NEUNZEHN
(I)
Wo zur Hölle ist sie?, fragte sich Alexander. Er hatte vor der Wand im Keller kapituliert; er war völlig fertig. Er würde morgen wiederkommen und den Rest der Steine losschlagen müssen. So ein alter abgefuckter Priester wie ich – Scheiße. Ich sollte es langsamer angehen lassen.
Aber wo war Jerrica?
Es war übel gewesen, das wusste er – dieser Eimer Scheiße, den er gestern über sie ausgekippt hatte. Er war überrascht, dass sie überhaupt noch mit ihm redete. Sei realistisch, Tom, sagte er sich. Die Menschen haben nun einmal Fehler, sei nicht so hart.
Immer noch ohne Hemd und von der relativ frischen Luft belebt ging er um die Abtei herum. Hohe Bäume mit schweren grünen Ästen ragten über ihm auf; Blütendüfte berauschten ihn beinahe und Vögel kreischten. Doch Jerrica war nirgends zu sehen.
Er zündete sich eine Lucky an und ging den Pfad hinter dem Gebäude hinab. »Jerrica!«, rief er. »Wo sind Sie?« Doch als er am Ende des Pfades und am Ufer des Sees ankam, dachte er: Oh, nein. Ihre Sandalen, ihr Top und ihre Shorts lagen auf einem kleinen Haufen. Sie ist im Wasser – kann ich ihr nicht verdenken, bei der Hitze. Doch ...
Ich sollte sie in den Arsch treten, dachte er. Er sah die Ecke des kleinen Tütchens aus ihrer Hosentasche ragen und inspizierte es. Kokain. Scheiße ...
Er blickte über den See. Etwas, was er wirklich nicht sehen musste – auch wenn ein signifikanter Teil seines prä-priesterlichen Selbst nichts dagegen gehabt hätte –, war eine nackte Jerrica, die aus dem Wasser stieg. Aber sie musste doch irgendwo sein. Seine Augen suchten das gesamte Ufer des Sees ab. Das Sonnenlicht trieb auf dem Wasser wie eine schwankende Scheibe aus grellem Licht. Ufer auf Ufer suchte er ab, doch er entdeckte keine Spur von ihr. Bis ...
»Jerrica!«, rief er.
Dort war sie. Auf der anderen Seite. Er sah, wie sie aus dem Wasser stieg ...
»Jerrica!«
Die winzige Gestalt drehte sich nicht um, nahm seinen Ruf nicht zur Kenntnis. Sie musste ihn gehört haben ...
»Jerrica!«
Sie verschwand zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Sees.
(II)
Charity keuchte vor Anstrengung. Ein Hitzschlag, befürchtete sie. Bei einer älteren Frau nicht unwahrscheinlich. Gott, sie konnte sterben! Sie zog ihre Tante vom Rand des Friedhofs in den etwas kühleren Schatten des Waldes.
Zu viele Bilder, um sie zu verarbeiten. Ihre Tante, die ohnmächtig vor ihr lag. Aber auch ...
Die Gräber ...
Sie hatte sie gesehen, wenn auch nur mit einem kurzen Blick. Doch das hatte gereicht. Irgendjemand hatte sie ausgegraben.
Tiere? Vielleicht. Aber warum diese beiden Gräber? Das ihrer Mutter und das kleinere anonyme etwas weiter hinten ...
Beide ausgegraben, wie mit einer Bodenfräse.
Doch eins nach dem anderen. Tante Annie. Sie war blass, also legte Charity ihre Beine an einem verrotteten Baumstumpf hoch, so wie sie es noch vom Erste-Hilfe-Kurs im Waisenhaus in Erinnerung hatte – bei rotem Gesicht Kopf hoch, bei blassem Gesicht Beine hoch. Doch als Annies Beine hoch lagen, rutschte ihr Kleid zur Seite.
Oh mein ... Gott!
