66
Ein unabdingbares Opfer
Heute Abend wurden die Toten mit militärischen Ehren beerdigt; und drei Gesetzlose, die im Lauf der Schlacht gefangen genommen wurden, wurden vor der versammelten Armeeführung gehängt. Dies bereitete den Männern große Genugtuung & war zu diesem Zeitpunkt ein unabdingbares Opfer, um das Raunen unter den Truppen zu besänftigen, welche lauthals forderten, dass einigen der im Kampf festgenommenen Gesetzlosen unverzüglich der Prozess gemacht werde, da man sich diesen unter solch großer Gefahr und unter Verlust so vieler Leben und so viel Blutes entgegen gestellt habe.
 
»Tagebuch der Expedition gegen die Aufrührer«, Wm. Tryon
 
Roger zerrte fest an dem Seil an seinen Handgelenken, doch alles, was er damit bewerkstelligte, war, sich den groben Hanf tiefer in die Haut zu bohren. Er konnte spüren, wie seine aufgeschürfte Haut brannte, und das feuchte Gefühl musste von durchsickerndem Blut herrühren, doch seine Hände waren so taub geworden, dass er es nicht mit Sicherheit sagen konnte. Seine Finger fühlten sich an, als hätten sie die Größe von Würsten angenommen, ihre Haut war zum Bersten angespannt.
Er lag im Schatten eines umgestürzten Baumstamms. Buccleigh und seine Freunde hatten ihn dort hingeworfen, nachdem sie ihn an Händen und Füßen gefesselt hatten. Da er nach seinem Bad im Fluss bis auf die Haut durchnässt war, hätte er wohl vor Kälte gezittert, wenn er sich nicht so verzweifelt angestrengt hätte, sich zu befreien. Statt dessen lief ihm der Schweiß über den Hals, seine Wangen brannten, und sein Kopf fühlte sich an, als würde ihn der heftige Blutzufluss gleich zum Platzen bringen.
Sie hatten ihn mit der Parlamentärflagge geknebelt - ihm das Baumwolltuch so tief in den Hals gerammt, dass er dem Ersticken nahe war, und ihm seine eigene Halsbinde um den Mund geknotet. Vorfahr oder nicht, er würde Hackfleisch aus William Buccleigh MacKenzie machen, und wenn es das Letzte war, was er tat.
In seiner Nähe fielen immer noch Schüsse; nicht in Salven, sondern als abgehacktes Popcorngeknatter. Die Luft roch nach Schwarzpulverrauch, und dann und wann kam irgendetwas pfeifend durch die Bäume gesaust und wütete zerstörerisch im Geäst. Kettenschuss? Kanonenkugeln?
Eine Kanonenkugel war vorhin auf das Flussufer gedonnert, hatte sich mit einer kleinen Explosion eingegraben und den Kampf kurzfristig unterbrochen. Einer von Buccleighs Freunden hatte einen Schrei ausgestoßen und war planschend auf den Schutz der Bäume zugerannt, doch der andere war geblieben und hatte weiter boxend mit ihm gerungen, bis es ihm und Buccleigh schließlich gelungen war, Roger den Kopf unter Wasser zu drücken und ihn zu überwältigen. Seine Schleimhäute brannten immer noch vom Flusswasser.
Jetzt hatte er es geschafft, sich auf die Knie aufzurichten, gekrümmt wie ein Mehlwurm, doch er wagte es nicht, den Kopf über den Baumstamm zu heben, weil er Angst hatte, er könnte ihm abgeschossen werden. Heftige Wut durchströmte seine Adern, so dass er eigentlich keine Angst hatte, nicht einmal, als er begriff, dass um ihn herum die Schlacht tobte. Doch ganz hatte er den Verstand nicht verloren.
Er rieb fest mit dem Gesicht über die krümelige Rinde des Baumstammes, um sich von dem Leinenstreifen zu befreien, der um seinen Kopf gebunden war. Es funktionierte; er blieb an einem Aststumpf hängen, riss den Kopf hoch und zog sich so die Halsbinde über das Kinn. Vor Anstrengung grunzend, schob er das zusammengeballte Tuch ein Stückchen vor, hakte es am selben Ast fest und bog den Kopf zurück, so dass er das nasse Tuch aus seinem Hals zog wie ein umgekehrter Schlangenschlucker.
