9. Kapitel
Um neun Uhr war es in Francesca’s Fabulous Frocks bereits rappelvoll. Alle Leute, die Frankie seit ihrem Umzug nach Kingston Dapple je kennengelernt hatte, waren aufgekreuzt, und dazu noch viele, viele andere. Sie war schon ganz heiser von den zahlreichen über das Stimmengewirr hinweggerufenen Begrüßungen, und vom vielen Lächeln tat ihr das Gesicht weh.
Es war absolut großartig.
»Das ist ja der Wahnsinn«, stöhnte Lilly, die neben Frankie hinter der Theke im Eiltempo Kleider in lila-goldenen Tragetaschen verstaute und Geld entgegennahm oder Karten durchzog. »Womöglich haben wir es mit unserer Werbekampagne übertrieben. Ich bin verkatert, hatte nur ungefähr fünf Minuten Schlaf, und wir könnten noch gut zwanzig weitere Helfer brauchen, die hier drin bedienen.«
»Ich weiß.« Frankie nickte und ließ den Blick über die Warteschlange vor der Kasse wandern, während sie lila Einschlagpapier um die Kopie eines schwarz-weißen Mary-Quant-Kleides faltete. »Das war ein Punkt, an den ich überhaupt nicht gedacht habe. Ich war viel zu sehr an Rita und mich in einem überwiegend leeren Laden gewöhnt.«
»Ich glaube, diese Zeiten sind endgültig vorbei«, erwiderte Lilly und jonglierte atemlos mit einer Visakarte. »Wenn das so weitergeht, wirst du jemanden einstellen müssen.«
»Bewirbst du dich?«
»Sicher nicht. Ich bin mit dem Job bei Jennifer mehr als zufrieden, vielen Dank.«
»Gut.« Frankie strahlte ein Mädchen aus Bagley-cum-Russet an, das eben ein exotisch gemustertes Vivienne-Westwood-Kleid sowie irgendein Teil aus der Abteilung Siebzigerjahre in mit Ketten verziertem Schottenmuster gekauft hatte. »Zusammen zu wohnen ist eine Sache, aber miteinander zu arbeiten ist etwas vollkommen anderes. Außerdem glaube ich, dass der Andrang nachlassen wird, wenn der heutige Tag erst mal vorüber ist. Das ist nur die typische dörfliche Neugierde auf alles Neue. Wenn der Reiz des Neuen verflogen ist, wird es wieder ruhiger werden. Und ich will kein Geld verschwenden, um jemanden zu bezahlen, der den ganzen Tag lang nur untätig herumsitzt.«
»So wie du früher.«
»Das habe ich nie getan! Na ja, okay, vielleicht wenn gerade nichts los war – wie bitte?« Frankie beugte sich über den Tresen zu einer kleinen Frau in braunem Mantel und Paisley-Kopftuch, beides feucht vom Nebel. »Hosenkleider? Ich bin mir nicht sicher …?«
»Achtziger oder Neunziger«, sagte Lilly, »glaube ich. Soll ich mal nachsehen?«
»Nein, nein. Verlass mich nicht. Amber ist da drüben irgendwo im Gewühl und weist die Leute in die richtige Richtung.« Frankie lächelte die braun gewandete Frau wieder an. »Die Abteilungen, die Sie suchen, sind dort drüben, und das Mädchen mit den blonden Haaren und den blinkenden Rentier-Ohrringen wird Ihnen helfen – sehen Sie sie? Gut. Hoffentlich finden Sie dort etwas. Wenn nicht, kommen Sie wieder zu mir, dann notiere ich mir Ihre Telefonnummer und melde mich, sobald wir etwas Passendes hereinbekommen. Vielen Dank.«
Frankie beobachtete, wie die Frau sich durchs Gedränge zu Amber durchkämpfte, die freundlich lächelte und die entsprechenden Kleiderständer zu durchsuchen begann. Alle waren gekommen. Amber und Clemmie übernahmen die Aufgaben der Einkaufsassistentin und Stilberaterin, Sukie ging mit Sekt und Orangensaft auf einem Tablett herum und beantwortete allerlei Fragen, und Phoebe hatte sich bei den Umkleidekabinen postiert.
