Das Projekt

(The Project)

Als Kind war ihm ausgerechnet die eine Sache verwehrt geblieben, die er sich am sehnlichsten gewünscht hatte.

Erst im letzten Monat hatte er eine Idee geboren, wie er sie doch noch bekommen konnte – er würde sie sich einfach selbst machen.

Die erste Nacht – Die Falle

»Wie viel?«, fragte Hartford.

»Kommt drauf an, was du willst, Süßer.«

Hartford leckte sich die Lippen und grinste. Wenn die wüsste, dachte er. »Sind 500 genug?«

Die Augen der Nutte leuchteten. »500? Heilige Scheiße, Süßer, du willst das volle Programm, oder?«

Hartford nickte. »Klar. Das volle Programm.«

Die Nutte trat noch dichter an ihn heran. Sie roch stark nach billigem Parfüm. »Ich werd dafür sorgen, dass du die beste Zeit deines Lebens hast, Süßer. Du wirst so dermaßen abgehen, die NASA wird dich glatt als Rakete benutzen wollen.«

Hartford betrachtete ihren Körper. In der glühenden New Yorker Hitze dieser Tage waren sogar die Nonnen leicht bekleidet. Allein beim Anblick der Klamotten, die die Prostituierte trug, bekam Hartford schon fast einen Steifen. Und das passierte so gut wie nie.

Na ja, vielleicht könnte ich sie ja wirklich ficken, dachte Hartford. Gehört zwar eigentlich nicht zum Plan, aber was soll’s?

»Willst du’s an ’nem bestimmten Ort treiben?«, fragte die Nutte.

»Ich hab ein nettes Häuschen in Newark.«

»Junge, du bist aber ganz schön weit von zu Hause weg.«

Hartford nickte. »Ich weiß, aber die besten Nutten gibt’s nun mal in Manhattan.«

Die Prostituierte kicherte. »Das gefällt mir. Also, wo ist dein Wagen, Loverboy?«

»Parkt ganz in der Nähe. Komm, ich zeig’s dir.«

Hartford ging die dunkle Straße hinunter. Die Nutte folgte ihm und ihre Pfennigabsätze klapperten bei jedem Schritt auf dem Asphalt. »Also, wie heißt denn mein dicker Fang?«

»Ed«, rief Hartford zurück. »Nenn mich einfach Ed.«

Hartford kletterte aus dem Bett, stand auf und wischte sich die Spucke vom Mund. Sein Penis wurde sofort wieder schlaff. »Na, das hat doch Spaß gemacht«, sagte er und blickte auf die nackte Nutte herunter.

Sie lag auf seinem Bett, die Augen halb geschlossen, während die Handabdrücke auf ihrer Kehle sich bereits violett verfärbten. Hartford wandte sich ab und ging in die Küche, wo er sich ein Glas Sprite einschenkte. Er leerte es mit einem einzigen lauten Schluck. »Ah, schon besser. Willst du auch eine, Schätzchen?«, rief er und lachte. »Nein, ich schätze nicht.« Hartford rülpste und schlenderte zurück ins Schlafzimmer zu der toten Nutte. Petula – zumindest war das der Name, den sie ihm genannt hatte.

Er packte sie an den Füßen und zerrte sie vom Bett. Als ihr Kopf mit einem lauten Rumms! auf dem Teppichboden aufschlug, zuckte Hartford zusammen. »Verdammt!«, knurrte er. Er hoffte, dass er ihre Schädeldecke nicht beschädigt hatte. Das könnte sein ganzes Projekt gefährden. Aber er hatte gelesen, dass Schädelknochen ziemlich robust waren. Ein einziger Schlag würde also hoffentlich keinen allzu großen Schaden anrichten.

Er zerrte sie rückwärts durch die Schlafzimmertür und den Flur hinunter. Sein ursprünglicher Plan war gewesen, sie ins Badezimmer zu locken. Es war komplett gekachelt, bot den Vorteil einer Badewanne und war einfach viel leichter zu reinigen. Aber die verdammte Hure hatte unbedingt ins Schlafzimmer gewollt. Eigentlich wäre es kein Problem gewesen, ihr zu sagen, er wolle es im Badezimmer mit ihr treiben.

