20.
Die gesamte Lizzie Piper Roadshow versammelte sich zum ersten Mal am Sonntag, dem achtundzwanzigsten Juli in Vienne, südlich von Lyon. Lizzie und Susan waren von London hergeflogen und in einem Miet-Peugeot zu dem Haus am Stadtrand gefahren, das der Essen-und-Trinken-Kanal angemietet hatte. Richard Arden, der Produzent, Bill Wilson, der Regisseur und Gina Baum, die Regieassistentin, waren zwei Tage vorher im Eurostar nach Frankreich gereist und trafen am selben Tag wie Lizzie und Susan in einem Miet-Citroën ein. Das Team – eine ganze Horde, stellte Lizzie mit einem Anflug von Panik fest – kam später am Abend mit einem Minibus und einem Lkw, aus dem tonnenweise Equipment ausgeladen wurde.
»Wer sind die alle?«, flüsterte Lizzie Susan zu.
»Hab nicht die leiseste Ahnung.«
»Ich dachte, Richard sagte etwas von einem ›intimen‹ Arbeitsumfeld.«
»Vielleicht stimmt das ja auch«, meinte Susan zweifelnd. »Vielleicht sind einige von denen nur hier, um beim Ausladen zu helfen.«
Eine Stunde später rief Lizzie in Marlow an und sprach zuerst mit Gilly, die ihr erzählte, dass sie und die Kinder wohlauf und voller Vorfreude waren; sie würden in weniger als einer Woche mit Christopher abreisen, um die Roadshow in San Remo zu treffen.
»Christopher ist hier«, sagte Gilly. »Bleib dran.«
»Wie geht es meinem Star?« Seine Stimme klang herzlich.
»Der Star ist starr vor Angst.« Lizzie senkte die Stimme. »Ich bin nicht sicher, ob das hier das Richtige für die Kinder ist. Was, wenn das alles zu viel wird?«
»Jack sitzt schon auf glühenden Kohlen.«
»Es ist nicht nur Jack, um den ich mir Sorgen mache. Sophie ist noch so klein.«
»Sophie ist sieben und sehr flexibel, wie alle unsere Kinder.« Christopher war in seiner typischen, fröhlichen, optimistischen Stimmung. »Du machst dir unnötige Sorgen, Liebling.«
»Ich sage ja nur, dass du darauf vorbereitet sein solltest, das Ganze abzublasen, falls nötig.«
»Wir werden gar nichts abblasen müssen«, sagte Christopher. »Im schlimmsten Fall bleiben die Kinder und ich im Hotel und verbringen einen ganz normalen Urlaub, während du schuftest.«
»Das ist ja alles schön und gut.« Lizzies Panik war nur wenig gedämpft. »Aber ich weiß nicht mal, ob ich mit alldem hier zurechtkomme.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte Christopher. »Du würdest das auch auf dem Kopf stehend schaffen.«
»Ich freue mich, dass du so denkst.«
Sie schaffte es. Sobald die Fernsehleute alles aufgebaut hatten und nachdem Lizzie, Susan, Arden und Wilson genau besprochen hatten, was sie im Laufe der nächsten Tage tun würde, fühlte sie sich entspannter.
»Einen halben Tag frei«, verkündete Arden, »um ein Gefühl für diesen Ort zu kriegen.«
»Nicht viel Zeit, um die Ausgrabungsstätten zu besichtigen«, sagte Susan.
Die Tatsache, dass Vienne zu den bedeutendsten Fundstätten antiker römischer Gebäude in Frankreich zählte, hatte bei Lizzies Entscheidung für die Stadt als erstem Drehort mit eine Rolle gespielt. Ursprünglich hatte sie gehofft, sie könne ihre erste Fernsehküche in einem der alten Stadthäuser einrichten, die man im Distrikt Saint-Roman-en-Gal ausgegraben hatte, und in antiken (oder zumindest antik aussehenden) Gefäßen kochen. Allerdings hatte sich herausgestellt, dass die Versicherungsauflagen, selbst wenn man ihnen die Erlaubnis erteilt hätte, beängstigend gewesen wären.
Abgesehen davon, dass die unmittelbare Umgebung eine reiche Auswahl an fantastischen Drehorten für die Film-Einspieler bot, war auch die Nähe zu Lyon für Lizzie ein wichtiges Kriterium gewesen. Lyon galt vielen Kennern als gastronomische Hauptstadt der Welt und war überdies als Heimat von La Pyramide zu Ruhm gekommen: dem Restaurant des verstorbenen Fernand Point, ein legendärer Koch, dessen Küchenphilosophie seit vielen Jahrzehnten ungebrochen ganze Heerscharen von Küchenchefs inspirierte.