Er musste automatisch würgen und spürte, wie ihm die Galle im Hals aufstieg. Begierig nach Sauerstoff, schnappte er nach Luft, und sein Magen beruhigte sich ein wenig.
Na schön, er konnte atmen, und was jetzt? Es wurde nach wie vor geschossen, und zu seiner Linken konnte er es krachen hören, als mehrere Männer durch das Gebüsch pflügten, ohne sich an irgendwelchen Hindernissen zu stören.
Rennende Füße kamen auf ihn zu; er duckte sich gerade noch rechtzeitig in den Schutz des Baumstammes, um nicht platt gewalzt zu werden, als ein Körper darüber hinweg katapultiert wurde. Sein neuer Begleiter rappelte sich auf Hände und Knie hoch und presste sich fest gegen den Baumstamm. Erst dann bemerkte er Rogers Anwesenheit.
»Ihr!« Es war der Schwarzbart aus Husbands Lager. Er starrte Roger an, und das Blut stieg ihm langsam ins Gesicht. Er konnte den Mann riechen, ein scharfer, durchdringender Gestank nach Angst und Wut. Wahrscheinlich roch er ganz genauso, oder er hätte so gerochen, wenn er nicht baden gegangen wäre.
Schwarzbart packte ihn vorn am Hemd und riss ihn dicht an sich heran.
»Das ist Eure Schuld! Mistkerl!«
Da er immer noch an Händen und Füßen gefesselt war, war es ihm unmöglich, sich zu wehren, doch er fuhr zurück und versuchte, sich zu befreien.
»Loslassen, Schwachkopf!«
Erst jetzt begriff der Mann, dass er gefesselt war, und erstaunt ließ er ihn los. Roger verlor das Gleichgewicht und fiel zur Seite, wobei er sich an der rauen Rinde des Baumstamms schmerzhaft das Gesicht aufschürfte. Schwarzbart riss verwundert die Augen auf, dann verengte er sie schadenfroh.
»Lieber Himmel, Ihr seid ja gefangen! Wenn das kein Glück ist? Wer hat Euch denn erwischt, Schwachkopf?«
»Er gehört mir.« Eine leise Stimme in seinem Rücken verkündete die Rückkehr William Buccleigh MacKenzies. »Wie meinst du das, es ist seine Schuld? Was denn?«
»Das hier!« Schwarzbart wies mit einer ausladenden Geste seines Arms auf das Feld ringsum und die abklingende Schlacht. Die Geschütze waren verstummt, und es waren nur noch verstreute Gewehrschüsse in der Ferne zu hören.
»Dieser verdammte Schönredner ist heute Morgen ins Lager gekommen, hat nach Hermon Husband gefragt und ihn zu einer Unterredung unter vier Augen mitgenommen. Ich weiß nicht, was in Dreiteufelsnamen er gesagt hat, aber als er fertig war, ist Husband herausgekommen, geradewegs zu seinem Pferd gegangen, hat uns allen gesagt, wir sollten heim gehen, und ist davongeritten!«
Schwarzbart funkelte Roger an, holte mit der Hand aus und schlug ihm fest ins Gesicht. »Was hast du zu ihm gesagt, Hundsfott?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich wieder an Buccleigh, der seinen Blick zwischen seinem Gefangenen und seinem Besucher hin und her wandern ließ, während ihm ein Ausdruck höchsten Interesses die blasse Stirn zerfurchte.
»Wenn Hermon bei uns geblieben wäre, hätten wir es vielleicht geschafft«, kochte Schwarzbart. »Doch dass er einfach so davonspaziert ist, hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen - keiner wusste mehr, was er eigentlich tun sollte, und schon kommt Tryon und fordert uns auf, uns zu ergeben -, und natürlich wollten wir das nicht, aber wir waren auch nicht gerade das, was man kampfbereit nennt...« Nach diesen Worten verstummte er, denn er fing Rogers Blick auf und wurde unangenehm daran erinnert, dass dieser ihn panisch auf der Flucht gesehen hatte.
