31
Sturmwaise
Mit dem Rücken an die Lehmbank gelehnt, schlief ich ein, Jamies Kopf auf meinem Schoß. Ich träumte heftig und verworren, wie es oft vorkommt, wenn man unbequem schläft und dabei friert. Ich träumte von Bäumen; endlose, monotone Wälder voller Bäume, jeder Baumstamm und jede Nadel wie ein Scherenschnitt in die Innenseite meiner Augenlider geritzt, kristallscharf und einander gleich. Gelbe Ziegenaugen schwebten zwischen den Baumstämmen in der Luft, und der Wald in meinem Kopf hallte von den Schreien von Pantherweibchen und dem Weinen mutterloser Kinder wider.
Ich erwachte plötzlich, das Echo des Weinens noch in den Ohren. Ich lag in einem Durcheinander aus Umhängen und Decken; Jamies Gliedmaßen waren fest mit den meinen verschlungen, und zwischen den Fichten fiel feiner, kalter Schnee zu Boden.
Eiskügelchen verkrusteten meine Augenbrauen und Wimpern, und mein Gesicht war kalt und nass vom geschmolzenen Schnee. Im ersten Moment orientierungslos, streckte ich automatisch die Hand nach Jamie aus; er regte sich und hustete verschleimt, und seine Schulter bebte unter meiner Hand. Das Geräusch brachte mir die Ereignisse des vorigen Tages wieder zu Bewusstsein - Josiah und seinen Zwillingsbruder, die Farm der Beardsleys, Fannys Geister; den Gestank von Leiden und Wundbrand und den reineren Geruch von Schießpulver und feuchter Erde. Das Blöken der Ziege hallte aus meinen Träumen nach.
Ein dünnes Jammern hallte durch den flüsternden Schnee. Ich setzte mich abrupt auf und schlug die Decken zurück, wobei ich eisigen Puder versprühte. Keine Ziege. Ganz und gar nicht.
Jamie erwachte ebenfalls schlagartig, fuhr zusammen und rollte sich instinktiv von dem Durcheinander aus Umhängen und Decken fort. Er landete in der Hocke, das Haar wild zerzaust, und seine Augen suchten fieberhaft nach der Bedrohung.
»Was?«, flüsterte er heiser. Er griff nach seinem Messer, das neben ihm in der Scheide auf dem Boden lag, doch ich hob die Hand, um ihm Einhalt zu gebieten.
»Ich weiß es nicht. Ein Geräusch. Still!«
Er hob den Kopf und lauschte, und ich sah, dass seine Kehle sich beim Schlucken nur unter Schmerzen bewegte. Ich konnte nichts hören außer dem Rieseln des Schnees, und ich sah nur triefende Äste. Doch Jamie hörte etwas - oder er sah es; sein Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich.
»Da«, sagte er leise und wies kopfnickend hinter mich. Ich drehte mich auf allen Vieren um und entdeckte etwas, das wie ein kleines Lumpenbündel aussah. Es lag drei Meter von mir entfernt am Rand der Asche des ausgebrannten Feuers. Das Jammern ertönte erneut, und diesmal war keine Verwechslung möglich.
»Ach du lieber Himmel.« Ich war mir kaum bewusst, etwas gesagt zu haben, als ich auch schon auf das Bündel zukrabbelte. Ich hob es auf und begann, mich durch die Schichten der Wickeltücher vorzutasten. Es lebte eindeutig - ich hatte es weinen gehört -, und doch lag es reglos und nahezu gewichtslos in meiner Armbeuge.
Das winzige Gesicht und der haarlose Schädel waren blauweiß, die Gesichtszüge verschlossen und verdorrt wie die Hülle einer Winterfrucht. Ich hielt meine Handfläche über Nase und Mund und spürte eine schwache, feuchte Wärme an meiner Haut. Erschrocken über meine Berührung, öffnete sich der Mund zu einem Jammerlaut, und die Schlitzaugen pressten sich fester zu, um die bedrohliche Welt auszusperren.