Es lief alles bestens. Über das Stimmengewirr der vergnügten Schnäppchenjäger hinweg konnte Frankie Michael Bublé kaum noch hören.
»Was ist mit deinem Warenbestand?«, erkundigte sich Lilly. »Wenn du so weitermachst, ist dein Laden bis Weihnachten leer.«
»Ich habe diese Woche jede Menge Kleiderspenden erhalten. Sie lagern oben in einem der Räume, die Rita nie benutzt hat, und warten darauf, sortiert zu werden. Ich mach mir keine allzu großen Sorgen, dass mir der Nachschub ausgeht – noch nicht. Die Leute scheinen froh darüber zu sein, kurz vor Weihnachten ihre Kleider bei mir abzuladen, um sich neue zu kaufen, oder, ähm, fast neuwertige … Ja, kann ich Ihnen helfen? Sie möchten aussehen wie Brigitte Bardot? Für die hat Ihr Mann immer geschwärmt? Sprechen Sie mit Amber und Clemmie – dort drüben, sehen Sie sie? Die werden Ihnen helfen, in der Abteilung Fünfzigerjahre etwas zu finden – ich glaube, wir haben dort mehrere kurze Karokleider und auch einige schulterfreie.«
»Die wird in einer Million Jahre nicht aussehen wie Brigitte Bardot«, meinte Lilly stirnrunzelnd.
»Nein, aber wenn es ihren Mann glücklich macht.«
»Klingt ziemlich antifeministisch. Jennifer sagt, eine Frau sollte sich in erster Linie für sich selbst schön machen und dann erst für andere.«
»Jennifer Blessing, die große Philosophin«, meinte Frankie lachend, verstummte aber, weil sie plötzlich unter einem herübergereichten Stapel Achtzigerjahre-Spezialitäten begraben wurde: drei Powersuits, drei Jerseykleider mit Fledermausärmeln und ein Hemdkleid in Margaret-Thatcher-Blau, begleitet von einer hektisch hin und her gewedelten Kreditkarte.
Zwei Stunden später, der Laden war noch immer voll, tauchten ein Reporter und ein Fotograf vom Winterbrook Advertiser auf. Sie ließen Frankie vor jeder Abteilung posieren, umgeben von strahlenden Kundinnen mit Kleidern und Tüten und Federboas, dann draußen im frostigen Nebel vor den hübschen, glitzernden Weihnachtsschaufenstern, und zu Lillys großer Erheiterung musste sie sich zuletzt noch, eine Francesca’s Fabulous Frocks-Tragetasche verschämt in der Hand, dekorativ an die Theke lehnen.
»Wetten, die drucken alles falsch«, sagte Frankie, als die Schreiberlinge wieder abzogen. »Du weißt schon, ›Fiona Merryweather, siebenundfünfzig …‹«
»Ja, immer verdrehen sie die Namen irgendwie. Und warum sind die so versessen auf Altersangaben?«, antwortete Lilly stirnrunzelnd, während sie sorgfältig einen Prinzessin-Diana-Glitzerfummel verpackte. »Und immer suchen sie das allerscheußlichste Foto aus. Eines, auf dem man aussieht wie eine fette Ladendiebin vor Gericht.«
»Na vielen Dank, jetzt freue ich mich ja schon ganz doll auf die nächste Ausgabe des Advertiser«, meinte Frankie glucksend. »Trotzdem ist das Ganze wahrscheinlich eine gute Reklame.«
»Nicht, wenn man dich für eine fette Ladendiebin hält.«
»Stimmt«, kicherte Frankie. »Oh mein Gott … es kommen noch mehr Kunden herein … und meine Füße bringen mich um.«
»Ich glaube, meine sind vor Ewigkeiten schon abgefallen.« Lilly sah auf ihre hochhackigen Stiefel hinab. »Meine Zehen habe ich seit halb zehn nicht mehr gespürt. Wir hätten Pantoffeln anziehen sollen. Hallo, kann ich Ihnen helfen?«
Zur Mittagszeit kam es Frankie vor, als gehörte ihr Francesca’s Fabulous Frocks schon immer. Es lief alles wie am Schnürchen. Das dunkle, kalte, neblige Wetter schien niemanden abgehalten zu haben, alle Kunden, die in Kingston Dapple ihre samstäglichen Weihnachtseinkäufe tätigten, waren scharenweise hereingekommen, um sich umzusehen, und mindestens die Hälfte von ihnen hatte etwas gekauft.
