17. KAPITEL
Möglicherweise entdeckt man, dass sich hinter der streitsüchtigen Art des Dienstherrn nur seine Vorliebe für einen guten Kampf verbirgt. Man wundere sich nicht darüber. Auch der Adel findet Boxkämpfe hin und wieder amüsant.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
Tristan blies die Lampe aus, worauf das Kutscheninnere in absolute Dunkelheit getaucht war. Er tastete erneut unter dem Sitz, bis er einen weiteren Kasten gefunden hatte, länger als der erste. Er öffnete ihn und holte einen Degen heraus.
Prudence packte ihn am Knie. „Tristan, gib mir eine Pistole.“
Obwohl er ihr Gesicht nicht sehen konnte, konnte er sich die ruhige Tapferkeit in ihren Augen gut vorstellen. „Kannst du schießen?“
„Natürlich. Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich noch ein Kind war. “
Er drückte ihr die Pistole in die Hand. Im selben Moment kam die Kutsche schwankend zum Stehen. Die Pferde wieherten wie wild. „Hier, versteck sie in deinem Rock und ...“
Der Schlag wurde aufgerissen. Tristan fluchte, als niemand in der Türöffnung erschien. In der hellen Mondnacht wäre es ein Leichtes gewesen, ihre Angreifer zu erschießen. Doch derjenige, der den Überfall geplant hatte, war offenbar zu erfahren, und so tauchte niemand auf.
„Kommt raus, die Hände schön über dem Kopf! “
Verdammt, der Mann hörte sich riesig an.
Tristan bewegte sich zur Tür, doch ehe er hinausgehen konnte, warf Prudence die Arme um ihn und presste sich an ihn. Er erwiderte die Umarmung und legte kurz die Wange auf ihr Haar.
Seine Gedanken und seine Gefühle waren in Aufruhr. Er dachte daran, wie ihm das Leben vor wenigen Wochen noch düster und leer vorgekommen war, so düster, dass er sich voll blutdürstiger Begeisterung in diesen nächtlichen Kampf gestürzt hätte, ohne an die Zukunft oder eine erfüllte Gegenwart zu denken. Jetzt war alles anders. Er würde kämpfen, er würde gewinnen. Sonst würde Prudence womöglich sterben müssen.
Der Gedanke entsetzte ihn und spornte ihn gleichzeitig an. Er musste sie irgendwie aus dieser Situation herausholen. Er musste einfach. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Tristan sah ein letztes Mal zu Prudence, sammelte sich und stieg aus der Kutsche. Rechts neben der Tür stand ein riesiger Koloss von einem Mann, dessen Donnerbüchse im Mondlicht aufleuchtete.
„Mylord!“, sagte der Kutscher. Er stand neben der Kutsche, einen zerrissenen Zügel in Hand. John war einer von Reeves’ Leuten und ein Meister im Umgang mit Pferden. Anscheinend aber nicht mit der Büchse. „Tut mir leid, Mylord. Ich hab sie zu spät gesehen. Ich habe versucht, ihnen zu entkommen, bloß dann sind die Zügel gerissen, und ich konnte nicht ... “
„Sie haben bestimmt Ihr Bestes gegeben.“ Tristan sah sich um, versuchte herauszubekommen, wie viele Angreifer es waren. Bis auf den Riesen konnte er aber niemanden sonst ausmachen.
John beugte sich vor, um leise zu flüstern: „Unsere beiden Vorreiter konnten entkommen, Mylord, allerdings ist einer verletzt. Sie werden doch sicher Hilfe holen, wenn sie am Cottage ankommen ... “
„Heda, genug geplaudert. Her mit den Klunkern, dann können wir alle heimgeh’n. Mich friert’s, ich will mir hier nicht den Tod holen.“
„Natürlich nicht. Das wäre höchst betrüblich.“ Tristan riss die Pistole heraus und zielte damit direkt auf das Herz des Mannes.
„Das würde ich nicht tun“, ertönte da eine kultivierte Stimme hinter ihm. Etwas drückte sich durch seinen Rock, eine scharfe Spitze, die sich direkt zwischen seine Schulterblätter bohrte.