»Herrgott im Himmel.« Jamie bekreuzigte sich rasch. Seine Stimme war kaum mehr als ein schleimerfülltes Kratzen; er räusperte sich und versuchte es erneut, während er sich umsah. »Wo ist die Frau?«
Ich war so erschrocken über das Auftauchen des Kindes, dass ich gar nicht weiter über seinen Ursprung nachgedacht hatte, und jetzt war auch nicht die Zeit dazu. Das Baby zuckte schwach in seinen Wickeltüchern, aber seine winzigen Hände waren eiskalt, seine Haut vor Kälte blau und violett gefleckt.
»Das ist jetzt nicht so wichtig - hol mir mein Schultertuch, ja, Jamie? Das arme Ding ist fast erfroren.« Ich kämpfte einhändig mit den Schnüren meines Mieders; es war ein altes Stück, das vorn zu öffnen war und das ich unterwegs trug, weil es sich leichter anziehen ließ. Ich öffnete mein Korsett und den Verschluss meiner Chemise, dann presste ich die kleine, eisige Kreatur an meine nackten Brüste, deren Haut vom Schlaf noch warm war.
Ein Windstoß wehte mir beißenden Schnee über die bloße Haut an Hals und Schultern. Ich zog hastig das Hemd über das Kind und beugte mich zitternd vor. Jamie warf mir das Schultertuch um die Schultern, dann schlang er die Arme um uns beide und drückte uns fest, als wollte er die Hitze seines Körpers mit aller Gewalt auf das Kind übertragen.
Diese Hitze war beträchtlich; er glühte vor Fieber.
»Mein Gott, geht es dir gut?« Ich blickte verstohlen zu ihm auf; er war weißgesichtig und rotäugig, aber fest auf den Beinen.
»Aye, bestens. Wo ist sie?«, fragte er erneut mit heiserer Stimme. »Die Frau.«
Offensichtlich über alle Berge. Die Ziegen drängten sich im Schutz der Lehmbank fest aneinander; ich sah Hirams Hörner zwischen den gescheckten Rücken der Ziegenweibchen auf und ab wackeln. Ein halbes Dutzend gelber Augenpaare beobachtete uns interessiert und rief mir meine Träume wieder ins Gedächtnis.
Die Stelle, wo Mrs. Beardsley gelegen hatte, war leer, nur das niedergedrückte Gras zeugte davon, dass sie tatsächlich dagewesen war. Sie musste sich für die Geburt ein Stück weit entfernt haben; am Feuer war keine Spur davon zu sehen.
»Es ist doch von ihr?«, fragte Jamie. Ich konnte immer noch den Schleim in seiner Stimme hören, aber zu meiner Erleichterung hatte das leise Keuchen in seiner Brust nachgelassen.
»Ich nehme es an. Wo soll es sonst hergekommen sein?«
Eigentlich nahmen Jamie und das Kind meine Aufmerksamkeit ganz in Anspruch - es hatte begonnen, sich mit kleinen, an einen Krebs erinnernden Bewegungen an meinem Bauch zu bewegen -, aber ich warf einen kurzen Blick auf unser improvisiertes Lager. Die Kiefern standen schwarz und schweigend unter dem flüsternden Schnee; wenn Fanny Beardsley in den Wald gegangen war, war auf der dicken Nadelschicht keine Spur von ihr zurück geblieben.
Schneekristalle bestäubten die Baumstämme, doch es war nicht genug Schnee auf den Boden gefallen, um dort liegen zu bleiben; keine Chance, dass wir einen Fußabdruck finden würden.
