ZWEI
(I)
Joyclyn, sieh mal!
Ich weiß. Er wacht auf!
Ein Kichern zwitscherte in seinen Ohren, genauso unwirklich wie die Körnigkeit der Luft. Der Priester stöhnte in sein Kissen.
Das wird Spaß machen ...
Die Blässe der Dämmerung legte dicken Schweiß auf seine Brauen; er fühlte sich, als wäre er voller Schleim, Furcht nagte an seinem Gesicht, kleine geisterhafte Daumen übten Druck auf seine Augäpfel aus, dass sie fast platzten. Erschöpft von der Wildheit des Albtraums blickte er zum Fuß seines spartanischen Bettes.
Gott, ich flehe dich an, dachte er. Ich habe solche Angst! Beschütze mich!
Vielleicht tat Gott es, denn die Furcht, die dem Priester das Gefühl gab, in einem heißen Tümpel zu ertrinken, ließ nach.
Doch die Vision ...
Jesus Christus ...
Das Nachbild der Vision verschwand noch nicht ganz.
Die beiden Nonnen blickten zu ihm herab, sie kicherten gnomenhaft. Sie grinsten, bedeckt von einer Patina aus trübem Morgenlicht. Ihre Augen waren stumpf wie der Tod, ihre Münder waren wie dünne Schlitze in grauem Fleisch. Dann lüfteten sie ihre schwarzen Nonnengewänder –
Gott im Himmel ...
– und begannen zu urinieren.
Direkt dort auf den Teppich des Pfarrhauses, in heißen, dampfenden Strahlen, ihre Finger an den Venushügel gelegt, darunter die zarten, kleinen Harnröhren ...
Das schrille, hexenhafte Gekicher verklang und die Bilder verblassten, als der Priester endgültig erwachte.
Scheiße, dachte der Priester. Verdammte Sch...
Doch da war noch etwas, nur für einen Sekundenbruchteil.
Ein Bild hing da für den Zeitraum eines Augenzwinkerns.
Ein schwarzer Schlund so groß wie ein Mülleimerdeckel, voller Zähne so scharf wie Eispickel ...
(II)
»Tja, freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Charity, nachdem sie ihre Taschen in den winzigen Kofferraum gepackt hatte und eingestiegen war.
»Freut mich auch«, sagte die Blonde. Charity konnte sich nicht mehr genau an ihren Namen erinnern. Jennifer? Jessica?
»Und mir gefällt dein Wagen«, fügte Charity hinzu, weil ihr nichts Besseres einfiel. Es war ein knallroter Miata, ein zweisitziges Cabrio. Ein hübscher Wagen. Und wahrscheinlich ziemlich teuer. Eines Tages werde ich auch so einen Wagen fahren, schwor Charity sich. Sobald ich meinen Abschluss habe ...
»Es war gut, dass du die Anzeige aufgegeben hast«, sagte die Blonde. »Das kam genau richtig. Ich meine, wie viele Leute fahren schon zum Arsch der Welt?« Sie hielt inne und verzog das Gesicht. »Tut mir leid. Du kommst von da, richtig? Ich wollte nicht sagen, dass deine Heimat am Arsch der Welt liegt. Es ist nur eine Redensart.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Charity. Das kleine Auto schoss auf den Stadtring und ihr langes lockiges Haar flatterte im Fahrtwind. »Es ist am Arsch der Welt. Einfache Leute, einfaches Leben. Aber es hat auch seine Vorteile.«
»Erzähl mir davon!«, stieß die Blonde aus, dann hupte sie einen schwarzen Pontiac an, der sie an der Ausfahrt geschnitten hatte. »Ich wette, da gibt es keine Leute, die so fahren wie dieser Idiot!«
Charity lächelte. Etwas neurotisch, erkannte sie. Und ... Jerrica! So heißt sie! Jerrica Perry. »Na ja ... es ist so lange her. Du bist Autorin?«
»Ich bin Journalistin der Washington Post«, korrigierte sie Jerrica hinter dem gepolsterten Lenkrad. »Lokalredaktion. Bin da seit vier Jahren.«
»Wow. Eine Zeitungsfrau.«
»Keine große Sache. Aber hin und wieder bekommt man von einem der Chefredakteure einen guten lukrativen Auftrag. Das ist mir passiert. Sie haben mir einen dreiteiligen Artikel über die ländlichen Appalachen gegeben. Bringt gutes Geld.«
Charity fragte sich, wie viel. Gutes Geld für Jerrica war vermutlich ein Vermögen für Charity.
»Also, was war das mit deiner Tante?«, fragte Jerrica, als sie auf dem Stadtring auf die Ausfahrt Richmond zusteuerten.
»Na ja, ich bin bei ihr aufgewachsen, bis ich acht war. Dann ...« Warum sollte ihr die Wahrheit peinlich sein? »Ihr Gästehaus geriet in finanzielle Schwierigkeiten und ich wurde in ein Waisenhaus gesteckt.«
»Scheiße, das ist hart.«
»Es war nicht so schlimm«, log Charity. In Wirklichkeit war es ziemlich schlimm gewesen. Sie hatte sich immer wie eine Außenseiterin gefühlt. Aber warum sollte sie das alles einer Frau erzählen, die sie gerade erst kennengelernt hatte? Es war ja gut ausgegangen.