Sie war gerade dabei, die Preise für ein Minikleid aus den Sechzigern, ein Boho-Maxikleid aus den Siebzigern sowie ein rückenfreies Cocktailkleid der Achtziger zu addieren, als ihr plötzlich auffiel, dass viele ihrer weiblichen Kundinnen aufgehört hatten, die Kleiderständer zu durchstöbern, und zur Tür starrten.
»Dexter-Alarm«, gluckste Lilly. »Sämtliche Frauen im Laden haben sich in Erdmännchen verwandelt. Er muss irgendwas absondern – wie heißt das noch gleich?«
»Pheromone?«, mutmaßte Frankie.
»Ja – ich glaub schon. Wie auch immer, der Effekt ist wirklich verblüffend, oder?«
Frankie lächelte. So war es.
»Ich weiß, du hast gemeint, du möchtest kein Essen«, sagte Dexter vergnügt durch mehrere Schals hindurch, »zumindest nicht für die Kunden, damit die Kleider nicht schmutzig werden, aber ich dachte mir, du und deine Freundinnen, ihr habt inzwischen bestimmt Hunger, und darum habe ich eine kleine Stärkung aus dem Greasy Spoon mitgebracht.«
»Schinkenbrötchen!« Frankie lief das Wasser im Mund zusammen, als der köstliche Duft über die Theke wehte. »In Mengen! Oh, ich bin am Verhungern. Du bist ein Schatz. Vielen, vielen Dank.«
»Es ist so kalt draußen, dass ich meine schon längst aufgegessen habe, wenn ihr euch also für zehn Minuten oder so in die Küche zurückziehen wollt, halte ich hier die Stellung.«
»Bist du sicher?« Frankie sah ihn fragend an. »Ich meine, es geht ganz schön hektisch zu.«
»Und er ist Dexter, und alle Kundinnen sind weiblich«, zischte Lilly. »Er schafft das schon, solange er auf der einen Seite der Theke bleibt und sie auf der anderen.«
»Falls ihr zu meiner Rettung herbeieilen müsst, rufe ich.« Dexter trat hinter den Tresen. »Geht nur und esst, solange die Brötchen noch warm sind.«
»Danke.« Frankie nahm die Tüten voll herrlich duftender, verbotener Fett-und-Kalorien-Bomben. »Und wer kümmert sich um den Blumenkiosk?«
»Öhm, Giselle oder Genevieve oder wie sie heißt. Die Aushilfskellnerin vom Greasy Spoon.«
»Ginny.« Frankie nickte. »Eine Studentin, arbeitet Teilzeit, sehr, sehr hübsch.«
»Das ist sie.« Dexter grinste. »Ich muss mir später noch was einfallen lassen, um mich bei ihr zu bedanken.«
»Kommt mit, Mädels«, rief Lilly zu Phoebe, Clemmie, Amber und Sukie hinüber. »Mittagspause!«
Zehn Minuten später war Frankie mit herrlich fettigen Fingern gerade bei ihrem dritten Schinkenbrötchen, als Dexter die Küchentür aufmachte. »Tut mir leid, dass ich dich stören muss, aber da fragt jemand nach dir.«
»Ist schon okay«, meinte Frankie und wischte ihre Hände an einem Stück Küchenpapier ab, »ich muss aufhören, bevor ich mich dermaßen vollstopfe, dass ich kugelrund werde. War es ein Mann oder eine Frau oder nicht zu erkennen?«
»Glaubst du, nach dem Abend im Rinky-Dink könnte ich das nicht unterscheiden?« Lachend hielt Dexter ihr die Tür auf. »Okay, nach gestern Abend bin ich mir nicht mehr so sicher … Nein, im Ernst, es ist eine Frau. Genau genommen, zwei Frauen. Wieso?«
»Weil«, sagte Frankie und folgte ihm aus der Küche in den Laden, »ich irgendwie gehofft hatte, es sei der kleine alte Mann, der gestern ein Kleid kaufen wollte. Er hat sich heute Vormittag nicht blicken lassen.«