Jenseits des Baumstammes war alles still; das Schießen hatte ganz aufgehört. Roger dämmerte, dass die Schlacht nicht nur vorbei, sondern auch hoffnungslos verloren war. Was wiederum bedeutete, dass die Miliz in Kürze hier ausschwärmen würde. Seine Augen tränten noch von der Ohrfeige, doch er kniff sie zusammen, um wieder klar sehen zu können, und funkelte Schwarzbart an.
»Ich habe Husband dasselbe gesagt wie Euch«, sagte er mit aller Autorität, die er aufbringen konnte, während er verschnürt wie eine Weihnachtsgans auf dem Boden lag. »Der Gouverneur meint es ernst. Er hat vor, diese Rebellion zu beenden, und wie es aussieht, hat er das auch getan. Wenn Euch Eure Haut lieb ist - und davon gehe ich aus -«
Mit einem unartikulierten Wutgrollen packte Schwarzbart Roger an den Schultern und versuchte, seinen Kopf gegen den Baumstamm zu rammen.
Roger wand sich wie ein Aal. Er warf sich zurück und befreite sich aus dem Griff des Mannes, dann stürzte er nach vorn und rammte Schwarzbart die Stirn vor die Nase. Er hörte ein zufriedenstellendes Knirschen von Knochen und Knorpel; Blut schoss ihm heiß und nass ins Gesicht, und er ließ sich keuchend auf einen Ellbogen zurücksinken.
Es war das erste Mal, dass er jemandem eine solche Kopfnuss verpasste, doch es schien wie selbstverständlich zu funktionieren. Der Ruck hatte ihn am Handgelenk geschmerzt, doch das kümmerte ihn nicht mehr. Er wünschte sich nur noch, dass Buccleigh ihm nahe genug kam, um sich auch eine einzufangen.
Buccleigh betrachtete ihn mit einer Mischung aus Belustigung und argwöhnischem Respekt.
»Oh, ein Mann mit vielen Talenten, aye? Verräter, Frauenräuber und Faustkämpfer, alles in einem, was?«
Schwarzbart übergab sich und verschluckte sich an dem Blut aus seiner zerschmetterten Nase, doch Roger beachtete ihn nicht. Jetzt, da er wieder klar sehen konnte, hielt er den Blick unverwandt auf Buccleigh gerichtet. Er wusste, welcher der beiden Männer die größere Bedrohung darstellte.
»Ein Mann, der sich seiner Frau sicher ist, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass jemand anders sie rauben könnte«, sagte er, und nur ein Hauch von Wachsamkeit hielt seine Wut im Zaum. »Ich bin mir meiner Frau sicher, und die Eure brauche ich nicht, amadain.«
Buccleigh war sonnengebräunt, und sein Gesicht war von der Schlacht gerötet, doch bei diesen Worten schlich sich eine noch tiefere Röte über seine Züge. Dennoch behielt er die Fassung und lächelte schwach.
»Ihr seid verheiratet? Dann muss Eure Frau ja ziemlich hässlich sein, dass Ihr der meinen hinterherschnüffelt. Oder hat sie Euch nur aus dem Bett geworfen, weil Ihr’s ihr nicht ordentlich besorgen konntet?«
Das Scheuern des Seils an seinen Handgelenken erinnerte Roger daran, dass er sich in der falschen Position befand, um eine große Klappe zu riskieren. Mühsam verkniff er sich die Retourkutsche, die ihm auf der Zunge lag, und schluckte sie herunter. Sie hinterließ einen üblen Geschmack.
»Falls Ihr Eure Frau nicht zur Witwe machen wollt, sollten wir wohl besser gehen, oder?«, sagte er. Er wies mit dem Kopf über den Baumstamm hinweg, wo nach kurzer Stille jetzt der Klang entfernter Stimmen folgte.
»Die Schlacht ist vorbei, Eure Sache ist verloren. Ich weiß nicht, ob sie vorhaben, Gefangene zu machen -«
»Sie haben schon einige.« Buccleigh sah ihn stirnrunzelnd an, und es war deutlich, dass er sich nicht entscheiden konnte. Es gab nicht übermäßig viele Möglichkeiten, dachte Roger; Buccleigh konnte ihn nur laufen lassen, ihn gefesselt liegen lassen oder ihn umbringen. Gegen die beiden ersten Möglichkeiten hatte er nichts einzuwenden. Was die dritte anging - wenn Buccleigh vorhatte, ihn umzubringen, wäre er doch bestimmt längst tot gewesen.