»Zu wenig Zeit«, sagte Lizzie am Ende des ersten von drei vorgesehenen Drehtagen zu Susan. »Ich weiß gar nicht, wie wir das schaffen sollen.«
»Verfall nicht wieder in Panik«, erwiderte Susan und schenkte ihr einen Cognac aus Ardens großzügigem Vorrat ein. »Du weißt genau, dass ihr es schafft.«
»Aber bisher haben wir nichts weiter getan, als über den Markt zu laufen und die Küche auszustatten.«
»Sodass ihr wahrscheinlich morgen das ganze Ding in einem Rutsch abdrehen könntet, wenn es hart auf hart käme.«
»Vielleicht wenn alles live wäre, und das möge der Himmel verhüten«, sagte Lizzie. »Aber wenn der heutige Tag ein Maßstab war, wird aus jeder Pfefferschote, die ich mahle, eine eigene Produktion.«
Susan lachte. Sie war an diesem Morgen mit auf dem place du marché gewesen, als Wilson, der mit einer kleinen, mobilen Kameraeinheit die ersten Aufnahmen gemacht hatte, darauf bestand, dass Lizzie denselben Pfirsich nicht weniger als fünf Mal kaufte, bevor er zufrieden war.
»Du musst das so sehen, Lizzie: Wenn es darum geht, jeden Abend dein Tagebuch zu schreiben, bringt das, was schief geht, viel mehr Spaß als alles, was mühelos von der Hand geht.«
»Ich weiß nicht, ob Richard sich auch so darüber freuen kann, wenn alles in einer Katastrophe endet.« Arden hatte Lizzie bereits zwei Lektionen über die Themen Tageslicht-Verschwendung und Budget erteilt.
»Nichts wird in einer Katastrophe enden«, sagte Susan. »Trink deinen Cognac.«
»Susan Blakes Allheilmittel«, sagte Lizzie. »Alkohol.«
Das Haus, in das man sie einquartiert hatte, hätte unter normalen Umständen geräumig und luftig gewirkt, doch bei diesen vielen Leuten – plus die gesamte Ausrüstung und die Scheinwerfer – wurde die Atmosphäre rasch beengt. Nachdem Lizzie an den Außendrehorten, wo sie nur Ware ausgesucht und sich wie eine normale Touristin verhalten hatte, beinahe schon professionell vor der Kamera gestanden hatte, spannten ihre Nerven sich sofort wieder zum Zerreißen an, als es daran ging, in dem großen Küchen-Fernsehstudio die einleitenden Worte zu sprechen.
»Ferdinand Point war der Meinung, dies seien die Stars sowohl in der Küche als auch auf der gedeckten Tafel.«
Sie blickte vom unbeirrbaren Auge der Kamera hinunter auf das mittlerweile viel zu warme Huhn und die zwei Körbe Gemüse.
»Wenn seine Zutaten so waren, wie er sie wollte – erntefrisch und von bester Qualität –, empfand er es als geradezu kriminell, die Kunst des Kochens dafür zu missbrauchen, ihren essenziellen Geschmack zu verfälschen. Alles, was Monsieur Point in einem Gericht vereinte, musste …«
Irgendwo im Haus klingelte ein Telefon.
»Scheiße«, sagte Bill Wilson.
»Cut«, sagte jemand anders.
Das Telefon verstummte, und Lizzie wartete auf ihr Zeichen.
»Action.«
»Alles, was Monsieur Point in …«
»Cut«, sagte Wilson.
Lizzie schirmte ihre Augen gegen die Scheinwerfer ab. »Was hab ich gemacht?«
»Du glänzt ein bisschen, Liebes«, sagte der Regisseur. »Kann jemand sie abpudern?«, rief er laut; dann wandte er sich wieder mit gesenkter Stimme an Lizzie: »Alles okay?«
»Ganz schön heiß hier«, sagte sie.
»Das gehört dazu.«
»Ich weiß.« Ein junger Mann tupfte mit einer Puderquaste in ihrem Gesicht; dann verschwand er wieder in der Dunkelheit hinter den Lichtern. »Ich bin so weit, Bill«, sagte Lizzie.
»Von vorn, bitte«, sagte er.
»Oh«, sagte sie. »Ab ›Ferdinand Point war der Meinung‹?«
»Ganz von vorn.«
Lizzie blickte hinunter auf das Huhn und betete, dass ihre Hände – falls sie je dazu kommen sollte, etwas zu kochen – nicht so schweißig waren, dass ihr der Vogel aus den Fingern und auf den Boden rutschte.
Sie fing wieder von vorne an.
»Meine Liebe, du warst wundervoll«, sagte Wilson eine Stunde später zu ihr und küsste sie auf die heiße, feuchte Wange. »Und sieht das Huhn nicht fantastisch aus?«
»Sehr«, sagte Richard Arden und küsste sie ebenfalls.
»Kommt bloß nicht auf die Idee, es zu essen«, sagte Lizzie, kurzfristig erblindet, als die Scheinwerfer erloschen.
»Warum nicht?« Susans Gesicht erschien im Blickfeld. »Es riecht göttlich.«
»Aber es war von Anfang an nicht besonders frisch. Und dann lag es viel zu lange in der Hitze. Als es schließlich in den Ofen kam, blieb es nicht annähernd lange genug drin … und ich glaube nicht, dass eine Salmonellen-Epidemie der Roadshow sonderlich gut tun würde.«
»Trotzdem riecht es fantastisch«, sagte Susan.