»Sie kann noch nicht weit gekommen sein«, sagte ich und reckte mich, um über Jamies Schulter hinwegzuspähen. »Sie hat keines der Pferde genommen.« Gideon und Mrs. Piggy standen dicht beieinander unter einer Fichte, die Ohren vor Verdruss über das Wetter angelegt, und ihr Atem hing in Dampfwolken um sie herum. Als er sah, dass wir wach waren und uns bewegten, stampfte Gideon wiehernd auf und zeigte uns seine großen, gelben Zähne, um ungeduldig Futter zu fordern.
»Aye, du alter Klepper, ich komme ja schon.« Jamie ließ die Arme sinken und trat zurück. Er rieb sich mit den Fingerknöcheln unter der Nase.
»Sie konnte ja auch kein Pferd nehmen, wenn sie unbemerkt fort wollte. Wenn sie es getan hätte, hätte sich das andere aufgeregt und mich geweckt.« Er legte sanft eine Hand auf die Rundung unter meinem Schultertuch. »Ich muss sie füttern. Geht es ihm gut, Sassenach?«
»Es taut langsam auf«, versicherte ich ihm. »Aber es bekommt auch Hunger.« Das Baby bewegte sich allmählich heftiger und wand sich wie ein unterkühlter Wurm, während sein Mund blind suchte. Die Vertrautheit des Gefühls war schockierend; meine Brustwarze versteifte sich automatisch, und meine Brust kitzelte wie elektrisch geladen, als der winzige Mund wühlend die Brustwarze suchte, fand und sich festsaugte.
Ich quietschte überrascht auf, und Jamie zog eine Augenbraue hoch.
»Es... äh... hat wirklich Hunger«, sagte ich und rückte meine kleine Bürde zurecht.
»Das sehe ich, Sassenach«, sagte er ein wenig trocken. Er warf einen Blick auf die Ziegen, die sich immer noch gemütlich an ihrer geschützten Stelle unter der Lehmbank aneinander drängten, jedoch allmählich lebendig wurden und sich mit schläfrigen Grunzlauten regten. »Es ist nicht der Einzige, der Hunger hat. Eine Sekunde, aye?«
Wir hatten große Futtersäcke mit Heu von der Farm der Beardsleys mitgebracht; er öffnete einen davon und streute den Pferden und Ziegen Futter hin, dann kehrte er zu mir zurück. Er bückte sich, um einen der Umhänge aus dem feuchten Bettzeughaufen zu lösen und legte ihn um meine Schultern, dann suchte er im Gepäck nach einem Holzbecher, mit dem er sich zielstrebig den fressenden Ziegen näherte.
Das Baby saugte kräftig und hatte meine Brustwarze tief in seinen Mund gezogen. Ich fand das beruhigend, was seine Gesundheit betraf, aber das Gefühl machte mich äußerst nervös.
»Eigentlich macht es mir ja gar nichts aus«, sagte ich zu dem Kind, um uns beide abzulenken. »Aber ich bin nun einmal leider nicht deine Mutter. Tut mir Leid.«
Wo zum Teufel steckte seine Mutter nur? Ich drehte mich langsam im Kreis und suchte die Landschaft noch einmal sorgfältiger ab, konnte jedoch keine Spur von Fanny Beardsley entdecken, geschweige denn einen Grund für ihr Verschwinden - oder ihr Schweigen.
Was in aller Welt konnte nur geschehen sein? Es war gut möglich - und offensichtlich war es ja auch so gewesen -, dass Mrs. Beardsley unter diesem Berg aus Fett und Kleidern eine fortgeschrittene Schwangerschaft verborgen hatte - aber warum sollte sie das getan haben?
»Ich frage mich, warum sie uns nichts davon gesagt hat«, murmelte ich dem Scheitel des Babys zu. Es wurde jetzt unruhig, und ich wiegte es, um es zu beruhigen. Nun, vielleicht hatte sie Angst gehabt, dass Jamie sie nicht mitnehmen würde, wenn er wusste, dass sie so hochschwanger war. Ich konnte ihr nicht verübeln, dass sie nicht in diesem Farmhaus bleiben wollte, ganz gleich, unter welchen Umständen.