»Geht lieber, solange Ihr noch könnt«, meinte Roger. »Eure Frau wird sich Sorgen machen.«
Es war ein Fehler, Morag erneut zu erwähnen. Buccleighs Gesicht verfinsterte sich, doch bevor er etwas sagen konnte, wurde er durch das Auftauchen besagter Frau unterbrochen, die in Begleitung des Mannes war, der Buccleigh vorhin geholfen hatte, ihn zu fesseln.
»Will! Oh, Willie! Gott sei Dank, dass dir nichts passiert ist! Bist du verletzt?« Sie war blass und nervös und hatte ein kleines Kind auf dem Arm, das sich wie ein Äffchen an ihren Hals klammerte. Trotz dieser Bürde streckte sie eine Hand nach ihrem Mann aus, um sich zu versichern, dass er tatsächlich unverletzt war.
»Keine Sorge, Morag«, sagte Buccleigh schroff. »Mir ist nichts passiert.« Dennoch tätschelte er ihre Hand und küsste sie befangen auf die Stirn.
Ohne dieses zärtliche Wiedersehen zu beachten, stieß Buccleighs Begleiter Roger interessiert mit der Schuhspitze in die Seite.
»Was machen wir denn nun hiermit, Buck?«
Buccleigh zögerte, vorübergehend von seiner Frau abgelenkt. Als Morag Roger auf dem Boden erblickte, stieß sie einen unterdrückten Schrei aus und schlug sich die Hand vor den Mund.
»Was hast du getan, Willie?«, rief sie. »Um Himmels willen, lass ihn gehen!«
»Das werde ich nicht tun. Er ist ein verdammter Verräter.« Buccleigh kniff den Mund zu einer grimmigen Linie zusammen. Offensichtlich passte es ihm gar nicht, dass seine Frau Notiz von Roger nahm.
»Das ist er nicht, das kann nicht sein!« Ihren Sohn eng an sich geklammert, bückte sich Morag, um einen Blick auf Roger zu werfen. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine nervöse Falte gebildet. Als sie den Zustand seiner Hände sah, schnappte sie nach Luft und wandte sich entrüstet an ihren Mann.
»Will! Wie kannst du diesen Mann so behandeln, nachdem er deiner eigenen Frau und deinem Kind einen solchen Dienst erwiesen hat!«
Um Gottes willen, Morag, halt dich da heraus!, dachte Roger, als er sah, dass Buccleigh plötzlich die Faust ballte. Buccleigh war sowieso schon ein eifersüchtiger Hund, und die Tatsache, dass er sich auf der Verliererseite der Schlacht wiederfand, die gerade vorbei war, war seiner Laune nicht besonders zuträglich.
»Verschwinde, Morag«, sagte Buccleigh und wiederholte damit Rogers Gedanken in etwas weniger höflicher Ausdrucksweise. »Das hier ist kein Ort für dich oder das Kind; nimm es mit und geh.«
Schwarzbart hatte sich inzwischen ein wenig erholt und baute sich neben Buccleigh auf. Er sah funkelnd auf Roger herab und hielt die Hände vorsichtig an seine geschwollene Nase gedrückt.
»Schneid’ ihm die Kehle durch, sag’ ich, und das war’s.« Er unterstrich seine Meinung mit einem Tritt in die Rippen, so dass Roger sich zusammenrollte wie eine Krabbe.
Morag schrie heftig auf und trat Schwarzbart vor das Schienbein.
»Lasst ihn in Ruhe!«
Schwarzbart jaulte überrascht auf und hüpfte rückwärts. Buccleighs anderer Begleiter schien das ausgesprochen lustig zu finden, unterdrückte seine Heiterkeit jedoch, als Buccleigh ihn Furcht erregend anfunkelte.