»Mit 18 kam ich raus, hatte zwei Jobs, schaffte meine Hochschulreife. Jetzt arbeite ich an der Uni und belege Abendvorlesungen, weil dafür die Studiengebühren nur halb so hoch sind. Ich will Buchhalterin werden.«
»Klingt gut. Gutes Geld.« Für Jerrica schien alles auf gutes Geld hinauszulaufen.
»Wie auch immer«, fuhr Charity fort. »Meine Tante hat mich eingeladen und da ich noch kein eigenes Auto habe, habe ich die Annonce aufgegeben.«
Jerrica zündete sich eine Zigarette an, der Rauch wehte schnell davon. »Und deine Tante, sagtest du, hat ein Gästehaus?«
»Genau. Eine Zeit lang sah es aus, als wäre es pleite, aber dann hat sie das Ruder wieder herumgerissen.«
»Glaubst du, sie wird uns einen guten Preis machen?«
»Oh, ich denke doch. Ich schätze, sie wird uns gar nichts berechnen.«
»Das klingt ja richtig gut. Die Zeitung zahlt zwar für mich, aber je mehr ich spare, desto mehr kann ich für andere Sachen ausgeben.«
Charity wusste nicht, welche Vorstellungen Jerrica von den Möglichkeiten hatte, in Luntville oder Russell County Geld für »andere Sachen« auszugeben. Doch dann lenkte sie etwas ab, ein goldenes Glitzern.
Ein Ring.
Charity starrte den Diamantring an Jerricas Finger an, als sie den Wagen die lange Ausfahrt zur I-95 entlangsteuerte.
»Der ist wunderschön«, sagte sie. »Bist du verlobt?«
Jerrica zog bei dieser Frage sehr energisch an ihrer Zigarette. »Sozusagen«, antwortete sie. »Ich meine ... ich weiß nicht, ob ich es noch bin.«
Charity fühlte sich in die Enge getrieben, aber sie wusste, dass sie in Wirklichkeit nur neidisch war. Es war nicht nur Nate oder all die anderen Männer – es war komplexer als das. Sie wollte von jemandem geliebt werden, und ...
Keiner ruft nach dem ersten Date je wieder an ...
»Ein schöner Ring«, sagte sie. »Ich hoffe, er ist nett.«
»Das ist er«, sagte Jerrica – etwas zu schnell, wie es Charity schien. »Aber ... ich schätze, die Verlobung ist geplatzt.«
»Was ist passiert?«, traute Charity sich zu fragen.
Jerrica zuckte bei dieser persönlichen Frage mit keiner Wimper. Charity wusste noch nicht viel über Jerrica, aber persönliche Fragen mochte sie offensichtlich. »Ich weiß nicht genau. Es liegt wahrscheinlich an mir. Vielleicht bin ich einfach noch nicht bereit. Ich möchte es sein, aber ... Es ist schwer zu erklären. Und du hast recht, Darren ist ein guter Kerl. Er arbeitet für eine große Gentechnikfirma, verdient gutes Geld. Und ... na, es gibt einfach nichts Schlechtes, das ich über ihn sagen kann. Es liegt alles an mir, glaube ich.«
Charity sackte etwas zusammen. Alles an mir. Wie viele ihrer eigenen Pleiten in der Liebe lagen alle an ihr? Würde sie es je wissen?
Jerrica plapperte weiter. »Ich hoffe, dass mir diese Reise hilft, meine Gedanken zu sortieren. Weißt du, wenn man in D.C. arbeitet, für die Post, kann einen das ganz schön auslaugen. Vielleicht ist das mein Problem: Ich stecke so tief in der Arbeit, dass ich den Rest meines Lebens nicht sehen kann.«
Charity verstand vollkommen, doch da war etwas ...
Was war es?
Sie hatte es schon oft gespürt, bei vielen verschiedenen Leuten. Manchmal dachte sie, sie könne tatsächlich fühlen, was anderen im Kopf herumging. Deshalb sagte sie:
»Aber du liebst ihn, nicht wahr?«
Jerrica warf die halb gerauchte Zigarette aus dem Wagen. Der Highway huschte unter ihnen dahin. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Nun – ja, ich glaube schon.«
Eine weitere Pause, eine weitere Zigarette. »Du hast recht. Ich liebe ihn. Ich weiß nur nicht, ob ich überhaupt weiß, was Liebe ist. Und oft denke ich, dass ich es nicht wert bin, geliebt zu werden.«
»Wie kannst du so etwas sagen!«, protestierte Charity. Aber, ganz ehrlich, wie oft hatte sie sich selbst genauso gefühlt? Sicher, sie hatte Jerricas Gefühle gespürt, aber das war auch alles. Sie kannte nicht die ganze Geschichte und sie hatte nicht das Recht, ein Urteil zu fällen. Aber sie sagte lieber: »Na ja, wenn diese Reise vorüber ist, findet sich vielleicht eine Lösung.«
Jerricas Gesicht schien sich hinter dem Lenkrad zu verhärten. Sie hatte Charity kein einziges Mal direkt ins Gesicht gesehen und vielleicht gab es einen Grund dafür. Charity spürte weitere Gefühle aus dem Kopf der Blonden auf sich zuwallen. Schuldgefühle. Scham. Schande. Und noch mehr Schuldgefühle.
Lass es gut sein, dachte sie.
