George Bushs linke Erben

Also: Der Westen ist schuld. Gut, dass dies schon mal geklärt wäre. Wo immer sich der Volkszorn entlädt, wie zuletzt in der arabischen Welt, darf der Verweis auf Amerika, den großen Satan, nicht fehlen. Die USA stehen eigentlich stets am Pranger, wenn es sich zu empören gilt, da kann man nie falschliegen. Israel natürlich auch, allerdings erst im zweiten Satz. So viel Rücksicht auf die Geschichte nimmt man im aufgeklärten Lager dann doch.

Diesmal lautete der Vorwurf, die Amerikaner hätten das korrupte Regime in Ägypten gestützt und damit ihre Werte verraten. Davon abgesehen, dass die Deutschen nie in die Verlegenheit kommen, ihre Werte aufzugeben, weil sie außenpolitisch keine nennenswerte Rolle spielen, muss man leider sagen: So ist das mit der Realpolitik. Wer die Interessen der freien Welt vertritt, darf bei der Wahl seiner Verbündeten nicht allzu wählerisch sein, sonst steht er schnell ziemlich allein da.

Die offene Gesellschaft hat außerhalb von Europa weniger Freunde, als wir gerne annehmen wollen. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, man würde nur mit Regierungen zusammenarbeiten, die unsere Vorstellungen von einem demokratischen Gemeinwesen teilen. Dann bliebe allerdings in der Region, auf die wir seit letztem Jahr so gebannt schauen, nur Israel übrig, das einzige Land im Nahen Osten, das seinen Bürgern alle westlichen Freiheitsrechte garantiert, inklusive Frauen, Homosexuellen und Andersdenkenden. Aber das wäre ja irgendwie auch nicht recht. Tatsächlich liegen die Sympathien gerade vieler aufrechter, linksdenkender Menschen nicht bei den Israelis, die selbst den arabischen Einwohnern in ihrer Mitte mehr Freiheiten gewähren als alle Nachbarstaaten zusammen, sondern erstaunlich oft bei den frauenverschleiernden, schwulenhassenden, minderheitenverachtenden Moslembrüdern im Umland. Rätsel Aufklärung.

Mit Sicherheit wäre man eher geneigt, den öffentlichen Anklagen Glauben zu schenken, wenn sich die Empörung über den Diktator Husni Mubarak und seine Satrapenregierung schon früher Bahn gebrochen hätte. Im Archiv von ARD und ZDF findet sich nur leider kein einziger kritischer Beitrag über die finsteren Seiten des ägyptischen Regimes, das dann in sich zusammenbrach. Und was heißt überhaupt Diktator? Hieß der Mann vor nicht allzu langer Zeit noch, von «taz» bis «Süddeutsche», respektvoll «Präsident Mubarak»? Na gut, auch im Journalismus setzt die Erkenntnis manchmal verspätet ein, dafür dann umso heftiger.

Nun wird also eine wertegeleitete Außenpolitik gefordert, die weltweit entschlossen für die Menschenrechte eintritt. Das klingt gut, wer will etwas dagegen haben? Eigenartig nur, dass dieselben Leute, die jetzt so vehement mehr Idealismus einfordern, gerade eben noch die USA für ihre Abkehr von den Prinzipien der Realpolitik gescholten haben. Es war, so schmerzlich dies auch für den einen oder anderen sein mag, der verhasste George W. Bush, der an die Demokratisierung der islamischen Welt glaubte und sich dafür den Hohn und Spott der gesammelten Linken einhandelte.

Ohne auch nur einen Muslim näher zu kennen, wussten alle gleich, warum sich das Modell westlicher Demokratien nicht auf eine rückständige Gesellschaft wie den Irak übertragen lasse und der neokonservative Glaube an den universalen Drang nach Freiheit und Fortschritt naiver Unsinn sei. Möglicherweise hatten die Kritiker sogar Recht, wenn auch aus den falschen Gründen. Für viele Menschen scheint die Aussicht auf Stabilität und Ordnung in der Tat mindestens so wichtig zu sein wie die Garantie bürgerlicher Grundrechte.

Jetzt können wir nur gemeinsam hoffen, dass der Freiheitsdrang am Ende siegt. Die ägyptischen Muslimbrüder haben Amerika und Israel ebenfalls als die Schuldigen ausgemacht, allerdings in der umgekehrten Reihenfolge. Für sie ist Mubarak ein «zionistischer Agent», weshalb er wie die Zionisten vernichtet gehört, dann kommen die «Helfer» aus Amerika. Die eigentliche Revolution ist so gesehen, dass die arabische Jugend nicht auf die Straße ging, um US-Flaggen zu verbrennen und Israel den Tod zu wünschen, sondern sich die eigene Regierung vornahm. Mal sehen, wie lange das anhält.