Für Dich immer noch: die Fußball

Schon die Frage, wie man die Weltmeisterschaft nennen soll, die 2011 Millionen in ihren Bann zog, ist nicht so leicht zu beantworten. Darf man überhaupt von «Frauen-Fußball-WM» sprechen? Niemand käme schließlich auf die Idee, von einer Männer-WM zu reden. Das scheidet also schon einmal aus, weshalb man am besten auf jede geschlechtsspezifische Zuschreibung verzichtet. Auch das unbedachte Gerede von der deutschen «Frauen-Fußballnationalmannschaft» verbietet sich eigentlich von selbst. «Mannschaft» geht gar nicht, wenn einem die Gleichberechtigung am Herzen liegt. Korrekt ist hingegen die Bezeichnung «Team», wie man den Leserbriefspalten der «taz» entnehmen konnte, in denen seinerzeit besonders hingebungsvoll über die emanzipatorischen Aspekte des Wettkampfs diskutiert wurde. «Frauschaft» wäre eine mögliche Alternative, bleibt aber wohl chancenlos, weil nach übereinstimmendem Votum dann doch nicht weltläufig genug.

Bis zum Ausscheiden des deutschen Teams lief eigentlich alles prima: Die Stadien waren voll, die Quoten glänzend, und auch das Wetter spielte halbwegs mit. Aber so können das natürlich nur Leute sehen, für die allein die Freude am Spiel zählt, denn selbstverständlich ging es um weit mehr als um Tore. Glaubt man den fortschrittsgesinnten Kräften im Land, war die WM ein Gradmesser dafür, wie weit wir mit der Emanzipation gekommen sind beziehungsweise welchen Weg wir noch vor uns haben.

Man muss nur einmal in die mit einem Grußwort der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth versehene Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung schauen, um die wahre Bedeutung dieses Großereignisses zu erkennen. Der Aufstieg des Frauenfußballs von einer Randsportart zu einem «festen Standbein der heimischen Teamsportarten» ist danach nicht weniger als eine «wichtige kulturelle Verschiebung in den Geschlechterbeziehungen auf globaler Ebene», ja mehr noch: der endgültige «Beweis für den Triumph des Gleichheitsfeminismus». Kein Wunder also, dass selbst der Schriftzug auf dem Trikot unserer Spielerinnen Anlass zu Debatten darüber gab, ob die Designer dafür die Schrift «Comic Sans» gewählt haben: Die gilt in der Branche angeblich als besonders hässlich, was als versteckte Abwertung gedeutet wurde.

Die Krux am politisch korrekten Fußball ist der erweiterte Wettbewerbsgedanke. Weil die Frauen nicht nur als Sportlerinnen auf dem Platz stehen, die möglichst viele Treffer erzielen sollen, sondern auch als «Aktivistinnen» einer «emanzipatorischen Bewegung», wie es bei den Grünen hieß, konnte der Sieg erst erreicht sein, wenn sie genauso beachtet und gefeiert wurden wie ihre männlichen Konkurrenten bei der WM im eigenen Land 2006. Mindestens so wichtig wie das Torverhältnis war dabei die Einschaltquote; als eigentlicher Erfolg galt nicht die Gruppenführung, sondern der Marktanteil bei den Zuschauern. Der lag bis zur Niederlage im Viertelfinale bei sensationellen 50 Prozent, womit geschlechtspolitisch schon mal Entwarnung gegeben werden konnte (auch wenn sich natürlich fragen lässt, was es für den Stand der Emanzipation in Deutschland wohl bedeuten mag, dass überdurchschnittlich viele Männer ab 60 vor dem Fernseher hocken, wenn das deutsche Frauenteam im Stadion aufläuft).

Der Feminismus hat sich nie wirklich entscheiden können, was er vom Geschlechterunterschied halten soll. Einerseits sind seine Vertreterinnen immer ängstlich bemüht, jede geschlechtsspezifische Zuschreibung in Abrede zu stellen, die sich aus der biologischen Differenz ergibt. Wer darauf hinweist, dass Mädchen schon im Kindergarten andere Interessen verfolgen als Jungs, wird sofort auf den bestimmenden Einfluss von Erziehung und Umwelt verwiesen. Anderseits hält sich bis heute die romantische Vorstellung, dass die Welt irgendwie ein besserer und friedvollerer Ort wäre, wenn die Frauen in ihr mehr zu sagen hätten. Keine Diskussion über die Quote kommt ohne die Bemerkung aus, dass Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte kreativer und profitabler seien. Selbstredend darf auch bei der Befassung mit dem Fußball nicht der Hinweis auf die weibliche Solidarität im Kader fehlen, die zu einem kreativeren und eleganteren Spiel führe.

Wo das Anderssein als Problem begriffen wird, gehört es zum guten Ton, über offensichtliche Besonderheiten hinwegzusehen, deren Erwähnung als Diskriminierung verstanden werden könnte. Das hat selbst die Fifa begriffen, weshalb Ordner vor dem Spiel Brasilien gegen Australien gleich ein Spruchband einkassierten, auf dem der Satz zu lesen war: «Fußball ist alles – auch lesbisch.» Aber halt, das war auch nicht okay. Sofort hieß es, der Fußballverband habe ein Problem mit der gleichgeschlechtlichen Liebe, worauf sich die Verantwortlichen umgehend für den «Fehler» entschuldigten.

Man sieht, es ist wirklich nicht einfach mit der Gleichberechtigung, man kann da echt viel falsch machen. Vielleicht sollte man zur Abwechslung mal nicht über Fortschritt, Frauenrechte und den Weltfrieden nachdenken, sondern künftig einfach nur Fußball schauen. Das wäre ziemlich emanzipiert.