Spekulieren mit Soros
Warum sind so viele wohlhabende Menschen links? Die kürzeste Antwort lautet: Weil sie es sich leisten können. Wer sich für linke Politik begeistert, muss ein entspanntes Verhältnis zum Geld haben, denn es wird in jedem Fall teuer, wie die Erfahrung lehrt. Tatsächlich sind es vor allem zwei Gruppen, die keinen Grund haben, sich vor linken Sozialisierungsplänen zu fürchten: diejenigen, die immer schon vom Geld anderer Leute lebten und damit gut gefahren sind – und die Glücklichen, die ihr Vermögen schon gemacht haben (und in Sicherheit wissen).
Ein besonders schönes Beispiel für diese Art des Luxuslinken ist der Milliardär George Soros, der mit Währungsspekulationen zu beeindruckendem Reichtum gelangt ist und nun mit großer Regelmäßigkeit über die Ungerechtigkeit des Kapitalismus sinniert. Nahezu jede Protestgruppe aus der bunten Welt der Globalisierungskritik findet in ihm einen erklärten Sympathisanten. Derzeit sind es die Vertreter der «Occupy Wall Street»-Bewegung, die er öffentlich ins Herz geschlossen hat. «Ehrlich gesagt kann ich ihre Gefühle verstehen», verkündete er – was ihn selbstredend nicht davon abhält, aus sicherer Entfernung zum Epizentrum des Aufstands weiter seinen Geschäften nachzugehen.
Dass Soros sich mit Geldvermehrung auskennt, steht außer Frage. Dafür spricht schon die Tatsache, dass er seinen berühmten Quantum Fonds der amerikanischen Finanzaufsicht entzog und in Offshore-Paradiesen wie den Niederländischen Antillen ansiedelte. Aber auch der Spekulant strebt nach Höherem. Weil Soros das Profitstreben irgendwann zu gewöhnlich erschien, entschloss er sich, Bücher zu schreiben. Sie enthalten zwar keinen neuen Gedanken, bringen diesen aber so kritisch unters Volk, dass er seitdem ein gern gesehener Gast ist, wenn man sich seine Vorbehalte gegen die Marktwirtschaft von einem Nutznießer derselben bestätigen lassen möchte.
Besonders gern gesehen ist der Anlageexperte in Deutschland, wo man ihn nicht nur für einen Kenner der Finanzmärkte, sondern auch für einen bedeutenden Intellektuellen hält. Dass Soros in seinem Heimatland USA beileibe nicht den Ruf genießt, den er bei uns hat, kümmert hier keinen. Man kennt das Phänomen aus der Musikbranche: Auch David Hasselhoff hat es in den Staaten nie zu einer vergleichbaren Popularität gebracht wie in Deutschland; deshalb tourt er, solange es seine Leber erlaubt, ja so fleißig durch die hiesige Fangemeinde.
Vermutlich ist diese Anhänglichkeit der deutschen Öffentlichkeit auch der Grund, warum sich Soros immer wieder ausführlich zur deutschen Politik äußert. Jeder Künstler weiß schließlich, was er seinem Publikum schuldig ist. Von der Bundeskanzlerin hält er nicht viel, wie man bei dieser Gelegenheit dann erfährt. Er findet, dass sie in der Euro-Krise viel zu sehr aufs Geld achtet und sich insgesamt zu zögerlich zeigt, den krisengeschüttelten Nachbarn unter die Arme zu greifen. Überhaupt scheint Soros zum Ersparten anderer Leute ein eher ungezwungenes Verhältnis zu haben, aber das ist in seiner Branche nicht unüblich. 2010 kam er extra nach Berlin, um den Deutschen den Sparkurs auszureden. Die Unternehmen müssten endlich die Löhne erhöhen, damit die Menschen mehr Geld zum Ausgeben haben, erklärte er bei dieser Gelegenheit, und der Staat solle mit Schulden weiter die Wirtschaft ankurbeln. Es war ziemlich exakt die Art von Forderungen, die auch auf jedem Gewerkschaftskongress für Beifall sorgen. Dass Soros die Bundesregierung inzwischen ermahnt, die Schulden der Länder zu übernehmen, die genau diese Politik in die Krise geführt hat, ist da nur folgerichtig.
Man weiß nicht, worüber man mehr staunen soll: dass Fonds-Manager wie ver.di-Vertreter reden – oder über den andächtigen Ernst, mit dem das Publikum an den Lippen eines Wall-Street-Milliardärs hängt. Was Soros sich bei seinen Empfehlungen denkt, ist nicht so schwer zu erraten. Auch der Spekulant braucht das Geld des Staats, derzeit mehr denn je, das verbindet ihn mit dem Hartz-IV-Empfänger. Eher rätselhaft bleibt, warum ein Mann als Kronzeuge wider den Kapitalismus verehrt wird, der seinen Anlegern eine Rendite verspricht, von denen jeder normale Kleinsparer nicht einmal zu träumen wagt. Nur wenige Tage nachdem Soros sein Herz für die Wall-Street-Protestler entdeckt hatte, bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte übrigens ein französisches Urteil wegen Insiderhandels, gegen das Soros seit Jahren ankämpft. Das war den meisten Zeitungen, die sonst so große Stücke auf den Großinvestor aus New York halten, allerdings nur eine kleine Meldung in ihren Wirtschaftsteilen wert.
Das eigentlich Ärgerliche ist, dass die Linke Leute wie Soros so billig davonkommen lässt. Auch bei uns gibt es ja den Vertreter dieser Spezies des Linksmillionärs, dessen Namen man unter jeder Unterschriftenliste findet, wenn es um die gute Sache geht. Schade, dass niemand ernst macht und diesen Leuten wirklich die Hälfte ihres Vermögens abnimmt. Aber dann würde die Zahl derjenigen, die für sich selber höhere Steuern fordern, mutmaßlich dramatisch zurückgehen. Das wäre für das Politische-Unterschriften-Gewerbe ein Verlust, den man dort lieber nicht riskieren will.