56. KAPITEL

Jekaterinburg

An diesem Abend regnete es in Strömen. Dunkle Wolken verdeckten den Himmel, und immer wieder donnerte es. Der Fiat-Lastwagen hielt mit quietschenden Reifen vor dem Imperial Hotel auf dem Newski-Prospekt an.

Jakow saß auf dem Beifahrersitz. Der Regen trommelte gegen die Windschutzscheibe. Neben ihm herrschte Kasan gerade zwei Tscheka-Polizisten in Zivilkleidung an, die unter der nassen Plane auf der Ladefläche kauerten. »Los jetzt! Ihr wisst, was ihr zu tun habt.«

Die Männer sprangen vom Lastwagen herunter und rannten durch den Regen auf den Eingang des Hotels zu.

»Unser Spion ist irgendwo in der Stadt. Dafür würde ich mein Leben verwetten, Kommissar«, knurrte Kasan frustriert. »Für ihn ist es im Augenblick das Beste, sich irgendwo in Jekaterinburg zu verstecken.«

Jakow starrte in den Regen. Das Imperial war das Letzte auf ihrer Liste der Hotels und Herbergen. Sie waren alle zwei Mal überprüft worden, falls der Flüchtige erst kürzlich dort Unterschlupf gesucht hatte. In der Stadt gab es ein Labyrinth von Gassen und unzählige Mietskasernen, aber Jakow hatte nicht genügend Leute, um überall zu suchen.

Die beiden Tscheka-Polizisten kehrten nach kurzer Zeit zurück, stiegen auf die Ladefläche und schüttelten den Regen von ihren Mänteln. »Es sind keine neuen Gäste eingetroffen, Genosse«, sagte einer von ihnen. »Niemand, auf den die Beschreibung des Mannes passt, hat nach einem Zimmer gefragt.«

Kasan schlug mit der Faust in seine Hand. »Wo ist der Scheißkerl abgeblieben? Mit seiner Verwundung kann er kaum im Freien schlafen, außerdem muss er sich an die Sperrstunde halten. Wenn er nicht in einem Hotel oder einer Herberge übernachtet, dann muss ihm jemand helfen.«

Jakow zündete sich eine Zigarette an und starrte durch den Regen auf die Dächer der Stadt, zwischen denen die Kirchturmspitzen und Kuppeln der Kathedralen herausragten. »Dieser Stadt mangelt es nicht an religiösen Orden, nicht wahr?«

»Jekaterinburg ist eine alte orthodoxe Siedlung. Hier stehen an jeder Ecke Klöster und Kirchen.«

»Jeder weiß, dass sie Asyl gewähren. Fertigen Sie mir eine vollständige Liste aller Kirchen und kirchlichen Einrichtungen an.«