»Der ist es eindeutig nicht«, sagte Dexter. »Schade allerdings, dass er nicht gekommen ist. Vielleicht konnte er sich nicht dazu durchringen, sich in einem Geschäft voller Leute zu outen.«
»Hmm, mag sein. Ein Jammer, er war irgendwie süß – ach, Mist.«
»Was denn?«
»Du hast nicht gesagt, dass es Beerdigungs-Biddy mit einer Freundin ist.«
»Du hast nicht gefragt. Warum?«
»Biddy und ich sind nach Maisies, äh, Anwandlung nicht gerade im Guten auseinandergegangen.« Frankie holte tief Luft und klebte sich ihr bestes Ladenbesitzerinnen-Lächeln ins Gesicht. »Hallo, Biddy. Schön, dich zu sehen.«
»Ich glaube kaum, dass du das aufrichtig meinst.« Fuchsähnlicher denn je sah Biddy in einem verblassten apricotfarbenen Ensemble aus wie ein runzliger alter Pfirsich, den man vor Langem in der Obstschale vergessen hatte. »Aber sehr höflich von dir, muss schon sagen.«
»Oh, ich bin immer höflich.« Frankie lächelte noch etwas breiter. »Ach, hör mal, lass uns doch hier zum Ende der Theke hinübergehen, dann stehen wir den Kundinnen nicht so im Weg. So. Das ist besser. Also, wie kann ich dir helfen?«
»Es ist eher so, dass ich dir helfen kann.« Biddys spitzes Näschen zuckte, und Frankie erwartete fast, dass sie als Nächstes anfinge, sich die Schnurrhaare zu putzen.
»Tatsächlich?«
»Ja.« Biddys Knopfaugen schweiften abschätzig über die lärmende Menge im Laden, und sie hob ihre Stimme, um das unablässige Geplauder samt Michael Bublés Klage, er sei dir noch nicht begegnet, zu übertönen. »Ich dachte, da du dich über alles hinwegsetzt, was Rita lieb und teuer war, bräuchtest du vielleicht Hilfe.«
Ach herrje, sie bewirbt sich um eine Anstellung, dachte Frankie, winkte Dexter hinterher, der den Laden verließ, und sah sich hoffnungsvoll nach ihren Freundinnen um, die allesamt satt und zufrieden aus der Küche geeilt kamen und augenblicklich im Gewühl verschwanden.
»Nun, ich suche eigentlich noch keine Mitarbeiterin. Aber falls ich Unterstützung brauche, werde ich bestimmt an dich denken.«
»Ich will keinen Job.« Biddys Äuglein verengten sich schockiert zu Schlitzen. »Nicht in meinem Alter. Und mit dir oder für dich würde ich garantiert nicht arbeiten wollen, nein danke.«
»Worum geht es dann?«
»Cherish.« Biddy deutete auf die von Kopf bis Fuß in Taupe gekleidete, noch dünnere und bleichere unscheinbare Frau neben ihr. »Ich dachte, Cherish wäre hier bestimmt eine enorme Bereicherung, da du ja offenbar nicht die Bohne von Farben verstehst, während Cherish alles darüber weiß. Sie ist meine Farbberaterin aus Hazy Hassocks.«
»Ja«, sagte Frankie mit matter Stimme, »ich erinnere mich, dass du von ihr gesprochen hast.«
In Frankies Vorstellung war Cherish mindestens mannsgroß gewesen und eine typische Jamaikanerin: breites Lächeln und weiße Zähne, warmherzig mit kehligem Lachen und unschlagbarem Sinn für Humor. Eine derart blasse und ausgemergelte Person konnte doch unmöglich Cherish heißen, geschweige denn sich als Farbberaterin präsentieren?
