13
Bohnen und Barbecue
Ich trug den Kessel zu unserer Lagerstelle zurück und fand sie verlassen vor. Entfernte Stimmen und Gelächter sagten mir, dass Lizzie und Mrs. Bug - wahrscheinlich in Kinderbegleitung - auf dem Weg zum Frauenabort waren; einem Latrinengraben, den man ein Stück abseits der Lagerstelle hinter dem Schutz einer praktischen Wacholderhecke gegraben hatte. Ich hängte den vollen Kessel zum Kochen über das Feuer. Dann blieb ich ein paar Sekunden still stehen und fragte mich, in welche Richtung ich meine Bemühungen jetzt am besten lenkte.
Zwar befand sich Vater Kenneth langfristig gesehen wahrscheinlich in der ernstesten Lage, doch würde meine Gegenwart hier wohl kaum etwas bewirken. Aber ich war Ärztin, und Rosamund Lindsay hatte eine Axt. Ich zupfte mir die feuchten Haare und Kleider mehr oder minder ordentlich zurecht und machte mich auf den Weg zum Bach. Die Morgenhaube überließ ich ihrem Schicksal.
Jamie hatte die relative Wichtigkeit der vorliegenden Notfälle offensichtlich genauso eingeschätzt wie ich. Als ich mich am Bachrand durch ein Dickicht aus Weidenschösslingen kämpfte, traf ich ihn am Rand der Barbecuegrube an, wo er sich friedlich mit Ronnie Sinclair unterhielt - und sich dabei beiläufig auf den Griff der Axt stützte, die er irgendwie hatte an sich bringen können.
Ich entspannte mich ein wenig, als ich das sah, und ließ mir Zeit mit dem letzten Stück des Weges. Falls Rosamund nicht beschloss, Ronnie mit bloßen Händen zu erwürgen oder ihn mit einer Grillhaxe zu erschlagen - was beides nicht völlig undenkbar war -, würden meine ärztlichen Dienste wohl doch nicht gebraucht werden.
Die Grube war breit, eine natürliche Abflachung, die eine vergangene Flut in das lehmige Ufer gegraben hatte und die in den folgenden Jahren durch eifrige Spatenarbeit vertieft worden war. Den geschwärzten Felsen und Holzkohleverwehungen nach zu urteilen, war sie schon einige Zeit in Gebrauch. Und auch jetzt wurde sie von mehreren Parteien benutzt; die Aromen von Geflügel, Schwein, Lamm und Opossum stiegen in einer Wolke aus Apfelholz- und Hickoryrauch zum Himmel, ein würziger Weihrauch, der mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Der Anblick der Grube war allerdings weniger appetitlich. Aus dem feuchten Holz stiegen weiße Qualmwolken auf, durch die eine Anzahl in Jute gewickelter, auf schwelenden Erhöhungen gelagerter Körper zum Teil verhüllt wurde - viele von ihnen sahen in dem Dunst haarsträubend menschenähnlich aus. Das Ganze erinnerte mich lebhaft an die Scheiterhaufen auf Jamaika, auf denen man die Leichen der Sklaven verbrannte, die die Strapazen der Atlantiküberquerung nicht überstanden hatten, und ich schluckte krampfhaft, während ich versuchte, nicht an den makaberen Grillfleischgeruch dieser Begräbnisfeuer zu denken.
Rosamund war im Augenblick unten in der Grube beschäftigt. Sie hatte den Rock bis weit über ihre pummeligen Knie geschürzt und die Ärmel aufgerollt, um ihre massiven Arme zu entblößen, während sie eine rötliche Sauce über die frei liegenden Rippen eines riesigen Schweinekadavers goss. Um sie herum lagen fünf weitere, gigantische, in nasse Jute gehüllte Umrisse, von denen duftende Rauchkringel aufstiegen und sich dann im sanften Nieselregen auflösten.
»Es ist Gift, sonst gar nichts!«, sagte Ronnie Sinclair gerade erregt, als ich hinter ihn trat. »Sie wird es ruinieren - wenn sie fertig ist, kann man es nicht einmal mehr den Schweinen vorwerfen.«
»Es sind Schweine, Ronnie«, sagte Jamie mit beträchtlicher Geduld. Er sah mich mit verdrehten Augen an und blickte dann in die Grube, wo zischendes Fett von den juteverhüllten Formen auf die darunter liegenden Holzkohlen tropfte. »Und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man Schweinefleisch so ruinieren kann - beim Kochen, meine ich -, dass es nicht mehr schmeckt.«
»Stimmt genau«, meldete ich mich helfend zu Wort und lächelte Ronnie an. »Räucherschinken, Grillkoteletts, Steaks, gebratene Haxe, Sülze, Wurst, Bries, Black Pudding... jemand hat einmal gesagt, man kann alles von einem Schwein verwerten, nur das Quieken nicht.«
»Aye, schön, aber das hier ist Barbecue, oder etwa nicht?«, sagte Ronnie sturköpfig, ohne meine vorsichtigen Versuche, die Sache mit Humor zu nehmen, zu beachten. »Jeder weiß, dass man beim Barbecue das Schwein mit Essig tränkt - so macht man es nun einmal! Ihr würdet doch schließlich auch keinen Kies unter Euer Wurstfleisch mischen, oder? Oder Euren Schinken mit Hühnerdreck kochen? Tscha!« Er wies mit einem Ruck seines Kinns auf die weiße Keramikschüssel unter Rosamunds Arm, um zu verdeutlichen, dass ihr Inhalt für ihn in dieselbe Kategorie nicht essbarer Fremdkörper fiel.
Der Wind drehte sich, und ich fing einen würzigen Hauch auf. Soweit ich es dem Geruch nach sagen konnte, schien Rosamunds Sauce Tomaten, Zwiebeln, Paprika und so viel Zucker zu beinhalten, dass sie eine dicke, schwärzliche Kruste auf dem Fleisch hinterließ und die Luft mit einem verlockenden Karamelaroma erfüllte.
»Ich schätze, dass das Fleisch nach dieser Zubereitung sehr saftig sein wird«, sagte ich und spürte, wie mein Magen unter meinem Schnürmieder zu grummeln und zu knurren begann.
»Aye, und was für wunderbar fette Schweine es sind«, sagte Jamie schmeichlerisch, als Rosamund funkelnd aufblickte. Sie war schwarz bis zu den Knien, und ihr kantiges Gesicht war von Regen-, Schweiß- und Rußstreifen durchzogen. »Sind es wilde Schweine oder wurden sie im Stall gehalten, Ma’am?«
»Wild«, sagte sie nicht ohne Stolz. Sie richtete sich auf und wischte sich eine Strähne ihres nassen, ergrauenden Haars aus der Stirn. »Mit Kastanien gemästet - es gibt nichts auf der Welt, was dem Fleisch einen besseren Geschmack verleiht!«
Ronnie Sinclair gab ein schottisches Geräusch von sich, das auf Hohn und Verachtung schließen ließ.
»Aye, der Geschmack ist so gut, dass Ihr ihn unter Eurer grässlichen Sauce verstecken müsst, die so aussieht, als wäre das Fleisch noch gar nicht gebraten, sondern roh und blutig!«
Rosamund äußerte einen ausgesprochen derben Kommentar über die angebliche Männlichkeit von Personen, denen bei dem bloßen Gedanken an Blut schon mulmig wurde, und Ronnie schien Anstalten zu machen, diesen persönlich zu nehmen. Jamie schob sich geschickt zwischen die beiden und hielt dabei die Axt außer Reichweite.
»Oh, es ist bestimmt gut durchgebraten«, erwiderte er beruhigend. »Schließlich ist Mistress Lindsay schon mindestens seit Tagesanbruch bei der Arbeit.«
»Sogar schon länger, Mr. Fräser«, erwiderte die Dame mit einer gewissen, grimmigen Genugtuung. »Ein vernünftiges Barbecue fängt man schon am Vortag an und kümmert sich die ganze Nacht darum. Ich bin schon seit gestern Nachmittag mit diesen Schweinen zugange.« Sie atmete den aufsteigenden Rauch tief ein und legte dabei einen seligen Gesichtsausdruck an den Tag.
»Ah, so muss es sein! Nicht, dass so eine gute Sauce an Euch verrohte Schotten nicht verschwendet wäre«, sagte Rosamund und legte dabei das Juteleinen wieder auf, das sie zärtlich zurechtzupfte. »Habt Eure ganzen Zungen ja schon in Euren ewigen Essig eingelegt, den Ihr über Euer Essen schüttet. Ich kann Kenny ja nur mit Mühe davon abhalten, ihn sich morgens über sein Brot und seinen Porridge zu gießen.«
Jamie übertönte Ronnies aufgebrachte Antwort auf diese Spitze mit einer lauten Frage.
»Und war es Kenny, der die Schweine für Euch gejagt hat, Mistress? Wildschweine haben einen unberechenbaren Charakter; es muss doch gefährlich sein, Tiere von dieser Größe zu jagen. Wie die Wildschweine, die wir in Schottland gejagt haben, aye?«
»Ha.« Rosamund warf einen Blick voll gutmütigem Spott auf den Berghang, wo ihr Mann - der ungefähr halb so groß war wie sie - sich wahrscheinlich gerade weniger strapaziösen Beschäftigungen widmete. »Nein, Mr. Fraser, ich habe sie alle selbst erlegt. Mit dieser Axt«, fügte sie betont hinzu, wobei sie kopfnickend auf das fragliche Werkzeug wies und Ronnie dann mit unheilvoll zusammengekniffenen Augen ansah. »Habe ihnen mit einem Schlag den Schädel eingeschlagen, o ja.«
Ronnie, der nicht besonders schnell von Begriff war, verstand ihre Anspielung nicht.
»Es sind diese Tomatenfrüchte, die sie benutzt, Mac Duhh«, zischte er. Er zupfte an Jamies Ärmel und zeigte auf die rotverkrustete Schüssel. »Teufelsäpfel! Sie wird uns alle vergiften!«
»Oh, das glaube ich nicht, Ronnie.« Jamie packte Ronnies Arm mit festem Griff und lächelte Rosamund freundlich zu. »Ich nehme an, Ihr wollt das Fleisch verkaufen, oder, Mrs. Lindsay? Es wäre doch ein dummer Kaufmann, der seine Kunden umbringt, aye?«
»Bis jetzt habe ich noch keinen verloren, Mr. Fräser«, pflichtete Rosamund ihm bei, während sie ein anderes Jutestück zurückschlug und sich vorbeugte, um mit einem hölzernen Schöpflöffel Sauce über eine dampfende Haxe zu träufeln. »Und ich habe auch noch nie etwas anderes als Komplimente über den Geschmack gehört«, sagte sie, »obwohl das natürlich in Boston war, wo ich herkomme.«
Wo die Leute ihren Verstand beieinander haben, implizierte ihr Tonfall unzweifelhaft.
»Als ich das letzte Mal in Charlotteville war, bin ich einem Mann aus Boston begegnet«, sagte Ronnie, der seine fuchsroten Brauen missbilligend zusammengezogen hatte. Er zog an seinem Arm und versuchte, ihn aus Jamies Griff zu befreien, jedoch ohne Erfolg. »Er hat zu mir gesagt, er äße für gewöhnlich Bohnen zum Frühstück und Austern zur Nacht, und das jeden Tag seit seiner Kindheit. Ein Wunder, dass er noch nicht geplatzt war wie eine Schweineblase, vollgestopft mit solchem Dreck!«
»Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen«, sagte ich fröhlich und packte die Gelegenheit beim Schopfe. »Je mehr man isst, je mehr man furzt. Je mehr man furzt, je gesünder das Mahl - drum sind Bohnen unsere Wahl!«
Ronnie klappte der Mund genauso auf wie Mrs. Lindsay. Jamie brüllte vor Lachen, und auch Mrs. Lindsays erstaunter Blick löste sich in lautes Gelächter auf. Einen Augenblick später fiel auch Ronnie zögernd ein, und ein kleines Grinsen kräuselte seinen Mundwinkel.
»Ich habe eine Zeit lang in Boston gelebt«, sagte ich freundlich, als die allgemeine Belustigung dann ein wenig nachließ. »Mrs. Lindsay, das riecht wunderbar!«
Rosamund nickte würdevoll und zufrieden.
»Ja, das tut es, Ma’am, wenn ich das sagen darf.« Sie beugte sich zu mir herüber und senkte die schrille Lautstärke ihrer Stimme zumindest ein wenig. »Das liegt an meinem Geheimrezept«, sagte sie und tätschelte die Keramikschüssel voller Besitzerstolz. »Unterstreicht den Geschmack, versteht Ihr?«
Ronnies Mund öffnete sich, doch es drang nur ein kurzes Jaulen heraus, offensichtlich weil Jamies Hand ihren Griff um seinen Bizeps verstärkte. Rosamund ignorierte das und begann ein freundliches Gespräch mit Jamie, das damit endete, dass sie sich einverstanden erklärte, ein ganzes Schwein für das Hochzeitsfest zu reservieren.
Als ich das hörte, sah ich Jamie an. Angesichts der Tatsache, dass Vater Kenneth sich derzeit wohl entweder auf dem Rückweg nach Baltimore oder unterwegs in das Gefängnis von Edenton befand, hegte ich gewisse Zweifel daran, ob heute Abend überhaupt irgendwelche Hochzeiten stattfinden würden.
Andererseits hatte ich auch gelernt, Jamie niemals zu unterschätzen. Mit einem abschließenden Kompliment an Mrs. Lindsay zerrte er Ronnie von der Grube fort und hielt nur lange genug inne, um mir die Axt in die Hand zu drücken.
»Bring das in Sicherheit, aye, Sassenach?«, sagte er und küsste mich rasch. Er grinste zu mir herunter. »Und wo hast du so viel über die Vorzüge der Bohnen gelernt?«
»Brianna hat es aus der Schule mitgebracht, als sie ungefähr sechs war«, sagte ich und erwiderte sein Lächeln. »Es ist wirklich ein kleines Lied.«
»Sag ihr, sie soll es ihrem Mann vorsingen«, riet Jamie mir. Sein Grinsen wurde breiter. »Dann kann er es in sein Büchlein schreiben.«
Er drehte sich um und legte Ronnie Sinclair kameradschaftlich, aber bestimmt den Arm um die Schultern, da dieser erneut Anstalten machte, in Richtung der Grillgrube zu entfliehen.
»Komm mit, Ronnie«, sagte er. »Ich muss ein Wörtchen mit dem Leutnant reden. Ich glaube, er hat vor, bei Mistress Lindsay einen Schinken zu kaufen«, fügte er hinzu und blinzelte mich dabei wie eine Eule an, seine Version eines zugekniffenen Auges. Dann wandte er sich wieder an Ronnie. »Und ich weiß, dass er gern hören würde, was du ihm über seinen Pa erzählen kannst. Du warst doch gut mit Gavin Hayes befreundet, nicht wahr?«
»Oh«, sagte Ronnie, und seine säuerliche Miene erhellte sich ein wenig. »Aye. Aye, Gavin war ein guter Kerl. Eine echte Schande.« Er schüttelte den Kopf - er spielte wohl auf Gavins Tod vor ein paar Jahren an. Er spitzte die Lippen und sah zu Jamie auf. »Weiß sein Sohn, was geschehen ist?«
Das war eine heikle Frage. Gavin war nämlich in Charleston wegen Diebstahls gehängt worden - ein schändlicher Tod, ganz gleich, wie man ihn betrachtete.
»Aye«, sagte Jamie leise. »Ich musste es ihm sagen. Aber ich glaube, es wird ihm helfen, wenn du ihm ein wenig von früher erzählen kannst - erzähl ihm, wie es uns ergangen ist, damals in Ardsmuir.« Etwas wie ein Lächeln erschien in seinem Gesicht, als er Ronnie anblickte, und ich sah, wie auch Sinclairs Gesichtszüge als Antwort sanfter wurden.
Jamies Hand drückte Ronnies Schulter, dann ließ er sie sinken, und sie setzten sich Seite an Seite bergauf in Bewegung. Vergessen waren die subtilen Regeln der Grillkunst.
