8. Kapitel

Und selbstverständlich, dachte Frankie am nächsten Morgen, war ja wirklich nichts dabei. Lilly und Dexter waren beide flirtfreudig und flatterhaft und für jeden Spaß zu haben. Keiner von beiden war auf der Suche nach der großen Liebe oder gab vor, auf eine feste Bindung aus zu sein – konnte wahrscheinlich nicht einmal das Wort buchstabieren –, sie passten doch wunderbar zusammen.

Es war ja schließlich nicht so, dass sie selbst an Dexter irgendwie interessiert gewesen wäre. Oder er an ihr. Außerdem hatte er nicht nur durch sein schnelles Rendezvous mit Lilly, sondern auch mit seinem »speziellen Heimservice« bewiesen, dass er genau das war, wofür sie ihn von Anfang an gehalten hatte: ein unbezähmbarer, unverbesserlicher, unwiderstehlicher Schürzenjäger.

Unter diesen Bedingungen war es für ihr Selbstwertgefühl und ihr Seelenheil – ganz zu schweigen von der Unversehrtheit ihres gerade erst wieder verheilten Herzens – sehr viel besser, wenn sie einfach nur Freunde waren. Und folglich, dachte sie, während sie herumtigerte und nervös immer wieder die Inneneinrichtung von Francesca’s Fabulous Frocks inspizierte, machte es doch überhaupt nichts, dass Dexter Lilly aufgefordert hatte, mit ihm auszugehen, und nicht sie.

Nein, natürlich nicht … und auch wenn er sie selbst gefragt hätte, wäre sie ja sowieso nicht mitgegangen, oder etwa doch? Nein, natürlich nicht – also, wahrscheinlich eher nicht …

Frankie wanderte durch den Laden und schob alle Gedanken an Dexter in Verbindung mit Lilly oder Frauen im Allgemeinen beiseite und hakte im Geiste ihre Checkliste ab. Jeder Quadratzentimeter glänzte. Die Kleider hingen ordentlich auf ihren Bügeln und waren alle mit Preisen ausgezeichnet. Dann kamen die Beleuchtung – Strahler und Dimmer, nach oben und unten gerichtete Stehlampen – und die Stereoanlage. Alles bestens. Michael Bublé säuselte sanft aus allen Ecken, und die Parfümzerstäuber erfüllten den Raum mit Wölkchen von Sommerwiesenduft.

Okay. Frankie trat zurück und holte tief Luft. Jeder Punkt tipptopp. Es war kurz vor acht. Alles war bereit. War sie es auch?

Sie begutachtete sich selbst noch einmal in einem der hohen Standspiegel. Mit ihrer äußeren Erscheinung nie so ganz zufrieden hatte sie sich für diesen Vormittag besonders große Mühe gegeben. War schon in Ordnung. Das kobaltblaue Rollschuh-Kleid aus den Siebzigerjahren stand ihr gut. Und die dunkelblaue Strumpfhose und hohen Stiefel ließen ihre langen Beine sogar noch länger erscheinen. Sah sie aus wie die Inhaberin einer Boutique? Frankie kicherte vor sich hin. Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls fühlte sie sich überhaupt nicht so.

Sie war ihren beiden Weckern und dem Telefon zuvorgekommen und schon gegen sechs Uhr morgens aufgestanden, um sich fertig zu machen. Und ja, bevor sie aus dem Haus gegangen war, hatte sie einen kurzen Blick in Lillys Schlafzimmer geworfen. Nur um sich zu vergewissern, dass Lilly sicher nach Hause gekommen war. Natürlich nicht, um nachzusehen, ob Dexter ihr Bett teilte. Kein Gedanke!

Und Lilly, allein in ihrem minimalistischen Messingbett, hatte sie über den Rand der weißen Daunendecke hinweg mit aufgerissenen Augen angestarrt und gesagt, sie stünde gleich auf, war jedoch im nächsten Augenblick prompt wieder eingeschlafen.

Also … in einer halben Stunde würde Frankie Francesca’s Fabulous Frocks zum allerersten Mal für die Kundschaft öffnen. Sie freute und fürchtete sich zugleich.