»Ähm.« Frankie schluckte und zwang sich zu einem Lächeln. »Cherish, wie nett, Sie kennenzulernen.«
»Freut mich auch«, sagte Cherish in weich schnurrendem Berkshire-Dialekt. »Aber Sie sollten wirklich nicht dieses leuchtende Blau tragen. Nicht bei Ihren Augen und diesen schwarzen Haaren.«
»Äh, nicht? Ich dachte eigentlich, es passt recht gut zu meiner Augenfarbe.«
»Ach, in diesem Punkt werden so viele Fehler gemacht.« Cherish reckte sich zu ihrer vollen Größe von etwa eins sechzig. »Sie möchten doch sicher, dass Ihre Farben Ihrem Inneren entsprechen.«
Rosa, rot, blutig und schleimig?, dachte Frankie angewidert.
»Sie«, Cherish beäugte sie über den Tresen hinweg, »sind ein grauer Typ. Dunkel. Beinahe farblos. Sie sollten ein hübsches Blaugrau tragen oder Zinngrau oder Aschgrau. Sie sind der Typ fahler Winterabend. Grau, meine Liebe, das ist Ihre Farbe. Es gibt nicht viele von Ihrer Sorte.«
Frankie blinzelte. Also nur sie selbst und John Major?
»Grau habe ich wirklich noch nie gemocht. Mir sind leuchtende Farben lieber.«
»Großer Fehler«, meinte Cherish seufzend. »Leuchtende Farben übertönen Ihre wahre Persönlichkeit. Sie werden nie Glück und Erfolg finden, solange Sie Ihre Farben nicht Ihrer Seele anpassen. Und Ihre Seele, meine Liebe, ist durch und durch grau.«
Na toll, dachte Frankie.
»Also bitte, da siehst du es.« Biddys Nase zuckte begeistert in Frankies Richtung. »Da warst du total schief gewickelt, nicht wahr? Hör auf mit all diesen bunten Farben und fang an, Grautöne zu tragen. Es wird dein Leben verändern.«
»Ich werd’s mir merken«, murmelte Frankie.
Cherish strahlte.
Biddys Nase zuckte noch ein bisschen stärker. »Hab dir doch gesagt, dass sie gut ist, nicht wahr? Also, was ich mir gedacht hab, ist, wenn Cherish sich hier drüben bei den Umkleidekabinen postiert, könnte sie die Leute abfangen, bevor sie hineingehen, sich ansehen, was sie ausgesucht haben, und Klartext mit ihnen reden.«
»Und ich würde freiberuflich arbeiten«, ergänzte Cherish voller Begeisterung. »Ich wäre wie eine Subunternehmerin. Sie müssten mir nichts bezahlen. Das würden die Kunden tun.«
Sofern nach Cherishs niederschmetternder und haarsträubend grauenhafter Beratung noch irgendwelche Kunden übrig blieben, dachte Frankie düster. Sie setzte das professionelle Lächeln auf. »Nun, das ist ein sehr freundliches Angebot, und wenn die Boutique sich vielleicht erst ein wenig etabliert hat, könnte ich möglicherweise interessiert sein, unser Spektrum zu erweitern, doch momentan bin ich ja erst noch dabei, mich einzuarbeiten und …«
»Du gibst Cherish einen Korb?«, fragte Biddy empört.