»Wir werden sehen«, stimmte Jerrica mehr oder weniger zu. »Aber jetzt will ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Ich will jetzt nur den Highway entlangflitzen, um meine Story zu schreiben und das Land zu sehen.«
»Das ist gut.«
»Aber – was ist mit dir? Ich habe noch nicht einmal gefragt. Bist du verheiratet, verlobt, hast du einen Freund?«
»Dreimal nein«, antwortete Charity bedrückt. »Ich weiß nicht, warum, aber ...« An dem Punkt beschloss sie, lieber nichts zu sagen. Das Letzte, was Jerrica brauchte, war, von ihren eigenen romantischen Problemen zu hören. Was sollte sie schon sagen? Ich gehe mit vielen Männern aus, schlafe sogar mit ihnen – aber keiner ruft je wieder an? »Ich schätze, ich habe einfach noch nicht den Richtigen getroffen«, schob sie stattdessen vor.
»Verdammt.« Zum ersten Mal blickte Jerrica zu Charity herüber und schenkte ihr ein breites, strahlendes Lächeln. »Vielleicht gibt es so etwas wie den Richtigen überhaupt nicht. Aber glaubst du, das interessiert mich einen Scheißdreck?«
Und sie lachten und ließen ihr Haar im Fahrtwind flattern.
Es sah ganz nach einem schönen Tag aus.
(III)
»Was ’n Scheißtag«, sagte Balls.
»Sieht für mich ganz okay aus«, antwortete Dicky Caudill hinterm Steuer. Das war Dickys Karre, und was für ’ne scharfe Karre: ’n pechschwarzer, in zehn Schichten lackierter 69er El Camino mit umgeschliffener Nockenwelle und ’nem frisierten 427er Motor. Rockcrusher-Getriebe, ’n Hurst-Schalthebel, Edelbrock-Krümmer, oh yeah, und offene Thorley-Abgaskrümmer und ’n Mehrkammerauspuff. Hatte Dicky Jahre gekostet, die Karre so hinzukriegen, und wenn man sie jetzt sah, könnt’ man meinen, sie käm’ direkt aus’m Autosalon. Hatte ’ne lange Sitzbank mit blankem Lederpolster, keine Schalensitze, was ganz gut war, weil ... na ja, manchmal nahmen sie jemand mit. Und der Camino war schnell, Leute, schaffte die Viertelmeile in guten 13 Sekunden, und die 450 oder mehr Pferde, die in dem fetten Motorblock pumpten, gaben ihr ’nen Topspeed von locker hundertfuffzig Meilen. Sie hatten schon ’n Haufen Bullenkarren damit abgehängt und einmal sogar ’ne Highway-Streife von der State Police. Hat den Bullen die Scheißtüren voll abgefetzt!
»Yeah, Mann. Scheiße. Jeder Tag is ’n Scheißtag, wenn du mich fragst.«
»Öh ... und warum, Balls?«
»Mag lieber die Nächte.« Balls nahm ’n Schluck Moonshine und glotzte aus ’m Beifahrerfenster, als würd’ er über wichtige Dinge nachdenken. War spät am Nachmittag und sie kamen grad zurück vom Nordkamm, von der Grenze gleich hinter Big Stone Gap. »Weißte was, Dicky?«, sagte er. »So wie ich das seh’, ham wir’s gar nich’ so schlecht. Yeah, eigentlich ham wir ’n ziemlich cooles Leben.«
Dicky musste runterschalten vor der nächsten Kurve der Tick Neck Road, die nach Eads Hills raufführte. »Da hast du recht, Balls, echt recht«, sagte er und war ’n bisschen von den Socken, dass sein bester Kumpel so was wie Dankbarkeit fühlte. »Könnt’ echt schlimmer sein, weißt du, und ’s gibt ’ne Menge, wo wir für dankbar sein müssen, wo so viele Leute am Verhungern sind und bei Kriegen draufgehn und in Gettos leben und alles.«
»Ach, scheiß auf die, Dicky«, spuckte Balls. »Verdammt. Davon red’ ich doch gar nich’. Ich geb ’n Scheißdreck auf diese Penner in ihren Scheißgettos oder auf Leute, die in irgendwelchen Scheißkriegen verhungern oder verrecken. Solln sie verhungern, soll’n sie verrecken. Die Welt brauch’ sie nich’. Wovon ich red’, is’ unser Leben und wie’s für uns läuft!«
Dicky konnte jetz’ nich’ mehr so ganz folgen. Oder irgendwie doch, weil Tritt »Balls« Conner manchmal weiß Gott ’n paar echt wilde Ideen übers Leben hatte. »Yeah, du meinst, ’s gibt ’ne Menge in diesem coolen Leben, wo wir Gott für dankbar sein müssen.«
»Äh, nee, Dicky.« Balls verzog sein Gesicht. »Das is’ auch nich’ das, was ich mein’. Was hat Gott denn je für uns getan?«
»Na ja ...« Dicky hielt inne, um sich ’n Popel aus der Nase zu holen. »Er hat uns dieses coole Leben gegeben, oder?«
»Nä, er hat uns nix gegeben, was auch nur zwei Spritzer Pisse aus ’m Pimmel von ’nem toten Hund wert is’, Dicky! Scheiße, Mann, du kapierst gar nix. Du hast nix von dem verstanden, was ich gesagt hab’.«
Dickys Augenbraue zuckte verwirrt, als er ’n kleinen Schluck aus seiner eigenen Pulle nahm. »Aber ... was meinst du denn, Balls?«
»Was ich meine, Dicky-Boy, is’, dass wir ’n feines und cooles Leben ham – aber nich’ wegen Gott, sondern wegen uns selbst. Scheiße. Alles, was wir ham, is’ auf unserm eignen Mist gewachsen.«