Die Narben waren nicht zu übersehen. Eingebrannt in die Innenseiten der Schenkel. Fette, rote Würmer von Brandnarben, und nicht wenige. Doch Charitys Gedanken machten eine weitere Vollbremsung, als sie aufblickte. Eine Brust war Annie aus dem Kleid gerutscht ...
Der Nippel war eine Kruste aus Brandnarben.
»Die Brühe«, murmelte Annie, immer noch ohnmächtig.
»Tante Annie! Wach auf!«
Der Hals der alten Frau bebte. »Geraldine ... vergib mir. Es war die einzige Möglichkeit ...«
Dann war Annie wieder still, immer noch eingehüllt in ihre Ohnmacht.
Lass sie in Ruhe liegen, weg von der Sonne, riet Charity sich. Lass sie ruhig atmen ...
Sie stand auf und trat wieder in das hohe, trockene Gras, das unter ihren Schritten niedergedrückt wurde. Die Hitze war unerträglich, aber trotzdem ging sie wieder zu den Gräbern.
Ja, es war keine optische Täuschung gewesen. Beide Gräber waren ausgehoben worden, Erdhaufen lagen zu beiden Seiten. Die Särge waren freigelegt und die Deckel gelöst und geöffnet worden.
Charity ließ sich mit zitternder Unterlippe auf ein Knie herab und sah ...
(III)
Jerrica war verschwunden, sie hatte ihn ignoriert, als sie nackt in den gegenüberliegenden Wald gegangen war, was ihn aber eigentlich nicht überraschte. Als Alexander sich jedoch umdrehte, wurde sein Blick von ... etwas gefangen genommen.
Er stand am Rand des Sees und versuchte, durch die Sonnenglut zu blicken, die auf dem Wasser so hell wie der weiße Phosphor lag, den sie mit ihren M-79s damals in Vietnam in die feindlichen Maschinengewehrnester gepumpt hatten. Man musste nur eine Ladung weißen Phosphor – Willy-Pete nannten sie ihn – in einem MG-Nest abladen und das Zeug brannte so schnell, dass es jeden Sauerstoff verschlang. Der Rest war einfacher als Tontaubenschießen.
Der Priester beschattete seine Augen und beugte sich vor. Was ist ...
Da war etwas ...
Doch die Sonne blendete ihn. Die einzige Möglichkeit, einen besseren Blick zu bekommen, war ein höherer Beobachtungspunkt ...
Der Turm, fiel ihm ein. Der Glockenturm der Abtei ...
Ein schneller Trab brachte ihn zurück zum Gebäude. Der Spurt die Wendeltreppe des Turmes hinauf war schon anstrengender, jahrzehntealter Staub flog hinter seinen Fußtritten auf. Oh, Mann, hör auf zu rauchen, du Idiot, sagte er sich, als er oben angekommen war. Die frische Luft wehte ihm ins Gesicht; er lehnte sich zurück, keuchte und verfluchte seine Mehrere-Päckchen-pro-Tag-Angewohnheit.
Und dann – wie die meisten Raucher – zündete er sich eine Zigarette an.
Dann drehte er sich um, blickte hinaus und ...
Heilige gottverdammte Scheiße!, dachte der Priester, als er wieder auf den See blickte.
(IV)
Es war widerlich, abscheulich. Wie konnte jemand so etwas tun? Charity hatte das Gefühl, als hätte man ihrem Verstand die Haut abgezogen und ihre geistige Gesundheit schutzlos der Witterung preisgegeben.
Annie war wieder halb wach, zumindest genug, um gehen zu können. »Komm schon! Komm!«, fuhr Charity sie an. »Wir müssen dich zurück ins Haus bringen!«
»Die Brühe«, antwortete ihre Tante abwesend. »Geraldine ...«
Wer war Geraldine? Und von was für einer Brühe redete sie? Charity schob die Gedanken zurück, da sie sich mehr Sorgen darum machte, wie sie ihre Tante lebendig zurück ins Haus bekam. Doch sie war auch beunruhigt – sehr beunruhigt – über das, was sie in den geschändeten Gräbern gesehen hatte. SISSY stand auf dem größeren Grabstein. Der aufgebrochene Sarg enthielt nur ein normales Skelett. Und in dem kleineren Sarg – einer einfachen kleinen Kiste – im anderen Grab lag ein winziges braunes Skelett.
