85
Kaminfeuer
Fraser’s Ridge
Oktober 1771
Die Jahreszeit wechselte von einer Stunde zur nächsten. Sie hatte sich in der angenehmen Kühle eines Altweibersommerabends schlafen gelegt und war mitten in der Nacht von beißender Herbstkälte erwacht. Ihre Füße froren unter der Quiltdecke. Obwohl sie schläfrig war, konnte sie ohne eine zusätzliche Decke nicht mehr einschlafen.
Sie kämpfte sich mit Schlitzaugen aus dem Bett und tapste über den eisigen Fußboden, um nach Jemmy zu sehen. Er war ganz warm, denn er lag tief versunken in seinem winzigen Federbett und hatte die Bettdecke bis zu seinen kleinen, rosafarbenen Ohren hochgezogen. Sie legte ihm sanft eine Hand auf den Rücken und wartete auf das beruhigende Heben und Senken seiner Brust. Einmal, zweimal, noch einmal.
Sie kramte nach einem zusätzlichen Quilt und breitete ihn über das Bett, griff nach einem Becher mit Wasser, um sich die trockene Kehle anzufeuchten und stellte mit einem verärgerten Brummen fest, dass er leer war. Sie dachte sehnsüchtig daran, wieder ins Bett zu kriechen und tief in den warmen Schlummer zu sinken - aber nicht, solange sie dem Verdursten nahe war.
An der Verandatreppe stand ein Eimer mit Brunnenwasser. Gähnend verzog sie das Gesicht, hob den Türriegel aus seinen Halterungen und legte ihn sanft ab - obwohl Jemmy nachts so fest schlief, dass die Gefahr, ihn zu wecken, nicht sehr groß war.
Dennoch öffnete sie die Tür sehr behutsam und trat ins Freie. Sie erschauerte sacht, als ihr die kalte Luft das Hemd um die Beine blies. Sie bückte sich und tastete sich in der Dunkelheit vor. Kein Eimer. Wo...
Aus dem Augenwinkel sah sie eine kurze Bewegung und fuhr herum. Im ersten Augenblick dachte sie, es sei Obadiah Henderson, der auf der Bank neben ihrer Tür saß, und ihr Herz krampfte sich zusammen wie eine Faust, als er aufstand. Dann begriff sie, und sie lag in Rogers Armen, noch bevor ihr Verstand bewusst registrieren konnte, wie er aussah.
Sprachlos an ihn gepresst, hatte sie dann Zeit, Details wahrzunehmen: sein geschwungenes Schlüsselbein an ihrem Gesicht, den Geruch zu lange getragener Kleider, die so lange nicht mehr gewaschen worden waren, dass sie nicht einmal mehr nach Schweiß rochen, sondern nach dem Wald, den er durchwandert hatte, der Erde, auf der er geschlafen hatte, und vor allem nach dem bitteren Rauch, den er eingeatmet hatte. Die Kraft seines Arms, der sie umfing, und das Kratzen seines Bartes auf ihrer Haut. Das aufgeborstene, alte Leder seiner Schuhe unter ihren nackten Zehen und die Form der Knochen seiner Füße, die darin steckten.
»Du bist es«, sagte sie und weinte. »Du bist wieder zu Hause!«
»Aye, ich bin zu Hause«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Geht’s dir gut? Und Jemmy?«
Sie lockerte ihre Umklammerung seiner Rippen, und er lächelte sie an - wie seltsam, sein Lächeln durch einen dichten, schwarzen Bart zu sehen, wenn auch das Mondlicht die vertraute Rundung seiner Lippen zeigte.
»Alles in Ordnung. Und du?« Sie schluchzte, und ihr liefen die Augen über, als sie ihn ansah. »Was machst du denn hier draußen, zum Kuckuck? Warum hast du nicht geklopft?«
»Aye. Bestens. Ich wollte dir keinen Schrecken einjagen. Ich dachte, ich schlafe hier draußen und klopfe am frühen Morgen. Warum weinst du denn?«
In diesem Moment begriff sie, dass er nicht deshalb flüsterte, um Jemmy nicht zu wecken; das bisschen Stimme, das er hatte, war eine zerschlissene Hülle, tonlos und außer Atem. Und doch sprach er deutlich und brachte seine Worte ohne Zwang hervor, ohne sein früheres, schmerzerfülltes Zögern.