»Ah ... oh. Yeah«, gab ihm Dicky recht und sagte nix mehr. Er wollte nich’, dass Balls wieder mit einem von seinen Vorträgen anfing, davon hatte er schon zu viele gehört. Also hielt Dicky lieber die Klappe und fuhr weiter. Tritt Balls Conner und Dicky Caudill waren Jungs aus der Gegend, beide hinter Luntville aufgewachsen, in der Nähe von Whiskey Bottom ’n Cotswold. Hatten sich in der Siebten auf der Clintwood Middle School kennengelernt, dem Jahr, wo sie beide mit der Schule aufhörten. Waren jetzt beide Mitte 20, Dicky klein und fett mit Stoppelfrisur und Balls ziemlich groß und breit, lange Haare und ’n hartes, gemeines Gesicht mit fetten Koteletten und immer ’ne John-Deere-Kappe auf’m Kopf, auch wenn er schon Jahre nich’ mehr auf der Farm von seinem Alten geschuftet hatte. Dicky wusste, dass Balls die Kappe trug, weil er ’ne kahle Stelle kriegte, und da war er ziemlich empfindlich, also hielt Dicky lieber die Klappe. Und die fette Karre brauchten sie, damit sie schnell abhauen konnten, wenn sie ’ne Fuhre machten. ’n festen Job hatten sie beide nich’, brauchten sie auch nich’. Sie fuhren Selbstgebrannten für Clyde Nale, der oben in ’n Wäldern bei Kimberlin ’n paar Destillen hatte. Der gute Clyde hatte da ’n großes Geschäft aufgezogen und er brauchte Kuriere mit Mumm und deshalb bekamen Balls und Dicky immer die besten Fuhren, weil sie so ziemlich die fetteste Karre im County hatten und die ganzen Schleichwege kannten, deshalb hatten die State Cops und die Jungs vom Zoll einfach keine Schnitte gegen sie, und Balls Conner war so tough, dass er sich nix von den Hillbillys hinter der Grenze gefallen ließ. Und so fuhren sie vier- oder fünfmal die Woche mit ’ner Zweihundert-Gallonen-Ladung Moonshine rüber zu den Händlern nach Harlan in Kentucky. Clyde Nale war ’n cleveres Bürschchen; in Russell County gab’s genug Schnaps, deshalb brannte er seinen Fusel hier – weniger Bullen – und bezahlte Dicky und Balls dafür, das Zeug nach Harlan zu bringen, von wo’s in die »trockenen« Staaten vertickt wurde. Und weil’s ’ne lange und gefährliche Fahrt war, zahlte Nale ihnen 1000 pro Monat, die Balls und Dicky sich teilten. Mit andern Worten: Sie waren echt hart arbeitende junge Männer.
Aber wenn’s immer nur Arbeit gäb’ und keinen Spaß, wären Balls und Dicky bald ziemlich trübsinnig geworden. Also sorgten sie zwischen ’n Fuhren für ordentlich Spaß – einen draufmachen nannten sie’s. Weiber durchficken, Leute von der Straße drängen, sich hinter Bars verstecken und Besoffenen in die Eier treten und ihr Moos einsacken. Und, na ja ...
Manchmal auch Leute abmurksen.
Tote Fotzen reden nich’, hatte Balls beim ersten Mal gesagt. Sie kamen grad von ’ner Tour aus Harlan zurück und da war die schnuckligste kleine Puppe aller Zeiten, ’ne Blonde mit knallengen Shorts und fast nix an oben rum, und trampte mitten in der Nacht auf der Furnace Branch Road. War ’n Mäuschen aus ’n Hügeln und sie hielten an, um sie einsteigen zu lassen, und sie lächelte das strahlendste, schnuckligste Lächeln aller Zeiten und sagte: »Hey, Jungs, echt cool von euch.« Und rutschte gleich neben Balls auf die Sitzbank und Dicky zog die Karre wieder auf die Straße und dachte, sie nehm’ sie nur ’n Stück mit, als er KLATSCH! KLATSCH! KLATSCH! hörte und hinglotzte und entgeistert sah, wie Balls ihr mit seinem selbst gebauten Wagenheber ’n paar überzog. »He, Mann, was soll ’n das?«, jammerte Dicky. »Fahr in ’n nächsten Feldweg rein, dann zeig ich’s dir«, sagte Balls nur und Dicky machte’s und ... na ja, die Einzelheiten sind jetz’ mal nich’ so hübsch, sagen wir also nur, dass Tritt Balls Conner ’n Mordsfick hatte. Er steckte zweimal einen weg, bevor sie überhaupt zu sich kam, direkt da neben der Straße. Yes Sir, war wirklich ’ne hübsche Maus, aber vielleicht grad mal 14 oder so, und als sie mitten in Balls’ zweitem Ritt wach wurde, fing sie an zu schrein, als wollt’ sie alle Toten vom Beall-Friedhof aufwecken, aber Balls lachte nur so laut wie der Teufel selbst und fickte ihre arme junge Pussy einfach weiter in Grund und Boden. Dicky stand dabei und sah zu und, na ja, wie er dieses süße kleine Ding mit zerrissenen Klamotten sah und wie ihre kleinen Titties hüpften und alles – da kriegte er selber ’n mächtigen Ständer und konnte nich’ anders und holte sein’ Lümmel raus und wichste sich kräftig einen ab. Aber dass er wichste, hieß noch lang nich’, dass er gut fand, was Balls machte. He, Mann! ’ne Puppe hier aus der Gegend aufgabeln, ihr eins über die Rübe geben und sie gegen ihren Willen durchnudeln? Das war ’ne Vergewalterung, war das, und wenn die Perle sie identerfizierte, würden Dicky und Balls für 15 Jahre pro Nase in ’n Bau wandern, wo sie von riesigen und hauptsächlich schwarzen Bastarden in ’n Arsch gefickt wurden und ihre Schwänze lutschen mussten, wenn sie nich’ wollten, dass ihnen mit ’m selbst gebastelten Messer der Bauch aufgeschlitzt wurde. Als Dicky deshalb fertig damit war, den letzten Rotz aus seinem Pimmel zu schütteln, meckerte er: »Hey, Balls! Was soll’n wir ’n jetz’ machen?«
»Weiß nich’, was du machst, Dicky, aber ich sag dir, was ich jetzt mach’, verdammt. Ich nehm’ mir jetzt das Arschloch von dieser Schlampe vor.« Und er drehte das arme schreiende Ding um, rammte ihr sein’ dicken Schwanz zwischen die Backen und fickte sie wie verrückt in ’n Arsch, während das Blut aus ihrer Pussy lief wie aus ’m kaputten Wasserrohr.