Ich glaube, mein größter Fehler war, dass ich nicht Ja gesagt habe, als sie mich gefragt hat, ob wir vorher duschen wollen.

Hartford hatte zuerst keine Ahnung gehabt, worauf zur Hölle sie eigentlich hinauswollte, als er antwortete, eine Dusche hätte er weniger im Sinn. Sie erwiderte: »Hey, ich hab auch nicht an irgendwelche Kaviar-oder Natursekt-Spielchen oder so gedacht.« Danach bestand sie darauf, ins Schlafzimmer zu gehen. Das sei viel gemütlicher und romantischer, hatte sie gemeint.

Während er ihren Körper ins Badezimmer schleppte, schwor er, sich beim nächsten Mal nichts mehr gefallen zu lassen und darauf zu bestehen, dass sie ins Badezimmer gingen. Dies hier war sein erstes Mal und er hatte noch viel zu lernen. Dieses eine Mal konnte er sich selbst gerade noch verzeihen.

Er knipste das Licht im Badezimmer an. Mit einiger Mühe hievte er die Leiche in die Wanne und brauchte anschließend dringend noch ein Glas Sprite, um wieder runterzukommen.

Ich lass mich auf keinen Fall noch mal von einer überreden, dachte er. Viel zu anstrengend.

Der Sex war ohnehin nicht besonders befriedigend gewesen. Sie schien sich prächtig zu amüsieren, aber er selbst war völlig teilnahmslos gekommen und auch nur, weil er sich dabei vorgestellt hatte, wie sein Projekt aussehen würde, wenn es erst einmal fertig war.

Hartford verließ die Küche und ging in die Garage. Er zog an der Schnur, um die Beleuchtung einzuschalten, und ein düsterer Schimmer erfüllte den drückenden, luftlosen Raum. Er schlurfte in die Ecke, in der er seine neu erstandenen Werkzeuge aufbewahrte, und nahm die Metallsäge und das Beil an sich.

Dann eilte er zurück ins Badezimmer. Dort legte er die Säge auf den gefliesten Boden und begann, mit dem Beil immer wieder in den Hals der Nutte zu hauen. Ihr Körper hüpfte bei jedem Schlag und Hartford fiel es schwer, einen gezielten, ruhigen Treffer zu landen. Schließlich sprang er in die Wanne und kniete sich mit über ihrem Bauch gespreizten Beinen hinein. Das machte die ganze Sache entschieden einfacher und als er schließlich bis zu ihrem Rückenmark vordrang, war er über und über mit Blut, Fleisch und kleinen Fetzen ihrer Luftröhre bedeckt. Und ihm war heiß. Was er in dieser Nacht mit Sicherheit gelernt hatte, war, dass es wirklich harte Arbeit bedeutete, einen Kopf vom Körper abzutrennen. Hartford drehte die Dusche auf, als er das Beil gegen die Säge eintauschte. Er lehnte sich zurück und ließ das herrlich kalte Wasser über seinen Kopf und seinen Körper strömen. Als er sich ausreichend abgekühlt und gewaschen hatte, brachte sich Hartford in eine stabile Position und begann, das angeschlagene, blutige Rückenmark zu zersägen.

Nach zehn anstrengenden Minuten gelang es Hartford schließlich, das Rückenmark vom Rest des Körpers zu trennen. Er ließ sich in den Regen des Duschstrahls zurückfallen und stieß einen triumphierenden Schrei aus. Sicher, er war erschöpft, aber er hatte es geschafft. Er hatte den ersten Schritt getan. Er streckte eine Hand über den nassen, blutüberströmten Körper aus und hob den Kopf hoch. Dunkles Blut tropfte von dem sehnigen Stumpf. Die Nutte starrte ihn mit offenem Mund an, so als sei sie vollkommen perplex über ihren momentanen Zustand. Hartford hielt den Kopf direkt vor sein Gesicht und küsste die blutverklebten Lippen.

Schon bald würde der Kopf nichts weiter sein als ein bloßer Schädel, die Schädeldecke abgetrennt, das Hirn entfernt. Aber in diesem Moment sonnte sich Hartford im Glanze seiner eigenen Leistung, lachte vor Freude – und bestaunte den abgesägten Kopf.