»Du kannst sprechen«, sagte sie und wischte sich hastig mit dem Handrücken über die Augen. »Ich meine - besser.« Früher einmal hätte sie aus Rücksicht auf seine Gefühle gezögert, seinen Hals zu berühren, doch sie war instinktiv so klug, die plötzliche Intimität des Schocks nicht ungenutzt zu lassen. Möglich, dass die Spannungen wiederkehrten und sie erneut Fremde wurden, doch im Moment, in diesem Moment konnte sie in der Dunkelheit alles sagen, alles tun, und sie legte ihre Finger auf die warme, raue Narbe, berührte den Einschnitt, der ihm das Leben gerettet hatte, eine glatte, weiße Linie in seinem Bart.
»Tut es immer noch weh, wenn du redest?«
»Es tut weh«, krächzte er leise, und sein Blick traf den ihren, dunkel und sanft im Mondschein. »Aber ich kann es tun. Ich werde es tun - Brianna.«
Sie trat zurück, eine Hand auf seinem Arm, denn es widerstrebte ihr, ihn loszulassen.
»Komm herein«, sagte sie. »Es ist kalt hier draußen.«
 
Ich hatte diverse Einwände gegen Kaminfeuer, angefangen bei den Splittern unter meinen Fingernägeln und dem Harz an meinen Händen bis hin zu den Blasen, Brandwunden und der schieren, ärgerlichen Feindseligkeit des Elementes. Zwei Dinge musste ich aber eingestehen: Es war unleugbar warm, und es tauchte den Liebesakt in ein gedämpftes Licht von solcher Schönheit, dass man alle Hemmungen der Nacktheit getrost vergessen konnte.
Unsere beiden Schatten verschwammen an der Wand, hier ein Arm oder Bein, dort die Wölbung von Rücken oder Flanke, deutlich als Teil eines sich wiegenden Tiers erkennbar. Jamies Kopf tauchte auf, eine große, langmähnige Kreatur, die sich über mir erhob, den Rücken haltlos aufgebäumt.
Ich fuhr mit den Fingern über schimmernde Haut und bebende Muskeln, strich über die glänzenden Haare auf Armen und Brust, um meine Hände dann in der Wärme seines Haars zu vergraben und ihn keuchend auf die dunkle Mulde zwischen meinen Brüsten hinunterzuziehen.
Ich hielt die Augen halb geschlossen, genau wie meine Beine, denn ich wollte seinen Körper noch nicht freigeben, die Illusion der Einheit noch nicht aufgeben - wenn es denn eine Illusion war. Wie oft würde ich ihn wohl noch so halten, vielleicht sogar im Zauber des Feuerscheins?
Ich klammerte mich mit aller Kraft an ihn und an das ersterbende Pulsieren meines Körpers. Doch wer versucht, die Freude festzuhalten, vertreibt sie nur, und innerhalb weniger Sekunden war ich nur noch ich selbst. Die dunkle Krampfader an meinem Knöchel war selbst im Schein des Feuers deutlich zu sehen.
Ich ließ seine Schultern los und griff zärtlich in die drahtigen Locken seines Haars. Er drehte den Kopf zur Seite und küsste meine Brust, dann bewegte er sich seufzend und glitt neben mich.
»Und man sagt, Hühner mit Zähnen sind selten«, sagte er und betastete vorsichtig einen tiefen Bissabdruck auf seiner Schulter.
Ich lachte auf. Dann stützte ich mich auf einen Ellbogen und warf einen Blick zum Kamin.
»Was ist denn?«
»Ich überzeuge mich nur davon, dass meine Kleider nicht in Flammen aufgehen.« Im Eifer des Gefechtes hatte ich nicht großartig darauf geachtet, wohin er meine Kleidungsstücke geworfen hatte, aber sie schienen in sicherer Entfernung von den Flammen gelandet zu sein; der Rock lag in einem Häufchen neben dem Bett, und Mieder und Hemd waren irgendwie in entgegengesetzten Ecken des Zimmers angekommen. Mein improvisierter Büstenhalter war nirgends zu sehen.
Das Licht flackerte über die weiß gekälkten Wände, und das Bett war voller Schatten.
»Du bist wunderschön«, flüsterte er mir zu.