»Das mein’ ich nicht, Balls!«, rief Dicky da. »Ich mein’, was is’, wenn sie ’n Cops sagt, wie wir aussehn!«
»Halt die Klappe und stör mich nicht«, grunzte Balls und pumpte weiter. Jetzt hatte der Schreikrampf von der Kleinen aufgehört und sie hatte gekotzt und war wieder ohnmächtig geworden. Balls beschleunigte sein Tempo und murmelte: »Yeah, oh Mann, yeah! Das is’ vielleicht ’n Klassearsch, das sag ich dir! Ich werd’ ihr ’ne Ladung Saft mitten in die Scheiße spritzen!« Und genau das machte Tritt Balls Conner dann auch, und als er fertig war, zog er ihn raus und wischte seinen dreckigen Prügel an ihren blonden Haaren ab und spuckte ’n fetten Rotzklumpen mitten auf ihren Kopf.
»Heilige Scheiße, Balls!«, meckerte Dicky weiter. »Sie wird ’n Bullen sagen, wie wir aussehn!«
»Und wie, Dicky?«, fragte Balls mit seinem bösen Grinsen und dann setzte er sich direkt mitten auf ihren Rücken und zog ihren Kopf zurück, bis –
knack!
– ihr Genick brach.
»Sie wird überhaupt niemand gar nix erzählen, weil tote Fotzen nich’ reden«, sagte Balls und schnüffelte. »Scheiße, Mann. Is’ doch echt eklig, wie einem der Schwanz nach ’m Arschfick stinkt!«
Na ja, das war jedenfalls das erste Mal, dass sie jemand abgemurkst hatten, aber danach kamen noch viele. ’ne Anhalterin hier, ’n liegen gebliebener Autofahrer da, Weiber, Kerle, das war Balls echt egal. ’n paarmal hielten sie neben ’nem liegen gebliebenen Wagen an und Balls ballerte dem Fahrer – WUMM! Einfach so! – mitten in die Birne, mit dieser alten, rostigen Knarre, die er von seinem Alten geerbt hatte. ’n anderes Mal fuhren sie grad die Davidsonville Road lang, da war da diese alte Lady in ihrem Rollstuhl auf ’m Weg zum Briefkasten und sie hielten an und Balls riss sie aus ’m Stuhl und warf sie hinten in ’n Wagen. Und nachdem Dicky auf einen von den alten Holzfällerpfaden gefahren war, hat Balls sie wie verrückt von hinten gerammelt – hat sich gar nich’ erst mit ihrer Fotze abgegeben, die sicher sowieso alt und schrumpelig und hässlich war. »Geht nix über ’n guten Arschfick, was, Grandma?« Balls lachte laut. »Schätze mal, so hat’s dir seit 50 Jahren keiner mehr besorgt!« Dann war Balls still und sah nach unten und Dicky sah’s auch, so ’n komischer Beutel, der an der Seite am Bauch der alten Dame hing. »Na, das is’ ja der Hammer!«, rief Balls.
»W-was is’ das, Balls?«, fragte Dicky.
»Das is’ ’n Kackbeutel! So einen hatte mein Onkel Nat auch. Weißt du, wenn du nich’ mehr aus ’m Arsch scheißen kannst, kriegst du so ’n Ding. Die Docs verlegen deinen Darm und bohren ’n Loch an der Seite und dann stecken sie diesen Plastikbeutel dran, und immer wenn du was isst, läuft hinterher die Scheiße in diesen Beutel.«
»Oh, verdammt, Balls«, stöhnte Dicky und machte die Augen zu. »Du meinst, der Beutel is’ voll mit Scheiße?«
»Klar doch, Dicky, aber wir brauchen den jetz’ nich’ mehr.« Und damit riss Balls diesen ekligen Beutel mit dem braunen Zeug vom Bauch der armen alten Lady, und wisst ihr, was er dann machte?
Balls ließ wieder die Hose runter.