Morag war auf die Knie gesunken, das kleine Messer in der Hand, das sie am Gürtel trug, und versuchte einhändig, die Fesseln an seinen Handgelenken zu durchtrennen. So sehr er ihre guten Absichten zu schätzen wusste, wünschte Roger sich doch, sie würde nicht länger versuchen, ihm zu helfen. Es war nur zu offensichtlich, dass das grünäugige Monster Eifersucht von William Buccleigh MacKenzies Seele Besitz ergriffen hatte und mit smaragdfarbener Wut aus seinen Augenhöhlen funkelte.
Buccleigh packte seine Frau am Arm und riss sie hoch. Das Baby begann erschrocken zu kreischen.
»Fort mit dir, Morag!«, knurrte Buccleigh. »Geh, und zwar sofort!«
»Ja, geh!«, meldete sich Schwarzbart grollend zu Wort. »Wir brauchen deine Hilfe nicht, du vorwitziges, kleines Weibsbild!«
»Sprich nicht so von meiner Frau!« Buccleigh machte auf dem Absatz kehrt und boxte Schwarzbart unvermittelt in den Bauch. Der Mann setzte sich abrupt hin, und sein Mund öffnete und schloss sich in komischem Erstaunen. Roger spürte beinahe so etwas wie Mitgefühl mit Schwarzbart, dem es in der Schusslinie zwischen den beiden MacKenzies auch nicht viel besser zu ergehen schien als ihm selbst.
Buccleighs anderer Freund, der diesen Wortwechsel mit der Faszination eines Zuschauers bei einem spannenden Tennismatch beobachtet hatte, ergriff das Wort, während Morag versuchte, ihr Baby zu beruhigen.
»Egal, was du vorhast, Buck, sieh lieber zu, dass du es hinter dich bringst und wir hier fortkommen.« Er nickte beklommen in Richtung des Flusses. Dem Stimmengebrumm nach kam eine ganze Anzahl von Männern auf sie zu. Keine flüchtenden Regulatoren; sie klangen, als wüssten sie, was sie taten. Milizionäre auf der Suche nach Gefangenen? Roger hoffte es sehr.
»Aye.« Buccleigh blickte in die Richtung, aus der die Stimmen kamen, dann wandte er sich seiner Frau zu. Er ergriff sie bei den Schultern, diesmal jedoch sanft.
»Geh, Morag. Ich möchte, dass du dich in Sicherheit bringst.«
Sie hörte den flehenden Unterton in seiner Stimme, und ihre Gesichtszüge wurden sanfter. Dennoch blickte sie von ihrem Mann zu Roger, der es jetzt mit Telepathie versuchte und seine Gedanken mit wachsender Verzweiflung an sie richtete.
Um Himmels willen, geh, Frau, bevor du mich umbringst!
Morag wandte sich wieder an ihren Mann, und ihr kleines Gesicht drückte Entschlossenheit aus.
»Ich gehe. Aber schwöre mir, William Buccleigh, dass du diesem Mann kein einziges Haar krümmst!«
Buccleighs Augen quollen jetzt vor, und seine Hände ballten sich zu Fäusten, aber Morag gab nicht nach, klein, aber tapfer, wie sie war.
»Schwöre es!«, sagte sie. »Denn im Namen von St. Bride, ich werde nicht das Bett eines Mörders teilen!«
Sichtlich hin und her gerissen, blickte Buccleigh erst Schwarzbart an, dann seinen anderen Freund, der von einem Fuß auf den anderen trat wie jemand, der dringend seine Blase entleeren muss. Die Milizionäre kamen immer näher. Dann sah er seiner Frau ins Gesicht.
»Nun gut, Morag«, sagte er schroff. Er schubste sie sacht an. »Jetzt geh!«
»Nein.« Sie ergriff die Hand ihres Mannes und zog sie an ihre Brust. Der kleine Jemmy hatte sich von seinem Schrecken erholt und hatte sich Daumen lutschend an die Schulter seiner Mutter geschmiegt. Morag legte die Hand seines Vaters auf den Kopf des kleinen Jungen.