Die zweite Nacht – Die zwei Toms

Als Hartford sie an der Ecke stehen sah, stieß er ein erfreutes Quietschen aus. Die meisten Straßenlaternen waren zerstört, aber ein paar brannten noch immer und in ihrem Schein erkannte er, dass sie genau das waren, wonach er gesucht hatte. Er blieb neben den beiden Männern stehen und kurbelte das Fenster herunter. Heiße, nach Müll stinkende Luft wehte zu ihm herein.

»Hallöchen«, sagte der Mann mit dem violetten Filzhut. Er trat an den Wagen. Der andere blieb zurück, rauchte seine Zigarette und sah sich weiter nach potenziellen Freiern, aber auch nach Polizisten um.

»Suchst du nach ’n bisschen Spaß?«, fragte er und lehnte sich durch das offene Fenster.

»Sicher«, antwortete Hartford. »Immer.«

»Tja, dann bist du hier genau richtig«, sagte der Mann und kicherte. »Ich bin der Beste in ganz Queens. Du bist doch kein Bulle, oder?«

»Ein Bulle? Scheiße, nein«, versicherte Hartford.

»Na, dann is’ ja gut. Ich hab wirklich gehofft, dass du kein Bulle bist. Du bist viel zu süß. Das wäre wirklich eine Schande. Also, was soll’s sein?«

»Ich will das volle Programm«, antwortete Hartford, als ihm wieder einfiel, was die Nutte in der vergangenen Nacht gesagt hatte.

»Also, dafür brauchst du ’ne Menge Kohle, Schätzchen.« Der Mann richtete sich wieder auf und betrachtete Hartfords Auto. »Bist du sicher, dass du dir das leisten kannst?«

»Ganz sicher«, erwiderte Hartford. »Ich kann mir euch beide leisten.«

»Beide?«, wiederholte der Mann erstaunt. Er kratzte sich in seinem schwarzen Gesicht, auf das ein zweifelnder Blick getreten war. »Junge, wie viel Bares hast du denn?«

»1000«, antwortete Hartford und zeigte ihm ein Bündel Geldscheine.

»Na, da soll mich doch …«, sagte der Mann. »Du wartest hier, Süßer.«

Hartford sah zu, wie der Typ mit dem violetten Filzhut zu seinem Begleiter mit der Zigarette zurückeilte. Sie unterhielten sich kurz und kamen dann beide zum Auto. »Du hast dir gerade zwei der besten Liebeskünstler gesichert, die man für Geld kaufen kann«, sagte der violette Filzhut. Sie sprangen in den Wagen und knallten die Türen zu. »Oh, hier drin ist es schön kühl«, freute sich der violette Filzhut.

Im Rückspiegel sah Hartford den anderen Mann – er sah derb und eher unfreundlich aus. Ein krasser Gegensatz zu den zarten Zügen des violetten Filzhuts.

»Du hast recht«, sagte der Mann mit der Zigarette. »Er ist süß.«

»Also, wo fahren wir hin?«, wollte der violette Filzhut wissen. »In irgendein riesiges Penthouse in Manhattan?«

»Ich fürchte nein«, antwortete Hartford. »Ein ganz normales Haus in Newark.«

»Junge«, sagte der violette Filzhut. »Du bist wirklich ganz schön weit aus Kansas raus, Dorothy.«

Hartford lachte. »Stimmt. Aber die besten Männer gibt’s nun mal in Queens.«

»Da sagst du was«, kicherte der violette Filzhut.

»Du bist eher der stille Typ, was?«, wandte sich Hartford an den Raucher.

Der Mann kurbelte das Fenster herunter, schnipste die Zigarettenkippe hinaus und kurbelte die Scheibe dann wieder hoch. Er zuckte mit den Schultern.

»Mein Freund ist nur schüchtern. Aber er ist wirklich gut. Du wirst schon sehen. Der kann dir deinen Schwanz lutschen, das glaubst du nicht. Also, wie heißt du?«

»Nenn mich einfach Ed.«

»Ed, hm?«, wiederholte der violette Filzhut. »Okay.«

»Und wie heißt du?«

»Nenn mich einfach Tom.«

»Und wie heißt er? Dick oder Harry?«

Tom lachte. »Das musst du schon selbst rausfinden.«

Hartford stand im Badezimmer, nackt und ganz klebrig vom Blut. Er starrte auf die beiden abgetrennten Köpfe hinunter. Seine Arme taten von der Anstrengung der letzten Nacht noch immer ein bisschen weh, aber er hatte sich trotzdem sehr entschlossen der Arbeit an den beiden Männern gewidmet und ihre Köpfe in weniger als zwei Stunden abgesägt.