»Warum ...« Dicky schluckte. »Warum lässt du die Hose runter, Balls?«
»Scheiße, Dicky. Fick is’ Fick, oder? Verdammt. Ich bin schon wieder hart, ich werd’ jetz’ das Darmloch von der Lady ficken.«
Dicky, müsst ihr wissen, sah wohl gern bei ’nem guten Fick zu, aber das wollte er nun wirklich nich’ sehen. Und als Balls mit dem Loch fertig war, schlug er der armen alten Dame mit seinem selbst gebauten Wagenheber die Rübe ein, bis ihr Hirn überall verstreut war, und dann nahm er diesen braunen Plastikbeutel und quetschte den stinkenden Inhalt über ihren Kopf. Nur so zum Spaß.
Na ja, so ’n Bursche war eben Tritt Balls Conner, und das war eben die Art von Spaß, den die Jungs sich zwischen ihren Fuhren für Clyde Nale gönnten. Und ...
»Ja, heilige Scheiße!«, schrie Balls in dem Moment fast.
Oh nee, dachte Dicky, denn er hatte’s auch gesehen.
Mitten im hellen Tageslicht stand sie da, ’ne richtig süße kleine Brünette mit langen, schlanken Beinen und abgeschnittenen Jeans und ’n Paar richtig leckeren Möpsen, die sich unter ihrem Top spannten. Und sie stand da direkt an der Tick Neck Road und lächelte wie nur was und hielt ihren Daumen raus.
»Scheiße, Mann«, sagte Balls. »Halt diese Schrottkarre an, Dicky. Wir werden der Puppe ’n Ritt spendieren.«
(IV)
Jerrica wusste nicht so recht, was sie von ihrer Mitfahrerin halten sollte. Charity war sehr nett, eine sehr hübsche Frau, und sie schien sehr introspektiv und intelligent zu sein. Aber ...
Hmm, dachte Jerrica hinter dem Lenkrad des Miata.
Es war etwas fast schon Geheimnisvolles an ihr, das sich ängstlich hinter der Fassade der Schüchternheit und Introvertiertheit verbarg. Sie ist 30, aber sie ist nicht verheiratet, hat nicht einmal einen Freund. Das konnte Jerrica Perry natürlich kaum begreifen. War sie lesbisch? War sie katholisch oder irgendwas?
»Also was genau machst du beruflich?«, fragte Jerrica. Sie fuhren jetzt schon lange auf der Interstate 199, die Ausfahrt zur Route 23 dürfte noch ungefähr 20 Meilen entfernt sein. »Du arbeitest an der University of Maryland?«
»Nur als Verwaltungsangestellte«, gestand Charity, während ihre braunen Locken im Wind tanzten. »Aber ich belege auch Vorlesungen.«
»Wo bist du zur High School gegangen? Ich war in Seaton.«
»Ich war auf keiner High School. Ich musste mir einen Job suchen, als ich das Waisenhaus verließ.«
Waisenhaus. Mist, Jerrica, du weißt wirklich, wie man die falschen Fragen stellt. Aber immerhin hatte sie das sprichwörtliche Eis gebrochen. »Ich schätze, das war ziemlich hart, oder?«
»Ich hatte mehr Glück als die meisten«, gab Charity zu. »Aber so, wie das System funktioniert – na ja, es ist fast unmöglich, unter diesen Umständen einen High-School-Abschluss zu schaffen. Es ist eine andere Welt. Und wenn du 18 wirst, geben sie dir einen Tritt, drücken dir 100 Dollar in die Hand und wünschen dir viel Glück. Ich habe in drei lausigen Jobs gearbeitet, um über die Runden zu kommen, schaffte gerade eben meine Collegezulassung. Aber die meisten dieser Mädchen kommen nicht so gut davon, sie landen auf der Straße, wissen nicht, wohin, und eh sie sich’s versehen, enden sie im Stall eines Zuhälters und hängen an der Nadel. Ich hatte wirklich Glück.«
Jerrica wollte etwas Passendes sagen, aber alles, was ihr einfiel, waren Statistiken aus ihrer eigenen Zeitung. »Stimmt, ich habe gelesen, dass es in diesem Land 800.000 Waisen gibt, aber nur ein Drittel von ihnen schafft einen Schulabschluss und findet einen Job. Der Rest verschwindet entweder oder landet auf der Straße.«
»Genau, und das ist das Traurige daran. Meine Tante hat mich aufgezogen, aber der Staat hat ihr die Vormundschaft genommen, weil sie nicht genug Geld verdiente. Trotzdem wäre es besser für mich gewesen, wenn ich bei ihr geblieben wäre, da bin ich mir sicher.«
»Wahrscheinlich vermisst du deine Tante sehr, wo du sie so lange nicht gesehen hast.«
»Ja, doch, eigentlich schon. Es ist 20 Jahre her und nach so einer langen Zeit erinnert man sich nur noch vage an einen Menschen. Ich meine ... ich erinnere mich noch an sie – ob du es glaubst oder nicht, ich erinnere mich noch an sehr viel von zu Hause –, aber es ist so weit weg, dass es mir kaum real erscheint. Deshalb bin ich ein bisschen nervös. Ich habe keine Ahnung, wie es sein wird, wenn ich sie wiedersehe, und wenn ich Luntville wiedersehe.«
»Na, du hast jedes Recht, nervös zu sein«, sagte Jerrica, aber sie konnte sich vorstellen, wie unaufrichtig das klingen musste. Was wusste sie schon von der wirklichen Welt? In Potomac von millionenschweren Eltern aufgezogen, das ganze Leben auf Privatschulen verbracht, ein brandneuer Z28 zum 16. Geburtstag. Ich weiß einen Scheißdreck, gestand sie sich ein.