»Schwöre beim Kopf deines Sohnes, Will, dass du diesem Mann nichts antun oder seinen Tod mit ansehen wirst.«
Im Geiste applaudierte Roger ihrer Geste zwar, doch er fürchtete, dass sie zu weit gegangen war; Buccleigh erstarrte im ersten Moment, und das Blut stieg ihm wieder ins Gesicht. Doch nach ein paar angespannten Sekunden nickte er.
»Ich schwöre es«, sagte er leise und ließ seine Hand sinken. Morags Gesicht entspannte sich, und jetzt wandte sie sich wortlos ab und eilte davon, das Baby eng an ihre Brust gedrückt.
Roger, der die Luft angehalten hatte, atmete aus. Gott, was für eine Frau! Er hoffte inbrünstig, dass ihr und dem Baby nichts zustoßen würde - falls ihr sturköpfiger Mann jedoch beschloss, in ein Rattenloch zu treten und sich das Genick zu brechen...
William Buccleigh blickte zu ihm herab, die grünen Augen nachdenklich zusammengekniffen, ohne die wachsende Unruhe seines Freundes zu beachten.
»Komm schon, Buck!« Der Mann sah sich zum Fluss um, wo laute Rufe darauf hindeuteten, dass Suchtrupps das Terrain durchkämmten. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Es heißt, Tryon hat vor, seine Gefangenen zu hängen, und ich habe keine Lust, dazu zu gehören!«
»So, hat er das«, sagte Buccleigh leise. Er wandte den Blick nicht von Rogers Augen ab, und einen Moment hatte Roger den Eindruck, dass sich etwas Vertrautes in diesen grünen Tiefen regte. Ein Schauer der Beklommenheit lief ihm über den Rücken.
»Er hat Recht«, sagte er zu Buccleigh und wies kopfnickend auf den anderen Mann. »Geht. Ich werde nichts gegen Euch sagen - um Eurer Frau willen.«
Buccleigh spitzte nachdenklich die Lippen.
»Nein«, sagte er schließlich. »Das glaube ich auch nicht. Dass Ihr etwas gegen mich sagen werdet, meine ich.« Er bückte sich und hob die nasse, schmutzige, ehemalige Parlamentärflagge vom Boden auf. »Geh schon vor, Johnny. Kümmere dich um Morag. Ich komme gleich nach.«
»Aber Bück...«
»Geh! Mir wird nichts passieren.« Mit einem schwachen Lächeln, den Blick unverwandt auf Roger gerichtet, schob Buccleigh die Hand in seinen Beutel und zog ein kleines Stück stumpfes Silbermetall hervor. Mit leichtem Schrecken erkannte Roger seine eigene Milizmarke, auf der die groben Buchstaben »FC« schwarz in das Zinnrund gebrannt waren.
Buccleigh warf die Marke mit der Handfläche hoch und wandte sich an Schwarzbart, der sich plötzlich wieder für die Vorgänge zu interessieren begann.
»Ich habe eine Idee, Sir, was unseren gemeinsamen Freund betrifft.« Er wies auf Roger. »Wenn Ihr mitmacht?«
Schwarzbart richtete den Blick auf Roger, dann wieder auf MacKenzie, und unter seiner geröteten Knollennase breitete sich langsam ein Lächeln aus. Der beklommene Schauer in Rogers Rücken verwandelte sich plötzlich in waschechte Angst.
»Hilfe!«, brüllte er. »Hilfe, Miliz! Hilfe!« Er rollte sich auf dem Boden hin und her, um sich ihnen zu entwinden, doch Schwarzbart packte ihn an den Schultern und riss ihn zurück. Jenseits der Bäume erschollen Rufe und Schritte, die zu rennen begannen.
»Nein, Sir«, sagte William Buccleigh und kniete sich vor ihn. Er nahm Rogers Kinn in seinen eisernen Griff, um seine Schreie abzuwürgen und auf seine Wangen zu drücken, damit er den Mund aufmachte. »Ich glaube wirklich nicht, dass Ihr etwas sagen werdet.« Mit einem kleinen Lächeln rammte er Roger das nasse Tuch wieder in den Hals und band die zerfetzte Halsbinde fest darum.
Dann stand er auf, die Milizmarke in der Hand. Als sich die Büsche teilten, wandte er sich ihnen zu und winkte freudig grüßend mit dem Arm.
Das Flammende Kreuz
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