Es war viel einfacher gewesen als in der vergangenen Nacht. Beide Männer waren ihm bereitwillig ins Badezimmer gefolgt – diesmal hatte Hartford behauptet, er wolle zuerst mit ihnen duschen – und hatten sich ohne Zögern oder Nachfragen ausgezogen. Keiner von ihnen hatte sich gewehrt, als sie völlig nackt in der Badewanne gesessen und Hartford zwei Küchenmesser in ihre Kehlen gerammt hatte. Sie hatten sich nicht gewehrt, weil sie nicht damit gerechnet hatten. In einem Moment hatte Hartford sich nach unten gebeugt, um die – nicht vorhandenen – Kondome aus seiner Hosentasche zu holen und im nächsten ragte aus jeder ihrer Kehlen ein Holzgriff.

Es war ganz einfach gewesen. Und Hartford hatte sich auch nicht mit irgendwelchen sexuellen Akten aufhalten müssen. Diese Dinge interessierten ihn nicht im Geringsten – er war viel mehr darauf konzentriert, sein Projekt voranzubringen.

Nun folgte der wirklich schmutzige Teil seiner Arbeit.

In der letzten Nacht hatte er gelernt, wie schmutzig man sich wirklich dabei machte, wenn man einer Leiche die Haut abzog – und ihr Gehirn herauszuschneiden war auch nicht gerade das reinste Vergnügen. Man musste sich dabei nicht nur mit Unmengen von Blut herumschlagen, sondern auch mit Gewebe, Fett und Knochen – und dabei hatte Hartford ganz vorsichtig sein müssen, damit er sie nicht zersägte oder aus Versehen zerbrach. Er war die ganze Nacht und den Großteil des Vormittags wach gewesen und hatte am ersten Teil seines Projekts gearbeitet. Anschließend hatte er ein kurzes, zweistündiges Nickerchen gemacht, bevor er den Rest des Tages mit Sticken, Nähen, Zuschneiden und Anpassen verbracht hatte.

Er war inzwischen schon ziemlich geschickt darin und würde sicher noch besser werden.

Das rasiermesserscharfe Skalpell fest mit der Hand umklammert, begann Hartford damit, die Gesichtshaut des violetten Filzhutes abzuziehen.

Es war drei Uhr am Nachmittag, als Hartford auch den zweiten Teil seines Projektes abgeschlossen hatte. Er war sehr stolz auf seine Arbeit. Diesmal hatte es nicht so lange gedauert, drei Teile fertigzustellen, wie am Vortag das eine. Bei den kleineren war er genauso vorgegangen wie in der Nacht zuvor. Was das größere anging, hatte er wie üblich die Haut von beiden Körpern abgezogen, aber diesmal musste er noch weiter gehen. Er hatte bei einem der beiden Männer den Brustkorb entfernt, was sich als ziemlich komplizierte, zeitaufwendige und entsetzlich schmutzige Angelegenheit erwiesen hatte. Am Ende hatte Hartford in scheinbar endlosen Darmschlingen, verfetteten Leberstücken, einem Herzen, einer Niere, irgendwelchen schwarzen, klebrigen Dingern, die Hartford für die Lungen hielt, einem Magen, einem Haufen Fleisch und einer riesigen Menge blutiger Pampe gesessen, von der er beim besten Willen nicht sagen konnte, worum es sich dabei handelte.

Hartford hatte sich aufgrund des fauligen Gestanks ein paarmal übergeben. Beim Entfernen des Brustkorbs hatte er natürlich sehr vorsichtig vorgehen müssen, weil jede noch so kleine Beschädigung die Qualität seines gesamten Werkes beeinträchtigt und er noch einmal ganz von vorne hätte beginnen müssen, um sich einen neuen Brustkorb zu beschaffen. Aber es war alles gut gegangen. Und dank seiner beinahe magischen Fähigkeiten mit Nadel und Faden hatte Hartford sein bisheriges Meisterstück geschaffen.