Ein Kindergrab, wusste Charity jetzt.
Doch es war nicht so sehr das Kinderskelett selbst, was sie beunruhigte, sondern das, was in den Sargdeckel eingeritzt war.
BIGHEAD, stand da. FAHR ZUR HÖLLE.
(V)
»Wer ist Bighead?«
Annies Augen fielen zu.
Charity schlug ihre Tante ins Gesicht. »Wer ist Bighead? Angeblich ist es eine Legende, ein Mythos. Warum hat jemand Bighead auf die Innenseite dieses Sargdeckels gekritzelt?«
»Einer der Männer wahrscheinlich, einer der Ketchum-Jungs vielleicht«, murmelte Tante Annie, als hätte sie den Mund voller Frösche. »Die Männer haben den Sarg besorgt – es war nur ’ne kleine Holzkiste.«
»Und was ist mit Sissy?« Charity war erregt und verärgert. Sie wollte Antworten. »Du hast erzählt, sie hat sich mit einer Schrotflinte in den Kopf geschossen, als mein Vater im Bergwerk starb ...«
Annies Gesicht wurde kalt, eine gefrorene, alte Maske. Ihre Augen waren abweisend ...
»Sag es mir, verdammt noch mal! Der Schädel in dem Sarg war intakt! Was ist hier los?«
Die Dämmerung kroch durch die Fenster herein, die Hitze ließ – wenn auch langsam – allmählich nach. Es hatte ewig gedauert, ihre Tante zurück ins Gästehaus zu führen.
»Was sind das für Narben an deinen Beinen und deinen Brustwarzen?«, fragte sie, außerstande, ihre Fragen zu sortieren.
»Geraldine. Vergib mir.«
»Wer ist Geraldine?«
Es hatte keinen Zweck. Tante Annie hatte sich ausgeklinkt. Ihr Bewusstsein schien zu kommen und zu gehen, ihre Augen öffneten und schlossen sich.
»Tante Annie!«
Nein, es hatte keinen Zweck.
Charitys Gedanken rasten. So viele Fragen, aber keine Antworten. Und warum sollte jemand diese Gräber freilegen?
Und wer?
Ein fürchterlicher Schreck durchfuhr Charity bei dem plötzlichen lauten Geräusch – einem gewaltigen Holz zersplitternden KRACK!
Die Haustür!, durchzuckte es sie.
Irgendjemand hatte gerade die Haustür eingetreten!
Ein Speichelfaden hing aus Annies offenem Mund. Sie hob zitternd die Finger.
»Er ist es«, flüsterte sie.
(VI)
Sie waren grade von ’ner Tour gekommen, Tritt Balls Conner und Dicky Caudill, wo sie die üblichen 100 Gallonen von Clyde Nales hochprozentigem Moonshine zu den Blödmännern auf der andern Seite der Grenze gebracht hatten. Lief glatt wie ’n Kinderarsch, der Job. Alles wie üblich.
Und wie üblich gabelten sie auf der Rückfahrt eine von diesen abgefuckten Alkischlampen auf, die über die Bergstraße trampten. Die schrie wie ’n Wiesel im Schredder, als Balls aus ’m Camino sprang und sie schnappte, aber sie schrie nich’ lange, no Sir. Nur ’n Schlag auf ’n Kopf mit seinem selbst gebauten Wagenheber und sie war erst mal weg. Sie mussten sie nur noch in ’ne Plane wickeln und hinten in die Karre schmeißen.
