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Lukas saß mit einer gewissen Unbeschwertheit am Steuer. Hinter dem Blechpanzer seines Autos fühlte er sich sicher und selbstbewusst, er konnte frei seine Meinung über andere Verkehrsteilnehmer äußern, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Lukas fühlte sich am freiesten, wenn er eingesperrt in seinem Auto saß. Anna realisierte mit einem Mal, wie kläglich das eigentlich war.

Das Autogeschäft lag im Industriegebiet in Berga. Der Verkäufer kam ihnen mit ausgestreckter Hand und einem Lächeln auf den Lippen entgegen.

»Hallo! Willkommen! Kaffee?«

»Für uns nicht, danke.«

»Wollen wir in mein Büro gehen?«

Er führte sie ins Büro, bot ihnen Stühle an und nahm dann ihnen gegenüber Platz. Anna fühlte sich an eine Arztpraxis erinnert. Der Verkäufer schaltete demonstrativ sein Handy aus. Er war ein viel beschäftigter Mann, ein Sklave der elektronischen Fesseln der modernen Welt, aber jetzt wollte er seine Aufmerksamkeit einzig und allein Lukas und Anna zuwenden.

»Sie wollen sich also verbessern?«

Lukas sah Anna an, ehe er antwortete.

»Ja, langsam wird es Zeit. Der alte ist vier Jahre alt, und warum nicht wechseln, solange man noch etwas für den gebrauchten bekommt.«

»Natürlich, natürlich, ein weiser Entschluss. Manche Leute begehen den Fehler, dass sie zu lange warten. Dann wird es oft teurer. Also, was haben Sie für Vorstellungen? Was für Bedürfnisse? Kinder?«

»Eine Tochter, die reitet.«

»Also brauchen Sie eine Anhängerkupplung für den Pferdeanhänger?«

»Nein, nein, das wird frühestens in ein paar Jahren aktuell. Aber der Weg ist bei Regenwetter manchmal recht schlecht befahrbar.«

Anna begriff nicht gleich, dass er damit die knapp hundert Meter lange Kiesauffahrt zur Reithalle meinte. Der Verkäufer griff den Gedanken umso schneller auf.

»Ah, Vierradantrieb«, sagte er.

Drei Minuten später schaltete Anna ab. Der atemlose Wortschwall aus Abkürzungen und Motorenleistung, der zwischen den Männern hin und her ging, interessierte sie nicht.

»Da würde ich Ihnen den XC 60 empfehlen«, schloss der Verkäufer und klopfte mit dem Stift, mit dem er während des Gesprächs gespielt hatte, gegen die Tischkante.

»Hört sich in meinen Ohren nach einer vernünftigen Option an«, meinte Lukas.

»Zweifellos. Wollen wir uns das Schmuckstück einmal anschauen?«

Der Verkäufer lächelte Anna an, um sie in das Geschehen einzubeziehen. Sie betraten den Vorführungsraum. Der Verkäufer öffnete die Fahrertür eines auf Hochglanz polierten Gefährts, und Lukas stieg ein. Der Verkäufer stützte sich mit den Unterarmen leger auf den oberen Türrahmen.

»Mit dem Knopf rechts unten lässt sich der Sitz verstellen.«

Lukas beugte sich vor, und der Sitz bewegte sich langsam nach hinten.

»Die Rückenlehne verfügt über verschiedene Komfortalternativen, sehr angenehm für längere Strecken.«

»Wie viel Benzin verbraucht er?«, wollte Anna wissen.

Der Verkäufer wandte sich ihr zu.

»Acht bis neun Liter, etwa.«

»Ist das nicht sehr viel?«

Der Verkäufer zuckte mit den Achseln.

»Es gibt natürlich Autos, die weniger verbrauchen, aber kaum in diesem Segment. Immerhin reden wir von zweihundert Pferdestärken. Wenn Sie allerdings einen Diesel …«

»Das ist es nicht, was kostet«, meinte Lukas, um Anna zu signalisieren, dass sie sich nicht in Sachen einmischen sollte, von denen sie nichts verstand.

Lukas stieg wieder aus.

»Steig ein, Liebling.«

Anna nahm auf dem Fahrersitz Platz. Lukas half ihr, den Sitz nach vorne zu schieben. Es roch intensiv nach neuem Auto. Ob sie wohl ein spezielles Spray dafür verwendeten?

»Und? Wie ist es?«, fragte der Verkäufer.

»Sehr luxuriös. Geräumig.«

»Das ist wirklich eine ganz andere Art von Auto, eine neue Generation, könnte man sagen. Nicht zuletzt, was die Sicherheit betrifft. Airbag vorne, hinten und an den Seiten.«

Anna stieg wieder aus, der Verkäufer nahm auf dem Fahrersitz Platz und öffnete die Motorhaube. Lukas schaute dem Verkäufer gelehrig über die Schulter, als er auf verschiedene Komponenten im Motorraum deutete und mit weiteren Abkürzungen und Fachausdrücken um sich warf. Am Ende warf er die Motorhaube männlich-resolut zu.

»Sie finden aktuell keinen besseren Wagen. Ich fahre selbst dieses Modell und käme nicht auf die Idee, ein anderes zu wählen. Wie wäre es, wenn Sie einfach eine Runde fahren?«

Anna betrachtete ihren Mann und dachte bei sich, dass er der absolute Traumkunde eines jeden Autoverkäufers sein musste.

»Der rote da draußen«, sagte der Verkäufer und überreichte Lukas die Schlüssel.