Wie es uns ergangen ist... Ich sah ihnen nach - verbunden durch die Erinnerungen, die dieser schlichte Satz herauf beschwor. Fünf Worte, die die Nähe zurückbrachten, die durch jene Tage, Monate und Jahre geteilter Not geschmiedet worden war; eine Verwandtschaft, die jedem verwehrt blieb, der dies nicht selbst durchlebt hatte. Jamie sprach nur selten von Ardsmuir, und das Gleiche galt auch für die anderen Männer, die es überlebt hatten, um schließlich hier die Neue Welt zu sehen.
Nebel erhob sich jetzt aus den Mulden des Berges; innerhalb von Sekunden waren die Männer nicht mehr zu sehen. Aus dem diesigen Wald über mir schwebte der Klang schottischer Männerstimmen zur Barbecuegrube herunter, die in freundschaftlichem Unisono sangen:
Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen...
 
Bei meiner Rückkehr zum Lager sah ich, dass Roger von seinen Erledigungen zurückgekehrt war. Er stand am Feuer und unterhielt sich mit Brianna. Sein Gesicht war sorgenvoll.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte ich zu ihm und langte an seiner Hüfte vorbei, um den surrenden Teekessel an mich zu nehmen. »Jamie wird es bestimmt irgendwie regeln. Er ist gerade unterwegs, um sich darum zu kümmern.«
»Wirklich?« Er machte ein etwas erschrockenes Gesicht. »Dann weiß er es schon?«
»Ja, ich denke, es kommt schon in Ordnung, sobald er den Sheriff findet.« Ich drehte die angeschlagene Teekanne, die ich unterwegs benutzte, mit einer Hand um, schüttete die alten Teeblätter auf den Boden, stellte sie auf den Tisch und goss ein wenig kochendes Wasser aus dem Kessel hinein, um die Kanne vorzuwärmen. Es war ein langer Tag gewesen, und der Abend würde wahrscheinlich genauso lang werden. Ich freute mich auf eine anständige, belebende Tasse Tee und dazu eine Scheibe des Früchtekuchens, den ich bei der Morgensprechstunde von einer meiner Patientinnen bekommen hatte.
»Den Sheriff?« Roger warf Brianna einen verblüfften Blick zu, unter den sich ein Hauch von Alarmiertheit mischte. »Sie hat mir doch nicht etwa einen Sheriff auf den Hals gehetzt, oder?«
»Dir einen Sheriff auf den Hals gehetzt? Wer denn?«, stimmte ich in den Chor der Verblüfften ein. Ich hängte den Kessel wieder an seinen Dreifuß und griff nach der Teedose. »Was in aller Welt hast du angestellt, Roger?«
Eine schwache Röte erschien auf seinen hohen Wangen, doch bevor er antworten konnte, schnaubte Brianna los.
»Tante Jocasta die Meinung gesagt.« Sie sah Roger an, und ihre Augen verengten sich zu Dreiecken, in denen sich leichte Schadenfreude mit Belustigung mischte, als sie sich die Szene vorstellte. »Mensch, wäre ich gern dabei gewesen.«
»Was hast du denn zu ihr gesagt?«, erkundigte ich mich interessiert.
Die Röte nahm zu, und er wandte den Blick ab.
»Das möchte ich nicht wiederholen«, sagte er knapp. »Es war nicht die Art von Dingen, die man zu einer Frau sagt, geschweige denn einer älteren Dame, erst recht nicht, wenn sie im Begriff ist, zu einer angeheirateten Verwandten zu werden. Ich habe Brianna gerade gefragt, ob ich vielleicht zu Mrs. Cameron gehen und mich vor der Hochzeit noch entschuldigen sollte.«
»Nein«, sagte Brianna prompt. »Die hat vielleicht Nerven! Es war dein gutes Recht zu sagen, was du gesagt hast.«
»Na ja, den Inhalt meiner Worte bedauere ich ja auch nicht«, sagte Roger mit dem Anflug eines trockenen Lächelns zu ihr. »Nur die Form.«
»Verstehst du«, sagte er an mich gewandt, »ich überlege nur, ob ich mich entschuldigen sollte, damit es heute Abend nicht zu peinlich wird - ich möchte Brianna die Hochzeit nicht verderben.«
»Mir? Meinst du, ich heirate alleine?«, fragte sie und sah ihn mit gerunzelten Augenbrauen an.
»Oh, na ja, nein«, sagte er mit einem kleinen Lächeln. Er fasste ihr sanft an die Wange. »Ich werde schon neben dir stehen, keine Frage. Und solange wir am Ende verheiratet sind, ist mir die Zeremonie ziemlich egal. Aber du hättest es doch gern schön, oder? Und es wäre doch ein Dämpfer, wenn deine Tante mir eins mit einem Holzscheit über den Schädel brät, bevor ich >ja< sagen kann.«
Inzwischen brannte ich vor Neugier zu erfahren, was er zu Jocasta gesagt hatte, doch ich hielt es für besser, das nahe liegendere Problem zu schildern, dass es nämlich bei Redaktionsschluss sehr den Anschein hatte, dass es gar keine Hochzeit zu verderben geben würde.
»Also ist Jamie jetzt auf der Suche nach Vater Kenneth«, schloss ich. »Marsali kannte den Sheriff aber nicht, der ihn verhaftet hat, was ihm dies erschwert.«
Rogers dunkle Augenbrauen fuhren hoch, dann zogen sie sich zu einem besorgten Ausdruck zusammen.
»Ich frage mich...«, sagte er an mich gewandt. »Weißt du, ich glaube, ich habe ihn noch vor ein paar Minuten gesehen.«
»Vater Kenneth?«, fragte ich und hielt mit dem Messer über dem Früchtekuchen inne.
»Nein, den Sheriff.«
»Was? Wo?« Brianna fuhr auf dem Absatz halb herum und sah sich funkelnd um. Ihre Hand ballte sich zur Faust, und ich hielt es für eine ausgesprochen glückliche Fügung, dass der Sheriff nirgendwo in Sicht war. Eine Verhaftung Briannas wegen eines tätlichen Angriffs würde der Hochzeit tatsächlich einen Dämpfer versetzen.
»Er ist in diese Richtung gegangen.« Roger zeigte bergab in Richtung des Bachlaufes - und des Zeltes von Leutnant Hayes. In diesem Moment hörten wir Schritte durch den Schlamm platschen, und Sekunden später tauchte Jamie wieder auf. Er sah müde, besorgt und ausgesprochen verärgert aus. Offensichtlich hatte er den Priester noch nicht gefunden.
»Pa!«, begrüßte Brianna ihn aufgeregt. »Roger meint, er hat den Sheriff gesehen, der Vater Kenneth verhaftet hat.«
»Oh, aye?« Jamies Lebensgeister erwachten augenblicklich wieder. »Wo denn.« Seine linke Hand ballte sich erwartungsvoll zur Faust, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Was ist denn so lustig?«, wollte er wissen, als er das sah.
»Nichts«, versicherte ich ihm. »Hier, iss ein Stück Früchtekuchen.« Ich reichte ihm eine Scheibe, die er sich prompt in den Mund stopfte, um seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Roger zu richten.
»Wo?«, wiederholte er undeutlich.
»Ich weiß nicht genau, ob es der Mann ist, den du suchst«, sagte Roger zu ihm. »Es war ein kleiner, schäbiger Mann. Aber er hatte jemanden festgenommen; er war gerade dabei, einen der Männer aus Drunkard’s Creek in Handschellen abzuführen. MacLennan, glaube ich.«
Jamie verschluckte sich und hustete, wobei er kleine Kuchenbröckchen in das Feuer spie.
»Er hat Mr. MacLennan verhaftet? Und das hast du zugelassen?« Brianna starrte Roger erzürnt an. Weder sie noch Roger waren dabei gewesen, als Abel MacLennan beim Frühstück seine Geschichte erzählte, aber sie kannten ihn beide.
»Ich konnte ihn kaum daran hindern«, erwiderte Roger geduldig. »Ich habe MacLennan gefragt, ob er Hilfe bräuchte - wenn ja, dann hatte ich vor, deinen Pa oder Farquard Campbell zu holen. Aber er hat einfach nur durch mich hindurchgesehen, als wäre ich ein Geist, und als ich meine Frage wiederholt habe, hat er mich seltsam angelächelt und den Kopf geschüttelt. Ich war nicht der Ansicht, dass ich den Sheriff nur aus Prinzip verprügeln sollte. Aber wenn du -«
»Kein Sheriff«, sagte Jamie heiser. Ihm tränten die Augen, und er hielt inne, um erneut heftig zu husten.
»Ein Diebesfänger«, sagte ich zu Roger. »Das muss so etwas Ähnliches wie ein Kopfgeldjäger sein.« Der Tee war noch lange nicht fertig; ich fand eine halb volle Steingutflasche mit Ale und reichte sie Jamie.
»Wohin mag er Abel bringen?«, fragte ich. »Du hast doch gesagt, Hayes will keine Gefangenen.«
Jamie schüttelte den Kopf, schluckte und ließ die Flasche sinken. Jetzt fiel ihm das Atmen leichter.
»Das will er auch nicht. Nein, Mr. Boble - er muss es sein, aye? - bringt Abel zum nächsten Magistrat. Und wenn der gute Roger ihn gerade gesehen hat...« Er wandte sich mit nachdenklich gerunzelter Stirn auf dem Berghang um.
»Dann ist es höchstwahrscheinlich Farquard«, schloss er, und seine Schultern entspannten sich ein wenig. »Ich weiß von vier Friedensrichtern und drei Magistraten, die hier sind, und Campbell ist der Einzige von ihnen, der sein Lager auf dieser Seite hat.«
»Oh, das ist gut.« Ich seufzte erleichtert auf. Farquard Campbell war ein gerechter Mann; gesetzestreu bis ins letzte Detail, aber nicht ohne Mitgefühl - und, was womöglich noch wichtiger war, ein sehr alter Freund von Jocasta Cameron.
»Aye, wir werden meine Tante bitten, ein gutes Wort für ihn einzulegen.« Er wandte sich an Roger. »Gehst du zu ihr, MacKenzie? Ich muss Vater Kenneth finden, wenn es überhaupt eine Hochzeit geben soll.«
Roger machte ein Gesicht, als hätte er sich seinerseits gerade an einem Stück Früchtekuchen verschluckt.
»Äh... nun ja«, sagte er. »Vielleicht bin ich im Augenblick nicht der geeignete Mann, um mit Mrs. Cameron zu reden.«
Jamie starrte ihn mit einer Mischung aus Interesse und Ungeduld an.
»Wieso denn nicht?«
Mit puterrotem Gesicht wiederholte Roger die Grundzüge seiner Unterhaltung mit Jocasta Cameron - und senkte gegen Ende seine Stimme bis fast zur Unhörbarkeit.
Wir konnten ihn dennoch gut verstehen. Jamie sah mich an. Sein Mund zuckte. Dann begannen seine Schultern zu beben. Ich spürte, wie mir das Lachen unter den Rippen aufstieg, aber es war nichts im Vergleich zu Jamies unbändiger Heiterkeit. Er lachte beinahe lautlos, aber so heftig, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen.
»Oh, Himmel«, japste er schließlich. Er hielt sich keuchend eine Hand an die Seite. »Gott, ich glaube, ich habe mir eine Rippe verknackst.« Er streckte die Hand aus und nahm einen halb getrockneten Lappen von einem Busch, mit dem er sich achtlos das Gesicht abwischte.
»Nun gut«, sagte er, ein wenig erholt. »Dann gehst du eben zu Farquard. Wenn Abel bei ihm ist, sag Campbell, ich bürge für ihn. Bring ihn mit zurück.« Er machte eine kurze, scheuchende Geste, und Roger brach hastig auf - knallrot vor Verlegenheit, aber aufrecht und würdevoll. Brianna folgte ihm mit einem tadelnden Blick auf ihren Vater, der daraufhin nur erneut losprustete.
Ich ertränkte meine eigene Heiterkeit in einem wundervoll duftenden Schluck Tee. Ich hielt Jamie die Tasse hin, doch er winkte ab und gab sich mit dem restlichen Ale zufrieden.
»Meine Tante«, bemerkte er schließlich, »weiß ganz genau, was man mit Geld kaufen kann und was nicht.«
»Und sie hat sich - und dem ganzen Rest des Distrikts - gerade eine ausgesprochen gute Meinung von unserem armen Roger gekauft, nicht wahr?«, erwiderte ich sehr trocken.
Jocasta Cameron war eine gebürtige MacKenzie aus Leoch, eine Familie, die Jamie einmal als »bezaubernd wie die Lerchen im Felde - und gerissen wie Füchse dazu« beschrieben hatte. Ob Jocasta nun wirklich Zweifel an Rogers Motiven für seine Ehe mit Brianna gehabt hatte oder nur grundlosen Gerüchten in der Gegend von Cape Fear einen Riegel hatte vorschieben wollen, ihre Methode war jedenfalls hundertprozentig erfolgreich gewesen. Wahrscheinlich saß sie gerade in ihrem Zelt und amüsierte sich über ihre eigene Schlauheit, während sie sich schon darauf freute, die Geschichte von ihrem Angebot und Rogers Reaktion darauf zu verbreiten.
»Der arme Roger«, sagte Jamie zustimmend, und sein Mund zuckte immer noch. »Arm, aber rechtschaffen.« Er setzte die Bierflasche an, leerte sie und stellte sie mit einem kurzen Seufzer der Genugtuung ab. »Allerdings«, fügte er hinzu und sah mich an, »hat sie dem Jungen auch etwas von Wert erkauft, nicht wahr?«
»Mein Sohn«, zitierte ich leise und nickte. »Glaubst du, er hat das begriffen, bevor er es ausgesprochen hat? Dass er Jemmy wirklich als seinen Sohn betrachtet?«
Jamie machte eine vage Bewegung mit den Schultern, die noch kein Achselzucken war.
»Das kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist es aber gut, wenn er sich darüber im Klaren ist, bevor das nächste Kind kommt - eins, von dem er mit Sicherheit weiß, dass es von ihm ist.«
Ich dachte an das Gespräch, das ich heute Morgen mit Brianna geführt hatte, beschloss aber, dass es klüger war, nichts zu sagen - zumindest im Augenblick. Es war schließlich Rogers und Briannas Sache. Ich nickte und begann, das Teegeschirr wegzuräumen.
Ich spürte eine leise Wärme in meiner Magengrube, die nur zum Teil von meinem Tee herrührte. Roger hatte einen Eid geschworen, Jemmy an Sohnes Statt anzunehmen, ganz gleich, wer der wirkliche Vater des Kleinen sein mochte. Er war ein Ehrenmann, Roger, und er meinte es ernst. Doch die Stimme des Herzens ist lauter als jeder Eid, den man nur mit den Lippen ablegt.
Als ich schwanger durch die Steine zurückgekehrt war, hatte Frank mir geschworen, mich als seine Frau zu behalten, das Baby wie sein eigenes zu behandeln - und mich zu lieben wie zuvor. Seine Lippen und sein Verstand hatten ihr Bestes getan, alle drei Eide zu halten, doch am Ende war sein Herz nur bei einem davon beteiligt gewesen. Von der Sekunde an, als er Brianna zum ersten Mal in den Arm nahm, war sie seine Tochter.
Doch was, wenn es noch ein Kind gegeben hätte?, fragte ich mich plötzlich. Es war nie im Bereich des Möglichen gewesen - doch was wäre gewesen, wenn? Langsam trocknete ich die Teekanne ab und wickelte sie in ein Handtuch, während ich mir dieses mythische Kind vor Augen führte; das Kind, das Frank und ich vielleicht hätten bekommen können, jedoch nie bekommen hatten oder würden. Ich legte die eingewickelte Teekanne so sanft in die Truhe, als sei sie ein schlafendes Baby.
Als ich mich wieder umdrehte, stand Jamie nach wie vor dort und sah mich mit einem sehr merkwürdigen Ausdruck an - zärtlich, aber auch irgendwie reumütig.
»Habe ich schon daran gedacht, mich bei dir zu bedanken, Sassenach?«, sagte er, und seine Stimme war ein wenig belegt.
»Wofür?«, fragte ich verwundert. Er ergriff meine Hand und zog mich sanft an sich. Er roch nach Ale und feuchter Wolle und ganz schwach nach dem süßen Brandyaroma des Früchtekuchens.