»Wenn du das sagst.«
»Glaubst du mir etwa nicht? Habe ich dich schon jemals belogen?«
»Das meine ich gar nicht. Ich meine - wenn du es sagst, ist es wahr. Du machst es wahr.«
Er seufzte und legte sich so hin, dass es für uns beide gemütlich war. Im Kamin zerbarst ein Holzscheit; und als die Hitze auf eine verborgene Feuchtigkeitsspur traf, stiebte ein goldener Funkenschauer auf, der zischend verlosch. Ich sah zu, wie das frische Holz erst schwarz, dann rot wurde und schließlich weiß glühend aufflammte.
»Sagst du dasselbe auch über mich, Sassenach?«, fragte er plötzlich. Er klang verlegen, und ich drehte ihm den Kopf zu und musterte ihn überrascht.
»Sage ich was? Dass du schön bist?« Mein Mund verzog sich unwillkürlich, und er lächelte ebenfalls.
»Nun... das nicht gerade. Aber zumindest, dass du es ertragen kannst, mich anzusehen.«
Ich zeichnete die schwach sichtbare, weiße Linie der Narbe auf seinen Rippen nach, die vor langer Zeit ein Schwert hinterlassen hatte. Die längere, wulstigere Narbe des Bajonetts, das ihm den Oberschenkel der Länge nach aufgeschlitzt hatte. Den Arm, der mich festhielt, gebräunt und rau, die Härchen darauf von den langen Tagen voll Sonne und Arbeit weiß-golden gebleicht. Neben meiner Hand lag sein Glied zusammengerollt zwischen seinen Oberschenkeln, weich und klein jetzt und empfindlich in seinem Nest aus auberginefarbenem Haar.
»Für mich bist du schön, Jamie«, sagte ich schließlich leise. »So schön, dass es mir das Herz bricht.«
Seine Hand fuhr über die Wölbungen meiner Wirbelsäule, eine nach der anderen.
»Aber ich bin doch ein alter Mann«, sagte er lächelnd. »Oder ich sollte einer sein. Ich habe weiße Haare auf dem Kopf; mein Bart ist grau geworden.«
»Silbern«, sagte ich und strich über die weichen Bartstoppeln an seinem Kinn, die gescheckt waren wie ein Patchworkquilt. »Hier und da.«
»Grau«, sagte er beharrlich. »Und löcherig dazu. Und doch...« Er sah mich an, und sein Blick wurde sanfter. »Und doch brenne ich, wenn ich zu dir komme, Sassenach - und ich glaube, das wird auch so bleiben, bis wir beide zu Asche verbrennen.«
»Meinst du das poetisch?«, fragte ich vorsichtig. »Oder wörtlich.«
»Oh«, sagte er. »Nein. Ich wollte nicht... nein.« Er legte den Arm fester um mich und neigte mir den Kopf zu.
»Was das angeht, so bin ich mir nicht sicher. Wenn es so weit kommen sollte -«
»Es wird aber nicht so weit kommen.«
Sein Lachen hauchte durch mein Haar.
»Du klingst, als wärst du dir da sehr sicher, Sassenach.«
»Die Zukunft lässt sich ändern; ich tue es doch andauernd.«
»Oh, aye?«
Ich drehte mich ein Stück zur Seite, um ihn anzusehen.
»Ja. Sieh dir Mairi MacNeill an. Wenn ich letzte Woche nicht da gewesen wäre, wäre sie gestorben, und ihre Zwillinge mit ihr. Aber ich war da, und sie sind nicht gestorben.«
Ich legte mir eine Hand in den Nacken und beobachtete die Reflektion der Flammen, die wie Wellen über die Deckenbalken huschten.
»Ich frage mich natürlich - es gibt viele Menschen, die ich nicht retten kann, aber manchmal gelingt es mir ja. Wenn jemand meinetwegen am Leben bleibt und später Kinder bekommt, die dann auch wieder Kinder bekommen, und so weiter... nun, wenn du zum Beispiel in meiner Zeit ankommst, gibt es wahrscheinlich dreißig oder vierzig Menschen auf der Welt, die es sonst nie gegeben hätte, hm? Und sie alle haben in der Zwischenzeit ihr Leben gelebt-meinst du nicht, dass dies eine Änderung der Zukunft ist?« Zum ersten Mal stellte ich mir die Frage, wie intensiv ich gerade zur Bevölkerungsexplosion des zwanzigsten Jahrhunderts beitrug.