Das fand Dicky gut, denn jetz’ dachte Balls anscheint nich’ mehr an die scharfe Blonde und den Priester, der sie in der Bar vermöbelt hatte. Dicky wollte nix mit keinem Mord an ’nem Priester nich’ zu tun haben, und wenn Balls da immer noch dran dachte, wieso sollt’ er sich dann mit dieser Alkifotze abgeben? Yeah, Balls hat’s vergessen. Gut. Die Blonde und der Priester – mit denen was anzustellen, wär’ einfach zu riskant. Scheiße, Mann, in das Gästehaus rein? Mit den ganzen Leuten drumrum? Nee, kein guter Plan. Da wurden sie ganz bestimmt geschnappt und in ’n Bau gesteckt. Dicky dankte dem Herrn, dankte er, dass Balls den Scheiß vergessen hatte.
»Maaaaann, Dicky«, sagte Balls auf ’m Beifahrersitz. Er süppelte an ’ner kleinen Flasche Shine und rieb sich die ganze Zeit seinen Schritt. »Mein Prügel is’ so hart, dass er gleich anfängt zu jaulen. Mach hin, dass du ’n Platz für uns findest.«
»Ganz ruhig, Balls«, sagte Dicky, der hinterm Lenkrad ’n Bier schlürfte. »Sind bald zu Hause. Ich such uns schnell ’n guten Platz.«
»Scheiße, Mann«, feuerte Balls ihn an. »Ich kann ’s kaum noch erwarten, diese Kentucky-Schlampe da hinten zu nudeln. Mein Prügel wird die ganze Zeit rumgeschaukelt und er stirbt, wenn er nich’ bald zum Schuss kommt!« Balls rieb immer noch seinen Pimmel durch die Hose. »Wenn du nich’ bald ’n Platz findest, muss ich direkt hier in der Karre abspritzen!«
Dicky verdrehte die Augen. »Mach das bloß nich’, Balls. Letztes Mal haste deine Wichse über die ganzen Polster gejubelt.«
»Dann mach hin!«
Mann, war der nervig heute. Dicky lenkte den El Camino von der Straße und bog in ’n alten Holzfällerweg ein. ’n Stück weiter machte er die Lichter aus und parkte die Karre in so ’ner Vertiefung, die sie schon mal benutzt hatten. Balls sprang aus ’m Camino, als würd’ sein Arsch in Flammen stehen, riss die Heckklappe auf und zog die Alkischlampe aus der Plane. Dicky kuckte ihm im Mondlicht zu und schlürfte sein Bier.
»Himmel noch mal, bin ich geil!« Balls riss ihr direkt die dreckigen Shorts runter und hatte seinen Prügel schneller aus der Hose wie ’n Cop seine Kanone. Er schob ihr die Knie ins Gesicht, rotzte ihr mitten in die Arschritze und fing an, ihr Kackloch zu rammeln. »Stinkendes Dreckstück, yeah!«, sagte Balls und pumpte. »Das gefällt mir!« Er stützte sich mit seinen Armen ab, als er zustieß. Aber wie sie so fest und hart in ’n Arsch gepimpert wurde, da wachte die Alte ziemlich schnell auf und fing gleich wieder an zu schreien. »Yeah!«, wiederholte Balls. »Ich liebe es, wenn sie so rumschrein! Diese Kentucky-Schlampen ham doch was, oder Dicky? Die können noch richtig schrein! Wilde kleine Schlampe is’ das! Is’ echt viel geiler, ’ne Kentucky-Schlampe ranzuneh’m wie ’ne Virginia-Schlampe! Na, wie gefällt’s dir, Süße? Gefällt’s dir, dass ich deine Scheiße ficke?« Balls’ harte rüttmische Stöße kamen zusammen mit ihren Schreien und zusammen mit seinem Lachen, aber dann ...