»Ja. Tut mir leid. Ich fürchte, im Augenblick ist das nichts für mich.«
»Wenn du sie jetzt nicht nimmst, dann wird Dorothy Perkins in Winterbrook sie sich schnappen.« Biddy blinzelte zornig. »Es war wirklich ein Fehler von Rita, dir die Verantwortung für diesen Laden zu überlassen. Du weißt nicht, was gut für dich ist. Wenn du so weitermachst, hast du Ritas nette kleine Boutique spätestens bis Ostern ruiniert.«
»Wie wäre es, wenn ich einfach meine Visitenkarten hier auf die Theke lege, Liebes?«, fragte Cherish mit hoffnungsvoller Miene. »Auch wenn ich momentan nicht wirklich hier arbeiten kann, möchten Sie mich ja vielleicht empfehlen. Ich arbeite sowieso überwiegend von zu Hause aus.«
»Äh, ja, okay.« Skeptisch beäugte Frankie den Stapel eselsohriger, selbst gebastelter Visitenkarten. »Lassen Sie sie nur da. Das ist prima.«
Biddy und Cherish kämpften sich durch die Boutique und blieben stehen, um sich eine Auswahl pastellfarbener Ballonkleider anzusehen. Frankie wollte sich irgendwie kaum vorstellen, wie Biddy in einem Ballonkleid aussehen würde …
»Was war das denn eben?« Lilly unterbrach die Bedienung am anderen Ende des Tresens und ließ einen weiteren Arm voll lila-goldener Tragetaschen auf einen rutschigen Haufen fallen. »Das hab ich nicht ganz mitgekriegt.«
»Ach, die miesepetrige Biddy hat mir nur ihre Farbberaterin Cherish vorgestellt. Cherish möchte hier arbeiten und den Leuten erklären, dass sie alle öde und langweilig sind und die Farben ihrer Kleidung zu ihrem inneren Selbst passen müssten. Sie meint, so wie es aussieht, wäre ich ein grauer Wintertyp.«
Lilly kreischte vor Lachen. »Du bist vielleicht komisch! Nie im Leben könnte ich mir so eine Geschichte ausdenken. Du hast wirklich eine unglaubliche Fantasie. Ach herrje, da ist Big Stacey, die bei Londis arbeitet, und schaut sich die Bibas in Größe vierunddreißig an. Ich bin mit ihr zur Schule gegangen, und sie hatte immer mindestens Größe achtundvierzig. Wir haben ein paar hübsche Kaftane, die würden ihr stehen. Sagst du es ihr, oder soll ich?«
Frankie schüttelte den Kopf. »Überlassen wir das lieber Clemmie und Amber. Die sind für Stilberatung zuständig. Wir kassieren nur. Okay, die Nächste bitte …«
Aus dem Augenwinkel sah Frankie, wie Biddy und Cherish sich glücklicherweise von den Ballonkleidern entfernten und in Richtung Tür durch die Menge drängten. Sie schnappte sich Cherishs Visitenkarten und wollte sie gerade in den Papierkorb fallen lassen, als Biddy sich umdrehte, zur Theke zurücktrippelte und die Hand voller Karten scharf ansah.
»Ach, ähm, ich wollte sie nur gerade in Sicherheit bringen.«
Biddys Nase zuckte. »Gut, aber was ich vorhin noch sagen wollte, ich bin bei Maisie Fairbrother gewesen. Sie ist noch immer schwer traumatisiert. Und sie bleibt dabei, dass es hier spukt. Und trotz der Ignoranten in diesem Dorf weiß ich ganz genau, dass Maisie sich nie täuscht, wenn sie eine Heimsuchung durch Geister wittert. Also, sieh dich vor, mein Mädchen. Du brauchst Maisie, damit sie hier deine Gespenster austreibt, jawohl, sonst wirst du in diesem Laden Schwierigkeiten bekommen, die dir hoffnungslos über den Kopf wachsen.«