Aber dennoch, warum hatte sie jetzt das Kind im Stich gelassen? Hatte sie es im Stich gelassen? Ich dachte einen Augenblick über die Möglichkeit nach, dass irgendjemand - oder irgendetwas - bei dem Gedanken an Panther lief mir ein Schauer über den Rücken - gekommen war und die Frau vom Feuer entführt hatte, aber mein gesunder Menschenverstand tat diesen Gedanken als unsinnig ab.
Es war zwar vorstellbar, dass eine Raubkatze oder ein Bär das Lager betreten hatte, ohne Jamie oder mich zu wecken - erschöpft, wie wir waren -, aber es war unmöglich, dass ein solches Tier in unsere Nähe kam, ohne die Ziegen und Pferde, die von wilden Tieren mehr als genug hatten, in helle Aufregung zu versetzen. Und jedes Raubtier auf Beutesuche würde einen zarten Happen wie dieses Kind einem zähen Bissen wie Mrs. Beardsley mit Sicherheit vorziehen.
Aber wenn Fanny Beardsley durch menschliches Zutun verschwunden war - warum hatten sie das Kind zurück gelassen?
Oder andersherum: Warum hatten sie es zurückgebracht?
Ich holte heftig durch die Nase Luft, um sie frei zu bekommen, dann wandte ich den Kopf und atmete dabei ein und aus, um die Luft aus den verschiedenen Richtungen zu testen. Eine Geburt hinterlässt Körperflüssigkeiten, und die kräftigen Gerüche dieser Flüssigkeiten waren mir gut vertraut. Das Kind in meinen Armen roch stark danach, aber ich konnte keine Spur von Blut oder Fruchtwasser im eisigen Wind ausmachen. Ziegendung und Pferdemist, geschnittenes Heu, den bitteren Geruch der Holzasche und einen kräftigen Hauch von Kampherschmalz aus Jamies Kleidern - aber sonst nichts.
»Na gut«, sagte ich laut und schaukelte dabei sanft meine Bürde, die zunehmend unruhig wurde. »Sie hat sich vom Feuer entfernt, um dich zu gebären. Entweder ist sie allein gegangen, oder es hat sie jemand dazu gebracht. Aber wenn jemand sie mitgenommen hat und gesehen hat, dass sie im Begriff war, ein Kind zu bekommen, warum hat er sich die Mühe gemacht, dich zurückzubringen? Er hätte dich doch mit Sicherheit entweder behalten, dich umgebracht oder dich zum Sterben liegen gelassen. Oh - tut mir Leid. Ich wollte dir keine Angst machen. Schh, Schätzchen. Schh, schh.«
Das Baby, das jetzt aus seiner Benommenheit erwachte, hatte reichlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken, woran es in seiner Welt sonst noch mangelte. Es hatte frustriert von meiner Brust abgelassen, und als Jamie jetzt mit einem dampfenden Becher Ziegenmilch und einem einigermaßen sauberen Taschentuch zurück kam, wand es sich jammernd mit einer Kraft, die ermutigend war. Jamie verdrehte das Taschentuch zu einer improvisierten Zitze, die er in die Milch tauchte. Dann steckte er den tropfenden Stoff vorsichtig in das offene Mäulchen. Das Jammern hörte abrupt auf, und wir seufzten beide erleichtert auf, als der Lärm endete.
»Ah, so ist’s besser, nicht wahr? Seas, a bailach, seas«, murmelte Jamie dem Kind zu, während er frische Milch schöpfte. Ich blickte auf das winzige Gesicht hinunter, das immer noch bleich und wachsig von der Käseschmiere war, aber nicht länger kalkig aussah. Es saugte tief konzentriert.