»Für meine Kinder«, sagte er leise. »Für die Kinder, die du mir geboren hast.«
»Oh«, sagte ich. Ich ließ mich langsam nach vorn sinken und lehnte meine Stirn an seine feste, warme Brust. Ich schob meine Hände unter seinen Rock, umfasste sein Kreuz und seufzte. »Es war mir... eine Freude.«
 
»Mr. Fraser, Mr. Fraser!« Ich hob den Kopf, und als ich mich umdrehte, sah ich einen kleinen Jungen über den Steilhang zu uns herunterschlingern. Er wedelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, und sein Gesicht war leuchtend rot vor Kälte und Anstrengung.
»Uff!« Jamie hob die Hände gerade noch rechtzeitig, um den Jungen aufzufangen, als er auf den letzten paar Metern die Kontrolle verlor. Er hob den Kleinen, in dem ich Farquard Campbells Jüngsten erkannte, auf die Arme und lächelte ihn an. »Aye, Rabbie, was ist denn? Möchte dein Pa, dass ich wegen Mr. MacLennan zu ihm komme?«
Rabbie schüttelte den Kopf, und seine dünnen Haare flogen durch die Luft wie ein Schäferhundpelz.
»Nein, Sir«, keuchte er und rang nach Atem. Er schluckte Luft, und sein kleiner Hals schwoll wie der eines Frosches an, weil er sich angestrengt bemühte, zur selben Zeit zu atmen und zu sprechen. »Nein, Sir. Mein Pa sagt, er hat gehört, wo der Priester ist, und ich soll Euch den Weg zeigen, Sir. Kommt Ihr mit?«
Jamies Augenbrauen fuhren überrascht in die Höhe. Er sah mich an, dann lächelte er Rabbie zu und nickte. Er bückte sich, um den Jungen auf die Füße zu stellen.
»Aye, Junge, ich komme. Dann geh du vor.«
»Diplomatisch von Farquard«, sagte ich leise zu Jamie und wies kopfnickend auf Rabbie, der vor uns herturnte und sich dann und wann umsah, um sich zu vergewissern, dass wir auch mit ihm Schritt halten konnten. Niemand würde inmitten der Schwärme von Kindern auf dem Berg Notiz von einem kleinen Jungen nehmen. Dagegen wäre es mit Sicherheit allgemein aufgefallen, wenn Farquard selbst gekommen wäre oder einen seiner erwachsenen Söhne geschickt hätte.
Jamie schnaufte ein wenig, sein Atemnebel ein Dampfwölkchen in der zunehmenden Kälte.
»Nun, es ist schließlich nicht Farquards Problem, selbst wenn er große Hochachtung für meine Tante hegt. Und wenn er den Jungen schickt, um es mir zu sagen, dann nehme ich an, das bedeutet, dass er den Verantwortlichen kennt und nicht vorhat, sich mit mir gegen ihn zu stellen.« Er betrachtete die untergehende Sonne und warf mir einen reumütigen Blick zu.
»Ich habe zwar gesagt, dass ich Vater Kenneth bis Sonnenuntergang finden würde, aber dennoch - ich glaube nicht, dass wir heute Abend eine Hochzeit erleben werden, Sassenach.«
Rabbie führte uns quer durchs Gelände und folgte dem Netzwerk aus Fußwegen und zertrampeltem Gras ohne jedes Zögern. Die Sonne war tief in die Kerbe zwischen den Bergen gesunken, stand aber immer noch hoch genug, um den Berghang in ein warmes, rötliches Licht zu tauchen, das die Kälte des Tages vorübergehend Lügen strafte. Die Leute sammelten sich jetzt in hungriger Erwartung ihres Abendessens um ihre Familienfeuer. In der allgemeinen Geschäftigkeit hatte niemand einen Blick für uns übrig.
Endlich blieb Rabbie am Beginn eines gut kenntlichen Weges stehen, der bergauf und nach rechts führte. Ich hatte im Lauf der Woche, die das gathering dauerte, den Berg mehrfach im Zickzack überquert, hatte mich aber nie so weit nach oben vorgewagt. Wer hatte Vater Kenneth in seiner Gewalt, fragte ich mich - und was plante Jamie dagegen zu unternehmen?
»Da oben«, sagte Rabbie überflüssigerweise und zeigte auf die Spitze eines großen Zeltes, die gerade eben hinter einer Wand aus langnadeligen Kiefern zu sehen war.
Jamie gab beim Anblick des Zeltes einen schottischen Kehllaut von sich.
»Oh«, sagte er leise. »So ist das also.«
»Ach ja? Sei es, wie es will, wem gehört das Zelt?« Ich warf einen skeptischen Blick auf das Zelt, eine große Konstruktion aus gewachstem, braunen Segelleinen, das bleich in der Abenddämmerung schimmerte. Es gehörte offensichtlich einem ziemlich reichen Mann, doch mir war es nicht vertraut.
»Mr. Lillywhite aus Hillsborough«, sagte er, und seine Augenbrauen runzelten sich nachdenklich. Er tätschelte Rabbie Campbell den Kopf und reichte ihm einen Penny aus seinem Sporran. »Dank’ dir, Junge. Lauf jetzt heim zu deiner Mama; es ist Abendessenszeit.« Rabbie nahm die Münze in Empfang und verschwand wortlos, froh, seine Aufgabe erledigt zu haben.
»Ach, wirklich.« Ich betrachtete das Zelt voller Argwohn. Das erklärte einiges, dachte ich - wenn auch nicht alles. Mr. Lillywhite war ein Magistrat aus Hillsborough, obwohl ich nichts weiter über ihn wusste, außer, wie er aussah. Ich hatte ihn im Lauf des gathering ein- oder zweimal zu Gesicht bekommen, war ihm jedoch nie offiziell vorgestellt worden - er war ein großer Mann von ausgesprochen schlaffer Körperhaltung, den ein flaschengrüner Rock mit Silberknöpfen unverwechselbar machte.
Magistraten waren für die Ernennung der Sheriffs verantwortlich, was sowohl seine Verbindung mit dem »gemeinen, fetten Kerl« aus Marsalis Beschreibung als auch den Grund erklärte, warum man Vater Kenneth hier festhielt - allerdings die Frage offen ließ, ob es in erster Linie Mr. Lillywhites Wunsch oder der des Sheriffs gewesen war, den Priester aus dem Verkehr zu ziehen.
Jamie legte mir eine Hand auf den Arm und zog mich vom Weg in den Schutz einer kleinen Kiefer.
»Du kennst Mr. Lillywhite nicht, oder, Sassenach?«
»Nur vom Sehen. Was soll ich denn tun?«
Er lächelte mich an, einen Hauch von Schabernack in den Augen, trotz seiner Sorge um Vater Kenneth.
»Also spielst du mit?«
»Wenn du nicht vorschlägst, dass ich Mr. Lillywhite eins über den Schädel brate und Vater Kenneth mit Gewalt befreie, ja. So etwas fällt eher in deinen Arbeitsbereich als in meinen.«
Er lachte und betrachtete das Zelt mit einem Blick, der mir sehr sehnsüchtig vorkam.
»Nichts, was ich lieber täte«, sagte er und bestätigte damit meinen Eindruck. »Es wäre auch gar nicht schwierig«, fuhr er fort und warf einen abschätzenden Blick auf die braunen Leinenwände des Zeltes, die sich im Wind blähten. »Sieh dir an, wie groß es ist; es können sich außer dem Priester höchstens ein oder zwei andere Männer darin befinden. Ich könnte warten, bis es ganz dunkel ist und dann ein paar Jungs mitnehmen und -«
»Ja, aber was soll ich jetzt tun?«, unterbrach ich seinen Gedankengang, der mir jetzt doch arg kriminelle Züge anzunehmen schien.
»Ah.« Er brach seine Überlegungen - vorerst - ab und sah mich blinzelnd an, um meine Erscheinung zu beurteilen. Ich hatte mir die blutbefleckte Leinenschürze ausgezogen, die ich während der Sprechstunde trug, hatte mir das Haar ordentlich mit Nadeln hochgesteckt und bot ein einigermaßen respektables, wenn auch an den Säumen ein wenig schlammiges Bild.
»Du hast nicht zufällig etwas von deiner Arztausrüstung dabei?«, fragte er mit einem skeptischen Stirnrunzeln. »Eine Flasche Alkohol, ein Messerchen?«
»Eine Flasche Alkohol, natürlich. Nein, ich - oh, warte. Ja, schau her, reichen die?« Ich hatte die Tasche durchforstet, die ich mir um die Taille gebunden hatte, und dabei das Elfenbeinkistchen zum Vorschein gebracht, in dem ich meine Akupunkturnadeln mit den goldenen Spitzen aufbewahrte.
Jamie nickte, offensichtlich zufrieden gestellt, und zog die silberne Whiskyflasche aus seinem Sporran.
»Aye, sie reichen«, sagte er und reichte mir die Flasche. »Nimm das hier noch, damit es besser aussieht. Geh zum Zelt hinauf, Sassenach, und sag dem Mann, der den Priester bewacht, dass er krank ist.«
»Der Wächter?«
»Der Priester«, sagte er mit einem leicht ungeduldigen Blick. »Inzwischen weiß ja wohl jeder, dass du eine Heilerin bist und wie du aussiehst. Sag, dass Vater Kenneth eine Krankheit hat, die du behandelt hast, und dass er sofort eine Dosis von seiner Medizin haben muss, damit sein Zustand sich nicht verschlimmert und er ihnen stirbt. Ich gehe nicht davon aus, dass ihnen das lieb wäre - und sie werden keine Angst vor dir haben.«
»Das brauchen sie ja wohl auch nicht«, sagte ich ein wenig sarkastisch. »Dann soll ich dem Sheriff also die Nadeln nicht ins Herz bohren?«
Er grinste bei diesem Gedanken, schüttelte aber den Kopf. »Nein, ich möchte nur, dass du herausfindest, warum sie den Priester verhaftet haben und was sie mit ihm vorhaben. Wenn ich selbst hingehe und Antworten verlange, könnte das ihren Argwohn erregen.«
Also hatte er die Idee eines späteren Terroranschlags auf Mr. Lillywhites Festung noch nicht ganz verworfen, falls die Antworten nicht zu seiner Zufriedenheit ausfielen. Ich warf einen Blick auf das Zelt, holte tief Luft und zog mein Schultertuch fest um mich.
»Nun gut«, sagte ich. »Und was hast du vor, während ich das tue?«
»Ich hole die Kinder«, sagte er, wünschte mir mit einem kurzen Händedruck Glück und war auf dem Pfad verschwunden.
 
Ich fragte mich immer noch, was er wohl mit dieser kryptischen Aussage meinte - welche »Kinder«? Und warum? -, als ich in Sichtweite des offenen Zelteingangs kam. Dann vergaß ich jegliche Spekulation, als darin ein Mann auftauchte, der Marsalis Beschreibung eines »gemeinen, fetten Kerls« so exakt entsprach, dass ich keinen Zweifel an seiner Identität hatte. Er war klein und hatte das Aussehen einer Kröte, einen zurückweichenden Haaransatz, einen Bauch, der die Knöpfe seiner Lederweste fast sprengte, und kleine Knopfaugen, die mich ansahen, als erwägten sie meine unmittelbare Eignung als Nahrungsmittel.
»Guten Tag, Ma’am«, sagte er. Er betrachtete mich ohne große Begeisterung, da er mich offensichtlich kaum zum Anbeißen fand, neigte aber in formellem Respekt den Kopf.
»Guten Tag«, erwiderte ich fröhlich und verbeugte mich knapp. Es konnte nie schaden, höflich zu sein, zumindest nicht für den Anfang. »Ihr seid bestimmt der Sheriff, nicht? Ich hatte leider noch nicht das Vergnügen, Euch offiziell vorgestellt zu werden. Ich bin Mrs. Fraser - Mrs. James Fraser aus Fraser’s Ridge.«
»David Anstruther, Sheriff von Orange County - stets zu Diensten, Ma’am«, sagte er mit einer erneuten Verbeugung, wenn auch ohne jedes Anzeichen echter Freude. Er legte auch keine Überraschung über den Klang von Jamies Namen an den Tag. Entweder kannte er ihn einfach nicht - sehr unwahrscheinlich -, oder er hatte schon mit einer solchen Gesandtschaft gerechnet.
Daher sah ich auch keinen Sinn darin, um den heißen Brei herumzureden.
»Ich habe gehört, dass Ihr Vater Donahue unter Eurem Dach beherbergt«, sagte ich freundlich. »Ich bin gekommen, um ihn zu besuchen; ich bin seine Ärztin.«
Ganz gleich, was er erwartet hatte, das war es jedenfalls nicht; sein Kinn senkte sich ein wenig und entblößte eine schwere Gebissanomalie, eine fortgeschrittene Zahnfleischentzündung und einen fehlenden Eckzahn. Bevor er den Mund wieder schließen konnte, trat ein hoch gewachsener Herr in einem flaschengrünen Rock hinter ihm aus dem Zelt.
»Mrs. Fraser?«, sagte er, eine Augenbraue hochgezogen. Er verbeugte sich förmlich. »Ihr sagt, Ihr wünscht den verhafteten Kirchenmann zu sprechen?«
»Verhaftet?« Ich täuschte große Überraschung über diese Tatsache vor. »Ein Priester? Aber was kann er denn nur getan haben?«
Der Sheriff und der Magistrat wechselten einen Blick. Dann hustete der Magistrat.
»Vielleicht ist Euch nicht bekannt, Madame, dass es nur dem Klerus der offiziellen Kirche - also der Anglikanischen Kirche - gestattet ist, innerhalb der Kolonie North Carolina sein Amt auszuüben?«
Das war mir zwar nicht unbekannt, doch ich wusste auch, dass dieses Gesetz nur selten angewandt wurde, da es in der Kolonie sowieso nur relativ wenige Priester gab und sich niemand die Mühe machte, Notiz von den Wanderpredigern zu nehmen, die dann und wann auftauchten und von denen die meisten im wahrsten Sinne des Wortes unabhängig operierten.
»Guter Gott!«, sagte ich und bemühte mich nach Leibeskräften um einen Ausdruck der schockierten Überraschung. »Nein, ich hatte ja keine Ahnung. Du liebe Güte! Wie überaus seltsam!« Mr. Lillywhite kniff kurz die Augen zu, was ich als Bestätigung betrachtete, dass meine Darstellung gepflegten Erschreckens ihre Wirkung nicht verfehlte. Ich räusperte mich und brachte die Silberflasche und das Nadelkistchen zum Vorschein.
»Nun denn. Ich hoffe doch, dass jegliche Schwierigkeiten bald Klärung finden. Dennoch würde ich Vater Donahue sehr gern einen Augenblick sehen. Wie ich schon sagte, bin ich seine Ärztin. Er hat... Beschwerden...« Ich schlug den Deckel des Kistchens auf und stellte geziert meine Nadeln zur Schau, damit sie sich etwas hinreichend Drastisches vorstellten. »Sie bedürfen regelmäßiger Behandlung. Dürfte ich ihn kurz sehen, um ihm seine Medizin zu verabreichen? Ich... äh... sähe es nur ungern, wenn er durch einen Mangel an Sorgfalt meinerseits Schaden nähme.« Ich lächelte so charmant wie möglich.
Der Sheriff versenkte seinen Hals im Kragen seines Rockes, was ihm das Aussehen einer bösartigen Amphibie gab, doch auf Mr. Lillywhite schien mein Lächeln mehr Wirkung zu haben. Er zögerte und betrachtete mich genau.
»Nun, ich weiß nicht genau, ob...«, setzte er an, als hinter mir auf dem Weg platschende Schritte ertönten. Ich drehte mich um, weil ich halb damit rechnete, Jamie zu sehen, erblickte aber stattdessen Mr. Goodwin, meinen Patienten von neulich. Seine Wange war aufgrund meiner Zuwendungen immer noch geschwollen, doch seine Schlinge war noch intakt.
Er war nicht minder überrascht, mich zu sehen, begrüßte mich aber mit großer Herzlichkeit und einer Wolke alkoholischer Dämpfe. Offenbar hatte Mr. Goodwin meinen Rat bezüglich der Desinfektion sehr ernst genommen.