An Rita und Ray hatte sie Pläne und Fotos der renovierten Räumlichkeiten gemailt und begeisterte Antworten sowie eine riesige griechische Glückwunschkarte erhalten. Auch hatten ihre Freundinnen versprochen, bis spätestens neun Uhr da zu sein, um ihr zu helfen. Jetzt war nichts weiter mehr zu tun, als abzuwarten, ob an diesem kalten, grauen, nebligen Morgen wirklich irgendwelche Kunden auftauchen würden.

»Hi.« Dexter, der es schaffte, in Jeans und Stiefeln und einem dunkelblauen Pullover unter der Lederjacke wirklich toll auszusehen, obwohl er dazu eine schmuddelige Geldschürze und fingerfreie Fäustlinge trug, drückte die Tür auf. »Guten Morgen, viel Glück zum Eröffnungstag, du siehst wunderschön aus – und die hier habe ich dir mitgebracht.«

»Oh, wow.« Frankie nahm den üppigen Strauß regenbogenbunter exotischer Blumen entgegen. »Vielen, vielen Dank. Die sind ja sagenhaft. Sind die von Ray, äh, von deinem Stand?«

»Nein.« Dexter sah gekränkt aus. »Das wäre ja wohl ein reichlich billiges Geschenk, findest du nicht? Ich habe keine solchen Blumen. Ich habe sie extra in Winterbrook bestellt und gerade eben erst abgeholt.«

»Ach … Ich meine, das ist wirklich nett von dir.« Frankie war ein bisschen aus dem Konzept geraten. Sie hatte bisher nur äußerst selten Blumen geschenkt bekommen. Und diese hier waren atemberaubend. Noch dazu hatte Dexter sich besondere Mühe gegeben, sie für sie zu bestellen – auch wenn er sich wenige Stunden später mit Lilly getroffen hatte und davor vermutlich mit der hübschen Blondine im Kamelhaarmantel. »Ehrlich – vielen Dank!«

»Gern geschehen. Du verdienst sie. Und das hier habe ich auch noch mitgebracht. Ich wusste nicht, ob du für irgendwelche Erfrischungen gesorgt hast.«

Frankie blinzelte ungläubig beim Anblick der Magnumflasche Krug. »Mensch – nein. Ich dachte, etwas zu essen ginge gar nicht, damit nichts an die Kleider kommt, und so habe ich nur ein bisschen billigen Schampus und Orangensaft, nicht so was Köstliches wie den hier. Das ist sehr großzügig von dir.«

Dexter grinste. »Kein Problem. Du kannst den Schampus ja an die Herumstöberer ausschenken, und den echten Champagner an die Käufer. Oder noch besser, heb ihn bis zum Ende des Tages für Freunde auf. Ich stell ihn in den Kühlschrank, ja? Ach, und hast du eine Vase in der Küche? Ich dachte, die Blumen würden sich auf dem Tresen gut machen. Noch ein weiterer Farbtupfer.« Er sah sich im Geschäftsraum um. »Das ist wirklich unglaublich. Wahnsinn. Du hast unheimlich hart gearbeitet.«

»Danke.« Frankie bemühte sich, Dexter nicht allzu offensichtlich anzustarren, während sie ihn auf Spuren einer mehr oder minder durchgemachten Nacht musterte. Er sah, fand sie, atemberaubend sexy aus, hatte einen beneidenswert klaren Blick, wirkte hellwach und offenbar in keinster Weise mitgenommen. »Und ja, Rita hat ein paar Vasen unter dem Spülbecken verstaut. Ich glaube, die stehen immer noch dort.«

Er nahm die Blumen und den Champagner und verschwand in der Küche.

Frankie blickte ihm nach und seufzte. Er war wirklich nett. Doch das war Joseph ja schließlich auch gewesen. Zumindest bis zu dem schrecklichen Ende. Und nach Joseph, so hatte sie sich geschworen, sollte es keinen anderen mehr geben. Außerdem war sie ja schließlich bereits zu dem Schluss gekommen, dass Dexter ganz eindeutig ein Herzensbrecher der übelsten Sorte war. Mädchenhafte Albernheiten aller Art waren Dexter gegenüber tunlichst zu vermeiden.

Zwanzig nach acht. Von Lilly oder den anderen noch immer keine Spur. Vielleicht sollte sie alle Vorsicht in den Wind schießen – oder vielmehr in den eisigen, feuchtkalten Nebel – und die Tür weit aufmachen, um die Scharen begieriger Käufer willkommen zu heißen?