»Auuuuuuuuuuu!«
Er sprang vor Schmerzen auf und legte ’ne Hand auf seinen Unterarm. »Das Miststück hat mich gebissen, Dicky! Hat mir ’n Stück aus ’m Arm gebissen!«
Das war nich’ gut. Und gut war’s auch nich’, dass sie anfing, nach Balls zu treten und ihn zu beschimpfen. »Geh weg von mir, du dreckiges Stück Scheiße!«, kreischte sie mit ’ner Stimme, die so klang wie damals, wo bei Dickys Camino ’ne Pleuelstange gebrochen war. Und sie schlug um sich und trat und fluchte und kreischte.
Balls’ große Faust traf sie mitten in der Fresse – ZACK! –, und sie war wieder weg. Man konnt’ die Wut in seinem Gesicht sehen. »Diese Arschlochschlampen lernen das nie, was? Mich treten und beißen und ’n Stück Scheiße nennen!« Er riss sie hoch, schleppte sie an ’n Haaren zur Vorderseite vom Camino. »Dicky, hol die kleine Säge!«, befahl er.
Dicky ließ die Schultern sacken. Jetz’ geht’s wieder los. Dicky wusste nich’, was Balls jetz’ wieder für ’ne raffernierte Aktion vorhatte. Aber als er um ’n Wagen rumkam, sah er, dass Balls die Alte auf ’m Rücken auf die Moterhaube gelegt hatte. »Was hast’n vor, Balls?«, fragte er.
»Ich werd’ ihrn Hals ficken, das hab’ ich vor!« Er schnappte sich die Säge von Dicky. »Scheiße, Mann. Ich werd’ dieser Schlampenfotze ’ne Lektion erteilen! Ich werd’ ihrn Hals ficken, sag ich dir!«
Dicky zog verwirrt ’ne Augenbraue hoch. »Ihren Hals ficken, Balls? Wie meinst’n das?« Dicky wusste natürlich gut, dass Tritt Balls Conner ganz schön fantersievoll werden konnte, vor allem wenn er angefressen war. Aber – ihrn Hals ficken?, fragte sich Dicky. Wie will er’n das machen?
Und dann kam so ’n raues kratziges Geräusch, als Balls sich mit der Säge an die Arbeit machte. War ’n ziemlich fieses Geräusch, bei dem Dicky mit ’n Zähnen knirschen musste. Aber Balls sägte ziemlich schnell den Kopf von der Alten ab, direkt unterm Kinn und überm Adermsapfel, und sein scheißeverklebter Pimmel war immer noch hart und ragte aus seiner Hose, als er’s machte.
Brauchte nich’ lange, bis die Säge durch war. Der Kopf von der Alten fiel runter, aber ihr Körper blieb auf der Moterhaube liegen und ’s Blut schoss nur so raus. Und dann ging Balls hin und steckte sein Rohr mitten in ’n Stumpf zwischen ihren Schultern rein. »Siehste, Dicky, ich fick ihr ’ne Ladung direkt in ihren Ranzen rein.«
»Jeeeeeesus«, bemerkte Dicky dazu. Das fand ja sogar er eklig. »Du bist wirklich ’n krankes Luder, Balls.«
»Macht nix, Dicky.« Balls hielt die Möpse von der Alten fest, während er wacker am Pumpen war. »Is’ echt geil, Dicky. Is’ echt geil, den Hals von dieser Kentuckyfotze zu ficken. Kann sogar ihre Mandeln fühlen!«
Das war’s Bekloppteste, was Dicky je gesehen hatte, ’n Kerl, der ’n Hals von ’ner Alten fickte. Das schafft nur Balls, dachte er.
»Ah, yeah, ich besorg’s dir!«, stöhnte Balls und beschleunigte seine Stöße. »Ich fick dich, fick dich – ahhhhhhhh!« Balls’ Hüften wurden langsamer und hielten dann an, er bog seinen Rücken durch und grinste in ’n Nachthimmel. »Yessir, das war mal ’n satter Schuss grade. Hab’ ihr ’ne fette Ladung Pimmelrotz reingeballert, hab’ ich!«
Dicky schüttelte nur ’n Kopf und machte sich noch ’n Bier auf. »Hast es ihr echt gezeigt, Balls«, lobte er ihn.
