BRYNN
Ich wache auf, weil meine Großmutter sich über mich beugt und mich an der Schulter rüttelt.
„Brynn, du musst aufstehen“, sagt sie wieder und wieder. „Es ist halb neun. Du hast so lange geschlafen. Bist du krank?“
Leicht panisch springe ich aus dem Bett und frage mich, ob ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang durchgeschlafen und weitere Vorlesungen versäumt hab. Alles um mich herum dreht sich, und ich muss mich an meiner Großmutter festhalten, um nicht hinzufallen.
„Die Grippe“, bringe ich gerade noch heraus, bevor ich aus meinem Zimmer und ins Bad stürze, wo ich mich in die Toilette übergebe. Als ich endlich die Tür wieder öffne und mit wackligen Schritten auf den Flur hinausgehe, steht meine Großmutter da und schaut mich besorgt an.
„Ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen“, sagt sie. Sie nimmt mich am Ellbogen und führt mich zurück zu meinem Bett. „Ich habe zehn Minuten lang versucht, dich zu wecken. Du warst vollkommen weg.“
„Die Grippe“, murmle ich erneut. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen, also schlüpfe ich zurück unter die Decke – und sehe das Glas auf meinem Nachttisch. Ein kleiner Schluck Wein hat sich am Boden gesammelt. Falls es meiner Großmutter aufgefallen ist, lässt sie es sich nicht anmerken.
„Kann ich dir einen Toast oder eine Suppe machen?“ Sie setzt sich neben mich auf die Matratze.
„Nein.“ Ich vergrabe den Kopf unter der Decke, damit ich sie nicht anschauen muss. „Ich will einfach nur schlafen.“
Sie sitzt eine ganze Weile schweigend da. Ich will nur, dass sie geht und mich allein lässt. Schließlich spricht sie. „Brynn, geht es dir gut? Ist irgendetwas passiert?“
„Nein“, sage ich, noch immer unter der Decke. Ich kann meinen Atem riechen, abgestanden und sauer. „Ich bin krank.“
„Nimmst du deine Medikamente?“, fragt sie vorsichtig, als fürchte sie, mich durch die Frage zu beleidigen.
„Ja, Grandma“, gebe ich ungeduldig zurück. „Bitte, ich will einfach nur schlafen. Ich fühle mich nicht gut.“
„Hast du heute schon deine Tabletten genommen?“
Ich schlage die Decke zurück und setze mich auf. Dann schnappe ich mir die Tablettendose, schraube den Deckel ab, halte eine Kapsel in die Luft, damit meine Großmutter sie sehen kann, lege sie mir auf die Zunge und schlucke übertrieben. Danach öffne ich weit den Mund, damit sie sehen kann, dass die Tablette weg ist. Ich weiß, dass ich gemein bin, weiß, dass meine Großmutter sich nur Sorgen um mich macht. Ich lasse mich zurück aufs Bett fallen und bedecke mein Gesicht mit einem Kissen. Ich fühle mich krank und elend.
Nach einigen Minuten spüre ich, wie meine Großmutter mir das Bein tätschelt, sich vom Bett erhebt und leise aus dem Zimmer geht. Dann spucke ich die Tablette aus, die ich unter meiner Zunge versteckt hatte.