Nein, das könnte die Heizungsrechnung in schwindelerregende Höhen und ihr Geschäft in den Konkurs treiben, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die Leute die Schaufenster und die Lichter bemerkten oder die Plakate und Flyer gesehen hatten und neugierig genug waren, die Tür aufzustoßen und einzutreten.

Wer erst einmal drinnen war, davon war Frankie überzeugt, würde gewiss nicht widerstehen können.

»Hier, bitte schön.« Dexter setzte die riesige Blumenvase mit einem Plumps am Ende der Theke ab. »Dort machen sie sich wirklich gut, findest du nicht? Auch wenn«, er streichelte die Blüten, »ich keine Ahnung habe, wie sie heißen. So weit bin ich in meinem Blumen-Bestimmungsbuch offenbar noch nicht gekommen. Mit Stechpalmen und Misteln hingegen kenne ich mich inzwischen schon ziemlich gut aus, und ich weiß auch, was eine Eisbegonie ist.«

»Herzlichen Glückwunsch.« Frankie lachte. »Klingt, als wärst du auf bestem Weg. Öhm, und hast du dich gestern Abend gut amüsiert?« Sie stöhnte. Sie hatte wirklich nicht vorgehabt, irgendetwas zu sagen.

»Gestern Abend? Bei meinen Frei-Haus-Lieferungen?«

»Nein, also, ja – eigentlich meinte ich danach.«

»Ach, du meinst in diesem Rinky-Dink-Club? Ja, bestens, danke schön. War ein echter Augenöffner. Mir war gar nicht klar, dass es ein Travestielokal ist, bis wir dort ankamen. Den Großteil des Abends über habe ich versucht herauszufinden, wer Männchen und wer Weibchen ist.«

Der durchdringende Treibhausgeruch der Blumen vermischte sich angenehm mit dem lieblichen Wiesenduft aus den Zerstäubern. Michael Bublé erklärte der Allgemeinheit eindringlich, dass er nach Hause wollte.

»Lilly geht oft dorthin.« Ohne Dexter anzusehen, wischte Frankie nicht vorhandenen Staub von der Theke. »Sie liebt dieses Lokal.«

»Ja, hat sie gesagt. Sie ist ein lustiges Mädchen – nette Gesellschaft.« Dexter nickte. »Offen gestanden hat es gutgetan, aus der trostlosen Einzimmerwohnung rauszukommen und ein bisschen hiesiges Nachtleben kennenzulernen.«

»Hm.« Frankie suchte auf der makellos sauberen Theke nach weiteren Schmutzflecken. »Bestimmt. Hast du YaYa Bordello kennengelernt? Sie ist eine gute Freundin von uns und tritt regelmäßig im Rinky-Dink auf.«

»Ja. Wirklich ein Original! Und so mondän. Sie hat uns ihren Freundinnen vorgestellt, ähm, Cinnamon und Campari, Foxy – oh, und jemand namens Midnight, den ich nun wirklich für eine Frau gehalten hätte, was er aber anscheinend doch nicht ist, und nicht einmal schwul, sondern verheiratet mit Kindern und Busfahrer.«

Frankie lachte. »Das Rinky-Dink ist nicht jedermanns Geschmack, aber es klingt, als hätte es dir gefallen.«

Dexter nickte. »Hat es. Es war wirklich nett von Lilly, mich einzuladen.«

»Sie hat dich aufgefordert?«

»Ja. Sie hatte zwei Freikarten, die ihr jemand im Kosmetiksalon geschenkt hat. Sie meinte, dich zu fragen hätte gar keinen Zweck, weil du wegen dem Laden hier viel zu erledigt wärst, und alle anderen, die sie kennt, würden mit Ehemann, Freund und/oder Babys viel zu langweilig im Nest hocken, um abends spontan auszugehen, und daher hat sie mich eingeladen.«

Unerklärlicherweise hätte Frankie auf einmal vor Freude einen Purzelbaum schlagen können. »Öhm, ja, das war wirklich nett von ihr. Und, äh, werdet ihr euch wiedersehen?«

»Ja, natürlich.«

Die Purzelbaum-Freude sank augenblicklich in sich zusammen wie ein verpatztes Soufflé.