»Ja, Mann, und ich werd’ ihr noch mehr zeigen ...«
Dicky kuckte jetz’ noch verwirrter. Obwohl er grade ’n ordentlichen Schuss hatte, hatte Balls immer noch nich’ genug. Zog seine Nudel raus, beugte sich vor und hob den abgesägten Kopf von der Alten auf. Ihr Gesicht war komisch weiß geworden, die Augen waren zu, und die Zunge hing aus ’m Maul. Balls packte seinen Lümmel und rubbelte ihn, bis er wieder hart war.
»Balls? Was machste’n jetz’?«
Und was Balls machte, war, dass er seinen Prügel ins abgesägte Ende von ihrem Kopf steckte, bis er aus ihrem Maul wieder rauskam! Und dann –
»Ahhhhhhhhh!«, stöhnte Balls.
– fing er an, seine Blase zu entleeren.
»Ich piss mich aus, Dicky«, antwortete er endlich auf die Frage von seinem Kumpel. »Muss schon die ganze Zeit dringend, also dacht’ ich mir, ich kann’s auch mal so probieren. Ahhhhhhhh, yeah! Was meinste, Dicky? Ob ich wohl der erste Kerl in der Geschichte bin, der aus ’m Maul von ’ner Alten rauspisst?«
»J-ja, wird wohl so sein, Balls.«
Ja, Tritt Balls Conner war schon ’n bekloppter Kerl, dass er so was machte. Meinswegen, dachte Dicky. Wenigstens denkt er nich’ mehr an die Blonde und ’n Priester.
Balls’ Bier-und-Moonshine-Strahl schoss aus ’m Maul von der Alten und Balls’ Rohr war hart genug, dass er ihren Kopf nich’ mal festhalten musste. Stand einfach nur da mit ’n Händen in ’n Hüften und pisste aus ihrer Fresse und lachte in ’n Himmel rauf. Sah echt bekloppt aus, nich’ nur, dass sein Pimmel aus ihrem Mund kuckte, nee, ihr Kopf – sah aus, als würd’ ihr Kopf aus Tritt Balls’ Hüften wachsen, echt! Und er hatte nich’ gelogen, als er gesagt hatte, dass er echt dringend pissen musste. Stand da bestimmt fünf Minuten und pisste aus ’m Maul von der Schlampe. Aber dann war er fertig und hielt Dicky ihren Kopf hin. »Auch mal pissen, Dicky?«
»Ah, nee, lass ma’, Balls.«
»Schade. Mann, das war der beste Piss, den ich je hatte!« Balls kickte ’n Kopf in ’n Wald, dann kippte er die tote Alte von der Moterhaube und stieg in ’n Camino. »Gib Gas!«
»Klar, Balls.«
Dicky fuhr über die Leiche von der Alten, als er rückwärts auf ’n Weg zurücksetzte. Konnte hören, wie ihre Knochen unter den fetten L50-Schluffen vom Camino knackten. ’ne Minute später waren sie wieder auf der Route auf ’m Weg nach Hause. »Is’ echt spät geworden, Balls. War ’n guter Tag, ham ’ne fette Ladung Shine über die Grenze gebracht und alles. Gute Gelegenheit, nach Hause zu fahren und ’ne Runde zu pennen, ne?«
»Nee, Dicky«, konterte Balls. »Is’ überhaupt nich’ spät – Scheiße, Mann. Wir ham haufenweise Zeit für ’n bisschen Spaß.«
»Ah, komm schon, Balls. Wir ham heut’ Nacht genug gemacht ...«
»Willste mich verarschen, Dicky?« Balls kicherte. »Glaubst du, bloß weil ich diese Alkinutte in ’n Hals gefickt und aus ihrem Maul gepisst hab’, hab’ ich jetz’ den heiligen Mann und diese blonde Stadtschlampe vergessen, die im Gästehaus wohnen? Nee, hab’ ich nich’. Und da fahren wir jetz’ hin, Dicky.«
»Ah, komm schon, Balls!«
Auf Balls’ Gesicht konnt’ man wieder dieses böse Grinsen im Mondlicht sehen. »Halt einfach die Klappe und fahr, Dicky. Fahr diese Schrottkarre direkt zu diesem Scheißgästehaus ...«
(VII)
Charitys Herz hämmerte, als wollte es jeden Moment explodieren. Sie schob Annie die Treppe hinauf, als donnernde Schritte durch die Diele stapften. Er ist es, hatte Tante Annie halb bei Bewusstsein gesagt. Es ist Bighead.