»Also, wie war das jetzt mit diesem Darren?«, fragte Charity als Nächstes.
Wow. Jetzt war Jerrica an der Reihe. Doch komischerweise und vor allem nach Charitys eigener Beichte fühlte sie sich überraschend offen. »Ein heißer Typ, 30, guter Job – er arbeitet für eine Biotechnologiefirma in Bethesda. Ein guter Fang, keine Frage. Und er war Dynamit im Bett.«
Charity errötete leicht und beeilte sich, fortzufahren. »Aber hast du nicht gesagt, dass du die Verlobung beendet hast?«
Jerricas Gedanken rasten, als sie es zu formulieren versuchte. »Ich weiß nicht, es ist schwer zu sagen. Ich ... ich habe ihn rausgeworfen.«
»Warum?«
Noch mehr Zögern. Sei ehrlich!, befahl sie sich selbst. Und was spielte es schon für eine Rolle? Charity war jemand, den sie gerade erst kennengelernt hatte und nach dieser Fahrt wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Jerrica zündete sich noch eine Zigarette an, zeigte ihre Zähne und blinzelte. »Er hat mich erwischt.«
»Erwischt?«
»Er hat mich mit zwei anderen Kerlen im Bett erwischt. Ich habe ihn betrogen.«
Charitys Gesicht zeigte offene Verwirrung. »Aber du hast doch gerade gesagt ...«
»Ja, ich weiß. Ich habe gesagt, dass er Dynamit im Bett war. Das stimmt auch. Aber ... ich schätze, ich habe ein Problem. Ich meine, ich liebe ihn – immer noch. Aber ich habe ihn trotzdem links und rechts betrogen, so wie ich jeden Freund betrogen habe, den ich in meinem Leben hatte. Es hatte nie etwas mit Liebe zu tun oder damit, dass Darren mir vielleicht nicht geben konnte, was ich brauche. Es war ... etwas anderes. Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich sexsüchtig oder so was.«
»Vielleicht solltest du einen Therapeuten aufsuchen«, schlug Charity vor.
Normalerweise wäre Jerrica jetzt in die Luft gegangen. Aber aus irgendeinem Grund war es anders, als Charity es sagte. »Das hat Darren auch gesagt, er wollte, dass ich zu den Anonymen Sexsüchtigen gehe oder so, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mir so etwas anzutun. Und ich war eine Zeit lang bei einigen Therapeuten, aber es hat nichts gebracht.« Ihre Gedanken sprangen einen Satz zurück. Einen Moment mal ... ist es das, was ich bin? Sexsüchtig? Es klang so klischeehaft, wie eine dieser modernen Ausreden dafür, dass man sich dem Genuss und der Verantwortungslosigkeit hingab. Nichts war mehr eine Schwäche, alles war eine »Krankheit«: Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, Spielsucht, ja, sogar Esssucht. Und Sex auch. Verdammt, heutzutage war sogar Ladendiebstahl eine Krankheit. Jerrica konnte das nicht glauben, trotz ihrer eigenen Fehltritte.
Und davon hatte es viele gegeben.
Sie hatte mitgezählt. Über 500, seit sie mit 16 ihre Unschuld verloren hatte. 500. Und sie war erst 28. Halbherzig versuchte sie, es zu erklären. »Ich weiß nicht, was über mich kommt. Wenn ich mit einem Mann zusammen bin, werde ich zu einem anderen Menschen. Ich brauche ... ich brauche die Empfindung, die Stimulation. Jedenfalls glaube ich, dass es das ist.« Sie hatte irgendwann einmal in der Cosmo etwas über »Sensualisten« gelesen, die sich nach den Gefühlen sehnten, die andere bei ihnen auslösten. Noch mehr Ausreden, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Jerrica glaubte keine Sekunde daran. Aber andererseits ...
Sie wusste nicht, was sie glauben sollte.
Und da erst wurde ihr bewusst, was sie hier alles erzählte. Mein Gott, krächzte sie in Gedanken. Charity war im Grunde eine völlig Fremde und Jerrica erzählte ihr gerade Dinge aus ihrem intimsten persönlichen Leben. Aber vielleicht war das ja auch völlig in Ordnung. Manchmal musste man über solche Dinge reden, mit einem Menschen, der ungefährlich war. Denn das war Charity: ungefährlich.
Doch genug war genug; Jerricas Gedanken rasten wie eine Ratte in einem Labyrinth auf der Suche nach dem Ausgang. Sie zündete sich noch eine Zigarette an und wechselte das Thema. »Erzähl mir mehr über dich. Immerhin weiß ich schon, dass du nicht verheiratet bist und keinen Freund hast.«
Charity senkte sofort den Blick. Nicht aus Verlegenheit, sondern aus Verwirrung. Genau wie Jerrica war auch Charity Walsh verwirrt, nicht wegen der Welt und der Menschen darin, sondern wegen sich selbst. »Ich verstehe es nicht«, sagte sie. »Ich bin schon oft mit Männern ausgegangen – ich mag Männer –, aber ... aber noch nie in meinem Leben bin ich zweimal mit dem Gleichen ausgegangen. Ich kapier’s einfach nicht. Ich habe keine Ahnung, was ich falsch mache.«
»He, gib dir nicht selbst die Schuld, wenn es nicht richtig läuft«, sagte Jerrica. »Gott, ich stehe auch auf Männer, aber ich wäre nicht die Erste, die dir versichern würde, dass sie alle Arschlöcher sind. Aber, äh ... bist du ... hast du ...?«
»Ob ich bei der ersten Verabredung Sex mit ihnen hatte?« Charity errötete wieder. »Ja. Jedes Mal. Aber es hat nicht ... geklappt.«
Nicht geklappt. Selbst Jerrica mit ihren vielfältigen Erfahrungen konnte das nicht ganz begreifen. Vielleicht ist sie im Bett eine Niete, überlegte sie. Vielleicht weiß sie nicht, wie man richtig einen bläst ... Aber das waren natürlich Sachen, die sie niemals laut sagen konnte.