Der Kutscher schluckte geräuschvoll. „Es sind zwei, Mylord. Das wollt ich Ihnen noch sagen, aber ich hatte keine Zeit mehr dazu.“
Die Rapierspitze wurde noch eindringlicher in Tristans Rücken gedrückt. „Lassen Sie die Pistole fallen.“
Tristan verzog das Gesicht und ließ die Pistole zu Boden fallen.
„So ist es recht, mein Freund“, sagte der Mann hinter ihm. „Ein sehr weiser Entschluss. Damit können Sie noch viele Jahre leben.“
Der Riese trat vor und wedelte mit der Pistole. „Leeren Sie die Taschen aus, Meister. Und zwar ’n bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf. Wir müssen uns heute Abend noch um ein paar andere Typen kümmern.“
In Tristan stieg heißer Zorn auf. Er leerte seine Taschen und warf die Uhr und ein paar Münzen auf den Boden. „Mehr ham Sie nicht?“, fragte der Riese empört.
„Immer mit der Ruhe, mein Freund“, sagte der Kultivierte. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir in der Kutsche noch mehr finden. Ich dachte, ich hätte die Stimme einer Frau gehört, als die Kutsche anhielt.“ In der Stimme des Räubers lag Belustigung. „Vielleicht machen wir hier heute Abend ja noch eine Extrabeute. “
Tristan wartete nicht länger. Er warf sich nach vom, außer Reichweite des Rapiers, der ihm in den Rücken gedrückt wurde. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, warf er sich auf den Riesenrüpel, schlug die Pistole weg und riss den Gegner mit sich zu Boden.
Der Riese fiel mit einem erschrockenen „Uff!“ zu Boden.
Klackernd rutschte die Pistole unter die Kutsche. Ohne einem der Anwesenden Zeit zum Überlegen zu geben, hob Tristan die Faust und rammte sie dem Mann ans Kinn.
Der Mann grunzte und schüttelte den Kopf, blieb indes bei Bewusstsein. Tristan fluchte laut. Er hatte große Fäuste, normalerweise konnte er damit jedem das Licht ausblasen. Aber nicht diesem Giganten. Der riesige Rüpel hob die fleischigen Hände und legte sie Tristan um den Hals.
Atmen wurde plötzlich zum Luxusgut. Tristan krallte sich in die dicken Finger, doch sie blieben, wo sie waren, und schlossen sich immer enger zusammen. Vor Tristans Augen tanzten Sternchen, während er sich nach Kräften zu wehren versuchte. Lieber Gott, war es das? Sollte er mitten in der Nacht am Straßenrand ermordet werden, während Prudence zusah?
Der Gedanke an Prudence verlieh ihm neue Kräfte. Er zog das Knie an, um seinen Angreifer an einer empfindlichen Stelle zu treffen, doch der Mann war schneller und blockte die Bewegung mit dem eigenen Knie ab.
Tristan blinzelte, verzweifelt bemüht, bei Bewusstsein zu bleiben. Er hatte die Hände um die Handgelenke seines Gegners geschlossen, sodass ihm dessen Griff nicht tödlich werden konnte.
„Ich muss schon sagen“, erklärte der Kultivierte, „Ihr Rock ist ja ganz schlammig. Das ist schade, denn ich wollte den Rock für mich haben.“
Ein leises Geräusch war zu hören, und plötzlich tauchte Prudence aus dem Nichts auf.
„Mon dieu!“, rief der Räuber und trat mit gezogenem Rapier vor.
Doch Prudence interessierte sich nicht für sein Rapier. Stattdessen hielt sie die Pistole auf Tristans riesigen Angreifer gerichtet. Sie tat zwei kurze Schritte, bevor sie ihm den Pistolenlauf an die Schläfe drückte. „Lassen Sie ihn los.“
Der Mann erstarrte. Er warf dem anderen Räuber einen überraschten Blick zu. „Jack?“
„Immer mit der Ruhe, meine Dame“, sagte sein Anführer. Das Gelächter war aus seiner Stimme gewichen. „Willie, beweg dich nicht. Sie sieht wild entschlossen aus.“
„Richtig“, gab Prudence zurück. „Lassen Sie ihn los.“ Langsam gab der Gigant Tristans Hals frei. Tristan ballte die Hand zur Faust und schmetterte sie dem Mann mit aller Kraft, derer er fähig war, gegen die Schläfe. Der Schlag vorhin war nicht ganz perfekt gezielt gewesen, dieser hier traf voll ins Ziel. Die Augen des Räubers rollten nach oben, dann sackte er bewusstlos in sich zusammen.