Aber wie konnte das sein? Selbst wenn Bighead mehr war als nur eine lokale Legende, eine durch Inzucht entstandene Monstrosität, ein Monsterkind – Charity hatte doch sein Grab gesehen ...
Was also war dieses riesige Ding, das plötzlich durch das Haus stapfte?
»Rauf, rauf!«, flüsterte Charity scharf. »Komm, Tante Annie, die Treppe rauf und durch den Flur!«
Sie hatten den Flur im ersten Stock halb durchquert, als Charity hörte:
WUMM! WUMM! WUMM!
Etwas – etwas Riesiges – kam die Treppe herauf.
Sie floh in den erstbesten Raum und zog ihre lethargische Tante hinter sich her. Sie hielt die Luft an und schloss die Tür so leise sie konnte. Aber sie hörte es immer noch:
WUMM! WUMM! WUMM!
Die Schritte kamen näher.
»Sch!«, flüsterte Charity mit einem Finger auf den Lippen. »Sag kein Wort, mach kein Geräusch ...«
»Er ist es«, antwortete ihre Tante benommen.
WUMM! WUMM! WUMM!
Die Schritte kamen den Flur entlang. Er weiß, dass wir hier drin sind, vermutete Charity. Sie roch etwas absolut Abscheuliches, wie Fleischreste, die am Boden eines Abfalleimers vergammelt waren. Die donnernden Schritte gingen weiter, dann blieben sie stehen.
Direkt vor der Tür.
Ein schneller Blick verriet ihr, dass dies Goops Zimmer sein musste: über einen Stuhl hingen Overalls, schmutzige Arbeitskleidung lag auf einem Haufen. Doch das spielte alles keine Rolle. Charitys Augen hingen am Türknauf.
Der Türknauf drehte sich.
Sie zog ihre Tante in den Kleiderschrank, schloss die Tür und dann wurde sie fast ohnmächtig, als sie erkannte, was sie gerade getan hatte. Ich habe uns in die Falle gesperrt. Hier kommen wir nicht mehr heraus.
Sie hörte, wie die Zimmertür sich leise quietschend öffnete, und dann ...
WUMM! WUMM! WUMM!
Das Ding – was auch immer es war – war jetzt im Zimmer und suchte nach ihnen.
Charity hatte den Arm um ihre Tante gelegt und wich im Inneren des Schrankes einen Schritt zurück. Sie konnten nirgendwo mehr hin, es gab keinen Ausweg ...
Was?
Hinter sich bemerkte sie ...
Was zur Hölle ...
Sie bemerkte, dass die Rückwand des Schrankes gar keine Wand war, sondern ... eine Öffnung ...
Eine offene Wandplatte ...
Ein Durchgang.
Sie zerrte ihre Tante durch die Öffnung und schloss sie mit der losen Wandplatte. Sie hatte keine Ahnung, warum diese Öffnung hier war, aber es war ihr auch egal. Es war ein Fluchtweg! Sie tastete sich in der völligen Dunkelheit vorwärts. Hinter der Wand schien sich ein schmaler Gang zu erstrecken. Wo führte er hin? »Komm schon, Tante Annie! Komm!«, flüsterte sie aufgeregt. »Einfach weitergehen!«
Ungeschickt arbeiteten sie sich vor, Charity biss sich auf die Unterlippe, als sie an die Geräusche dachte, die sie wahrscheinlich verursachten. Doch da bemerkte sie ...