»Mrs. Fraser! Ihr seid doch wohl nicht hier, um meinen Freund Lillywhite zu behandeln, oder? Ich könnte mir aber vorstellen, dass Mr. Anstruther von einem ordentlichen Aderlass profitieren würde - weg mit den ganzen Gallensäften, was, David? Haha!« Er versetzte dem Sheriff einen kameradschaftlichen Hieb auf den Rücken; eine Geste, die Mr. Anstruther nicht mehr als eine kleine Grimasse entlockte, was mir einen Eindruck von Mr. Goodwins Bedeutung in der gesellschaftlichen Rangordnung von Orange County vermittelte.
»George, mein Lieber«, begrüßte Mr. Lillywhite ihn herzlich. »Dann bist du also mit dieser charmanten Dame bekannt?«
»Oh, das bin ich, das bin ich, Sir!« Mr. Goodwin sah mich strahlend an. »Oh, Mrs. Fraser hat mir heute Morgen einen großen Dienst erwiesen, einen wirklich großen! Hier, bitte!« Er schwang seinen verbundenen, geschienten Arm, der ihm zu meiner Freude gegenwärtig offenbar keinerlei Schmerzen verursachte, wenn dies wahrscheinlich auch eher an seiner selbst verabreichten Anästhesie als an meiner Handwerkskunst lag.
»Sie hat meinen Arm ganz geheilt und ihn doch nur hier und da berührt - und mir einen abgebrochenen Zahn so sauber gezogen, dass ich kaum etwas gemerkt habe. Ga!« Er steckte sich einen Finger in den Mundwinkel und zog seine Wange zurück, so dass ein blutgetränkter Wattebausch sichtbar wurde, der aus der Zahnlücke hervorlugte, sowie eine ordentliche Reihe schwarzer Stiche im Zahnfleisch.
»Ich bin wirklich höchst beeindruckt, Mrs. Fraser.« Lillywhite rümpfte die Nase, als ihm aus Goodwins Mund eine Mischung aus Knoblauch und Whisky entgegenwehte. Seine Miene war interessiert, und ich sah die Wölbung in seiner Wange, als er vorsichtig mit seiner Zunge einen Backenzahn abtastete.
»Aber was führt Euch hier herauf, Mrs. Fraser?« Mr. Goodwin lenkte den Strahl seiner Jovialität auf mich. »So spät am Tage - vielleicht erweist Ihr mir die Ehre, an meinem Feuer mit mir zu speisen?«
»Oh, danke, aber das kann ich wirklich nicht«, sagte ich und lächelte so charmant wie möglich. »Ich bin nur gekommen, um nach einem anderen Patienten zu sehen - das heißt -«
»Sie will den Priester sehen«, unterbrach Anstruther.
Goodwin kniff leicht verblüfft die Augen zu.
»Priester? Es ist ein Priester hier?«
»Ein Papist«, betonte Mr. Lillywhite, der dieses unreine Wort kaum über die Lippen brachte. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass sich hier in der Menge ein katholischer Priester verborgen hielt, der vorhatte, heute Abend während der Festlichkeiten eine Messe abzuhalten. Ich habe ihn natürlich durch Mr. Anstruther verhaften lassen.«
»Vater Donahue ist ein Freund von mir«, warf ich so nachdrücklich wie möglich ein. »Und er hat sich nicht verborgen gehalten; er war ganz offen eingeladen, und zwar als Gast von Mrs. Cameron. Außerdem ist er mein Patient und bedarf der Behandlung. Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass er sie bekommt.«
»Ein Freund von Euch? Seid Ihr denn etwa katholisch, Mrs. Fraser?« Mr. Goodwin sah erschrocken aus; offensichtlich war er nicht auf die Idee gekommen, dass ihn eine papistische Zahnärztin behandelte, und er fuhr sich betreten mit der Hand an seine geschwollene Wange.
»Ja«, sagte ich in der Hoffnung, dass nicht schon die bloße Tatsache, dass man katholisch war, gegen Mr. Lillywhites Vorstellungen von Gesetzestreue verstieß.
Offensichtlich nicht. Mr. Goodwin versetzte Mr. Lillywhite einen kleinen Stoß.
»Ach, komm schon, Randall. Lass Mrs. Fraser den Mann besuchen, was kann es denn schaden? Und wenn er wirklich Jocasta Camerons Gast ist...«
Mr. Lillywhite spitzte ein paar Sekunden nachdenklich die Lippen, dann trat er beiseite und hielt den Zelteingang für mich auf.
»Es kann wohl nicht schaden, wenn Ihr nach Eurem... Freund seht«, sagte er langsam. »Tretet also ein, Madame.«
Die Sonne ging jetzt unter, und das Innere des Zeltes war dunkel, obwohl eine der Leinenwände immer noch vom Glühen der sinkenden Sonne erleuchtet war. Ich schloss einen Moment die Augen, um sie an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen, dann sah ich mich blinzelnd um, um mich zu orientieren.
Das Zelt machte einen vollgestopften, aber relativ luxuriösen Eindruck. Es war mit einem Feldbett und anderen Möbelstücken ausgerüstet, und die Luft im Inneren roch nicht nur nach feuchtem Segeltuch und Wolle, sondern war auch mit den Aromen von Ceylontee, teurem Wein und Mandelplätzchen parfümiert.
Vater Donahue war als Silhouette vor dem leuchtenden Zeltleinen zu sehen. Er saß auf einem Hocker hinter einem kleinen Klapptisch, auf dem sich einige Bögen Papier, ein Tintenfass und ein Federkiel befanden. Seiner militant aufrechten Haltung nach zu urteilen, die auf ein bevorstehendes Märtyrertum hinzudeuten schien, hätten es genauso gut Daumenschrauben, Zangen und ein glühendes Schüreisen sein können.
Hinter mir ertönte das Klicken von Feuerstein und Zunder, dann glühte ein schwaches Licht auf. Es schwoll an, und ein schwarzer Junge - Mr. Lillywhites Bediensteter, vermutete ich - trat vor und stellte schweigend eine kleine Öllampe auf den Tisch.
Jetzt, da ich den Priester deutlich sehen konnte, wurde der Eindruck des Märtyrertums noch deutlicher. Er sah aus wie Sankt Stephan nach der ersten Steinsalve, denn er hatte eine Prellung am Kinn und ein erstklassiges, blaues Auge, das von der Braue bis zum Wangenknochen lila verfärbt und komplett zugeschwollen war.
Sein unverletztes Auge weitete sich bei meinem Anblick, und er fuhr mit einem überraschten Ausruf auf.
»Vater Kenneth.« Ich ergriff seine Hand und drückte sie. Dabei lächelte ich breit, um unser Publikum zufrieden zu stellen, das möglicherweise durch den Zelteingang linste. »Ich bringe Euch Eure Medizin. Wie fühlt Ihr Euch?« Ich zog die Augenbrauen hoch und wackelte damit, um ihm zu bedeuten, dass er bei dem Betrug mitspielen sollte. Im ersten Moment starrte er mich fasziniert an, doch dann schien er zu begreifen. Er hustete, dann, durch mein Nicken ermuntert, noch einmal heftiger.
»Es ist... sehr gütig von Euch... an mich zu denken, Mrs. Fraser«, keuchte er zwischen den Hustenstößen.
Ich zog den Stopfen von der Flasche und schenkte ihm einen großzügigen Schluck Whisky ein.
»Geht es Euch wirklich gut, Vater?«, fragte ich leise, als ich mich vorbeugte, um ihm den Whisky zu reichen.
»Oh, es ist nichts, liebe Mrs. Fraser, ganz und gar nichts«, versicherte er mir. Unter dem Druck der Situation kam sein schwacher, irischer Akzent zum Vorschein. »Ich habe nur den Fehler begangen, mich zu wehren, als der Sheriff mich verhaftet hat. Vor lauter Schrecken habe ich dem armen Mann ein wenig an den Eiern zugesetzt, dabei hat er doch nur seine Pflicht getan, möge Gott mir vergeben.« Vater Kenneth verdrehte sein unbeschädigtes Auge gen Himmel, doch sein Grinsen ruinierte den frommen Eindruck gründlich.
Vater Kenneth war von mittlerer Größe, und da er viel Zeit im Sattel verbrachte, sah er älter aus, als er war. Dennoch war er nicht älter als fünfunddreißig, hager und zäh wie eine Peitschenschnur unter seinem abgetragenen, schwarzen Rock und seinem zerfransten Hemd. Ich fing an, die Verärgerung des Sheriffs zu verstehen.
»Außerdem«, fügte er hinzu, während er sich vorsichtig an sein blaues Auge fasste, »hat mir Mr. Lillywhite eine ausgesprochen großzügige Entschuldigung für meine Schmerzen angeboten.« Er wies kopfnickend auf den Tisch, und ich sah, dass zwischen den Schreibutensilien eine offene Weinflasche und ein Zinnbecher standen - der Becher war noch voll, und es fehlte kaum Wein in der Flasche.
Der Priester griff nach dem Whisky, den ich ihm eingeschenkt hatte, und leerte ihn. Dann schloss er in verträumter Dankbarkeit die Augen.
»Auf bessere Medizin kann ich im Leben nicht hoffen«, sagte er und schlug sie wieder auf. »Ich danke Euch, Mistress Fraser. Jetzt geht es mir wieder so gut, dass ich glatt persönlich auf dem Wasser wandeln könnte.« Er besann sich darauf zu husten, diesmal ein zartes Aufhüsteln, wobei er sich die Faust vor den Mund hielt.
»Was stimmt denn mit dem Wein nicht?«, fragte ich mit einem Blick zum Eingang.
»Oh, gar nichts«, sagte er und entfernte seine Hand. »Nur, dass ich es nicht richtig fand, unter den gegebenen Umständen Erfrischungen von dem Magistraten anzunehmen. Nennt es von mir aus Gewissen.« Er lächelte mir erneut zu, doch diesmal lag ein Hauch von Ironie in seinem Grinsen.
»Warum haben sie Euch verhaftet?«, fragte ich mit leiser Stimme. Ich blickte erneut zum Zelteingang, doch er war leer, und ich hörte Stimmengemurmel im Freien. Jamie hatte offensichtlich Recht gehabt; sie hegten keinen Argwohn gegen mich.
»Wegen Lesens der Heiligen Messe«, erwiderte er ebenso leise wie ich. »Das haben sie zumindest gesagt. Es ist aber eine gemeine Lüge. Ich habe schon seit Sonntag keine Messe mehr gelesen, und das war in Virginia.« Er warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Silberflasche. Ich griff danach und schenkte ihm noch einen großzügigen Schluck ein.
Ich runzelte die Stirn und überlegte, während er trank. Worauf wollten Mr. Lillywhite und seine Kumpane hinaus? Sie konnten doch wohl nicht vorhaben, den Priester vor Gericht zu stellen, weil man ihn bezichtigte, die Messe gelesen zu haben. Es würde natürlich nicht schwer sein, falsche Zeugen zu finden, die dies bestätigten - aber wozu sollte das gut sein?
Zwar erfreute sich der Katholizismus in North Carolina keiner großen Beliebtheit, doch ich konnte nicht viel Sinn darin sehen, einen Priester zu verhaften, der die Kolonie sowieso am nächsten Morgen verlassen würde. Vater Kenneth kam aus Baltimore und hatte auch vor, dort hin zurückzukehren; er war nur aus Gefälligkeit gegenüber Jocasta Cameron zum gathering gekommen.
»Oh!«, sagte ich, und Vater Kenneth sah mich über den Rand seines Bechers hinweg fragend an. »Wisst Ihr vielleicht, ob Mr. Lillywhite persönlich mit Mrs. Cameron bekannt ist?« Jocasta Cameron war eine prominente, reiche Frau, die noch dazu einen starken Charakter hatte und daher nicht ohne Feinde war. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, warum Mr. Lillywhite sich die Mühe machen sollte, sie auf eine derart ausgefallene Weise zu verärgern, aber...
»Ich bin mit Mrs. Cameron bekannt«, sagte Mr. Lillywhite sehr trocken in meinem Rücken. »Obwohl ich leider nicht behaupten kann, mit der Dame eng befreundet zu sein.« Ich fuhr herum und sah ihn innerhalb des Zelteingangs stehen, gefolgt von Sheriff Anstruther und Mr. Goodwin, während Jamie die Nachhut bildete. Letzterer sah mich kurz mit hoch gezogener Augenbraue an, behielt jedoch ansonsten seinen Ausdruck ernsten Interesses bei.
Mr. Lillywhite verbeugte sich grüßend vor mir.
»Ich war gerade dabei, Eurem Mann zu erklären, Madame, dass ich aus Rücksicht auf Mrs. Camerons Interessen versucht habe, Mr. Donahues Position zu legalisieren, um ihm ein weiteres Verbleiben in der Kolonie zu ermöglichen.« Mr. Lillywhite nickte dem Priester kalt zu. »Allerdings ist mein Vorschlag auf Ablehnung gestoßen.«
Vater Kenneth stellte seinen Becher ab und richtete sich auf. Sein gesundes Auge funkelte im Licht der Lampe.
»Sie wünschen, dass ich einen Eid unterzeichne, Sir«, sagte er zu Jamie und wies mit einer Geste auf das Papier und den Federkiel vor ihm auf dem Tisch. »Der besagt, dass ich nicht an die Transsubstantiation glaube.«
»Ach wirklich.« Jamies Stimme verriet nicht mehr als höfliches Interesse, doch ich verstand sofort, was der Priester mit seiner Bemerkung bezüglich seines Gewissens gemeint hatte.
»Nun, das kann er ja wohl auch nicht, oder?«, sagte ich und sah mich im Kreis der Männer um. »Katholiken - ich meine, wir -« Ich sprach mit einigem Nachdruck und sah dabei Mr. Goodwin an. »Wir glauben an die Transsubstantiation. Nicht wahr?«, fragte ich an den Priester gewandt, der als Antwort schwach lächelte und nickte.
Mr. Goodwin machte ein unglückliches, aber resigniertes Gesicht, denn die peinliche Situation tat seiner alkoholseligen Jovialität beträchtlichen Abbruch.
»Es tut mir Leid, Mrs. Fraser, aber so lautet nun einmal das Gesetz. Die einzige Bedingung, unter der ein Kirchenmann, der nicht der offiziellen Kirche angehört, in der Kolonie verbleiben darf - zumindest legal -, ist die Unterzeichnung eines solchen Eides. Viele unterzeichnen ihn. Ihr kennt doch Reverend Urmstone, den methodistischen Wanderprediger? Er hat den Eid unterschrieben, genau wie Mr. Calvert aus der Nähe von Wadesboro, der das Neue Licht predigt.«
Der Sheriff machte ein überlegenes Gesicht. Ich verkniff es mir, ihm auf den Fuß zu treten, und wandte mich an Mr. Lillywhite.
»Schön, aber Vater Donahue kann ihn nicht unterzeichnen. Was habt Ihr also mit ihm vor? Den armen Mann hinter Gitter zu bringen? Das könnt Ihr nicht - er ist krank!« Auf dieses Stichwort hin hustete Vater Kenneth gehorsam.
Mr. Lillywhite betrachtete mich skeptisch, zog es dann aber vor, sich an Jamie zu wenden.
»Von Rechts könnte ich den Mann ins Gefängnis stecken, doch aus Rücksicht auf Euch, Mr. Fraser, und auf Eure Tante werde ich es nicht tun. Allerdings muss er die Kolonie morgen verlassen. Ich werde ihn nach Virginia eskortieren lassen, wo er aus der Bewachung entlassen wird. Ihr dürft versichert sein, dass wir Sorge dafür tragen werden, sein Wohlergehen auf dem Weg zu garantieren.« Er richtete sein kaltes, graues Auge auf den Sheriff, der sich aufrichtete und versuchte, sich ein verlässliches Aussehen zu geben, allerdings mit wenig überzeugendem Ergebnis.
»Ich verstehe.« Jamie sprach mit unbeschwerter Stimme und sah von einem Mann zum anderen, bis er seinen Blick dann auf dem Sheriff ruhen ließ. »Ich verlasse mich darauf, dass das wahr ist, Sir - denn wenn mir zu Ohren kommen sollte, dass dem guten Vater etwas zugestoßen ist, würde mich das... sehr bestürzen.«
Der Sheriff erwiderte seinen Blick mit versteinertem Gesicht, bis Mr. Lillywhite sich räusperte und den Sheriff stirnrunzelnd ansah.