Er näherte sich langsam dem Ende. Sein Projekt war so gut wie abgeschlossen.

Die dritte Nacht – Die letzte Häutung

Hartford war zu erschöpft, um in dieser Nacht erneut den ganzen Weg bis nach New York zurückzulegen. Die Tatsache, dass er zwei Tage und Nächte beinahe ohne Pause durchgearbeitet und nur etwa zwei Stunden geschlafen hatte, forderte nun ihren Tribut. Trotzdem wollte er sein Projekt beenden. Er konnte es kaum erwarten, es zu sehen und zu spüren.

Er rief deshalb Dave und Rochelle an, zwei seiner Arbeitskollegen – ehemaliger Arbeitskollegen, dachte Hartford ein wenig verbittert. Dave war sein Cousin zweiten Grades, ein groß gewachsener, schlaksiger Kerl, immer einen Gag parat und bei seinen Kollegen sehr beliebt. Rochelle war recht attraktiv, auf der Arbeit ebenfalls sehr beliebt, aber nicht sonderlich humorvoll. Die beiden waren seit etwa zwei Jahren verheiratet. Er mochte sie nicht besonders, aber er hatte rund fünf Jahre lang mit ihnen zusammengearbeitet. Nachdem Dave zur Verwandtschaft gehörte, würden sie seine Einladung auf jeden Fall annehmen. Hartford fand, dass es ein guter Zeitpunkt war, um ein paar alte Rechnungen zu begleichen. Außerdem brauchte er ihr Rückenmark.

»Hi Dave.«

»Hartford?«

»Ja, ich bin’s. Wie geht’s dir so?«

»Danke, gut. Äh, was ist denn los?«

»Habt ihr heute Abend schon was vor, Kumpel? Du und Rochelle?«

Im Hintergrund war ein Murmeln zu hören. Dann: »Warum?«

»Ich dachte, ihr zwei hättet vielleicht Lust, bei mir vorbeizuschauen und was mit mir zu trinken. Wir könnten noch mal über alles reden, was passiert ist. Im Eifer des Gefechts sind da ein paar Worte gefallen, die uns jetzt sicher allen leidtun. Es wäre schön, wenn wir uns wieder vertragen könnten. Ich will meinen alten Job nicht zurück oder so. Ich dachte nur, wir könnten die Sache aus der Welt schaffen. Was meinst du?«

Eine lange Pause folgte. Dann schließlich: »Äh, ich schätze schon. Klar. Okay. Wir sind in ’ner Stunde da.«

»Super, dann bis später.«

Gut 60 Minuten später standen Dave und Rochelle vor seiner Tür. »’n Abend, Hartford«, begrüßte ihn Dave.

»Schön, dich zu sehen«, sagte Rochelle, als sie Dave ins Haus folgte.

»Freut mich, dass ihr beide Zeit für mich habt. Kommt rein, setzt euch.« Hartford führte sie ins Wohnzimmer. Dave und Rochelle nahmen auf dem Sofa Platz. »Was zu trinken?«

»Gern. Ich nehm ’nen Whiskey. Mit Eis.«

»Und ich ’nen Gin Tonic«, ergänzte Rochelle die Bestellung.

Hartford nickte, eilte zur Bar hinüber und machte die Drinks fertig. Als er sich wieder umdrehte, sah Dave lächelnd zu ihm hoch. »Und? Was machst du so? Alles klar bei dir?«

»Ich kann mich nicht beklagen. Ich arbeite an einem neuen Projekt, wenn du’s genau wissen willst. Ist aber noch streng geheim. Ich bin ziemlich beschäftigt.«

»Tatsächlich?«, sagte Dave und nahm einen Schluck von seinem Whiskey.

»Oh, das hätte ich ja fast vergessen. Ich hab noch ein bisschen was zu essen in der Küche. Ich bin gleich wieder da.«

»Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen«, sagte Rochelle.

»Doch, das hab ich doch gern gemacht.« Hartford huschte in die Küche und schnappte sich die Bratpfanne. Dann schlenderte er wieder ins Wohnzimmer.

»Ehrlich, wir haben gar keinen Hun…«, begann Dave, aber als er die hoch erhobene Bratpfanne sah, blieb ihm das Wort im Hals stecken.