»Wie konnte sie es nur allein lassen?«, fragte ich mich laut. »Und warum?«
Das war das beste Argument für eine Entführung; was sonst konnte eine frisch gebackene Mutter dazu bewegen, ihr Kind im Stich zu lassen? Ganz zu schweigen davon, sich direkt nach einer Geburt zu Fuß in einen dunklen Wald aufzumachen, schweren Schrittes und wund, zerrissen und blutend... Ich verzog das Gesicht bei diesem Gedanken, und mein Bauch krampfte sich mitfühlend zusammen.
Jamie schüttelte den Kopf, den Blick unverwandt auf seine Aufgabe gerichtet.
»Sie hat einen Grund gehabt, aber den kennt nur der Himmel. Aber sie hat das Kind nicht gehasst - sie hätte es im Wald liegen lassen können, und wir hätten nie davon erfahren.«
Das stimmte; sie - oder irgendjemand - hatte das Baby sorgfältig eingewickelt und es so dicht wie möglich am Feuer liegen gelassen. Also wollte sie, dass es überlebte - wenn auch ohne sie.
»Dann glaubst du also, dass sie freiwillig gegangen ist?«
Er nickte und sah mich an.
»Wir sind hier nicht weit von der Vertragsgrenze entfernt. Es kann sein, dass es Indianer waren - aber wenn es so war, wenn jemand sie entführt hat, warum hat er uns dann nicht auch gefangen genommen? Oder uns alle umgebracht?«, fragte er in aller Logik. »Und Indianer hätten die Pferde mitgenommen. Nein, ich glaube, sie ist aus eigenem Antrieb gegangen. Aber was den Grund angeht...« Er schüttelte den Kopf und tauchte das Taschentuch erneut in die Milch.
Es schneite jetzt immer heftiger, trockenen, leichten Schnee, der jedoch hier und dort liegen zu bleiben begann. Besser, wenn wir bald aufbrachen, dachte ich, bevor das Unwetter noch schlimmer wurde. Irgendwie kam es mir jedoch nicht richtig vor, einfach so zu gehen, ohne den geringsten Versuch herauszufinden, was aus Fanny Beardsley geworden war.
Die ganze Situation kam mir unwirklich vor. Es war, als sei die Frau plötzlich wie durch Zauberei verschwunden und hätte im Austausch dieses kleine Ersatzwesen zurück gelassen. Ich fühlte mich auf bizarre Weise an die schottischen Sagen von Wechselbälgern erinnert; Feenkinder, die an Stelle menschlicher Babys zurückgelassen wurden. Ich konnte mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, was die Feen mit Fanny Beardsley wollten.
Ich wusste, dass es zwecklos war, doch ich drehte mich ein weiteres Mal um die eigene Achse und betrachtete unsere Umgebung. Nichts. Die Lehmbank ragte über uns auf, mit trockenem Gras befranst. Ein Stückchen weiter tröpfelte ein winziger Bach dahin, und die Bäume raschelten und seufzten im Wind. Keine Huf- oder Fußspur markierte die feuchte, schwammige Nadelschicht, und ein Pfad war nicht einmal zu ahnen. Der Wald stand ganz und gar nicht schweigend, weil es so windig war, aber dafür war er schwarz und tief.
»Sind wir noch weit von dem Ziel«, merkte ich an und wandte mich seufzend wieder zu Jamie um.
»Häh? Äh, nein, zu Pferd ist es nicht mehr als eine Stunde bis nach Brownsville«, versicherte er mir. »Oder vielleicht zwei«, verbesserte er sich nach einem Blick zum musselinweißen Himmel, denn es schneite immer heftiger. »Jetzt, wo es hell ist, weiß ich, wo wir sind.«
Er hustete erneut, ein plötzlicher Krampf, der seinen ganzen Körper schüttelte, dann richtete er sich auf und reichte mir Becher und Sauger.