»Ihr habt mein Wort darauf, Mr. Fraser.«
Jamie wandte sich ihm zu und verbeugte sich andeutungsweise.
»Mehr kann ich mir nicht wünschen, Sir. Und dennoch, wenn ich das vorschlagen darf - könnte der Vater den heutigen Abend nicht in Ruhe bei seinen Freunden verbringen, damit sie sich von ihm verabschieden können? Und damit meine Frau sich um seine Wunden kümmern kann? Ich verbürge mich dafür, dass er Euch morgen früh heil wieder übergeben wird.«
Mr. Lillywhite schürzte die Lippen und gab sich den Anschein, diesen Vorschlag zu überdenken, doch der Magistrat war ein schlechter Schauspieler. Ich begriff mit einigem Interesse, dass er diese Frage vorausgesehen hatte und von vornherein entschlossen war, sie zu verneinen.
»Nein, Sir«, sagte er, um einen zögernden Tonfall bemüht. »Ich bedauere, dass ich Euch diese Bitte nicht gewähren kann. Sollte der Priester allerdings den Wunsch haben, Briefe an seine verschiedenen Bekannten zu schreiben -«, er wies mit einer Geste auf den Papierstapel -, »so werde ich für ihre prompte Auslieferung sorgen.«
Jamie räusperte sich und richtete sich auf.
»Nun denn«, sagte er. »Ob ich wohl so kühn sein dürfte, eine Bitte zu äußern...« Er hielt inne und machte einen etwas verlegenen Eindruck.
»Ja, Sir?« Lillywhite sah ihn neugierig an.
»Ich frage mich, ob man es dem guten Vater wohl gestatten würde, mir die Beichte abzunehmen.« Jamie hatte die Augen fest auf den Zeltpfosten gerichtet und wich meinem Blick angestrengt aus.
»Die Beichte?«
Lillywhite machte ein erstauntes Gesicht, wohingegen der Sheriff ein Geräusch machte, das man mit sehr viel Wohlwollen als hysterisches Kichern bezeichnen konnte.
»Drückt Euch etwa das Gewissen?«, fragte Anstruther grob. »Oder vielleicht habt Ihr eine Todesahnung, was?« Er lächelte böse, und Mr. Goodwin knurrte ihm mit schockierter Miene seinen Protest entgegen. Jamie ignorierte sie beide und konzentrierte sich ganz auf Mr. Lillywhite.
»Ja, Sir. Wisst Ihr, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich die Gelegenheit zur Absolution hatte, und es ist gut möglich, dass es lange dauert, bis sie sich wieder ergibt. Und -« An diesem Punkt fing er meinen Blick auf und wies mit einer leichten, aber nachdrücklichen Kopfbewegung auf den Zelteingang. »Wenn uns die Herren einen Augenblick entschuldigen würden?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ergriff er mich beim Ellbogen und beförderte mich rasch ins Freie.
»Brianna und Marsali stehen mit den Kindern da hinten auf dem Weg«, zischte er mir ins Ohr. »Versichere dich, dass Lillywhite und der verfluchte Sheriff weit genug weg sind, dann hol sie herein.«
Er ließ mich erstaunt auf dem Weg stehen und trat geduckt in das Zelt zurück.
»Bitte die Herren um Verzeihung«, hörte ich ihn sagen. »Ich dachte, möglicherweise... gibt es ein paar Dinge, die ein Mann nicht so gern vor seiner Frau sagt... Ihr versteht?«
Es folgte verständnisvolles Männergemurmel, und ich fing das Wort »Beichte« auf, das Mr. Lillywhite jetzt in zweifelndem Tonfall wiederholte. Jamie senkte daraufhin die Stimme zu einem geheimnisvollen Murmeln, das von einem ausgesprochen lauten »Ihr habt was?« aus dem Mund des Sheriffs unterbrochen wurde, den Mr. Goodwin wiederum entschlossen zum Schweigen brachte.
Dann eine kurze, verworrene Unterhaltung, das Schlurfen von Schritten, und ich schaffte es mit knapper Not, mich vom Weg in den Schutz der Kiefern zu begeben, bevor sich der Zelteingang hob und die drei Protestanten aus dem Zelt traten. Der Tag war jetzt fast ganz verblasst, und nur die schwelende Glut einiger von der Sonne erhellter Wolken war am Himmel übrig geblieben, doch ich hatte noch genug Licht, um aus der Nähe ihre vage verlegenen Gesichter zu sehen.
Sie gingen ein paar Schritte den Weg entlang und blieben nur wenige Meter von meinem Versteck entfernt stehen. Sie stellten sich dicht zusammen, um miteinander zu konferieren, und blickten zum Zelt zurück, von wo ich jetzt Vater Kenneths Stimme hören konnte, die sich zu einer lateinischen Segnung erhob. Die Lampe im Zelt ging aus, und die Gestalten Jamies und des Priesters, zwei dumpfe Schatten auf dem Zeltleinen, verschwanden im Dunkel, das dem eines Beichtstuhls glich.
Anstruthers massige Gestalt trat dichter an Goodwin heran.
»Was in Dreiteufelsnamen ist Transsubstantiation?«
Ich sah, wie Goodwin sich aufrichtete und dann die Schultern achselzuckend bis zu den Ohren hochzog.
»Wenn ich ganz ehrlich bin, Sir, bin ich mir nicht ganz sicher, was der Begriff bedeutet«, sagte er sehr geziert, »obwohl ich der Annahme bin, dass es eine dieser üblen Papistendoktrinen ist. Vielleicht kann Euch ja Mr. Lillywhite eine vollständigere Definition liefern - Randall?«
»In der Tat«, sagte der Magistrat trocken. »Es ist die Vorstellung, dass der Priester während der Messe eine Reihe bestimmter Worte spricht und sich dadurch Brot und Wein in die Substanz des Leibes Unseres Retters verwandeln.«
»Was?« Anstruther klang verwirrt. »Wie ist denn das möglich?«
»Brot und Wein in Fleisch und Blut zu verwandeln?« Mr. Goodwin klang ziemlich verblüfft. »Aber das ist doch wohl Hexerei!«
»Das wäre es, wenn es wirklich geschähe«, sagte Mr. Lillywhite, der jetzt ein wenig menschlicher klang. »Die Kirche ist aber der Überzeugung, dass es nicht so ist.«
»Wissen wir das genau?«, fragte Anstruther argwöhnisch. »Habt Ihr ihnen schon einmal dabei zugesehen?«
»Ob ich schon einmal einer katholischen Messe beigewohnt habe? Mit Sicherheit nicht!« Lillywhites hoch gewachsene Gestalt richtete sich auf, ein grober Umriss in der zunehmenden Dämmerung. »Wofür haltet Ihr mich, Sir?«
»Aber Randall, ich glaube nicht, dass der Sheriff es böse gemeint hat.« Goodwin legte seinem Freund beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Sein Amt befasst sich schließlich mit irdischeren Dingen.«
»Nein, nein, es war nicht böse gemeint, wirklich nicht«, sagte Anstruther rasch. »Vielmehr habe ich gemeint, ob überhaupt schon einmal jemand diese Vorgänge gesehen hat, um der Anklage als anständiger Zeuge dienen zu können, meine ich.«
Mr. Lillywhite schien immer noch etwas beleidigt zu sein; er antwortete mit kalter Stimme.
»Es ist kaum nötig, Zeugen für diese Häresie zu bemühen, Sheriff, da die Priester selbst es bereitwillig zugeben.«
»Nein, nein. Natürlich nicht.« Die kantige Gestalt des Sheriffs schien unterwürfig zu schrumpfen. »Aber wenn ich mich nicht irre, Sir, dann... äh... beteiligen sich die Papisten doch an dieser - dieser Transsubdings, aye?«
»Ja, das habe ich mir sagen lassen.«
»Nun denn. Das ist doch Kannibalismus in Reinkultur, oder nicht?« Entzückt blies sich Anstruthers massige Form wieder auf. »Und ich weiß, dass das gegen das Gesetz ist. Warum lassen wir den Kerl seinen Hokuspokus nicht veranstalten und nehmen dann die ganze Mischpoke fest? So werden wir mit einem Schlag einen ganzen Haufen von den Kerlen los.«
Mr. Goodwin stöhnte leise auf. Er schien sich das Gesicht zu massieren, bestimmt, um seine zurückkehrenden Zahnschmerzen zu lindern.
Mr. Lillywhite atmete heftig durch die Nase aus.
»Nein«, sagte er gefasst. »Ich fürchte, das lassen wir lieber, Sheriff. Meine Anweisung lautet, dass es dem Priester nicht gestattet ist, Zeremonien jeder Art durchzuführen, und dass er am Empfang von Besuchern gehindert werden soll.«
»Oh, aye? Und was macht er dann gerade?«, wollte Anstruther wissen und wies gestikulierend auf das abgedunkelte Zelt, in dem Jamies Stimme zu sprechen begonnen hatte, zögernd und kaum hörbar. Möglicherweise sprach er auf Lateinisch.
»Das ist etwas ganz anderes«, sagte Lillywhite gereizt. »Mr. Fraser ist ein Ehrenmann. Und das Besuchsverbot soll sicher stellen, dass der Priester insgeheim keine Ehen schließt; darum brauchen wir uns momentan wohl kaum zu sorgen.«
»Segnet mich, Vater, denn ich habe gesündigt.« Jamies Stimme war auf Englisch zu hören, und Mr. Lillywhite fuhr zusammen. Vater Kenneth stellte murmelnd Fragen.
»Ich habe mich der Lüsternheit und der Unreinheit versündigt, in Gedanken und in der Tat«, verkündete Jamie - um einiges lauter, als es meiner Meinung nach dem Anstand entsprach.
»Oh, aha«, sagte Vater Kenneth plötzlich ebenfalls lauter. Er klang interessiert. »Nun, diese Sünden der Unreinheit - welche Form hatten sie genau, mein Sohn, und wie oft...?«
»Aye, nun ja. Erst einmal habe ich Frauen lüstern betrachtet. Wie oft - oh, bestimmt hundertmal, meine letzte Beichte ist schon eine ganze Weile her. Müsst Ihr auch wissen, welche Frauen, Vater, oder nur, was ich gern mit ihnen gemacht hätte?«
Mr. Lillywhite erstarrte spürbar.
»Ich glaube nicht, dass wir für alle Zeit haben, mein lieber Jamie«, sagte der Priester. »Aber wenn Ihr mir eine oder zwei dieser Gelegenheiten schildern könntet, nur damit ich mir ein besseres Bild von der... äh... Schwere der Vergehen machen kann?«
»Och, aye. Am schlimmsten war wahrscheinlich die Sache mit dem Butterquirl.«
»Butterquirl? Ah... die Sorte, bei der oben der Griff herausschaut?« Vater Kenneths Tonfall vermittelte ein trauriges Verständnis für die anstößigen Möglichkeiten, die ein solches Gerät suggerierte.
»Oh, nein, Vater. Es war ein Butterfass. Die Sorte, die auf der Seite liegt, aye, mit einem kleinen Griff zum Wenden? Nun ja, und sie hat mit sehr viel Kraft an diesem Fass gearbeitet und hatte die Schnüre ihres Leibchens gelöst, so dass ihre Brüste hin und her wackelten und der verschwitzte Stoff an ihr klebte. Nun, und das Fass hatte genau die richtige Höhe - und Rundung, aye? -, so dass mir der Gedanke kam, sie darüber zu legen und ihren Rock zu heben und -«
Ich war so schockiert, dass mir unwillkürlich der Mund offen stand. Es war mein Leibchen, das er da beschrieb, meine Brüste und mein Butterfass! Ganz zu schweigen von meinem Rock. Ich konnte mich sehr gut an diesen Anlass erinnern, und er mochte ja mit lüsternen Gedanken begonnen haben, aber er hatte beileibe nicht damit geendet.
Geraschel und Gemurmel lenkten meine Aufmerksamkeit wieder auf die Männer auf dem Weg. Mr. Lillywhite hatte den Sheriff - der immer noch mit wedelnden Ohren eifrig in Richtung des Zeltes geneigt stand - am Arm gepackt und sprach zischelnd mit ihm, während er ihn hastig den Pfad entlangzerrte. Mr. Goodwin folgte ihnen, wenn auch ein wenig widerwillig.
Die Geräusche ihres Abmarsches hatten leider den Rest von Jamies Beschreibung dieser sündigen Gelegenheit übertönt, zum Glück aber auch das Blätterrauschen und das Knacken der Äste hinter mir überdeckt, das die Ankunft von Brianna und Marsali verkündete, die Jemmy und Joan eingewickelt im Arm hatten, während Germain sich wie ein Äffchen an den Rücken seiner Mutter klammerte.
»Ich dachte schon, sie würden nie gehen«, flüsterte Brianna und blinzelte über meine Schulter hinweg zu dem Fleck, an dem Mr. Lillywhite und seine Begleiter verschwunden waren. »Ist die Luft rein?«
»Ja, kommt mit.« Ich streckte die Arme nach Germain aus, der bereitwillig zu mir überwechselte.
»Où allons-nous, grand-mere?«, erkundigte er sich mit schläfriger Stimme und vergrub sein blondes Köpfchen liebevoll an meinem Hals.
»Schh. Wir gehen zu grand-père und Vater Kenneth«, flüsterte ich ihm zu. »Aber wir müssen sehr leise sein.«
»Oh. So?«, zischte er deutlich hörbar und fing an, mit halb lauter Stimme ein ausgesprochen vulgäres, französisches Lied zu singen.
»Schh!« Ich hielt ihm die Hand vor den Mund, der feucht und klebrig vom Essen war. »Nicht singen, Schätzchen, wir wollen doch die Babys nicht aufwecken.«
Ich hörte ein leises, ersticktes Geräusch aus Marsalis Mund, ein unterdrücktes Prusten von Brianna und begriff, dass Jamie immer noch beichtete. Er schien seinen Rhythmus gefunden zu haben und hatte jetzt das Reich der Erfindung betreten - oder zumindest hoffte ich das. Jedenfalls hatte er nichts von all dem mit mir getan.
Ich steckte meinen Kopf aus dem Gebüsch und sah mich auf dem Pfad um, doch es war niemand in der Nähe. Ich winkte den Mädchen zu, und wir huschten über den Pfad in das abgedunkelte Zelt.
Jamie hielt abrupt inne, als wir uns im Innenraum vortasteten. Dann hörte ich, wie er rasch sagte: »Und ich habe mich der Wut, des Stolzes und der Eifersucht versündigt - und, und hier und da ein bisschen gelogen, Vater. Amen.« Er sank auf die Knie, sprach in rasendem Französisch sein Reuegebet und war aufgestanden und hatte mir Germain abgenommen, bevor Vater Kenneth noch »Ego te absolvo« sagen konnte.
Meine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit; ich konnte die voluminösen Gestalten der Mädchen und Jamies hoch gewachsenen Umriss ausmachen. Er stellte Germain vor dem Vater auf den Tisch und sagte: »Rasch jetzt, Vater, wir haben nicht viel Zeit.«
»Wir haben auch kein Wasser«, bemerkte der Priester. »Es sei denn, die Damen hätten daran gedacht, welches mitzubringen?« Er hatte Feuerstein und Zunder ergriffen und versuchte, die Lampe wieder anzuzünden.
Brianna und Marsali wechselten einen entgeisterten Blick.
»Keine Sorge, Vater.« Jamies Tonfall war beruhigend, und ich sah, wie seine Hand sich vorsichtig auf dem Tisch vortastete und er dann mit einem kurzen Ausruf der Genugtuung fündig wurde. Es folgte das kurze Knirschen eines Korkens, der aus einer Flasche gezogen wurde, und der scharfe, süße Geruch des Whiskys erfüllte das Zelt, während gleichzeitig der Docht Feuer fing und die flackernde Flamme zu einem kleinen, beständigen Licht wuchs.
»Angesichts der Umstände...«, sagte Jamie und hielt dem Priester die offene Feldflasche hin.
Vater Kenneth presste die Lippen zusammen, allerdings wohl eher vor unterdrückter Belustigung als Verärgerung.