Hartford ließ die Pfanne mit voller Wucht niedersausen und sie spaltete Dave mit einem lauten Gong! den Schädel.

Als Dave zu Boden kippte, schrie Rochelle auf und ließ ihren Gin Tonic fallen. »OHMEINGOTT!«, kreischte sie und es waren die letzte Worte, die sie jemals von sich gab.

Hartford wurde durch einige lästige Tätigkeiten aufgehalten. Er musste den Boden von der kleinen Blutpfütze befreien, die in den Teppich gesickert war, die beiden Leichen ins Badezimmer schaffen und ihnen die Kleider ausziehen. Er empfand diese Dinge als uninteressante, niedere Aufgaben. Aber da er zu müde gewesen war, um sich eine Prostituierte zu suchen, waren sie unvermeidlich.

Nachdem er diese lästigen Vorbereitungen erledigt hatte, machte sich Hartford an die eigentliche Arbeit. Er hackte ihnen die Köpfe ab und sägte ihre Schädeldecken auf – Dave hatte einen wirklich riesigen Schädel, was für Hartfords Zwecke absolut ideal war. Dann öffnete er bei beiden Brustkorb und Magen und zog sämtliche Organe heraus. Die Sauerei und der Geruch störten ihn inzwischen nicht mehr – er musste sich nicht ein einziges Mal übergeben. Schließlich entfernte er Dave und Rochelle das Rückenmark. Er hielt einen der beiden Stränge in die Höhe und testete seine Elastizität. Er bog sich sehr geschmeidig.

»Sensationell«, murmelte Hartford und spürte, wie ein warmes Kribbeln durch seinen nackten Körper schoss.

Er stellte sich unter die Dusche, um sich ein wenig abzukühlen, und trank dann einen großzügigen Schluck Sprite.

Anschließend zog er ihnen die Haut ab. Wie bei den vorangegangenen Malen schnitt er die Haut nur aus ihren Oberkörpern heraus: Da sich ihm dort die größte Oberfläche bot, eignete sich dieser Bereich für seine Zwecke am besten. Als Hartford vier blutige Fetzen Haut herausgeschnitten hatte – einen mit zwei kompletten, hängenden Brüsten –, schrubbte er sämtliche Fleischreste, Sehnen und das restliche Blut ab und trocknete sie mithilfe seines Föns. Er trug die beiden Rückenmarkstränge, die gelben, faltigen Hautfetzen und die zwei Schädeldecken in seinen Schuppen. Dort lagen bereits eine Sammlung von Arm-und Beinknochen, drei weitere Schädeldecken und das Rückenmark, das er bei der Nutte und dem violetten Filzhut entfernt hatte. Er verbrachte den Rest der Nacht und die frühen Morgenstunden damit, die letzten Arbeiten an seinem Projekt abzuschließen.

Um sieben Uhr war er fertig. Nachdem er den letzten Nagel in den Beinknochen gehauen hatte, ließ er sich in den Stuhl plumpsen und fing an zu heulen. Es waren sicher auch Tränen der Erschöpfung, aber hauptsächlich weinte er Freudentränen, weil er nun endlich ein Eigenes haben würde. Jetzt musste er nur noch die Einzelstücke zusammenfügen – dann war er fertig. Nun ja, nicht ganz. Es gab noch immer eine Sache, die er erledigen musste. Aber das konnte warten.

Er wischte sich die Tränen aus dem blutüberströmten Gesicht, sammelte die einzelnen Teile zusammen und trug sie ins Haus hinüber, in sein ganz spezielles Zimmer. Anschließend zog er sich an, stopfte die Überreste von Dave und Rochelle in einen Müllsack und schleppte sie hinaus. Zusammen mit den anderen menschlichen Überbleibseln, die er in seinem Schuppen gelagert hatte, warf er sie auf einen Haufen und zündete ein mächtiges Feuer im Garten hinter dem Haus an.

Er stand eine Stunde lang nur da und starrte in die Flammen, vollkommen hypnotisiert von ihren wunderschönen, beruhigenden Bewegungen. Für ihn war der ranzige Gestank des brennenden Fleisches in diesem Moment der schönste Geruch der Welt.