»Aye«, sagte er langsam. Er ergriff meine freie Hand und malte mit seinem langen Finger die Linien auf meiner Handfläche nach.
»Aye, aber es ist ihre Zukunft, die du da veränderst, Sassenach, und vielleicht ist es dir ja bestimmt.« Er nahm meine Hand in die seine und zog sanft an meinen Fingern. Ein Gelenk knackte mit einem Geräusch wie ein Holzscheit, das im Ofen birst. »Im Lauf der Geschichte haben Ärzte doch sicher vielen Menschen das Leben gerettet.«
»Natürlich. Und nicht nur Ärzte.« Hingerissen von der Überzeugungskraft meiner Argumente, setzte ich mich auf. »Aber das spielt keine Rolle - verstehst du denn nicht? Du -« Ich zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du hast doch auch schon dann und wann einen Menschen gerettet. Fergus? lan? Und hier sind sie nun beide, leben vor sich hin, pflanzen sich fort und so weiter. Du hast für sie doch die Zukunft verändert, nicht wahr?«
»Aye, nun ja... vielleicht. Aber mir blieb doch gar nichts anderes übrig, oder?«
Diese simple Frage machte mich sprachlos, und wir lagen eine Weile schweigend da und sahen zu, wie das Licht über die weiß verputzte Wand flackerte. Schließlich bewegte er sich an meiner Seite und sprach weiter.
»Ich sage das nicht, weil ich mir Mitleid wünsche«, sagte er. »Aber siehst du... dann und wann schmerzen mich meine Knochen ein wenig.« Ohne mich anzusehen, spreizte er seine verkrüppelte Hand und wandte sie im Licht hin und her, so dass seine gekrümmten Finger einen Schatten an die Wand warfen, der die Gestalt einer Spinne hatte.
Dann und wann. Ich wusste es sehr gut. Ich kannte die Grenzen des menschlichen Körpers - und seine Wunder. Ich hatte oft genug gesehen, wie er sich nach getaner Tagesarbeit niedersetzte und ihm die Erschöpfung in jede Falte seines Gesichtes geschrieben stand. Hatte gesehen, wie er sich an kalten Tagen morgens langsam erhob und hartnäckig gegen den Protest seiner Knochen und Muskeln ankämpfte. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass er seit Culloden keinen einzigen schmerzfreien Tag mehr erlebt hatte, und die Schäden, die sein Körper im Krieg genommen hatte, verschlimmerten sich durch Feuchtigkeit und widrige Lebensbedingungen. Ebenso wäre ich jede Wette eingegangen, dass er niemals ein Wort davon gesagt hatte. Bis jetzt.
»Ich weiß«, sagte ich leise und berührte seine Hand. Die unregelmäßige Narbe, die ihm das Bein zerfurchte. Die kleine Mulde in seinem Arm, die eine Gewehrkugel hinterlassen hatte.
»Aber nicht, wenn ich bei dir bin«, sagte er und bedeckte meine Hand, die auf seinem Arm lag. »Wusstest du, dass ich nur dann keine Schmerzen habe, wenn ich bei dir im Bett liege, Sassenach? Wenn ich dich nehme, wenn ich in deinen Armen liege - dann sind meine Wunden geheilt, und meine Narben sind vergessen.«
Ich seufzte und legte meinen Kopf in seine Schulterbeuge. Mein Oberschenkel drückte sich an den seinen, meine weichen Muskeln schmiegten sich um sein härteres Bein.
»Meine auch.«
Er schwieg eine Weile und strich mir mit seiner gesunden Hand über das Haar. Es war wild und buschig. Durch unsere Bewegungen hatte es sich aus seiner Befestigung gelöst, und er strich die lockigen Strähnen einzeln glatt und kämmte sie zwischen seinen Fingern aus.
»Dein Haar ist wie eine große Sturmwolke, Sassenach«, murmelte er und klang, als schliefe er schon halb. »Voll Dunkelheit und Licht zugleich. Du hast keine zwei Haare, die dieselbe Farbe haben.«
Er hatte Recht; die Locke zwischen seinen Fingern wies Strähnen aus purem Weiß auf, silberne und blonde, dunkle Streifen, die schwarz wie ein Zobel waren, und an mehreren Stellen hatte es noch das Hellbraun meiner Jugend.
Seine Finger wanderten unter die Masse meines Haars, und ich spürte, wie sich seine Hand um meinen Schädelknochen legte, so dass er meinen Kopf wie einen Kelch hielt.