»Hier, Sassenach. Gib dem armen, kleinen sgaogan zu trinken, während ich mich um die Tiere kümmere, aye?«
Sgaogan. Ein Wechselbalg. Also hatte auch er den Eindruck, dass der ganzen Angelegenheit etwas Seltsames, Übernatürliches anhaftete. Nun, die Frau hatte behauptet, Gespenster zu sehen; vielleicht hatte sie nun eines geholt? Ich erschauerte und hielt das Baby fester an mich gedrückt.
»Gibt es außer Brownsville noch irgendeine Siedlung in der Nähe? Irgendeinen Ort, den Mrs. Beardsley vielleicht aufgesucht haben könnte?«
Jamie schüttelte den Kopf, und zwischen seinen Augenbrauen erschien eine Falte. Der Schnee schmolz, sobald er seine erhitzte Haut berührte, und lief ihm in kleinen Rinnsalen über das Gesicht.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte er. »Nimmt das Kleine die Ziegenmilch an?«
»Als wäre es ganz selbstverständlich«, versicherte ich ihm.
Während ich dem Kind weiter tropfenweise Nahrung einflößte, molk er rasch die restlichen Ziegen und brachte uns einen vollen Eimer Milch zum Frühstück mit. Ich hätte zwar gern eine schöne, heiße Tasse Tee gehabt - meine Finger waren vom ständigen Eintauchen der falschen Zitze kalt und taub -, aber die sahnige, weiße Milch war köstlich und nicht minder angenehm für unsere kalten, leeren Mägen als für den des Babys.
Das Kind hatte aufgehört zu nuckeln und sich nach Leibeskräften eingenässt; alles in allem ein Zeichen guter Gesundheit, wenn es mir auch gerade nicht sehr gelegen kam, da sowohl sein Wickeltuch als auch die Vorderseite meines Mieders jetzt durch und durch nass waren.
Jamie durchwühlte erneut hastig das Gepäck, diesmal auf der Suche nach etwas zum Wickeln und trockenen Kleidern. Zum Glück trug Mrs. Piggy die Tasche, in der ich die Leinenstreifen und die Baumwollwatte zum Säubern und Verbinden aufbewahrte. Er nahm sich eine Hand voll davon und ergriff das Kind, während ich mich an die umständliche und zugige Aufgabe machte, Hemd und Leibchen zu wechseln, ohne dabei meinen Rock, Unterrock oder Umhang auszuziehen.
»Z-zieh dir doch auch deinen Umhang an«, sagte ich zähneklappernd. »Du stirbst noch an einer verf-flixten Lungenentzündung.«
Er lächelte, den Blick fest auf seine Aufgabe gerichtet, obwohl seine Nasenspitze im Kontrast zu seinem bleichen Gesicht rot leuchtete.
»Mir geht es gut«, krächzte er, dann räusperte er sich ungeduldig, was sich wie zerreißender Stoff anhörte. »Gut«, wiederholte er kräftiger, dann hielt er inne und riss überrascht die Augen auf.
»Oh«, sagte er jetzt wieder leiser. »Sieh mal. Es ist ein kleines Mädchen.«
»Wirklich?« Ich ließ mich neben ihm auf die Knie sinken, um es mir anzusehen.
»Nicht besonders hübsch«, sagte er mit einem kritischen Blick auf das kleine Geschöpf. »Gut, dass sie eine ordentliche Mitgift hat.«
»Ich glaube nicht, dass du bei deiner Geburt eine große Schönheit warst«, sagte ich tadelnd. »Das arme Ding ist ja noch nicht einmal anständig sauber. Aber was hast du damit gemeint, eine Mitgift?«
Er zuckte mit den Achseln, während er das Kunststück zuwege brachte, das Kind mit einem Schultertuch zugedeckt zu halten und ihm gleichzeitig ein zusammengefaltetes Leinentuch unter den winzigen Hintern zu schieben.