»Dann lügt der Geruch offensichtlich«, bemerkte Lizzie. »Ich kann nur sagen, Ferdinand Point würde sich im Grab umdrehen.«
Als sie den ersten Teil der Reihe im Kasten hatten, flogen Lizzie, Susan und Arden von Lyon nach Nizza, mieteten sich wieder einen Wagen und fuhren über die Grenze nach San Remo. Die anderen folgten im Zug.
Als Lizzie im Palazzo Grande Hotel eincheckte (das Christopher wegen seiner rollstuhlfreundlichen Ausstattung ausgewählt hatte), teilte man ihr mit, dass Il Dottore – wie alle an der Rezeption ihren Mann nannten – mit Signora Spence und den ragazzi bereits eingetroffen war und sie in einer der beiden Suiten erwartete, die er reserviert hatte. Die eine war nur für sie beide, hatte Christopher betont, als er die Arrangements getroffen hatte, während sich die andere – eine Dreizimmersuite – Gilly und Jack, Edward und Sophie teilten.
»So haben wir mehr Privatsphäre«, hatte Christopher damals gesagt.
Und Lizzie hatte gespürt, wie sich in ihrem Innern alles zusammenschnürte.
Seine sexuelle Zurückhaltung im Vorfeld der Tour hatte ihre Besorgnis nicht gemildert, sondern sie im Gegenteil nervöser gemacht. Sie war überzeugt, dass er lediglich den rechten Augenblick und einen stimmungsvolleren Rahmen abwartete.
»Geht es dir gut, Lizzie?«, fragte Susan sie jetzt, als sie auf den Fahrstuhl zusteuerten.
»Ein bisschen müde«, sagte Lizzie und ermahnte sich wieder einmal, vorsichtiger zu sein.
»Wir haben den ganzen Tag frei«, verkündete Susan strahlend. »Es gibt hier einen Meerwasser-Pool, und das Essen soll göttlich sein.«
»Solange ich es nicht kochen muss«, bemerkte Lizzie.
Alle unangenehmen Gefühle waren wie weggefegt, als sie sich einer der Suiten näherte und die vor Aufregung erhobenen Stimmen ihrer Kinder hörte.
»Mami!« Sophie, barfuß und bezaubernd in ihrem hellblauen Strandkleid, sah sie zuerst und kam in ihre Arme gerannt.
»Hi, Mom.« Edward zog es aufgrund seines höheren Status als Zwölfjähriger vor, mehr Gelassenheit an den Tag zu legen, und schlenderte entspannt auf Lizzie zu. Seine nagelneue Canon baumelte um seinen Hals.
Lizzie schloss für einen Moment die Augen und ließ sich in den warmen Umarmungen ihres Ältesten und ihrer Jüngsten treiben. Dann machte sie sich von den beiden frei, um nach Jack zu schauen.
Er war an der Balkontür, mit dem Rücken zur Aussicht. Sein Gesicht lag teilweise im Schatten, doch Lizzie sah mit Erleichterung, dass er sein Nummer-Eins-Lächeln aufgesetzt hatte, wie sie es für sich nannte – das Lächeln, das jeden Millimeter seines Gesichts erhellte und erkennen ließ, dass er wirklich glücklich war; im Gegensatz zu seinem allzu häufigen Nummer-Zwei-Lächeln, das Lizzie sagte, dass der Junge sich unwohl fühlte oder sogar Schmerzen hatte, aber nicht wollte, dass jemand es merkte.
»Hi, Mom«, sagte er. »Gute Reise gehabt?«
Lizzie gab Sophie noch einen dicken Kuss, strich Edward übers dunkle Haar und ging durch das große Wohnzimmer zu Jack, der im Rollstuhl saß und mit seinem gestreiften T-Shirt und den Jeansshorts ziemlich cool aussah.
»Ich hatte eine prima Reise.« Sie beugte sich vor, um ihn zu umarmen. »Und du?«
»Nicht schlecht«, sagte er. »Nur dass Sophie sich im Flugzeug übergeben musste.«
»Hat sie?« Lizzie blickte über die Schulter, um ihre Tochter anzusehen, als Gilly mit einem Handtuch über dem Arm aus einem der Schlafzimmer kam.
»Hi, Gilly. Geht es dir gut?«
»Sehr gut, danke.«
»Ich hasse fliegen«, sagte Sophie.
»Aber jetzt geht es dir besser, nicht wahr, mein Schatz?« Lizzie sah es an den rosigen Wangen ihrer Tochter.
»Was für wundervolle Zimmer.« Gilly ging zu Jack an den Balkon und legte ihm leicht eine Hand auf die Schulter. »Und dieser Ausblick.«
»Es ist toll«, sagte Jack.
»Alle sind zufrieden, wie ich sehe«, sagte Christophers Stimme. »Hallo, Star.«
Lizzie drehte sich um und sah ihren Mann im Türrahmen stehen. Er trug Jeans und ein kurzärmliges weißes T-Shirt und sah umwerfend aus. In diesem Augenblick wünschte sie sich, wie so oft, einen Weg finden zu können, seinen Fehler zu beseitigen und sich nur auf das Gute in diesem Mann zu konzentrieren.
»Hallo, Christopher.« Sie ging zu ihm und küsste ihn auf die Wange, als er sich zu ihr herunterbeugte. »Wir sind alle sehr zufrieden, glaube ich. Du hast uns diesmal richtig verwöhnt.«
»Wo sind die anderen?« Er legte den Arm um sie.