»In«, Dexter sah auf die Uhr, »etwa zwei Minuten, wenn sie wie versprochen hier aufkreuzt, um dir zu helfen.«

»Ach so.« Frankie bemühte sich, nicht übers ganze Gesicht zu strahlen. »Na ja, angesichts der Verfassung, in der sie war, als ich heute Morgen aus dem Haus bin, zähle ich eher nicht darauf.«

»Ich auch nicht. Ich bin gefahren und nüchtern geblieben, aber Lilly hat bei den Woo Woos mächtig zugelangt. Als wir auf dem Rückweg bei eurem Haus ankamen, war sie schon fest eingeschlafen. Ich musste sie praktisch den Gartenweg entlang und durch die Haustür schieben.«

Frankie lachte und hoffte, dass sie dabei nicht erleichtert aussah, sondern einfach nur erheitert.

»Ach ja«, sagte Dexter. »Und noch was, wo wir gerade beim Thema Crossdressing sind. Sie hat mir von deinem unerwarteten Besucher gestern erzählt.«

»Hat sie das?«, fragte Frankie vergnügt zurück. »Nun ja, rückblickend war es wirklich lustig, aber im ersten Moment war ich ganz schön erschrocken.«

»Du hättest mich rufen sollen.«

»Keine Sorge, wenn es ein eins achtzig großer Kerl mit Gesichtsmaske gewesen wäre, der einen Baseballschläger schwingt, wäre ich wie der Blitz bei dir drüben gewesen. Aber er war wirklich süß. Ich hoffe sehr, er kommt heute Vormittag, um das Kleid zu kaufen, welches auch immer er ins Herz geschlossen hat.«

Dexter schüttelte den Kopf. »So spannende Sachen sind in Oxford nie passiert. Und dabei hat Ray mir erzählt, Kingston Dapple sei ein verschlafenes kleines Kuhkaff, in dem nie irgendwas los ist.«

»Selbst verschlafene kleine Kuhkäffer haben so ihre, ähm, komischen Vögel.«

Dexter nickte. »Und soweit ich das beurteilen kann, haben sich die meisten davon hier drin schon blicken lassen – Anwesende natürlich ausgenommen.« Er lachte und duckte sich vor Frankies scherzhaftem Boxhieb. »Ich schätze, ich gehe jetzt besser und mache meinen Kiosk auf. Ich werde all meinen Kundinnen empfehlen, hier reinzuschauen, um ein Partykleid zu kaufen, und falls irgendwer nach diesen Blumen fragt, revanchier dich doch bitte, indem du behauptest, sie wären aus meinem Kiosk, und die Leute quer über den Marktplatz schickst.«

»Natürlich. Und nochmals vielen Dank.«

»Viel Glück.« Dexter beugte sich plötzlich vor und küsste sie auf die Wange. »Du schaffst das. Später erzählst du mir, wie es gelaufen ist, okay?«

»Okay«, antwortete Frankie leise, als er das Geschäft verließ, und riss sich zusammen, um ihre Finger nicht an die Wange wandern zu lassen.

»Hallöchen, und entschuldige, dass ich so spät komme. Du hättest mich wecken sollen!« In hautengen Jeans, ihrem Markenzeichen, und einem bonbonrosa T-Shirt sowie gelben Stiefeln wirbelte Lilly zur Tür herein.

»Hab ich. Du bist gleich wieder eingeschlafen.«

»Daran kann ich mich nicht erinnern. Und ich habe Ewigkeiten gebraucht, hier irgendwo einen Parkplatz zu finden, und bin wahrscheinlich noch immer oberhalb der Promillegrenze, sodass ich gar nicht hätte fahren dürfen. Wenn du mich geweckt hättest, hätten wir zusammen herfahren können. Und, war das Dexter, der da eben gegangen ist?«

»Lässt das Kurzzeitgedächtnis schon nach? Wirklich ein Jammer, in deinem Alter«, spöttelte Frankie. »Soweit ich weiß, habt ihr euch doch vor drei Stunden erst verabschiedet.«