»Ihr Vater ist tot und ihre Mutter verschwunden. Sie hat keine Brüder oder Schwestern, mit denen sie ihr Erbe teilen müsste, und ich habe in dem Haus kein Testament gefunden, in dem gestanden hätte, dass jemand anders Beardsleys Besitz erben soll. Auf diese Weise hinterlässt er ihr eine ordentliche Farm und einiges an Handelswaren - von den Ziegen ganz zu schweigen.« Er warf einen Blick auf Hiram und seine Familie und lächelte. »Also gehört das alles wohl ihr.«
»Vermutlich«, sagte ich langsam. »Also wird sie ein gut betuchtes, kleines Mädchen sein, nicht wahr?«
»Aye, und sie hat gerade in die Hose geschissen. Hättest du das nicht tun können, bevor ich dich auf ein frisches Tuch gelegt habe?«, wollte er von dem Kind wissen. Ohne sich von seiner Strafpredigt beeindrucken zu lassen, blinzelte ihm das kleine Mädchen verschlafen zu und rülpste leise.
»Oh, nun ja«, sagte er resigniert. Er rückte ein Stück beiseite, um sie besser vor dem Wind abzuschirmen, hob kurz ihre Decke an und wischte ihr geschickt eine schwärzliche Schleimspur von den knospenartigen Geschlechtsteilen.
Das Kind machte einen gesunden Eindruck, wenn es auch sehr klein war; es war nicht größer als eine Puppe, sein Bäuchlein von der Milch leicht vorgewölbt. Das war momentan die größte Schwierigkeit; klein, wie sie war, und ohne isolierendes Körperfett würde sie in kürzester Zeit an Unterkühlung sterben, wenn es uns nicht gelang, sie warm und satt zu halten.
»Pass auf, dass sie nicht kalt wird.« Ich schob mir die Hände in die Achselhöhlen, um sie aufzuwärmen, bevor ich das Kind hoch hob.
»Keine Sorge, Sassenach. Ich muss ihr nur noch den kleinen Hintern abwischen, und dann...« Er hielt inne und runzelte die Stirn.
»Was ist denn das, Sassenach? Meinst du, sie ist verletzt? Hat das törichte Weib sie vielleicht fallen gelassen?«
Ich beugte mich vor, um es mir anzusehen. Er hielt mit einer Hand die Füße des Babys hoch, einen verschmutzten Baumwollbausch in der anderen. Dicht oberhalb der winzigen Pobacken befand sich eine dunkle, bläuliche Verfärbung, ganz wie ein blauer Fleck.
Es war kein blauer Fleck. Dafür war es aber so etwas wie eine Erklärung.
»Sie ist nicht verletzt«, versicherte ich ihm und zog noch eines von Mrs. Beardsleys abgelegten Schultertüchern über den kahlen Kopf ihrer Tochter. »Es ist ein Mongolenfleck.«
»Ein was?«
»Es bedeutet, dass das Kind schwarz ist«, erklärte ich. »Afrikanisch, meine ich, zumindest zum Teil.« Jamie blinzelte verblüfft, dann senkte er den Kopf und lugte stirnrunzelnd unter das Schultertuch.
»Nein, das ist nicht wahr. Sie ist so blass wie du, Sassenach.«
Das stimmte nicht ganz; das Kind war so weiß, dass es blutleer zu sein schien.
»Die Kinder von Schwarzen sehen normalerweise bei der Geburt noch nicht schwarz aus«, erklärte ich ihm. »Sie sind sogar oft ziemlich hell. Die Pigmentierung der Haut beginnt sich ein paar Wochen später zu entwickeln. Aber sie werden oft mit dieser schwachen Verfärbung am unteren Ende der Wirbelsäule geboren - man nennt das Mongolenfleck.«
Er rieb sich mit der Hand durch das Gesicht und blinzelte die Schneeflocken beiseite, die versuchten, sich auf seinen Wimpern festzusetzen.