»Angesichts der Umstände, aye«, wiederholte er trocken. »Und was könnte schließlich angemessener sein als das Wasser des Lebens?« Er hob die Hand, löste seine Halsbinde und zog einen Lederriemen hervor, den er um den Hals trug und an dem ein Holzkreuz und eine kleine Glasflasche hingen, die mit einem Korken verschlossen war.
»Heiliges Chrisma«, erklärte er, während er die Flasche öffnete und sie auf den Tisch stellte. »Dank der Mutter Gottes, dass ich es dabei hatte. Der Sheriff hat die Kiste mit meinen Messutensilien an sich genommen.« Er führte eine rasche Inventur der Gegenstände auf dem Tisch durch, indem er sie an seinen Fingern abzählte. »Feuer, Chrisma, Wasser - oder so ähnlich - und ein Kind. Nun gut. Ihr und Euer Mann wollt seine Paten sein, nehme ich an, Maʼam?«
Das war an mich gerichtet, da Jamie an den Zelteingang getreten und dort Posten bezogen hatte.
»Für alle drei, Vater«, sagte ich und hielt Germain fest, der es sich in den Kopf gesetzt zu haben schien, vom Tisch zu springen. »Halt still, Schatz, nur einen Augenblick.«
Ich hörte ein leises Wisch hinter mir; Metall, das aus geöltem Leder gezogen wurde. Ich schaute mich um und sah Jamie undeutlich im Schatten. Er stand mit dem Dolch in der Hand am Eingang Wache. Ein dumpfes Gefühl bahnte sich seinen Weg durch meinen Bauch, und ich hörte, wie Brianna neben mir scharf einatmete.
»Jamie, mein Sohn«, sagte Vater Kenneth in leicht tadelndem Ton.
»Fahrt fort, bitte, Vater«, erwiderte Jamie sehr ruhig. »Ich habe fest vor, heute Abend meine Enkel taufen zu lassen, und niemand wird mich davon abhalten.«
Der Priester atmete mit einem leisen Zischen ein und schüttelte dann den Kopf.
»Aye. Und wenn Ihr jemanden umbringt, hoffe ich nur, dass mir die Zeit bleibt, Euch erneut die Beichte abzunehmen, bevor sie uns beide hängen«, knurrte er und griff nach dem Öl. »Wenn Ihr es Euch aber aussuchen könnt, zielt nach dem Sheriff, mein Guter, ja?«
Indem er abrupt zum Lateinischen überwechselte, schob er Germains dichten Blondschopf zurück, und sein Daumen huschte zielsicher über Stirn, Lippen und dann - er fuhr dem Jungen mit einer Handbewegung unter das Kittelchen, die Germain kichernd zusammenzucken ließ - das Herz, im Zeichen des Kreuzes.
»Im Namen dieses Kindes, widersagt Ihr Satan und all seinen Werken?«, fragte er so rasend, dass ich kaum begriff, dass er wieder Englisch sprach, und mich gerade rechtzeitig wieder fing, um gemeinsam mit Jamie die Antwort der Paten anzustimmen, ein pflichtbewusstes: »Ich widersage.«
Ich war gespannt wie ein Flitzebogen und lauschte auf jedes Geräusch, das die Rückkehr von Mr. Lillywhite und dem Sheriff ankündigen könnte. Ich malte mir das Chaos aus, das entstehen würde, wenn sie bei ihrer Ankunft entdeckten, dass sich Vater Kenneth inmitten von etwas befand, das todsicher als widerrechtliche »Zeremonie« galt.
Ich sah mich nach Jamie um; er blickte mich an und schenkte mir ein schwaches Lächeln, das wohl zu meiner Beruhigung gedacht war. Wenn es so war, scheiterte der Versuch kläglich; ich kannte ihn zu gut. Er wollte seine Enkel getauft sehen und würde dafür sorgen, dass ihre Seelen sicher in Gottes Hände befohlen wurden, und wenn er dafür starb - oder wir alle dafür ins Gefängnis wanderten, Brianna, Marsali und die Kinder eingeschlossen. Das ist der Stoff, aus dem die Märtyrer sind, und ihre Familien haben das gefälligst zu schlucken.
»Glaubst-du-an-den-einen-Gott-den-Vater-den-Sohn-und-den-Heiligen-Geist?«
»Sturkopf«, war das Wort, das meine Lippen stumm in Jamies Richtung sandten. Sein Lächeln wurde breiter, und ich wandte mich zurück, um hastig in sein festes »Ich glaube« einzustimmen. Waren das Schritte draußen auf dem Pfad, oder war es nur der Abendwind, der es im Vorüberziehen im Geäst knacken ließ?
Die Fragen und Antworten kamen zum Ende, und der Priester grinste mich an. Im flackernden Lampenschein sah er wie ein mittelalterlicher Wasserspeier aus. Er zwinkerte mir mit dem unverletzten Auge kurz zu.
»Wir können wohl davon ausgehen, dass Eure Antworten bei den anderen genauso lauten, nicht wahr, Ma’am? Und wie ist der Taufname dieses reizenden Jungen?«
Ohne sich in seinem Rhythmus stören zu lassen, ergriff der Priester die Whiskyflasche und ließ dem kleinen Jungen vorsichtig ein Rinnsal über den Kopf laufen und wiederholte: »Ich taufe dich, Germain Alexander Claudel MacKenzie Fraser, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.«
Germain beobachtete diese Operation mit profundem Interesse, und seine blauen Augen schielten, als die bernsteinfarbene Flüssigkeit ihm über den flachen Nasenrücken rann und von seiner Stupsnase tropfte. Er streckte die Zunge heraus, um die Tropfen aufzufangen, verzog aber das Gesicht, als er ihren Geschmack spürte.
»Bah«, sagte er deutlich. »Pferdepisse.«
Marsali antwortete ihm mit einem kurzen, schockierten »Tst!«, doch der Priester gluckste nur, schwang Germain vom Tisch und winkte Brianna.
Sie hielt Jemmy über den Tisch und wiegte ihn wie ein Opferlamm in den Armen. Ihr Blick hing am Gesicht des Babys, doch ich sah ihren Kopf sacht zucken, denn irgendetwas erregte draußen ihre Aufmerksamkeit. Es waren Geräusche unten auf dem Pfad; ich konnte Stimmen hören. Eine Gruppe von Männern, dachte ich, die sich kameradschaftlich, aber nicht betrunken unterhielten.
Ich spannte mich an und gab mir Mühe, nicht in Jamies Richtung zu blicken. Wenn sie hereinkamen, so beschloss ich, würde ich mir Germain schnappen, unter der Rückseite des Zeltes hindurchkriechen und die Flucht ergreifen. Für alle Fälle packte ich schon einmal den Kragen seines Kittelchens. Dann spürte ich, wie ich sanft angestoßen wurde und Brianna ihr Gewicht gegen mich lehnte.
»Schon gut, Mama«, flüsterte sie. »Es sind Roger und Fergus.« Sie nickte in die Dunkelheit und wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder Jemmy zu.
Sie waren es, erkannte ich, und meine Schläfen prickelten vor Erleichterung. Jetzt, da ich es wusste, konnte ich den herrischen Tonfall von Fergus’ Stimme erkennen, die sich zu einem längeren Vortrag erhoben hatte, und ein tiefes, schottisches Brummen, das wohl zu Roger gehören musste. Ein schrilleres Gekicher, das ich als Mr. Goodwins erkannte, driftete durch die Nacht, gefolgt von einer Bemerkung in Mr. Lillywhites gedehnter Aristokratenstimme.
Diesmal sah ich Jamie an. Er hatte nach wie vor den Dolch in der Hand, doch dieser war an seine Seite gesunken, und seine Schultern hatten ein wenig von ihrer Anspannung verloren. Er lächelte mir erneut zu, und diesmal erwiderte ich es.
Jemmy war wach, aber schläfrig. Er legte keinen Protest gegen das Öl ein, fuhr aber zusammen, als ihn der kalte Whisky an der Stirn berührte. Er riss die Augen auf und öffnete abrupt die Arme. Dann gab er ein schrilles »Jiep!« von sich, und als Brianna ihn hastig in seine Decke schlug und ihn an ihre Schulter hob, verzog er das Gesicht und versuchte zu entscheiden, ob er sich hinreichend gestört fühlte, um loszuweinen.
Brianna klopfte ihm auf den Rücken wie auf eine Bongotrommel und lenkte ihn mit leisen Zischelgeräuschen ab. Er begnügte sich damit, sich den Daumen in den Mund zu stecken und die Versammlung argwöhnisch anzufunkeln, doch zu diesem Zeitpunkt goss Vater Kenneth bereits der schlafenden Joan, die Marsali vor ihn hinhielt, Whisky auf die Stirn.
»Ich taufe dich, Joan Laoghaire Claire Fräser«, sprach er Marsali nach und ich sah Marsali erschrocken an. Ich wusste, dass sie nach Marsalis jüngerer Schwester Joan hieß, aber ich hatte nicht gewusst, wie die anderen Namen des Babys lauten würden. Ich spürte einen kleinen Kloß im Hals, als ich sah, wie Marsali ihren in ein Schultertuch gehüllten Kopf über das Kind beugte. Sowohl ihre Schwester als auch ihre Mutter Laoghaire waren in Schottland; die Chance, dass auch nur eine von ihnen das Kind jemals zu Gesicht bekam, war verschwindend gering.
Plötzlich riss Joan ihre schrägen Augen weit auf, und ihr Mund folgte. Sie gab einen durchdringenden Schrei von sich, und wir alle fuhren zusammen, als sei eine Bombe in unserer Mitte explodiert.
»Gehet in Frieden und dienet dem Herrn! Und geht schnell!«, sagte Vater Kenneth, während er bereits mit flinken Fingern seine Glasflasche und die Whiskyflasche verkorkte und in größter Eile alle Spuren der Zeremonie verwischte. Ich konnte hören, wie sich die Stimmen draußen auf dem Pfad verwirrt und fragend erhoben.
Marsali schoss wie der Blitz zum Zelteingang hinaus, die schreiende Joan an der Brust, den protestierenden Germain fest an der Hand. Brianna hielt gerade lange genug inne, um Vater Kenneth die Hand auf den Hinterkopf zu legen und ihn auf die Stirn zu küssen.
»Danke, Vater«, flüsterte sie und verschwand mit wehenden Röcken.
Jamie hatte meinen Arm ergriffen und schob mich ebenfalls aus dem Zelt, hielt aber am Eingang eine halbe Sekunde inne und wandte sich zurück. »Vater?«, flüsterte er. »Pax vobiscum
Vater Kenneth hatte sich bereits hinter dem Tisch niedergesetzt, die Hände gefaltet, die anklagenden, leeren Papierbögen erneut vor sich ausgebreitet. Er blickte mit einem kleinen Lächeln auf, und im Schein der Lampe war sein Gesicht trotz des blauen Auges ganz von Frieden erfüllt.
»Et cum spiritu tuo, Mann«, sagte er und hob drei Finger zu einem segnenden Abschiedsgruß.
 
»Warum in aller Welt hast du das getan?« Briannas Flüstern driftete hörbar verärgert zu mir zurück. Sie und Marsali waren nur knapp vor uns. Wegen der Kinder gingen sie langsam, doch obwohl sie so nah waren, waren die dick eingemummten Gestalten der Mädchen kaum von den Büschen zu unterscheiden, die den Pfad überwucherten.
»Habe ich was getan? Lass das, Germain; komm, wir suchen Papa, ja? Nein, steck das nicht in den Mund!«
»Du hast Joanie gekniffen - ich habe es genau gesehen. Deinetwegen hätten sie uns alle schnappen können!«
»Aber das musste ich doch!« Marsali klang überrascht über Briannas Vorwurf. »Und es hätte doch sowieso nicht mehr viel ausgemacht - da war die Taufe ja schon vorbei. Sie hätten Vater Kenneth wohl kaum zwingen können, sie zurückzunehmen, oder?« Sie kicherte leise bei diesem Gedanken, dann brach sie ab. »Germain, ich habe gesagt, du sollst es loslassen.«
»Was soll das heißen, du musstest doch? Lass los, Jemmy, das sind meine Haare! Au! Lass los, habe ich gesagt!«
Jemmy war jetzt sichtlich hellwach und hoch interessiert an seiner neuen Umgebung, die er am liebsten genauer erkundet hätte, zumindest seinen wiederholten »Arg!«-Rufen nach, die sich gelegentlich mit einem neugierigen »Gleb?« abwechselten.
»Wie, sie hat doch geschlafen!«, sagte Marsali und klang ganz entgeistert. »Sie ist nicht aufgewacht, als Vater Kenneth ihr das Wasser - ich meine den Whisky - über den Kopf gegossen hat... Germain, komm zurück! Thig air ais a seo! - und du weißt doch, dass es Unglück bringt, wenn ein Kind bei der Taufe nicht ein bisschen weint; daran erkennt man, dass die Erbsünde aus ihm weicht! Ich konnte doch nicht zulassen, dass der dhiahhol in meinem kleinen Mädchen bleibt. Nicht wahr, mo mhaorine?« Ich hörte kleine Kussgeräusche und ein leises Gurren aus Joanies Mund, das prompt von Germain übertönt wurde, der erneut zu singen begonnen hatte.
Brianna prustete belustigt auf, und ihre Verärgerung ließ nach.
»Oh, ich verstehe. Nun, solange du einen guten Grund dafür hattest... Obwohl ich mir nicht so sicher bin, dass es bei Jemmy und Germain funktioniert hat. Sieh dir an, wie sie sich benehmen - man könnte schwören, dass sie besessen sind. Au! Beiß mich nicht, du kleines Monster, ich füttere dich ja gleich!«
»Och, sie sind ja schließlich Jungen«, sagte Marsali duldsam. Sie hob ihre Stimme leicht an, um trotz des Lärms gehört zu werden. »Jeder weiß doch, dass Jungen den Teufel in sich haben; ich nehme an, dass man mehr als ein bisschen Weihwasser braucht, um den zu ertränken, selbst wenn es noch so hochprozentig wäre. Germain! Wo hast du nur so ein schmutziges Lied gehört, du kleiner Racker?«
Ich lächelte, und Jamie lachte an meiner Seite leise vor sich hin, während er der Unterhaltung der Mädchen lauschte. Wir befanden uns jetzt weit genug vom Tatort entfernt, um uns nicht mehr darum sorgen zu müssen, ob man uns hören konnte. Denn überall um uns herum erklangen Bruchstücke von Liedern, Geigenmusik und Gelächter im flackernden Schein der Lagerfeuer unter den Bäumen, ein Lichtblick in der zunehmenden Dunkelheit.
Die Angelegenheiten des Tages waren im Großen und Ganzen erledigt, und die Leute ließen sich jetzt zum Abendessen nieder, bevor der Ruf der Clans, die Lieder und die letzten Besuchsrunden begannen. Die Gerüche von Holzrauch und Essen streckten ihre lockenden Finger durch die kalte, dunkle Luft aus, und mein Magen knurrte sacht als Antwort auf ihren Ruf. Ich hoffte, Lizzie war wieder so weit auf dem Damm, dass sie mit dem Kochen begonnen hatte.
»Was heißt mo mhaorine?«, fragte ich Jamie. »Das habe ich noch nie gehört.«
»Ich glaube, es heißt >meine kleine Kartoffel<«, sagte er. »Es ist Irisch, aye? Sie hat es von dem Priester.«
Er seufzte und klang bis jetzt hochzufrieden mit den Ergebnissen des Abends.
»Möge St. Bride Vater Kenneths flinke Finger segnen; eine Sekunde lang dachte ich, wir würden es nicht schaffen. Sind das Roger und Fergus?«
Zwei dunkle Schatten waren aus dem Wald getreten und hatten sich den Mädchen angeschlossen, und unterdrücktes Gelächter und Stimmengemurmel drangen - unterbrochen von lautem Gekreische der beiden Jungen beim Anblick ihrer Papas - von den jungen Familien zu uns herüber.
»Das stimmt. Und wo wir gerade davon sprechen, mein süßes Kartöffelchen«, sagte ich und packte ihn fest am Arm, um ihn zu verlangsamen, »was fällt dir ein, Vater Kenneth von mir und dem Butterfass zu erzählen?«
»Willst du damit etwa sagen, dass dich das geärgert hat, Sassenach?«, fragte er in überraschtem Tonfall.
