehen hatte, und an die Krone erinnerte, die in jenem Moment zum Greifen nah gewesen war.