»Susan wohnt zwei Stockwerke unter uns.« Lizzie entzog sich ihm diskret, setzte sich aufs Sofa und blickte Sophie an, die die Speisekarte des Zimmerservice studierte. »Komm her, erzähl mir von deiner Reise, Sophie.« Doch ihre Tochter ignorierte sie, und sie wandte sich wieder an Christopher. »Richard wohnt auch hier. Und ich glaube, Bill Wilson, der Regisseur, und seine Assistentin Gina kommen ebenfalls.«
»Was ist mit dem Rest des Teams?«, fragte Edward, der alles über Fernsehproduktionen verschlungen hatte, seit er von der Reise wusste.
»Sie wohnen in einem anderen Hotel«, sagte Lizzie und versuchte sich an den Namen zu erinnern.
»Hotel Paradiso«, soufflierte Christopher.
»Warum nicht hier?« Edward war enttäuscht, denn in seiner Fantasie hatte er bereits dicke Freundschaft mit Kameramännern und Tontechnikern geschlossen.
»Hier kostet’s zu viel Schotter«, erklärte Jack seinem Bruder.
»Ich hab Hunger«, meldete Sophie sich zu Wort.
»Ich auch«, sagte Jack.
Sophie kam mit der Karte zu ihr. »Daddy sagt, du wirst jetzt berühmt.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Lizzie.
»He, du bist jetzt schon ein bisschen berühmt, Mom!«, sagte Edward.
»Nicht so berühmt wie Dad«, bemerkte Jack.
Am nächsten Drehort, einer cremefarbenen Villa, die Gina Baum zufolge einst einem russischen Aristokraten gehört hatte, bastelten Lizzie und die Roadshow-Crew mühsam den zweiten Teil der Reihe zusammen. Zuerst wurde Lizzie beim Einkaufen gefilmt: Gemüse auf dem mercato in La Pigna, einer Altstadt mit malerischen Gassen und steilen Treppen, die Lizzie auf Bill Wilsons Bitte ihre Körbe mit Tomaten, Artischocken, Pilzen, Auberginen und frischen Kräutern hinauf und hinunter schleppte. Der Fisch kam aus einem hübschen Dorf namens Cervo, und der einheimische Wein, der Rossese, aus den Weingärten um Dolceacqua. Das Team blieb auch anschließend noch zusammen und besuchte verschiedene Orte, die Lizzie in den letzten paar Monaten ausgewählt hatte, um Mini-Segmente zu filmen, auch wenn sie wusste, dass viele dem Schneidetisch zum Opfer fallen würden: das Schloss Doria, in dem es angeblich spukte; eine russisch-orthodoxe Kirche mit den Gräbern blaublütiger emigrés; eine Stadt, die mehr als ein Jahrhundert zuvor durch ein Erdbeben zerstört worden war; die Rosen- und Nelken-Gärten von Ventimiglia und, in San Remo selbst, das städtische Kasino.
»Allmählich bekommst du Spaß an der Sache, nicht wahr?«, bemerkte Christopher am Ende des zweiten Tages, als sie sich bei einem Cognac in der Pianobar zum ersten Mal unter vier Augen sprachen.
»Ja«, gestand Lizzie trotz ihrer Erschöpfung. »Ich glaube, in Vienne war ich so beschäftigt damit, nervös zu sein, dass ich ganz vergessen habe, mein Privileg zu genießen, eine so einmalige Sache angeboten zu bekommen.«
»Vielleicht bleibt es ja gar keine einmalige Sache«, sagte Christopher.
»Oh, das glaube ich aber doch. Und selbst wenn nicht – das erste Mal ist immer am aufregendsten.«
»Schön, dass du so empfindest«, sagte er. »Ich habe gesehen, welche Anspannung du im Vorfeld aufgebaut hast.«
»War es schwierig mit mir?«
Christopher nippte am Cognac. »Selbst wenn es so gewesen wäre«, sagte er leise, »hätte ich wohl kaum das Recht, mich zu beklagen, oder?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Ich weiß, dass ich einer der Gründe für deine Anspannung war.« Christopher blickte sich um. »Dass ich aus deiner Tour einen Familienurlaub gemacht habe …«
»Nein, es ist wundervoll, die Kinder hier zu haben«, sagte Lizzie.
»Aber du hast auch mich hier«, sagte er. »Und ich bin ständig darauf herumgeritten, wie romantisch es hier werden würde.«
»Es ist romantisch«, sagte sie, gerührt von seiner Offenheit, und fügte eilig hinzu: »Falls man es romantisch nennen kann, dass man bei jeder Bewegung gefilmt wird.«
»Schon gut, Lizzie«, sagte er. »Mach dir keine Gedanken. Ich weiß, wie wichtig dir das hier ist.«
»Christopher«, sagte sie schuldbewusst. »Ich will nicht …«
»Schon gut«, unterbrach er sie sanft. »Ich werde es dir nicht verderben.«
Nach diesem Gespräch dachte Lizzie mit einem intensiven Gefühl der Erleichterung, dass vielleicht doch noch alles gut würde. Wenn ihr Glück anhielt, konnte sie ihre Arbeit auf kompetente und zugleich angenehme Weise erledigen, und vielleicht würden Edward, Jack und Sophie glückliche und vergnügliche Ferien verleben, ohne dass einer der beiden Elternteile zu viel Mühe investieren musste, Zufriedenheit vorzutäuschen.