»Ich habe meine Mutter in ihrem Sarg gesehen«, sagte er schließlich. Sein Daumen berührte mein Ohr und fuhr an der gewölbten Außenkante entlang bis zum Ohrläppchen. Seine Berührung ließ mich erschauern.
»Die Frauen hatten ihr das Haar geflochten, damit sie anständig aussah, aber mein Vater wollte das nicht. Ich habe ihn gehört. Aber er hat nicht gebrüllt, sondern er war ganz leise. Er wollte sie das letzte Mal so sehen, wie sie für ihn gewesen war, hat er gesagt. Die Frauen haben gesagt, er sei ja halb von Sinnen vor Trauer, er sollte sie nur machen lassen und still sein. Er hat gar nicht erst versucht, weiter mit ihnen zu diskutieren, sondern ist selbst zum Sarg gegangen. Er hat ihre Zöpfe gelöst und ihr Haar mit beiden Händen über das Kissen gebreitet. Sie hatten Angst, ihn davon abzuhalten.«
Er hielt inne, und sein Daumen kam zur Ruhe.
»Ich war dabei, hab’ still in einer Ecke gestanden. Als sie alle ins Freie gegangen sind, um den Priester zu begrüßen, habe ich mich herangeschlichen. Ich hatte noch nie einen Toten gesehen.«
Ich umschloss wortlos seinen Unterarm mit den Fingern. Meine Mutter hatte sich eines Morgens von mir verabschiedet, mich auf die Stirn geküsst und die Spange wieder befestigt, die mir aus den Locken gefallen war. Ich hatte sie nie wieder gesehen. Ihr Sarg war geschlossen gewesen.
»War - sie es noch?«
»Nein«, sagte er leise. Er blickte mit halb geschlossenen Lidern ins Feuer. »Nicht ganz. Das Gesicht sah ihr ähnlich, mehr nicht. Als hätte jemand versucht, sie aus Birkenholz zu schnitzen. Aber ihr Haar - das war immer noch lebendig. Es war immer noch... sie.«
Ich hörte, wie er schluckte und sich leise räusperte.
»Das Haar lag ihr auf der Brust, so dass es das Kind bedeckte, das bei ihr lag. Ich dachte, es wäre ihm vielleicht unangenehm, so erdrückt zu werden. Also habe ich die roten Locken angehoben, damit er Luft bekam. Ich konnte ihn sehen - meinen kleinen Bruder, der in ihren Armen zusammengekuschelt lag, seinen Kopf auf ihrer Brust, ganz gemütlich und dunkel unter dem Vorhang aus Haaren. Also dachte ich, nein, er wäre bestimmt zufriedener, wenn ich ihn so ließ - also habe ich ihr Haar wieder über seinen Kopf gelegt.« Er holte tief Luft, und ich spürte, wie sich seine Brust unter meiner Wange hob. Seine Finger fuhren sanft durch mein Haar.
»Sie hatte kein einziges, weißes Haar, Sassenach. Nicht eins.«
Ellen Fraser war im Alter von achtunddreißig Jahren im Kindbett gestorben. Meine Mutter war zweiunddreißig gewesen. Und ich... ich besaß die Fülle all dieser Jahre, die ihnen entgangen waren. Und noch mehr.
»Zu sehen, wie dich die Jahre verändern, erfüllt mich mit Freude, Sassenach«, flüsterte er. »Denn es bedeutet, dass du am Leben bist.«
Er hob die Hand und ließ mein Haar langsam fallen, so dass es mein Gesicht streifte, mir über die Lippen hauchte, mir weich und schwer über Hals und Schultern glitt und sich wie Federn auf die Ansätze meiner Brüste legte.
»Mo nighean donn«, flüsterte er, »mo chridhe. Meine braunhaarige Liebste, mein Herz. Komm zu mir. Bedecke mich. Schütze mich, a bhean, heile mich. Brenne mit mir, wie ich für dich brenne.«
Ich lag auf ihm, bedeckte ihn, meine Haut, seine Knochen, und immer noch - immer noch! - jener glühende, leuchtende Punkt, der uns verband. Ich ließ mein Haar um uns beide fallen, und in der flackernden Höhle seiner Dunkelheit antwortete ich flüsternd.
»Bis wir beide zu Asche verbrennen.«
Das Flammende Kreuz
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