Nachdem er noch etwas Holz nachgelegt hatte, um das Feuer am Brennen zu halten, ging Hartford zurück ins Haus. Er duschte, schrubbte gründlich das Badezimmer und setzte sich mit einer Dose Sprite in der Hand auf den Stuhl, der neben dem Telefon stand.

Frank Wainwright stieg aus seinem Wagen, knallte die Tür hinter sich zu, drehte sich um und starrte auf das Haus. »Mein Gott«, murmelte er und hustete. »Das ist doch total verrückt.«

Er warf seine Zigarettenkippe auf den Boden, zog sich die rutschende Hose hoch und ging auf die Haustür zu.

Zehn Jahre, dachte er. Es ist zehn Jahre her, und jetzt? Ein verdammter Anruf. Der verfluchte Hurensohn will mich sehen.

Er schlurfte die Stufen hinauf und stellte sich vor die Tür. Er wartete. Und hustete. War er wirklich dazu bereit? Wollte er ihn nach all den Jahren wirklich wiedersehen?

Warum bist du sonst den ganzen Weg hier raus gefahren? Weil du neugierig bist, darum. Du hast deinen Jungen schließlich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen.

Er nahm einen tiefen, von Schleim durchtränkten Atemzug und pochte gegen die Tür.

Vielleicht ist er ja pleite. Braucht Geld. Ja, das wird’s wohl sein. Hat keine Freunde, also wen ruft er an? Seinen guten alten Dad.

Die Tür öffnete sich und Hartford lächelte ihn an.

»Dad! Schön, dich zu sehen.«

Frank nickte. Er hätte beinahe ein »Lieber Gott!« ausgestoßen, aber er unterdrückte den Impuls. Sein Sohn sah furchtbar aus. Dunkle Augenringe, blasse Haut und ein ausgemergeltes Gesicht. Er war kaum wiederzuerkennen.

»Komm rein, Dad.«

Frank trat ins Innere des dunklen Hauses. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. »Du könntest hier drin mal ein bisschen Licht machen, Hartford. Und ein bisschen frische Luft reinlassen.«

Franks Sinne waren zwar nicht mehr unbedingt in Bestform, aber selbst seine verkrustete alte Nase war noch in der Lage, unter der dünnen Schicht aus Reinigungsmittel mit Kiefernduft einen anderen, seltsamen Geruch wahrzunehmen.

Mein Gott, er hat sich wirklich gehen lassen, dachte Frank.

»Also ich war ganz schön überrascht, als du mich angerufen hast. Ich hab mir gerade das Spiel angeschaut. Im ersten Moment hab ich gar nicht gewusst, wer da dran ist.«

»Ja, ist ’ne Weile her, was, Dad?«

»Bitte, nenn mich Frank.« Er hustete.

»Bist du krank? Ich finde nämlich, dass du wirklich gut aussiehst, Dad. Entschuldige … Frank.«

»Ach, du weißt schon. Nur die kleinen Vorzüge des Älterwerdens. Du siehst aber auch gut aus. Immer viel zu tun, was?«

Scheiße, ist das unangenehm, dachte Frank. Er wäre viel lieber wieder zu Hause gewesen, hätte sich betrunken und in die Glotze gestarrt. Er wusste ja noch nicht einmal, warum Hartford ihn überhaupt hatte sehen wollen. Um an alte Zeiten anzuknüpfen? Um zu versuchen, gerissene Familienbande wieder zu flicken?

»Ja. Ich bin ziemlich beschäftigt, das stimmt. Aber mein Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Erst gestern Abend waren Dave und Rochelle auf ein paar Drinks hier.«

»Dave und Rochelle? Meinst du deinen Cousin Dave und seine Frau?«

Hartford nickte.

Was zur Hölle? dachte Frank. Er wusste, dass Hartford im letzten Monat seinen Job in der Schneiderei verloren hatte. Anscheinend hatten Dave und Rochelle ihn gefeuert, weil er immer zu spät gekommen war und nicht hart genug gearbeitet hatte. Nun, zumindest hatte Charlene ihm das erzählt. Es war das letzte Mal gewesen, dass er mit ihr gesprochen hatte, bevor sie gestorben war.