Der dritte Tag kam und verging.
»Es läuft wie geschmiert«, sagte Arden an diesem Abend zu Lizzie. Dabei war der Produzent ein abergläubischer Mann, der stets dazu neigte, ein Lob für sich zu behalten, bis er die Produktion in der Tasche hatte.
Lizzie blieb stehen; sie war gerade auf dem Weg nach oben, um mit ihrer Familie in Ruhe zu Abend zu essen. »War Bill auch zufrieden?«, fragte sie nun, denn sie war unsicher, was den Regisseur betraf.
»Mehr als zufrieden.« Der Produzent sah ihr Gesicht und grinste. »Du darfst Bills Launen nicht für voll nehmen. Im Augenblick hängt seine Stimmung stark von der lieblichen Gina ab – hat nichts mit dir zu tun.«
Das Essen war köstlich, Kinder und Eltern bei bester Laune. Gilly war mit Rupe aus, einem gut aussehenden Tontechniker, der sich in sie verguckt hatte, und Christopher zeigte sich von seiner angenehmsten Seite. Er scherzte viel, überredete Sophie, ins Bett zu gehen, und sagte zu Lizzie, er bliebe gern noch ein wenig mit Edward und Jack auf, die noch nicht müde waren, sodass die erschöpfte Lizzie in ihre Suite gehen und früh schlafen konnte.
Verdiente Ruhe. Süßer, ungestörter Schlaf.
Am vierten Tag errichtete Lizzie ihre Küche in der Fiori-Villa – viel kühler Ton, gewärmt durch Blumen und die Hitze des robusten Stahlherds, auf dem zu kochen eine wahre Wonne war und an dem sie Inspirationen aus Ligurien und dem alten Russland in einer Art kulebiaka vereinte: eingelegter Fisch in einer goldenen Teighülle in leichter Pilzrahmsauce.
»Dürfen wir es diesmal essen?«, fragte Susan, der bereits das Wasser im Mund zusammenlief.
»Sobald Bill fertig gefilmt hat«, sagte Lizzie.
»Bill ist fertig«, sagte der Regisseur, »und könnte ein Kamel verschlingen.«
»Kamel hab ich noch nie gekocht«, sagte Lizzie und sonnte sich in leisem Stolz, als das Team über ihren Fisch herfiel und ihn bis zum letzten Bissen aufaß.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, einem Ruhetag, war Christopher verschwunden. Auf seinem Kissen lag ein Zettel:
Lass dir ruhig Zeit, Star. Ich bin mit den Kindern am Pool.
Lizzie konnte es nicht ausstehen, wenn er sie so nannte. Auch wenn sie versuchte, es vor anderen, die diesen Ausdruck liebevoll und schmeichelhaft fanden, nicht zu zeigen, zuckte sie innerlich jedes Mal zusammen; zu präsent war eine andere Gelegenheit, als er sie so genannt hatte – damals, während er sie missbrauchte. Fick-Star, hatte er gesagt, einer seiner Lieblings-Kosenamen.
An diesem Morgen war es natürlich nur ein Zettel ohne tiefere Bedeutung.
Verdirb dir nicht den Tag, Lizzie.
Sie dachte daran, noch eine Weile zu faulenzen und vielleicht im Bett zu frühstücken, merkte dann aber, dass sie eigentlich nichts anderes wollte, als bei den Kindern zu sein. Also duschte sie schnell, schlüpfte in Badeanzug, Strandkleid und Sandalen und warf noch einen Blick in den Spiegel, bevor sie nach unten zum Pool ging. Trotz der vielen Stunden, die sie tagsüber in geschlossenen Räumen verbrachte, entwickelte sie allmählich eine schöne Bräune.
Sie sah Christopher zuerst; er saß rittlings auf einer Liege und trug eine dunkelblaue Badehose, eine Sonnenbrille und seinen breitkrempigen Strohhut. Er hatte seine Vorliebe für Hüte beibehalten. Zwar verzichtete er darauf, im Sommer Panamahüte aufzusetzen, weil Lizzie sie nicht mochte, doch in der Stadt trug er immer noch häufig Filzhüte, bei Spaziergängen auf dem Land einen Schlapphut, und von Oktober bis März hatte er regelmäßig seinen Favoriten auf dem Kopf oder in der Hand: ein inzwischen ziemlich zerbeultes Tweed-Exemplar, mit dem er sich ein wenig wie Rex Harrison fühlte.
Er sah sie, nahm den Hut ab und winkte damit zuerst in ihre Richtung, dann zum Pool, um ihre Aufmerksamkeit auf Edward zu lenken, der gerade zu einem Kopfsprung ansetzte.
Lizzie verharrte einen Moment, um ihren ältesten Sohn zu beobachten, dann lief sie auf Christophers Liege zu. Erst jetzt sah sie, dass Jack in seinem Rollstuhl gleich hinter seinem Vater saß, in einem weißen T-Shirt, Shorts und der coolen italienischen Designersonnenbrille, die er vor der Reise mit Lizzie in London gekauft hatte.