Tristan kniete neben ihm. „Prudence, geh zurück in ...“ Ein Rapier blitzte auf und wurde Prudence an die Kehle gehalten. Ihre Augen weiteten sich entsetzt, als sich ein schwarz gekleideter Arm um ihre Taille wand. Der Straßenräuber betrachtete Tristan über ihren Kopf hinweg.
Das Blut rauschte in Tristans Ohren. Er konnte Prudence nur ansehen.
„Lassen Sie die Pistole fallen, meine Liebe“, wisperte der Räuber Prudence ins Ohr. „In diesen zarten Händen sieht sie viel zu grob aus.“
Tristan fing ihren Blick auf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. „Tu, was er sagt.“
Einen Augenblick dachte er schon, sie würde ihm widersprechen, doch stattdessen legte sie ganz langsam die Pistole auf den Boden. Sobald sie wieder stand, kickte der Räuber die Waffe unter die Kutsche und zog sie wieder an sich.
Tristan sah nur noch rot. Der Schurke hielt Prudence fest, hatte den Arm unverschämt um ihre Taille geschlungen. So etwas durfte niemand. Niemand.
„Schauen Sie nicht so düster, o Herr mit den Schinkenfäusten“, riet der Straßenräuber amüsiert. „Und bewegen Sie sich nicht. Sonst wird die Dame nie wieder den süßen Jasmin schnuppern können, der hier in der Gegend so weit verbreitet ist. “
Tristan biss die Zähne zusammen. Die Unverschämtheit dieses Mannes war unfassbar. Er begegnete Prudences Blick. Ruhig sah sie ihm in die Augen, ehe sie rasch nach unten schaute.
Er runzelte die Stirn. Irgendetwas versuchte sie ihm mitzuteilen. Langsam zog Tristan das restliche Geld aus der Tasche, auch wenn es lächerlich wenig war. Doch es gab ihm Zeit, über Prudences winzige Gesten nachzudenken.
Wieder sah sie ihn an und dann zu Boden, nur dass sie diesmal die Augen schloss und den Kopf beinah unmerklich nach vorn sinken ließ.
Tristan nickte. Während er die letzten Münzen aus den Taschen zog, vergewisserte er sich, dass sein Degen noch im Hosenbund steckte.
Prudence stieß ein Keuchen aus und ließ sich langsam nach vom fallen, von ihrem Körpergewicht gezogen. Der Räuber versuchte sie festzuhalten, geriet selbst ins Schwanken und vergaß sein Rapier. Wie ohnmächtig sank Prudence auf dem Boden zusammen.
Tristan stürzte vor, den Degen parat. Der Straßenräuber trat zurück und hob zur Antwort sein Rapier. Klirrend stießen die beiden Waffen zusammen.
„Degen gegen Rapier.“ Tristan lächelte, obwohl ihm weiß Gott nicht danach zumute war. „Ich glaube, ich bin im Vorteil.“
„Das hängt von Ihrem Geschick ab, mein Freund. Und von meinem.“ Der Räuber machte einen Ausfallschritt. Seine Augen hinter der schwarzen Maske glitzerten, und seine Klinge leuchtete bösartig im hellen Mondlicht.
Tristan parierte den Angriff des Mannes. Der Degen war die stärkere Waffe, denn bei einem kräftigen Schlag oberhalb des Griffes konnte das Rapier ohne Weiteres entzweibrechen. Dafür war das Rapier schneller, tödlicher. Ein Fehler, und sein Gegner hätte ihn aufgespießt.
Der Trick lag darin, den Mann auf Trab zu halten, was nicht einfach war, vor allem da Tristan nach dem Fall mit dem Riesen das Bein schmerzte. Jede Bewegung tat weh, und es wurde immer schlimmer.
Der Räuber täuschte eine Finte an, Tristan parierte, obwohl er dadurch ein paar Schritte zurückweichen musste. Um Boden zu gewinnen, griff Tristan an, wobei er sorgfältig darauf achtete, sich auf dem gesunden Bein abzustützen. Jeder Schritt war die reinste Qual.