»Natürlich hat es das!«, sagte ich. Das Blut stieg mir warm in die Wangen, wenn ich mir auch nicht sicher war, ob dies an der Erinnerung an seine Beichte lag - oder an der Erinnerung an den ursprünglichen Anlass. Auch mein Inneres erwärmte sich bei diesem Gedanken ein wenig, und die letzten Krämpfe begannen nachzulassen, als das angenehme Glühen aus meiner Mitte mir Entspannung brachte. Es war kaum die passende Zeit oder der passende Ort, aber vielleicht war uns ja später am Abend die nötige Zurückgezogenheit vergönnt - ich schob den Gedanken hastig beiseite.
»Von meiner Intimsphäre einmal ganz abgesehen, war es überhaupt keine Sünde«, sagte ich geziert. »Wir sind verheiratet, zum Kuckuck!«
»Nun, ich habe ja auch gebeichtet, dass ich gelogen habe, Sassenach«, sagte er. Ich konnte das Lächeln in seinem Gesicht nicht sehen, aber ich konnte es deutlich in seiner Stimme hören. Ich nahm an, dass er das meine auch hören konnte.
»Ich musste mir schließlich eine Sünde einfallen lassen, die schlimm genug war, um Lillywhite zu vertreiben - und ich konnte weder Diebstahl noch Homosexualität nehmen; vielleicht muss ich mit dem Mann noch geschäftlich verkehren.«
»Oh, du glaubst also, dass Sodomie ihn verprellen könnte, dass er deine Einstellung gegenüber Frauen in feuchten Blusen aber als kleinen Charakterfehler abtun würde?« Sein Arm war warm unter dem Stoff seines Hemdes. Ich berührte die Unterseite seines Handgelenkes, jene verletzliche Stelle, an der die Haut bloß lag, und strich sanft den Verlauf der Vene nach, die dort pulsierte und dann unter dem Leinenstoff in Richtung seines Herzens verschwand.
»Sprich leise, Sassenach«, murmelte er und berührte meine Hand. »Nicht, dass die Kinder dich hören. Außerdem«, fügte er so leise hinzu, dass er gezwungen war, sich zu bücken und in mein Ohr zu flüstern, »sind es ja nicht alle Frauen. Nur die mit schönen, runden Ärschen.« Er ließ meine Hand los und tätschelte mir vertraulich das Hinterteil, wobei er angesichts der Dunkelheit eine bemerkenswerte Zielsicherheit an den Tag legte.
»Für eine magere Frau würde ich nicht einmal die Straßenseite wechseln, wenn sie splitternackt und pudelnass wäre. Und was Lillywhite angeht«, griff er das Thema wieder auf, in normalerem Tonfall, aber ohne seine Hand zu entfernen, die den Stoff meines Rockes jetzt meditativ um meine Pobacke modellierte. »Mag ja sein, dass er Protestant ist, Sassenach, aber er ist trotzdem ein Mann.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass das nicht miteinander vereinbar ist«, ertönte Rogers Stimme trocken hinter uns in der Dunkelheit.
Jamie zog seine Hand zurück, als stünde mein Hintern in Flammen. Das tat er zwar nicht - ganz -, aber ich konnte nicht leugnen, dass sein Feuerstein trotz der Feuchtigkeit den einen oder anderen Funken im Zunder entfacht hatte. Doch bis zur Schlafenszeit war es noch lange hin.
Ich blieb gerade lange genug stehen, um Jamie kurz an einer intimen Stelle seiner Anatomie zu kneifen, so dass er scharf nach Luft schnappte, dann drehte ich mich um und sah, dass Roger einen großen, sich windenden Gegenstand auf dem Arm hatte, dessen Natur von der Dunkelheit verhüllt wurde. Kein Ferkel, schloss ich, trotz der lauten Grunzgeräusche, die das Wesen von sich gab, sondern Jemmy, der fest auf den Fingerknöcheln seines Vaters herumzukauen schien. Eine kleine, rosafarbene Faust erschien in einem zufälligen Lichtfleck, verschwand und traf mit einem soliden Hämmern auf Rogers Rippen.
Jamie grunzte seinerseits belustigt auf, ohne sich durch die Tatsache aus der Fassung bringen zu lassen, dass jemand mitangehört hatte, was er von den Protestanten hielt.
»Alle Mädchen sind tüchtig«, zitierte er ein schottisches Sprichwort, »aber woher kommen dann die nutzlosen Frauen?«
»Häh?«, sagte Roger, der ein wenig verwirrt klang.
»Protestanten werden mit Schwänzen geboren«, erklärte Jamie. »Zumindest die Männer - aber so mancher lässt seinen unbenutzt verschrumpeln. Ein Mann, der seine Nase in die Sünden anderer Leute steckt, hat keine Zeit, sich um seine eigenen zu kümmern.«
Ich wandelte mein Lachen in ein taktvolleres Husten ab.
»Und manche werden mit der Zeit nur selbst zu Riesenschwänzen«, sagte Roger noch trockener. »Aye, nun gut. Ich bin hier, um dir zu danken... dass du das mit den Taufen hinbekommen hast, meine ich.«
Ich bemerkte sein leichtes Zögern; er hatte immer noch keinen Namen gefunden, mit dem er Jamie unbefangen direkt ansprechen mochte. Jamie nannte ihn ganz einfach »unseren Roger«, »Roger Mac« oder »MacKenzies« - manchmal benutzte er auch den Spitznamen, den Ronnie Sinclair Roger gegeben hatte, a Smeòraich, zu Ehren seiner Stimme. Es bedeutete Singdrossel.
»Ich bin es, der dir danken sollte, a charaid. Am Ende hätten wir es ohne dich und Fergus auch nicht geschafft«, sagte Jamie, und auch seine Stimme wurde von einem Lachen erwärmt.
Rogers Umriss malte sich deutlich vor der Glut eines Lagerfeuers ab, groß und schlank. Seine Schultern hoben sich, als er mit den Achseln zuckte, und er verlagerte Jemmy auf seinen anderen Arm und wischte sich den Speichel auf seiner Hand an der Hose ab.
»Keine Ursache«, sagte er ein wenig schroff. »Wird es - meinst du, man wird Vater Kenneth anständig behandeln? Brianna sagt, sie sind übel mit ihm umgesprungen. Ich hoffe, sie misshandeln ihn nicht, wenn sie erst einmal unterwegs sind.«
Diese Worte wirkten ernüchternd auf Jamie. Er zuckte leicht mit den Achseln und rückte damit seinen Rock zurecht.
»Ich glaube, ihm droht keine Gefahr, aye - ich habe ein Wörtchen mit dem Sheriff gewechselt.« Es lag eine gewisse, grimmige Betonung auf dem »Wörtchen«, die verdeutlichte, was er meinte. Ein ordentliches Bestechungsgeld wäre zwar effektiver gewesen, aber mir war nur zu deutlich bewusst, dass unsere Barschaft derzeit exakt zwei Shilling, drei Pence und neun Farthings zählte - die Überreste von Jamies Whiskygeschäften. Besser, das Geld zu sparen und auf Drohungen zu bauen, dachte ich. Jamie war offenbar derselben Meinung.
»Ich werde mit meiner Tante sprechen«, sagte er, »und sie bitten, Mr. Lillywhite noch heute Abend ihre Meinung zu diesem Thema schriftlich mitzuteilen. Das wird eine bessere Sicherheitsgarantie für Vater Kenneth sein als alles, was ich selbst sagen könnte.«
»Ich glaube nicht, dass sie besonders glücklich sein wird zu hören, dass ihre Hochzeit verschoben ist«, bemerkte ich. Nein, das würde sie wirklich nicht. Als Tochter eines Highlandfürsten und Witwe eines steinreichen Pflanzers war Jocasta Cameron es gewohnt, ihren Willen zu bekommen.
»Bestimmt nicht«, pflichtete Jamie mir ironisch bei, »auch wenn Duncan möglicherweise ein wenig erleichtert ist.«
Roger lachte nicht ohne Mitgefühl und gesellte sich an unsere Seite, als wir jetzt weiter bergab gingen. Er klemmte sich Jemmy, der immer noch heftig grunzte, wie einen Football unter den Arm.
»Aye, das wird er. Armer Duncan. Also sind die Trauungen definitiv abgesagt?«
Ich konnte Jamies Stirnrunzeln zwar nicht sehen, doch ich spürte die Bewegung, als er skeptisch den Kopf schüttelte.
»Aye, ich fürchte, ja. Sie haben sich geweigert, den Priester herauszurücken, obwohl ich ihnen mein Wort gegeben habe, ihn am Morgen wieder abzuliefern. Wir könnten ihn vielleicht mit Gewalt befreien, aber selbst dann -«
»Ich bezweifle, dass das helfen würde«, unterbrach ich ihn und erzählte ihnen, was ich mitbekommen hatte, während ich vor dem Zelt wartete.
»Ich kann mir also nicht vorstellen, dass sie untätig dastehen und zusehen werden, wie Vater Kenneth die Leute verheiratet«, schloss ich. »Selbst wenn ihr ihn befreien könntet, würden sie den Berg nach ihm durchkämmen, Zelte umkrempeln und einen Aufruhr verursachen.«
Sheriff Anstruther würde nicht allein dastehen; Jamie und seine Tochter mochten ja bei den Schotten in hohem Ansehen stehen, Katholiken im Allgemeinen und Priester im Besonderen jedoch nicht.
»Anweisungen?«, wiederholte Jamie und klang erstaunt. »Bist du sicher, Sassenach? Es war Lillywhite, der gesagt hat, er hätte ›Anweisungen‹?«
»So war es«, sagte ich und begriff erst jetzt, wie merkwürdig das war. Der Sheriff empfing seine Anweisungen natürlich von Mr. Lillywhite, denn das war seine Pflicht. Aber wer konnte dem Magistraten Anweisungen erteilen?
»Es gibt hier noch einen anderen Magistraten und ein paar Friedensrichter, aber es wird doch wohl...«, sagte Roger langsam und schüttelte beim Nachdenken den Kopf. Ein lautes Quäken unterbrach ihn in seinen Gedankengängen, und er senkte den Blick. Das Licht eines Feuers in unserer Nähe spiegelte sich auf seinem Nasenrücken und malte sein schwaches Lächeln nach, als er mit seinem Nachwuchs sprach. »Was? Hunger hast du, Junge? Keine Sorge, Mami ist gleich wieder da.«
»Wo ist Mami denn?«, sagte ich und blinzelte in die wogenden Schatten vor uns. Ein leichter Wind hatte sich erhoben, und die nackten Äste der Eichen und Hickories rasselten wie Säbel über unseren Köpfen. Dennoch, Jemmy war laut genug, dass Brianna ihn hätte hören können. Ich fing Marsalis Stimme vor uns auf, anscheinend in ein freundschaftliches Gespräch mit Germain und Fergus über das Abendessen vertieft, doch keine Spur von Briannas tieferem, heiserem Bostoner Akzent.
»Warum?«, sagte Jamie zu Roger und hob die Stimme, um trotz des Windes gehört zu werden.
»Warum was? Hier, Jemmy, siehst du das? Möchtest du? Aye, natürlich möchtest du. Ja, guter Junge, kau ein bisschen darauf herum.« Ein Lichtfunke fing sich auf etwas Glänzendem in Rogers freier Hand; dann verschwand der Gegenstand, und Jemmys Geschrei verstummte augenblicklich, gefolgt von lauten Saug- und Schlürfgeräuschen.
»Was ist das? Es ist doch nicht so klein, dass er es verschlucken könnte, oder?«, fragte ich ängstlich.
»Ah, nein. Es ist eine Uhrenkette. Keine Sorge«, beruhigte Roger mich, »ich habe das Ende fest in der Hand. Wenn er sie verschluckt, kann ich sie wieder herausziehen.«
»Warum sollte jemand verhindern wollen, dass du heiratest?«, sagte Jamie geduldig, ohne die drohende Gefahr für das Verdauungssystem seines Enkelsohnes zu beachten.
»Ich?« Roger klang überrascht. »Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden kümmert, ob ich heirate oder nicht, ausgenommen mich selbst - und dich vielleicht«, fügte er mit einer Spur von Humor in der Stimme hinzu. »Ich nehme doch an, dass es dir auch lieb wäre, wenn der Junge einen Namen bekommt. Apropos«, wandte er sich an mich. Der Wind hatte lange Strähnen aus seinem Haar gelöst und seine Silhouette in einen wilden, schwarzen Geist verwandelt, »wie heißt er denn nun eigentlich? Mit Taufnamen, meine ich.«
»Jeremiah Alexander Ian Fräser MacKenzie«, sagte ich und hoffte, dass ich es richtig behalten hatte. »Entspricht das deinem Wunsch?«
»Oh, sein Name war mir gar nicht so wichtig«, sagte Roger und machte vorsichtig einen Bogen um eine Pfütze, die den Pfad versperrte. Es hatte wieder zu nieseln begonnen; ich konnte kleine, kalte Tropfen in meinem Gesicht spüren, und im Feuerschein sah ich, wie die Wassertropfen in der Pfütze landeten.
»Ich habe mir Jeremiah gewünscht, aber ich habe Brianna gesagt, dass ich ihr den Rest überlasse. Sie konnte sich nicht so recht zwischen John für John Grey und - und Ian für ihren Vetter entscheiden, aber es ist ja sowieso derselbe Name.«
Ich bemerkte erneut das leise Zögern, und ich spürte, wie sich Jamies Arm unter meiner Hand anspannte. Jamies Neffe Ian war ein wunder Punkt - und dank des Briefes, den wir tags zuvor von ihm erhalten hatten, war er uns allen frisch in Erinnerung. Das musste es gewesen sein, was schließlich für Brianna den Ausschlag gab.
»Nun, wenn es nicht um dich und meine Tochter ging«, beharrte Jamie unbeirrbar, »um wen dann? Jocasta und Duncan? Oder die Leute aus Bremerton?«
»Du glaubst, jemand hatte es speziell darauf abgesehen, heute Abend die Hochzeiten zu verhindern?« Roger packte die Gelegenheit, über etwas anderes als Ian Murray zu reden, dankbar beim Schopf. »Dann glaubst du nicht, dass es nur allgemeiner Abscheu gegenüber den Praktiken Roms ist?«
»Das wäre möglich, aber so ist es nicht. Wenn es so wäre, warum haben sie dann mit der Verhaftung des Priesters bis jetzt gewartet? Warte, Sassenach, ich hebe dich auf die andere Seite.«
Jamie ließ meine Hand los, umrundete die Pfütze, dann drehte er sich um, umfasste meine Taille und hob mich mit wehenden Röcken hinüber. Die feuchten Blätter verrutschten gurgelnd unter meinen Schuhen, als er mich abstellte, aber ich ergriff seinen Arm, um mich zu stützen, und richtete mich auf.
»Nein«, setzte Jamie das Gespräch fort, wieder an Roger gewandt. »Lillywhite und Anstruther sind den Katholiken mit Sicherheit nicht besonders hold, aber warum stiften sie jetzt Unruhe, wo der Priester doch am Morgen sowieso verschwunden wäre? Glauben sie vielleicht, dass er alle gottesfürchtigen Leute auf dem Berg bis zum Morgengrauen korrumpiert, wenn sie ihn nicht wegsperren?«
Roger lachte kurz auf.
»Nein. Ich denke nicht. Gibt es außer den Trauungen und Taufen noch etwas, das der Priester heute Abend tun sollte?«
»Vielleicht ein paar Beichten«, sagte ich und kniff Jamie in den Arm. »Sonst ist mir nichts bekannt.« Ich presste meine Oberschenkel aneinander, weil meine intimen Wäschearrangements sich beunruhigend verschoben. Verdammt, eine der Nadeln, die das Tuch zwischen meinen Beinen festhielten, hatte sich gelöst, als Jamie mich hochhob. Hatte ich sie verloren?
»Sie hatten doch wohl nicht vor zu verhindern, dass er jemandem die Beichte abnimmt? Jemand Bestimmtem, meine ich?« Roger klang skeptisch, aber Jamie nahm sich der Idee abwägend an.