»Irgendwas funktioniert einfach nicht, irgendwas passiert einfach nicht, verstehst du?«, fuhr Charity verlegen fort. »Ich weiß nicht, was es ist.«
Diese Aussage ließ sich auf unterschiedlichste Weise interpretieren. Meinte sie Orgasmen? Meinte sie Chemie? »Weißt du«, begann Jerrica, ohne weiter zu spekulieren, »ich glaube, im Endeffekt läuft alles darauf hinaus, den Richtigen zu finden. Vielleicht ist das unser Problem. Wir haben nur noch nicht den Richtigen gefunden.«
Charitys schmale Schultern hoben und senkten sich.
Ja, vielleicht war es das.
Sie bogen auf die Route 23 ab, der kleine rote Wagen flitzte über die offene Landstraße, während weite Felder an ihnen vorbeizogen. Sie fuhren jetzt zwischen den Allegheny Mountains und den Appalachen entlang. Die Welt hatte sich tatsächlich verändert, der Herrschaftsbereich der Wolkenkratzer und des Smogs war von Waldrändern und Vogelscheuchen abgelöst worden. Für Jerrica war es fremd und doch belebend. Sie konnte es kaum erwarten, ihren Artikel über die ländliche Kultur der Appalachen zu schreiben. Die Reise versetzte sie in Begeisterung, doch eine Sache pochte ständig in ihrem Hinterkopf ...
Wie lange kann ich ohne ...?
Sie wagte es nicht einmal, die Frage zu beenden.
»Es tut so gut, zurück zu sein«, sagte Charity.
»Was?«
»Ich war mir nicht sicher, wie ich mich fühlen würde, aber jetzt, wo wir wieder in diesem hügeligen Land sind, wird mir klar, dass es die richtige Entscheidung war, zurückzukommen. Die Menschen, die hier leben, sind einfache Menschen und auch ihr Leben ist einfach. Aber es ist so viel ehrlicher und wirklicher als da, wo wir herkommen.«
Jerrica dachte darüber nach, als sie eine weitere Kippe aus dem Wagen schnippte. Der Motor schnurrte, das Chassis saugte den Wagen in den engen Kurven auf den Asphalt. Auf beiden Seiten erstreckten sich wunderbar weites Grün und Wälder. Und die Luft roch so sauber, dass Jerrica fast high davon wurde.
Und Charity war die perfekte Beifahrerin. Sie kannte die Gegend und ihre Tante hatte ein Gästehaus – besser ging es nicht. Sie folgte Charitys Richtungsangaben und eine Stunde später passierten sie ein rostiges grünes Ortsschild mit der Aufschrift LUNTVILLE.
Luntville. Jerrica hatte natürlich gewusst, dass das der Ort war, in den sie fuhren; aber erst jetzt ließ der Name etwas bei ihr klingeln. Etwas, das sie gelesen hatte. »He, kann es sein, dass ich vor einiger Zeit mal was in der Zeitung gelesen habe, etwas über ein Ordenshaus oder ein Kloster in der Nähe von Luntville?«
»Eine Abtei, glaube ich«, korrigierte Charity. »Aber ich weiß nichts darüber. Du kannst vielleicht meine Tante fragen.«
Genau, sie hatte es nicht in der Zeitung gelesen, sondern im Redaktionsnetzwerk. Es hatte irgendwelche Kontroversen gegeben, wenn Jerrica sich richtig erinnerte. Irgendetwas über ein Hospiz und sterbende Priester. Hmmm. Aber bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, erklärte Charity mit ausgestrecktem Finger: »Bieg hier ab!«
Jerrica bog ab. Sie stöhnte innerlich. Sie waren jetzt seit zehn Stunden unterwegs; würden sie jemals ankommen?
»Wir sind da!«, sagte Charity, ihr rundes Gesicht strahlte vor Fröhlichkeit.
Jerrica verlangsamte, als sie an dem Holzschild vorbeikamen, dann bog sie ab und fuhr einen langen Schotterweg hinauf. An seinem Ende öffnete sich eine Lichtung. Und in der Mitte der Lichtung stand ein wunderschöner hölzerner Landgasthof mit einer langen umlaufenden Veranda, Zedernschindeln und großen Erkerfenstern, all dies inmitten eines üppig bewaldeten Tales. Ein Holzschild verkündete: ANNIES GÄSTEHAUS. 20 DOLLAR PRO NACHT. ZIMMER FREI.
»Das ist es?«, fragte Jerrica. Ihr helles blondes Haar kam endlich zur Ruhe und hing in der sanften Brise locker herab.
»Das«, sagte Charity, »ist es.«