Ein Treffer, das war alles, was er brauchte. Doch beim Fechten wurde ihm klar, dass sein Gegner ein wahrer Meister mit dem Rapier war.
Grimmig machte Tristan sich daran, sich zu verteidigen, parierte Ausfälle und Finten in einer derartigen Geschwindigkeit, dass er selbst kaum noch mitkam. Sein Bein schmerzte, und auf der Stirn stand ihm der kalte Schweiß. Er konnte nicht herumwirbeln und springen wie sein Gegner. Aber er konnte standhaft die Stellung behaupten und kämpfen wie ein Dämon.
Während eines besonders brutalen Angriffs schlitzte das Rapier Tristans Rock auf und verletzte ihn am Arm. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Prudence trat vor, als wollte sie dem Kampf Einhalt gebieten. „Nein! “, stieß Tristan hervor, den Blick auf seinen Angreifer gerichtet.
Prudence trat zurück, und er hörte leises Gemurmel, als der Kutscher ihren Arm ergriff. „Lenken Sie ihn nur nicht ab, Madam.“
Tristan kämpfte weiter. Sein Körper war inzwischen schweißgebadet vor Anstrengung. Auch der Räuber atmete schwer in der kalten Nachtluft. Das Mondlicht beleuchtete seine Silhouette, die Linie seiner Schultern, die Falten seines Überrocks, das dunkle Haar, das ihm auf die Schultern fiel.
„Du da“, knurrte Tristan, während er den Degen hob, um die Klinge des Rapiers wieder einmal abzufangen, „ergib dich, dann lass ich dich noch ein bisschen weiterleben.“
Der Mann lachte leise, und das Geräusch ließ in Tristan die Alarmglocken schrillen. Dieses Lachen ... Zwischen Tristans Brauen bildete sich eine steile Falte. Er kannte dieses Lachen. Vor langer, langer Zeit hatte er es schon einmal gehört.
Er runzelte die Stirn und schlug das Rapier zur Seite, als sein Gegner wieder auf ihn zuhielt. Die Spitze ritzte ihn am Kinn. „Au! “ Er fasste sich ans Kinn, woraufhin ihm das Blut über die Hand glitschte und auf seinen Hals tropfte. „Du kleiner Teufel! “
Sein Gegner lachte entzückt. „Allerdings. Dann wollen wir das hier ein für alle Mal beenden.“
Ein Stück weit die Straße hinunter schnaubte ein Pferd. „Ah!“, rief Tristan und ließ seinen Degen durch die Luft sausen, „hier sind meine Leute. Du bist ein toter Mann.“ Pfeilschnell und mit wirbelnder Klinge stürzte sich der Fremde auf ihn. „Wenn ich sterbe, sterbe ich nicht allein.“ Tristan sprang ihm aus dem Weg und hob abwehrend den Degen. Sie kämpften weiter, lautlos bis auf ihr angestrengtes Atmen und das Klirren der Waffen.
Sie waren sich ebenbürtig. Entscheidend wurde nun eher die Frage, wer zuerst ermüdete. Tristan dachte allmählich, dass er gegenüber seinem schlankeren Gegner im Vorteil sei, doch gerade als er zur Seite trat, um einem besonders bösartigen Ausfall auszuweichen, rutschte er mit dem guten Bein auf einem losen Stein aus. Er fing sich mit dem anderen Bein ab. Weißglühend explodierte der Schmerz in ihm. Nein. Er durfte nicht fallen. Prudence brauchte ihn. Sie ...
Ein Schuss fiel, so nah, dass Tristan zusammenzucke. Der Straßenräuber hielt inne. Seine Augen hinter der Maske waren ganz groß geworden. Einen langen Augenblick schwankte er auf den Füßen und sah auf sein Hemd.
Prudence trat vor. Sie hielt eine rauchende Pistole in der Hand, und das Vorderteil ihres Kleides war schlammverschmiert. Anscheinend war sie unter die Kutsche gekrochen, um von dort die Pistole zu holen. Tristan sah, dass sie kreidebleich war, und die Waffe zitterte in ihrer ausgestreckten Hand.