»Hallo miteinander«, sagte Lizzie, als sie näher kam.
Sophie, die zwei Liegestühle weiter hinten unter einem Sonnenschirm saß und sich mit einem Mädchen unterhielt, das ungefähr in ihrem Alter war, entdeckte ihre Mutter und winkte ihr zu. In ihrem pinkfarbenen Bikini und der Baseballmütze sah sie hinreißend aus, und Lizzies Herz zog sich vor Liebe zusammen.
»Hi, Mom.« Jack entlockte seinem Rollstuhl ein träges Begrüßungsquietschen.
»Hallo, Liebling«, sagte Christopher. »Warum schläfst du nicht mehr?«
»Ich wollte bei euch Rasselbande sein.«
Lizzie ließ ihre Tasche auf den Tisch zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn fallen, gab Jack einen flüchtigen Kuss und drehte sich noch einmal zum Pool um, wo Edward mit einer Gruppe Jungen und Mädchen lachte.
»Daddy hat gesagt, du würdest im Bett bleiben.« Sophie tauchte neben ihr auf.
»Hallo, meine Hübsche.« Lizzie umarmte sie. »Hast du dich auch gut eingecremt?«
»’türlich.«
»Sie sieht nett aus.« Lizzie blickte zu dem Mädchen, mit dem Sophie sich unterhalten hatte.
»Das ist Daniela. Sie ist Italienerin, aber sie spricht super Englisch.«
»Ed springt wieder«, sagte Jack. »Guck, Mom.«
Lizzie guckte, aber zu spät. Nur noch ein Sprühnebel aus Wasserspritzern zeigte, wo ihr älterer Sohn ins Wasser eingetaucht war. Sein schlanker, braungebrannter Körper glitt bereits unter der Oberfläche dahin. Lizzie drehte sich um und schaute auf Jack. Sie sah keinen Hauch von Neid auf seinem Gesicht und staunte über seinen Großmut.
»Ich gehe schwimmen, Mami«, sagte Sophie. »Kommst du mit?«
»Mami will sich bestimmt ausruhen«, sagte Christopher.
»Ich würde gern schwimmen.« Mit einer raschen Bewegung zog Lizzie sich das Kleid über den Kopf und kickte die Sandalen von ihren Füßen. »Was ist mit Daniela?«
»Sie schwimmt nicht gern«, sagte Sophie. »Komm.«
Eine Viertelstunde später tauchten Mutter und Tochter wieder aus dem Pool auf, liefen direkt zur Dusche, um sich das Salzwasser abzuspülen, und kamen auf dem Weg zurück zu den Liegen Edward entgegen.
»Ich besorg uns Cola«, erklärte er ihnen. »Will jemand was?«
»Eis«, sagte Sophie. »Gelato.«
»Es ist noch ein bisschen zu früh für Eis«, meinte Lizzie.
»Oooch, Mami.«
»Hier gibt’s guten O-Saft«, schlug Edward vor. »Frisch gepresst.«
»Okay«, sagte Lizzie. »Würdest du mir bitte einen holen, Schatz?«
»Für mich bitte Eis – Schokolade«, sagte Sophie und rannte voraus. Ihre noch nassen Fußsohlen patschten über den Boden.
»Hast du genug Geld?«, fragte Lizzie Edward.
»Dad sagt, ich soll dafür unterschreiben«, sagte er und war schon verschwunden.
Lizzie drehte sich wieder zu den Liegen um, wo Christopher aufgestanden war und Sophie mit einem Handtuch trockenrubbelte. Sie lachte; aus der Entfernung sah es aus, als würde ihr Vater sie kitzeln.
Irgendetwas in Lizzies Kopf machte Klick.
»Nein«, sagte sie so heftig, dass mehrere Leute sich umdrehten, um zu sehen, was passiert war.
Lizzie war alles egal. Fünf große Schritte, und sie war da, packte ihre erschrockene Tochter bei der Hand und zerrte sie von Christopher weg.
»Was ist?«, wollte Sophie wissen. »Mami, was tust du denn?«
Lizzie ließ sie los, fühlte ihre Wangen glühen und wusste, dass sie einen dummen, ungeschickten Sturzflug in ein Territorium gemacht hatte, das zu meiden sie sich geschworen hatte. Also versuchte sie, ihre wahren Motive zu verbergen, bevor es zu spät war.
»Stell dich nicht so zur Schau«, beschimpfte sie Sophie.
Ihre Tochter starrte sie an. »Ich hab doch nur gelacht.« Auf Unterstützung hoffend, sah sie ihren Vater an. »Daddy hat mich zum Lachen gebracht. Was ist verkehrt daran?«
Lizzie spürte Christophers Blick, brachte es aber nicht über sich, ihn anzuschauen; sie wusste, dass sie keine andere Möglichkeit hatte, als den einmal eingeschlagenen Kurs beizubehalten.