Respektvoll nahm Lukas sie entgegen.

»Soll ich Ihnen meinen Führerschein oder so etwas dalassen?«

Der Verkäufer schüttelte den Kopf. Nicht nötig. Er hatte vollstes Vertrauen.

»Ist es okay, wenn wir auf die Autobahn fahren?«, fragte Lukas.

»Darauf bestehe ich sogar.« Er blinzelte Lukas verschwörerisch zu.

»Ein echter Bilderbuch-Verkäufer«, sagte sie, als sie am Einkaufszentrum Väla vorbeifuhren.

»Findest du?«

»Ja.«

»Ich finde ihn sehr kompetent«, sagte Lukas. »Er hält sich an die Fakten und versucht nicht, einem was aufzuschwatzen.«

Anna sah ihren Mann von der Seite an. Meinte er das ironisch? Nein. Sie war fassungslos. Wie konnte ein kluger Mann nur so naiv sein?

»Merkst du, wie der abzieht?«, sagte er und gab Gas.

»Du, schau auf den Tacho.«

»Der hat aber ganz schön Power unter der Haube, mehr sage ich ja gar nicht.«

Wie ein Kind bei der Bescherung.

Zwanzig Minuten später waren sie zurück im Autohaus und diskutierten über den Preis und alle Extras. Der Verkäufer hatte eine Lesebrille aufgesetzt, um sich einen seriösen Anschein zu geben, und schrieb verschiedene Preise auf einen Block, den er immer wieder in ihre Richtung drehte. Verschiedene Komfortpakete mit diversen Rabatten, was einer Ersparnis von x Tausend Kronen entsprach, dazu kamen dann noch vier Winterreifen auf Leichtmetallfelgen, gratis, weil er so ein sympathischer Mann war.

»Wie viel würden wir denn wohl bekommen, wenn wir unseren alten Wagen in Zahlung geben?«, fragte Anna.

»Vier Jahre ist er alt, haben Sie gesagt?«

»Ein 2,5 T«, sagte Lukas.

»Kilometerstand?«

»Achtzigtausend.«

»Scheckheftgepflegt?«

»Ja, natürlich.«

»Keine Macken?«

»Nichts, läuft einwandfrei.«

Der Verkäufer schaltete seinen Computer ein und tippte etwas ein.

»Schauen Sie bei bilpriser.se nach?«, fragte Lukas interessiert.

»Nein, auf einer internen Homepage«, antwortete der Verkäufer. »Laut Listenpreis kann ich Ihnen nicht mehr bieten als …« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Hundertzehntausend Kronen, aber fünftausend würde ich noch drauflegen. Mehr kann ich Ihnen leider nicht entgegenkommen.«

»Bei bilpriser.se war der Wert mit Hundertfünfzigtausend angegeben«, entgegnete Lukas. »Händler-Verkaufspreis. Wenn ich den Wagen selbst verkaufe, kann ich zwischen hundertfünfundzwanzig- und hundertvierzigtausend dafür bekommen.«

Der Verkäufer legte skeptisch eine Hand ans Kinn.

»Das klingt in meinen Ohren sehr optimistisch. Wir müssen den Wagen generalüberholen, und dann müssen wir natürlich auch noch etwas daran verdienen, davon leben wir schließlich. Aber das Vorteilhafteste für Sie wäre vielleicht tatsächlich, den Wagen selbst zu verkaufen. Bieten Sie ihn zum Höchstpreis an und lassen Sie dann ein paar Tausend nach. Polieren Sie den Wagen ordentlich und machen Sie dann ein paar schöne Fotos.«

Lukas sah Anna forschend an.

»Einen Versuch wäre es wert«, meinte sie.

»Einen Gebrauchten an den Mann zu bringen macht natürlich eine Menge Arbeit.«

»Ich kann mir was Lustigeres vorstellen«, meinte Anna und wandte sich direkt an den Verkäufer. »Als wir die Sache zu Hause durchgerechnet haben, sind wir von mindestens hundertfünfundzwanzigtausend ausgegangen.«

»Der Unterschied beträgt zehntausend«, meinte Lukas, »höchstens fünfzehntausend. Dafür bleibt uns der ganze Ärger erspart …«

»Ich finde, wir sollten noch eine Nacht darüber schlafen«, meinte Anna. »Schließlich bleiben so immerhin Zweihundertfünfundachtzigtausend bei uns. Wie viel kostet es, das Dach neu decken zu lassen? Hunderttausend?«

Sie klang verärgert, und sie war verärgert. Sie wollte ihre Finanzen nicht im Beisein eines Fremden diskutieren.

Der Verkäufer war amüsiert.

»Lassen Sie mich raten, wer bei Ihnen die Finanzen verwaltet?«, meinte er jovial.

Anna wandte sich an den Verkäufer.

»Wie bitte?«, sagte sie.

»Das war ein Scherz«, meinte der Verkäufer plötzlich verunsichert.

»Über den ich gar nicht lachen kann«, sagte Anna knapp.

»Entschuldigung. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«

Anna erhob sich.

»Wir schlafen drüber und melden uns morgen wieder bei Ihnen. Ich schlage vor, dass Sie sich die Zahlen auch noch einmal ansehen, ob sich an den Preisen nicht noch etwas hübschen lässt.«

Sie streckte die Hand aus. Der Verkäufer war rasch auf den Beinen.

Anna ging, Lukas entschuldigte sich mit einem bedauernden Blick und festen Händedruck und der Zusicherung, am nächsten Tag anzurufen.