»Sie hatten jedenfalls nichts dagegen, dass er mir die Beichte abnahm. Und ich glaube nicht, dass sie einen Pfifferling darum geben, ob sich ein Katholik im Zustand der Todsünde befindet oder nicht, denn wir sind ja sowieso alle verdammt. Aber wenn ihnen bekannt wäre, dass jemand dringend der Beichte bedarf und sie das Gefühl hätten, sich das zunutze machen zu können...«
»Dass dieser Jemand dafür bezahlen könnte, dass man ihn zu dem Priester vorlässt?«, fragte ich skeptisch. »Also wirklich, Jamie, wir reden hier von Schotten. Ich möchte doch meinen, dass der schottische Durchschnittsmörder oder Ehebrecher lieber ein Reuegebet spricht und das Beste hofft als bares Geld für einen Priester zu bezahlen.«
Jamie prustete leise, und ich sah, wie sich der weiße Nebel seines Atemwölkchens um seinen Kopf ringelte wie Kerzenrauch; es wurde zunehmend kälter.
»Mit Sicherheit«, sagte er trocken. »Und wenn Lillywhite vorhätte, ins Ablassgeschäft einzusteigen, hat er damit etwas zu lange gewartet, um noch viel Profit herauszuschlagen. Aber was, wenn es nicht darum ging, jemanden an der Beichte zu hindern - sondern vielmehr nur dafür zu sorgen, dass sie sie mithören können?«
Roger brummte zufrieden. Offensichtlich hielt er das für eine viel versprechende Idee.
»Erpressung? Aye, ein guter Gedanke«, sagte er zustimmend. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte ich; Oxfordbildung oder nicht, es war unzweifelhaft, dass Roger Schotte war. Unter seinem Arm fand ein gewaltsamer Aufruhr statt, gefolgt von einem Jammerlaut Jemmys. Roger blickte zu Boden.
»Oh, hast du dein Spielzeug fallen gelassen? Wo ist es denn verschwunden?« Er hievte Jemmy auf seine Schulter wie ein Bündel Wäsche und hockte sich nieder, um den Boden nach der Uhrenkette abzustochern, die Jemmy anscheinend in die Dunkelheit geschleudert hatte.
»Erpressung? Das halte ich doch für ein bisschen weit hergeholt«, widersprach ich und fuhr mir mit der Hand unter der Nase entlang, die zu tropfen begonnen hatte. »Du meinst, sie vermuten vielleicht, dass beispielsweise Farquard Campbell ein schreckliches Verbrechen begangen hat, und wenn sie es genau wüssten, könnten sie ihn damit unter Druck setzen? Ist das nicht ein bisschen arg durchtrieben? Wenn du da unten eine Sicherheitsnadel findest, Roger, ist es meine.«
»Nun, Lillywhite und Anstruther sind schließlich Engländer, nicht wahr?«, sagte Jamie mit einem delikaten Sarkasmus, der Roger zum Lachen brachte. »Durchtriebenheit und ein verräterisches Wesen sind dieser Rasse angeboren, ist es nicht so, Sassenach?«
»Oh, Unfug«, sagte ich geduldig. »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Außerdem haben sie ja auch nicht versucht, deine Beichte zu belauschen.«
»Es gibt ja auch nichts, womit man mich erpressen könnte«, erwiderte Jamie, obwohl klar war, dass er nur pro forma argumentierte.
»Trotzdem«, begann ich, wurde aber von Jemmy unterbrochen, der immer unruhiger wurde und sich mit dem Kreischen eines pfeifenden Wasserkessels hin und her warf. Roger ächzte, klemmte vorsichtig etwas zwischen seine Finger und stand auf.
»Hab’ deine Nadel gefunden«, sagte er. »Aber keine Spur von der Kette.«
»Irgendjemand wird sie morgen früh schon finden«, sagte ich und hob meine Stimme, um trotz des Lärms gehört zu werden. »Vielleicht gibst du ihn besser mir.« Ich streckte die Arme nach dem Baby aus, und Roger übergab mir seine Bürde mit deutlicher Erleichterung - deren Grund ich sofort begriff, als mir der Geruch von Jemmys Windel in die Nase stieg.
»Doch nicht schon wieder?«, sagte ich. Da er dies offensichtlich als persönlichen Vorwurf betrachtete, schloss er die Augen und fing an zu heulen wie eine Luftschutzsirene.
»Wo ist Brianna denn?«, fragte ich, während ich gleichzeitig versuchte, ihn beruhigend zu wiegen und ihn auf hygienischer Distanz zu halten. »Autsch!« Er schien sich die Dunkelheit zunutze gemacht zu haben, um sich ein paar zusätzliche Gliedmaßen wachsen zu lassen, die alle wild ruderten oder nach mir grabschten.
»Oh, sie musste nur eine Kleinigkeit erledigen«, sagte Roger in einem vagen Tonfall, bei dessen Klang Jamie abrupt den Kopf wandte. Das Licht fiel auf sein Profil, und ich sah, dass er seine dichten, roten Brauen argwöhnisch zusammengezogen hatte. Das Feuer glänzte auf seinem langen, geraden Nasenrücken, als er fragend den Kopf hob. Offensichtlich kam ihm irgendetwas spanisch vor. Er wandte sich mir zu, eine Augenbraue hochgezogen. Steckte ich auch mit dahinter?
»Ich habe keine Ahnung«, versicherte ich ihm. »Warte, ich gehe zu den McAllisters, um mir eine saubere Windel zu borgen. Wir sehen uns gleich am Feuer.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, packte ich das Baby mit festem Griff und schob mich ins Gebüsch, um die nächstliegende Lagerstätte aufzusuchen.
Georgiana McAllister hatte neu geborene Zwillinge - ich hatte sie vor vier Tagen entbunden - und stellte mir gern eine saubere Windel und einen abgelegenen Busch zur Verfügung, hinter dem ich meine persönlichen Reparaturarbeiten vornehmen konnte. Danach plauderte ich noch ein wenig mit ihr und bewunderte die Zwillinge, während mir unablässig die jüngsten Enthüllungen durch den Kopf gingen. Angesichts von Leutnant Hayes und seiner Proklamation, den Machenschaften von Lillywhite und Co. sowie Briannas und Rogers seltsamen Geheimnissen schien mir der Berg heute Abend ein wahres Verschwörernest zu sein.
Ich war froh, dass wir die Taufe zuwege gebracht hatten - ich war sogar geradezu überrascht, welche Genugtuung ich darüber empfand -, musste aber zugeben, dass mich Briannas geplatzte Hochzeit mit Bestürzung erfüllte. Sie hatte nicht viele Worte darüber verloren, aber ich wusste, dass sie und Roger sich sehr auf den Segen für ihre Verbindung gefreut hatten. Der Feuerschein spiegelte sich kurz und anklagend im Gold des Ringes an meiner linken Hand wider, und ich machte im Geiste eine resignierte Handbewegung in Franks Richtung.
»Und was erwartest du, das ich diesbezüglich unternehme?«, fragte ich im Stillen, während ich nach außen hin Georgianas Ansichten über die Behandlung von Pfriemenschwanzwürmern teilte.
»Ma’am?« Eines der älteren McAllistermädchen, das sich bereit erklärt hatte, Jemmy zu wickeln, hielt einen langen, schleimigen Gegenstand vorsichtig zwischen zwei Fingern. »Ich habe diese Kette in der Windel des Kleinen gefunden; gehört sie vielleicht Eurem Mann?«
»Ach du liebe Güte!« Das Wiederauftauchen der Uhrkette jagte mir einen Schrecken ein, doch ein paar Sekunden rationellen Denkens korrigierte meinen ersten, alarmierten Eindruck, dass Jemmy sie verschluckte hatte. Selbst ein Kind mit einem besonders aktiven Verdauungstrakt würde mehrere Stunden brauchen, um einen festen Gegenstand wieder auszuscheiden; offenbar war ihm sein Spielzeug einfach in den Halsausschnitt seines Kittelchens gefallen und in seiner Windel gelandet.
»Gib her, Kleine.« Als Mr. McAllister die Uhrkette erblickte, streckte er die Hand danach aus und ergriff sie mit einer kleinen Grimasse. Er zog ein großes Taschentuch aus seinem Hosenbund und wischte sie sorgfältig ab, wobei die silbernen Kettenglieder und ein kleiner, runder Anhänger ans Licht kamen, der eine Art Siegel trug.
Ich bemerkte den Anhänger mit einigem Grimm und beschloss innerlich, Roger eine anständige Strafpredigt bezüglich der Dinge zu halten, die er Jemmy in den Mund stecken ließ.
»Oh, aber das ist doch Mr. Caldwells Kette!« Georgiana beugte sich vor und betrachtete die Kette über die Köpfe ihrer Zwillinge hinweg, die sie gerade stillte.
»Wirklich?« Ihr Mann sah die Kette blinzelnd an und kramte in seinem Hemd nach seiner Brille.
»Aye, ganz bestimmt! Ich habe sie gesehen, als er am Sonntag gepredigt hat. Ich hatte gerade meine erste Wehe«, erklärte sie an mich gewandt, »und ich musste gehen, bevor er fertig war. Er hat gesehen, wie ich mich zum Gehen wandte, und muss geglaubt haben, dass er unsere Geduld überstrapaziert hatte, weil er die Uhr aus seiner Tasche gezogen hat, um einen Blick darauf zu werfen, und da habe ich das kleine, runde Ding an der Kette glitzern sehen.«
»Das nennt man ein Siegel, a nighean«, unterrichtete sie ihr Mann. Er hatte sich jetzt eine Halbmondbrille fest auf die Nase gesetzt und drehte das kleine Metallemblem zwischen den Fingern hin und her. »Aber du hast Recht, es gehört Mr. Caldwell, siehst du?« Sein schwieliger Finger fuhr den Umriss der Illustration auf dem Siegel nach: ein Amtsstab, ein offenes Buch, eine Glocke und ein Baum über einem Fisch mit einem Ring im Maul.
»Das ist das Siegel der Universität von Glasgow. Mr. Caldwell ist nämlich ein Gelehrter«, sagte er zu mir, und seine blauen Augen waren von Ehrfurcht erfüllt. »Hat dort das Predigen gelernt und macht seine Sache wirklich gut. Du hast ein tolles Finale versäumt, Georgie«, fügte er an seine Frau gewandt hinzu. »Er ist so rot im Gesicht geworden, als er von der Verwüstung und Gottes Zorn am Ende der Welt gesprochen hat, dass ich schon gedacht habe, er bekommt bestimmt gleich einen Schlag, und was machen wir dann? Denn er lässt Murray MacLeod nicht an sich heran, denn Murray ist für Mr. Caldwell ein Häretiker - er gehört dem Neuen Licht an, unser Murray«, erklärte Mr. McAllister an mich gewandt, »und Mrs. Fräser hier ist nicht nur Papistin, sondern war auch mit dir und den Kindern beschäftigt.«
Er beugte sich vor und strich einem der Zwillinge sanft über das Häubchen, doch das Baby schenkte ihm keine Beachtung, da es selig in seine Mahlzeit vertieft war.
»Hmp. Mir wäre es damals auch egal gewesen, wenn Mr. Caldwell geplatzt wäre«, sagte seine Frau unverblümt. Sie hob die doppelte Last auf ihren Armen an und machte es sich bequemer. »Und was mich angeht, so kann die Hebamme von mir aus Indianerin oder Engländerin sein - oh, Verzeihung, Mrs. Fraser-, solange sie weiß, wie man ein Baby auffängt und Blutungen stillt.«
Ich tat Georgianas Entschuldigungen mit ein paar bescheidenen Worten ab und erkundigte mich weiter nach dem Ursprung der Uhrkette.
»Mr. Caldwell. Ihr sagt, er ist ein Prediger?« In meinem Hinterkopf regte sich ein dumpfer Verdacht.
»Oh, aye, der beste, den ich bis jetzt gehört habe«, versicherte Mr. McAllister mir. »Und ich habe sie alle gehört. Mr. Urmstone ist wirklich großartig, wenn es um die Sünde geht, aber er ist nicht mehr der Jüngste und mit der Zeit etwas heiser geworden, so dass man direkt vor ihm sitzen muss, um ihn zu verstehen - und das ist ein bisschen gefährlich, versteht Ihr, denn es sind die Leute in der ersten Reihe, deren Sünden er sich als Erstes vornimmt. Der Mann, der das Neue Licht predigt, macht dagegen nicht viel her; er hat keine Stimme.«
Er tat den unglückseligen Prediger mit der Verachtung eines echten Kenners ab.
»Mr. Woodmason ist nicht schlecht; ein bisschen steif - er ist Engländer, aye? -, aber man kann sich darauf verlassen, dass er stets zum Gottesdienst kommt, obwohl er schon sehr betagt ist. Nun, und der junge Campbell von der Barbecue Church -«
»Der Kleine hier hat ziemlichen Hunger, Ma’am«, warf das Mädchen ein, das Jemmy auf dem Arm hatte. Das stimmte unleugbar, denn er war rot im Gesicht und jammerte. »Soll ich ihm vielleicht etwas Porridge geben?«
Ich warf einen raschen Blick auf den Topf über dem Feuer; der Porridge warf dicke Blasen, also war er wahrscheinlich so gut durchgekocht, dass die meisten Keime abgetötet waren. Ich zog den Hornlöffel hervor, den ich in meiner Tasche dabei hatte und von dem ich mir sicher sein konnte, dass er einigermaßen sauber war, und gab ihn dem Mädchen.
»Danke sehr. Also, dieser Mr. Caldwell - er ist nicht zufällig Presbyterianer, oder?«
Mr. McAllister machte ein überraschtes Gesicht, dann strahlte er über meine Auffassungsgabe.
»Das ist er in der Tat! Dann habt Ihr schon von ihm gehört, Mrs. Fräser?«
»Möglicherweise ist mein Schwiegersohn mit ihm bekannt«, sagte ich trocken.
Georgiana lachte.
»Auf jeden Fall kennt ihn Euer Enkel, würde ich sagen.« Sie wies kopfnickend auf die Kette, die ihr Mann auf seiner breiten Handfläche drapiert hatte. »In diesem Alter sind Kinder wie die Elstern; sie stehlen alles, was glänzt.«
»So ist es«, sagte ich langsam und starrte auf die silbernen Kettenglieder und den baumelnden Anhänger. Das gab der ganzen Sache einen anderen Anstrich. Wenn Jemmy sich bei Mr. Caldwell als Taschendieb betätigt hatte, musste dies einige Zeit vor Jamies improvisierter Tauffeier geschehen sein.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Brianna und Roger schon länger von Vater Kenneths Verhaftung und der möglichen Absage ihrer Hochzeit gewusst; sie hatten genug Zeit gehabt, andere Pläne zu schmieden, während Jamie und ich mit Rosamund, Ronnie und den gesammelten anderen Krisen befasst waren. Zeit genug für Roger, um Mr. Caldwell, den presbyterianischen Pastor, aufzusuchen und mit ihm zu sprechen - Jemmy auf dem Arm.
Und sobald Roger die Bestätigung erhalten hatte, dass der Priester heute Abend wohl kaum irgendwelche Ehen schließen würde, war Brianna zu einer vagen »Erledigung« verschwunden. Nun, wenn Vater Kenneth darauf bestanden hatte, einen presbyterianischen Bräutigam auszufragen, bevor er ihn traute, stand Mr. Caldwell wohl dasselbe Privileg bei einer zukünftigen papistischen Braut zu.
Jemmy verschlang seinen Porridge mit der Unerschütterlichkeit eines hungrigen Piranhas; wir konnten jetzt noch nicht gehen. Das war auch nicht schlimm, dachte ich; sollte Brianna doch ihrem Vater die Neuigkeit eröffnen, dass sie ihre Hochzeit doch bekommen würde - ganz gleich, von welchem Priester.
Ich breitete meinen Rock aus, um den nassen Saum zu trocknen, und der Feuerschein spiegelte sich in meinen beiden Ringen wider. Ein heftiges Bedürfnis zu lachen kochte in mir hoch, als ich mir ausmalte, was Jamie sagen würde, wenn er es herausfand, doch ich unterdrückte es, weil ich keine Lust hatte, den McAllisters meine Belustigung zu erklären.
»Soll ich sie an mich nehmen?«, sagte ich stattdessen zu Mr. McAllister und wies kopfnickend auf die Uhrkette. »Ich glaube, ich werde Mr. Caldwell gleich noch sehen.«
Das Flammende Kreuz
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