PROLOG

 

… Und möge von ihrer Hand das, was offen ist, geschlossen werden …

 

Die Prophezeiung der Weltenkugel

 

Was soll ich sagen? Dass Sterben ätzend ist?

Dieser ganze Schwachsinn von wegen man würde das Licht sehen und zuletzt seinen inneren Frieden finden, alles Blablabla. Lauter Mist.

Sterben ist dreckig. Man hat eine Heidenangst, und es tut teuflisch weh.

Ich muss es wissen. Immerhin war ich es, die auf diesem Kellerboden in einer Pfütze aus Blut und Galle lag. Meinem Blut und meiner Galle, wohlgemerkt. Und da war kein Licht, kein Friede, kein Nichts. Nichts außer der eiskalten Einsicht, dass die Sünden, die ich mir die letzten zwölf Stunden aufgeladen hatte, locker reichten, um mich durch die Pforte der Hölle zu stoßen.

Vergesst alles, Gutes wie Böses, was ich während der sechsundzwanzig Jahre, die ich auf der Erde weilte, sonst noch so getan habe. Wenn du mit dem Vorsatz losziehst, einen Mann umzubringen - selbst einen so miesen Kerl wie Lucas Johnson -, dann ist dein Schicksal so gut wie besiegelt.

Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet ist der Augenblick des Todes ein bisschen spät, um sich tiefgründige Gedanken zu machen. Wie heißt es so schön? Was geschehen ist, ist geschehen.

Aber das spielt keine Rolle; selbst der unreflektierteste Mensch der Welt muss durch diese küchenpsychologischen Betrachtungen durch. Vielleicht hätte man sein Nachtgebet wenigstens nicht durchgehend ausfallen lassen sollen. Vielleicht waren die Horrorfilme, die man sich reingezogen hat, während einen gleichzeitig der Freund befummelt hat, tatsächlich ein Ausblick auf das, was einem die Hölle zu bieten hat.

Mit anderen Worten: Man bekommt Angst.

Solange du lebst, sagt es sich leicht, Gott könne dir den Buckel runterrutschen, weil er deine Mutter unter die Erde geschickt hat, obwohl du erst vierzehn warst. Weil er dich mit einem Stiefvater allein gelassen hat, der anfing, mit Jack Daniels zu kuscheln, nachdem er keine liebende Frau mehr in seinem Bett hatte. Weil er dir die Verantwortung für die kleine Halbschwester mit dem Pferdeschwanz aufs Auge gedrückt hat, die dich für die Allergrößte überhaupt hielt.

Und weil er dich so arrogant hat werden lassen zu schwören, du würdest dieses Kind beschützen, das dir alles bedeutet - obwohl du dieses Versprechen niemals würdest halten können. Nicht, solange Ungeheuer wie Lucas Johnson die Erde durchstreifen. Ungeheuer, die kleinen Mädchen das Leben aussaugen.

Aus all diesen Gründen könnte man Gott den Rücken kehren und dies für einen mehr als gerechtfertigten Schritt halten. Aber das wäre ein Fehler.

Glaubt mir. Ich weiß es.

Ich weiß es, denn noch während mein Leben zerrann, leckten schon die Flammen der Höllenfeuer an meinen Zehen.

Letztendlich hatte ich Glück. Allerdings ist Glück immer eine Frage des Standpunkts, nicht wahr?