»Oh, bitte nicht!« Lilly wankte hinter die Theke. »Ich hab einen höllischen Kater. Wir haben uns gut amüsiert, glaube ich. Aber er flirtet wirklich mit jeder. Midnight hatte es ihm echt schwer angetan. Wie war er doch enttäuscht, dass sie in Wirklichkeit ein Mann und auch noch hetero ist. Ich glaube, da hätte er der holden Weiblichkeit beinahe abgeschworen.«

»Das bezweifle ich.«

»Hmm, ich auch.«

»Es war wirklich unheimlich nett von dir, ihn mit deinen Freikarten zu einem Ausgehabend einzuladen.«

»Er hat es dir also erzählt?« Lilly blinzelte. »Das war wohl eben ironisch? Gib dir keine Mühe, geistreich zu sein. Dafür bin ich noch viel zu benebelt.«

»Okay.« Frankie zuckte mit den Schultern. »Warum hast du ihn eingeladen?«

»Was glaubst du denn? Weil er unheimlich scharf ist. Du hast doch nichts dagegen, oder?«

»Nein, warum sollte ich?«

»Dann ist’s ja gut. Weil du nämlich Recht hast, was ihn betrifft. Er ist eindeutig ein Casanova. Man unterhält sich glänzend mit ihm, aber, tja, zumindest in der Zeitspanne, an die ich mich erinnern kann, bevor die Woo Woos mich umgehauen haben, hat er jede andere Frau – oder jeden Mann, bis er den Irrtum bemerkte – im Club angesehen und mit seinem ganzen Charme beglückt.«

»Immer auf der Suche nach dem nächsten Leckerbissen?«

»Ja. Dexter ist ein toller Typ, nur keiner, mit dem man sich niederlassen könnte. Jede Frau, die mit Dexter ausgeht, ist nur eine von vielen. Was ja in Ordnung ist, solange man Bescheid weiß. Ach, diese Blumen sind ja herrlich.« Lilly hangelte sich am Tresen entlang und vergrub ihr Gesicht in dem Strauß. »Wow. Fantastisch. Hast du …?«

»Nein, die sind von Dexter.«

»Cool. Siehst du, ich hab dir doch gesagt, er steht auf dich.« Lilly zog einen Schmollmund. »Jetzt wünschte ich, ich hätte all das andere eben nicht gesagt. Tut mir leid.«

»Braucht es nicht. Da bin ich auch selbst schon drauf gekommen. Ich hab ihn ja mit seinen Kundinnen in Aktion gesehen, und ich glaube noch immer, dass er Oxford wegen einer Frau verlassen hat.«

»Wegen einer oder auch dreißig.« Lilly nickte. »Autsch. Erinnere mich dran, meinen Kopf nicht zu bewegen. Das tut weh.«

»Du hast also nicht herausfinden können, warum er aus Oxford weg ist? Oder was er früher gemacht hat, oder wie es kommt, dass er so einen unheimlich teuren Wagen fährt und all das?«

»Nein. Glaub mir, ich habe mich wirklich bemüht, ihn auszuquetschen, ganz wie Jeremy Kyle es mit seinen Talkshowgästen macht. Ich habe alle Fragen gestellt, aber er hat nichts verraten. Er hat einfach dichtgemacht. Vielleicht ist es eine ganz langweilige Geschichte – wie etwa, dass es zwischen ihm und seiner Freundin aus war und sie ihn aus der gemeinsamen Wohnung rausgeworfen hat und ihm in welchem Job auch immer gekündigt wurde, er jedoch seinen Dienstwagen ganz billig übernehmen konnte, und das alles auf einmal, sodass Rays Einladung, hierherzukommen und sich in Kingston Dapple wieder zu fangen, genau zum richtigen Zeitpunkt kam und seine einzige Rettung vor Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit darstellte. Vielleicht möchte er nur aus allem ein großes Geheimnis machen, weil Ray ihn als echt üblen Typen angekündigt hat und es ihm peinlich ist, dass gar nichts dahintersteckt.«

Frankie lachte. »Wenn man bedenkt, in welcher Verfassung du bist, klingt das ja ganz schön tiefgründig aus deinem Munde.«

»Ja, nicht wahr?« Lilly war sichtlich erfreut. »Also, wenn du möchtest, dass ich heute überhaupt irgendetwas arbeite, muss ich mich jetzt erst mal in schwarzem Kaffee ertränken und Paracetamol einwerfen, und sprich mich bitte mindestens eine Stunde lang nicht laut an.«