»Wir sind hier in einem sehr guten Hotel«, sagte sie zu ihrer Tochter und hasste sich selbst dafür. »Du hast die Leute gestört.«
»Hab ich nicht.« Sophies Augen füllten sich mit Tränen. »Warum bist du so gemein?«
Sie wartete nicht auf Lizzies Antwort, sondern bückte sich, griff nach ihrem Kleid und ihrer Strandtasche, schlüpfte in ihre Sandalen und rannte davon.
»Das war ja reizend«, sagte Christopher mit kühler Stimme.
Jetzt begegnete Lizzie seinem Blick. Er hielt seine Sonnenbrille in der Hand und starrte Lizzie voller Entsetzen an. Er wusste, was eben in ihr vorgegangen war. Sie schaute in die andere Richtung, sah Sophie an Edward vorbeirennen, der die Getränke und ihr gelato trug, und sah, wie Gilly – in einem auffälligen roten Bikini mit passendem Tuch, das lange dunkle Haar hochgesteckt – versuchte, mit Sophie zu sprechen, aber das Mädchen beachtete sie nicht.
»Ich gehe ihr hinterher«, sagte Lizzie und sammelte ihre Sachen zusammen.
»Gute Idee«, sagte Christopher ganz leise.
»Was ist denn mit Sophie?«, fragte Gilly. »Sie sah ziemlich wütend aus.«
»Das ist meine Schuld«, sagte Lizzie.
»Oh«, sagte Gilly. »Wer will sieben Jahre alt sein?« Sie lächelte. »Wer will Mutter sein?«
Lizzie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. »Ich«, sagte sie.
»Sie wird sich schon beruhigen«, sagte Gilly mitfühlend.
»Hoffentlich«, sagte Lizzie. »Wenn ich mich erst entschuldigt habe …«
»Sie hat großes Glück«, sagte Gilly, »eine Mutter zu haben, die dazu bereit ist.«
»Ich fasse es nicht, dass du auf so eine Idee kommen konntest.«
Christopher hatte am Pool gewartet, bis Sophie zurück war; dann hatte er sie und die Jungs in Gillys Obhut gelassen und war hinauf in die Suite gekommen, um Lizzie zu suchen. Seine Sonnenbräune wirkte plötzlich fehl am Platze, als wäre sie nur Make-up, und seine Haut darunter kalkweiß. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt.
»Ich weiß ja.« Lizzie wandte sich ab und ging auf den Balkon zu.
»Hast du diese Befürchtung schon länger?«
»Ich habe vorher noch nie an so etwas gedacht«, sagte sie.
Das war die Wahrheit. Es war ihr noch nie in den Sinn gekommen. Nicht nur, weil es zu grauenvoll war, auch nur darüber nachzudenken, sondern weil sie gewusst hatte (oder zu wissen geglaubt hatte), dass Christopher – ganz gleich, was er ihr angetan hatte und ihr eines Tages vielleicht noch antun würde – den Kindern niemals etwas zuleide tat.
»Weißt du denn nicht«, sagte er jetzt, »dass ich ihnen niemals ein Haar krümmen würde?«
Lizzie drehte sich um zu ihm. »Wenn mir am Anfang unserer Beziehung jemand gesagt hätte, dass du mir Schmerzen zufügen willst …«
»Das tue ich nicht«, brach es aus ihm heraus. »Nicht absichtlich.«
»Du hast mir nicht nur einmal wehgetan.« Sie war jetzt sehr ruhig, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie sie es schaffte, in einem Moment wie diesem so gefasst zu bleiben.
»Warum bist du dann bei mir geblieben?«, fragte er.
»Du weißt warum«, sagte Lizzie.
»Ich dachte …« Christopher hielt inne, ging zum Sofa und ließ sich darauf fallen.
»Was dachtest du?«
»Du erweckst manchmal den Eindruck … auch mir gegenüber, nicht nur vor anderen … dass du mich immer noch liebst. Nicht nur als Vater deiner Kinder.«
Lizzie wurde übel. »Tu nicht so, als wüsstest du nicht, was ich empfinde, wenn du im Bett diese Dinge mit mir machst, Christopher.«
»Aber darum geht es hier nicht.« Er starrte zu ihr hoch. »Und selbst wenn, kannst du nicht leugnen, dass ich mich jetzt schon seit langer Zeit zurückhalte, weil ich genau wusste, wie nervös du wegen dieser Tour warst.«
Lizzie setzte sich in einen der Sessel.
»Und sogar hier«, fuhr er fort. »Du warst sicher, dass ich dich auf dieser Reise enttäuschen würde, aber ich habe dich kein einziges Mal angerührt.«
»Stimmt«, sagte Lizzie. Noch nicht.