Warum will er denn mit denen einen trinken?, wunderte sich Frank, aber dann fiel ihm auf, dass es ihm egal war. Es gab dringendere Angelegenheiten, um die er sich kümmern musste.

»Äh, ich will ja nicht unhöflich sein, Hartford. Aber warum hast du mich angerufen? Warum wolltest du mich nach all den Jahren sehen?«

Hartford grinste. Es erinnerte Frank an ein Skelett.

»Ich bin froh, dass du fragst. Es gibt da etwas, das ich dir zeigen möchte.«

Hartford führte Frank tiefer in das düstere Haus hinein und auf eine Doppeltür zu. Davor blieb er stehen. Er drehte sich um und blickte Frank an. Auf seinem Gesicht lag plötzlich ein harter, distanzierter Ausdruck – eine wirklich erstaunliche Veränderung im Vergleich zu dem kränklichen Skelett, das ihm noch vor wenigen Augenblicken gegenübergestanden hatte. »Erinnerst du dich noch, wie ich mir ein Schlagzeug gewünscht habe und du es nicht erlaubt hast?«

Frank nickte.

»Dass ich geweint und geweint habe? Mum hätte es mir erlaubt, sie hat gesagt, dass ich eins haben darf. Aber du warst dagegen und hast Nein gesagt.«

»Du warst erst zehn«, erwiderte Frank und hustete. »Das war vor 20 Jahren. Wieso fängst du jetzt wieder davon an?«

Hartford lächelte, drehte sich wieder um und stieß die Tür auf. »Weil ich jetzt eins habe, Daddy.«

Frank trat in den Raum. Die Wände des Zimmers waren mit Bildern bedeckt, die in rotes, gelbes und blaues Licht getaucht waren – lauter Fotografien, alle von ein und derselben Frau in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens. Franks Verstand begriff nicht sofort, aber als er es tat, hatte er das Gefühl, jemand habe ihm in den Magen getreten. Jede einzelne Aufnahme zeigte Charlene.

»Mein Gott«, murmelte Frank, wandte seinen Blick vom Schrein für Hartfords Mutter ab und konzentrierte sich auf das Ausstellungsstück in der Mitte des Raumes. Von hinten wurden die grotesken Umrisse von grellem Licht angestrahlt. »Mein Gott«, stieß er erneut aus, aber diesmal klang seine Stimme seltsam weich und hoch.

Hartford wandte sich ab und setzte sich hinter das –

Was zur Hölle ist das?

– und grinste. »Gefällt’s dir? Ich hab es ganz alleine gebaut. Siehst du, Daddy, jetzt hab ich endlich ein Schlagzeug.«

Frank starrte auf die aus Schädelknochen hergestellten Becken, die auf Knochenbeinen thronten. Auf die Trommeln aus menschlicher Haut, die sich straff über lachende Schädel spannten. Und auf die große Basstrommel, aus deren Vorderseite zwei ausgetrocknete, verschrumpelte Brüste hingen. Und dann übergab er sich. Er taumelte zur Tür, aber sie war verschlossen.

»Du gehst nirgendwo hin. Ich brauche doch ein Publikum für mein erstes Konzert«, rief Hartford.

Frank wischte sich die Spucke vom Mund, drehte sich um und sah seinen Sohn mit verschwommenem Blick an. Hartford griff nach zwei geschnitzten Armknochen, wirbelte sie zwischen seinen Fingern hin und her und begann zu spielen.

NOTIZEN ZUR ENTSTEHUNG:

Das ist eine meiner allerersten Geschichten, die ich vor Jahren geschrieben habe, um meinen drei Lieblingsthemen – mir will einfach kein besseres Wort einfallen – Tribut zu zollen: Serienkillern (in diesem Fall besonders Ed Gein), Filmen über die abgehalfterte Seite New Yorks (wie Taxi Driver oder Driller Killer – Der Bohrmaschinenkiller) und, natürlich, Schlagzeugspielen (ich habe einen Abschluss in Musik, Hauptfach Schlagzeug/Percussion).

Und falls Sie sich das nun wirklich fragen sollten: Nein, ich hatte noch nie das Bedürfnis, ein Schlagzeug wie das in dieser Geschichte zu bauen. Aber ich überlege schon, wie es sich wohl anhören würde, darauf zu spielen …