Lichtspitzen? Weiße Linien?
Ja, Lanzen aus weißem Licht, fadendünn, schienen die Düsternis des Ganges zu durchbohren. Dort waren Löcher in der Wand.
Wieder war ihr das Warum egal. Sie wusste nur eins: Es waren Gucklöcher. Und sie hörte immer noch die monströsen wummernden Schritte.
Die Schritte, vermutete sie, hatten Goops Zimmer durchmessen und waren dann wieder gegangen. WUMM! WUMM! WUMM!
Die Schritte betraten das nächste Zimmer.
Charity legte ihr Auge an das helle Loch.
Das muss das Zimmer des Priesters sein, dachte sie. Nur ein einfacher Koffer. Schwarze Hosen und Hemden hingen im offenen Schrank. Eine Bibel und ein Gebetbuch auf dem Nachttisch. Und ...
Charitys Herz setzte einen Schlag aus.
Sie hatte nur einen sehr begrenzten Blickwinkel – sie konnte nur eine Wand des Zimmers sehen. Doch plötzlich bewegte sich dort etwas ...
Ein Schatten.
Ein riesiger Schatten.
Er huschte über die Wand, die gewaltigen, schweren Schritte begleiteten ihn dröhnend. Er schien zu wanken, war eine monströse Silhouette und Charity konnte sogar durch das winzige Guckloch den erdigen Gestank von verdorbenem Fleisch riechen.
Und dann kam die Gestalt in Sicht.
Nur ihr Rücken ...
Sie musste weit über zwei Meter groß sein. Sie trug einen Overall, der stellenweise verrottet war, und hatte Schultermuskeln, die so groß und mächtig waren, dass sie wie Tumore unter der sonnengebräunten Haut aussahen.
Und dann ... drehte sie sich um.
Charity fiel in Ohnmacht, als sie das Gesicht des Dings sah ...
(VIII)
»Was hast du erwartet? Hast du gedacht, dass er hübsch ist?«
Jetzt war es Annie, die Charity wachzurütteln versuchte.
Mein Gott. Es is’ alles meine Schuld, dachte Annie. Ich hätte wissen müssen, dass es eines Tages alles zurückkommen würde.
Und es war zurückgekommen – mit Racheabsichten.
Aber soweit sie wusste, war das Ding jetzt wieder gegangen. Zusammengekauert hinter der Wand hatte sie beobachtet, wie es aus dem Raum gestapft war, dann aus dem Haus.
Bighead.
Ja, ich hätt’s wissen müssen, erkannte Annie.
Sie zerrte Charity zurück in Goops Zimmer. Goop – großer Gott – Goop hatte das gemacht, er hatte den versteckten Gang hinter den Wänden gefunden und Löcher gebohrt, um die Gäste zu beobachten. Gott sei ihm gnädig! Das nächste Mal, wenn ich ihn seh’, werd’ ich ihm sein Fell gerben ...
»Charity? Charity?« Annie schüttelte ihre Nichte heftig.
Keine Reaktion.
»Komm schon, Liebes! Wir müssen hier raus!«
Nichts.
Ein Blick hatte gereicht, doch war Annie überrascht gewesen? Nein. Nein. Sie hatte ihn nie selbst gesehen, bis auf das eine Mal, aber sie hatte sich vorstellen können, wie er heute aussah.
Sie erschauderte bei dem Gedanken.
»Was ... war dieses ... Ding?« Endlich rührte Charity sich und murmelte mit fahlem Gesicht vor sich hin. Ihre Augen waren schockgeweitet.
»Du weißt es.« Annie tupfte ihrer Nichte mit einem Taschentuch die Stirn ab. »Du weißt es jetzt. Das war Bighead. Er ist nach all den Jahren zurückgekommen.«