»Weil ich dich respektiere«, sagte er. »Ich respektiere, was du tust und wer du bist. Und ich weiß auch, dass ich das Recht verloren habe, das Gleiche von dir zu erwarten. Aber könntest du nicht ein klein wenig Vertrauen haben?«
»Ich habe Vertrauen«, sagte sie. »Zu dem Rest von dir.«
»Nein«, sagte Christopher. »Offensichtlich nicht. Sonst hättest du das da unten niemals getan.«
»Ich habe überreagiert«, sagte Lizzie. »Es tut mir Leid.«
»Du hast mich mehr oder weniger beschuldigt …« Seine Gesichtsfarbe war wieder zurückgekehrt, doch seine Qual wuchs. »Ich bringe es kaum über die Lippen, Lizzie.«
»Es war keine Beschuldigung, es war eine Reaktion, als ich gesehen habe, wie du Sophie abgetrocknet hast … wie du sie gekitzelt hast, unser hübsches kleines Mädchen …«
»Unsere Tochter«, rief er aus. »Mein eigenes Kind.«
»Ich konnte nicht anders, Christopher. Ich sah dich mit ihr da stehen, und plötzlich hat mich Panik gepackt … schreckliche Angst davor, was eines Tages geschehen könnte. War das wirklich so ungerechtfertigt, angesichts deiner Vorgeschichte?«
»Ungerechtfertigt?«, sagte er und wurde lauter. »Es ist ungeheuerlich, dass du dir so was zusammenspinnst, wo das Einzige, was du mir je zugute gehalten hast, die Tatsache ist, dass ich ein guter Vater bin.«
Scham durchflutete sie, und doch konnte sie offenbar nicht ablassen von dem, was sie jetzt angefangen hatte. »Vielleicht hast du mich ja einmal zu oft missbraucht.«
»Ich habe dich nicht angefasst.«
»Seit einiger Zeit nicht mehr …«
»Seit Monaten nicht!«
»Und dafür soll ich dir dankbar sein?« Lizzie war wieder aufgesprungen. Ihr Zorn wuchs, auch wenn sie nicht wusste, warum das alles gerade heute überkochte, ausgerechnet jetzt, wo im Grunde gar nichts passiert war. »Mich einer kleinen Gehirnwäsche unterziehen? Alles auslöschen, was du vorher getan hast?«
»Nur, wenn ich nicht anders konnte.«
»Gerade eben hast du noch betont, wie großartig du dich in letzter Zeit zurückgehalten hast«, erwiderte sie scharf. »Was denn jetzt? Entweder kannst du dich zurückhalten, oder du kannst es nicht!«
»Aber das hat alles nichts damit zu tun, was eben da unten am Pool passiert ist. Nicht passiert ist!«
»Natürlich hat es damit zu tun«, schrie sie zurück. »Es geht hier einzig und allein um Vertrauen, begreifst du das nicht?«
»Ja«, sagte Christopher. »Wahrscheinlich hast du Recht.«
Lizzie sank wieder in ihren Sessel.
»Es läuft tatsächlich alles auf dasselbe hinaus.« Er hatte sich wieder ein wenig beruhigt. »Es läuft auf etwas hinaus, das ich nie richtig verstanden habe. Aus welchem Grund – nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben – mein simples Bedürfnis nach dir, nach meiner Frau, etwas so furchtbar Schreckliches sein soll.« Er hielt inne. »Und selbst wenn es dir so entsetzlich erscheint, Lizzie – wenn es das einzige Schreckliche an mir ist, mit dem du dich hin und wieder abfinden musst, hast du doch sicher nicht allzu viel Grund zur Klage?«
»Wegen dem hier, meinst du?« Sie sah sich in dem traumhaften Hotelzimmer um. »Oder wegen unserer zwei schönen Wohnungen?«
»Ich glaube, wenn du ein bisschen toleranter wärst, ein bisschen weniger prüde, weniger frigide«, sagte Christopher, »würdest du vielleicht begreifen, für wie viele Dinge du im Grunde dankbar sein kannst, statt dir solche widerwärtigen, gegenstandslosen Anschuldigungen zusammenzuspinnen.«
»Ich habe dich nicht beschuldigt«, sagte sie kühl. »Ich habe nur instinktiv reagiert, als ich sah, wie der Mann, der mich im Laufe der Jahre immer wieder missbraucht hat, meine halb nackte siebenjährige Tochter kitzelte.«
»Unsere Tochter«, sagte er mit beinahe schriller Stimme. »Die ich über alles liebe.«
»Ich weiß«, sagte Lizzie. »Und ich entschuldige mich, so überreagiert zu haben, besonders in der Öffentlichkeit. Und vor allem vor Sophie.«
»Und Jack«, fügte Christopher hinzu.
»Ich entschuldige mich aber nicht für meine Instinkte.«
»Gott bewahre, dass du jemals ganz im Unrecht sein solltest.«
»O nein, ich finde, ich mache sogar sehr viele Fehler«, sagte Lizzie.
»Bei mir zu bleiben, meinst du.«
In diesem Moment erkannte sie, wie sinnlos diese Unterhaltung war, und wie grauenvoll, und da sie wusste, dass Gilly und die Kinder sich allmählich fragten, wo sie blieb, beschloss sie, zu ihnen zurückzugehen, bevor Christopher es tat, und ging zur Tür.
»Hast du genug?«, fragte er.
»Mehr als genug.« Sie drehte sich noch einmal zu ihm um. »Aber nur für den Fall, für den unwahrscheinlichen Fall, dass mein Instinkt nicht vollkommen unbegründet war, solltest du eins wissen, Christopher.«
»Und was?« Er klang bitter.
»Falls du Sophie oder einem unserer anderen Kinder jemals auf irgendeine Weise Schaden zufügen solltest, werde ich dich töten.«