Der Räuber legte die Hand auf sein Hemd. Als er sie wieder wegzog, sah sie im Mondlicht schwarz aus. „Mon dieu“, sagte er mit merkwürdig abgehobener Stimme. „Ich glaube, Sie haben mich umgebracht.“
Damit fiel er auf die Knie, und das Rapier fiel zu Boden. Ein schwaches Lachen kam ihm über die Lippen. „Unsere letzte Fahrt. Wir dachten, es würde ...“ Er stockte, schloss die Augen und sank zu Boden.
Im selben Augenblick gaben auch Tristans Knie nach, und er fiel neben den Mann. Im nächsten Moment war Prudence an seiner Seite. Sie warf die Pistole weg und streckte die Hand nach ihm aus. „O Tristan, kannst du ...“
Der Reiter kam heran. Nur dass es weder MacGrady noch Toggle, noch Stevens war, der ihnen zu Hilfe eilte. Es war Reeves. Er stieg ab, warf dem Kutscher die Zügel zu und lief zu ihnen, hielt unterwegs nur kurz inne, um von der Karosse die Kutschlampe abzunehmen.
Doch statt an Tristans Seite zu eilen, ging er zu dem Räuber und kniete neben ihm nieder. Er presste die Finger an die Kehle des Mannes. „Er atmet noch. Gott sei Dank!“ Tristan ließ sich von Prudence auf die Beine helfen und von ihren warmen Händen aufrecht halten. Er schloss sie fest in die Arme und drückte sie eng an sich. Gott, beinah hätte er sie verloren! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ...
Der Räuber stöhnte leise. Reeves wickelte sich den Schal vom Hals und presste ihn auf die Wunde des Mannes. „Er wird es überleben“, erklärte der Butler. In seiner Stimme lag eindeutig Erleichterung. „Die Wunde ist nicht tief, aber sie muss gesäubert werden.“
„Ich säubere ganz bestimmt nicht die Wunden eines Mannes, der uns alle ermorden wollte! “
Reeves warf Tristan einen scharfen Blick zu. „Er hat nicht versucht, Sie zu ermorden, nur zu verwunden.“
„Es schien ihm aber ziemlich ernst damit“, meinte Prudence.
„Aye“, fügte Tristan mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme hinzu. „Es hat sich zumindest so angefühlt, als wollte er mich ermorden.“
Reeves band seinen Schal fest. „Er hat noch nie jemanden getötet. Während seiner ganzen Laufbahn als Straßenräuber hat er noch keinen einzigen Mord begangen, obwohl sich ihm jede Menge Gelegenheiten boten.“
Der Räuber regte sich und hob die Hand an den Kopf. „Was, zum Teufel, ist passiert?“
Reeves beugte sich über ihn. „Sie wurden verletzt. Bleiben Sie nur still liegen, ich bringe Sie zum Cottage.“
„Zu meinem Cottage?“, fragte Tristan mit finsterer Miene. Was, zum Teufel, focht Reeves nur an? „Kommt ja nicht infrage ..."
Der Räuber stützte sich auf einen Ellbogen und presste die Hand an seine Seite. „Reeves?“
Prudence, die sich immer noch an Tristan schmiegte, zuckte zusammen. Mit großen Augen sah sie zu Tristan auf. „Er kennt Reeves?“
Stirnrunzelnd betrachtete Tristan den Straßenräuber. „Woher kennen Sie Reeves?“
Reeves war mit der Versorgung des Verwundeten fertig und stand auf, wobei er die Lampe hochhob. „Das ist ganz einfach, Mylord. Ich habe ihn letzte Woche besucht.“
„Sie haben einen Straßenräuber besucht?Warum denn ..." Tristan sah sich den Straßenräuber näher an. „Nein. Das ... das kann doch nicht sein. “
Der Mann rang sich ein schwaches Lächeln ab. Seine Lippen waren unter der Maske kaum zu erkennen.
Tristan beugte sich zu dem Mann hinunter, mit schmerzverzerrtem Gesicht, weil sein Bein Einwände erhob, und zog seinem Gegner die Maske vom Kopf.
Reeves hob die Lampe. Licht fiel auf das Gesicht des Räubers. Dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, und seine Augen schimmerten in einem harten, hellen Grün. „Ich kann es nicht fassen“, sagte Tristan. „Christian?“