»Ich verstehe«, sagte er langsam. »Aye, nun ja, und das erklärt einiges, nicht wahr?«
So war es in der Tat. Was auch immer er sonst gewesen sein mochte, ein Schwarzer war der verstorbene Mr. Beardsley jedenfalls nicht gewesen. Der Vater des Kindes dagegen schon. Und Fanny Beardsley, die wusste - oder befürchtete -, dass das Kind, welches sie im Begriff war zu gebären, sie als Ehebrecherin entlarven würde, hatte es für besser gehalten, das Kind im Stich zu lassen und zu fliehen, bevor die Wahrheit ans Licht kam. Was das betraf, so fragte ich mich auch, ob der mysteriöse Vater etwas mit Mr. Beardsleys Schicksal zu tun hatte.
»Ob sie wohl mit Sicherheit gewusst hat, dass der Vater ein Neger war?« Jamie berührte die kleine Unterlippe, die sich jetzt schwach rosa verfärbte, sanft mit einem Finger. »Oder ob sie das Kind gar nicht richtig gesehen hat? Denn sie muss es schließlich in der Dunkelheit geboren haben. Vielleicht hätte sie ja beschlossen, es darauf ankommen zu lassen, wenn sie gesehen hätte, dass es weiß aussah.«
»Vielleicht. Aber sie hat es nicht getan, Was meinst du wohl, wer der Vater gewesen sein kann?« Angesichts der isolierten Lage der Beardsley-Farm konnte ich mir nicht vorstellen, dass Fanny oft Gelegenheit bekommen hatte, Männer kennen zu lernen, abgesehen von den Indianern, die zu Tauschgeschäften vorbeikamen. Ob Indianerbabys wohl auch Mongolenflecken hatten?
Jamie warf einen trostlosen Blick auf unsere gottverlassene Umgebung und nahm das Kind in seine Arme.
»Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht, dass es schwierig sein wird, ihn auszumachen, wenn wir erst in Brownsville sind. Lass uns aufbrechen, Sassenach.«
 
Jamie beschloss widerstrebend, die Ziegen zurückzulassen, um so schnell wie möglich an einen Unterschlupf und Nahrung für das Kind zu gelangen.
»Fürs Erste kommen sie hier gut zurecht«, sagte er und streute ihnen das restliche Heu hin. »Die Ziegen werden sich nicht von dem alten Kerl entfernen - und du wirst ja wohl vorerst nirgendwo hingehen, was, a bailach?« Er kratzte Hiram zum Abschied zwischen den Hörnern, und wir brachen unter protestierenden Mäh-Lauten auf, da sich die Ziegen inzwischen an unsere Gesellschaft gewöhnt hatten.
Das Wetter wurde mit jeder Minute schlechter; da jetzt die Temperatur stieg, änderte sich die Konsistenz des Schnees von trockenem Pulver zu großen, nassen Flocken, die überall hängen blieben, Boden und Bäume mit einer Eiskruste überzogen und die Mähnen der Pferde mit Schmelzwasser durchnässten.
Tief in meinen dicken Kapuzenumhang eingehüllt, unter dem ich mehrere Schultertücher anhatte und das Kind in einer improvisierten Schlinge an meinem Bauch trug, war mir trotz der Flocken, die mein Gesicht streiften und in meinen Wimpern hängen blieben, schön warm. Jamie hustete dann und wann, sah aber im Großen und Ganzen viel gesünder aus als zuvor; die Notwendigkeit, einen Notfall in die Hand zu nehmen, hatte ihn belebt.
Er ritt direkt hinter mir und sah sich wachsam nach marodierenden Panthern oder anderen Bedrohungen um. Ich war zwar der Meinung, dass jede Katze, die etwas auf sich hielt - ganz besonders, wenn sie eine Ziege im Bauch hatte-, einen Tag wie diesen lieber zusammengekuschelt in einem gemütlichen Unterschlupf verbringen würde, anstatt durch den Schnee zu stapfen. Dennoch war es sehr beruhigend, ihn dicht bei mir zu haben; ich war sehr angreifbar, da ich die Zügel nur in einer Hand hielt und die andere schützend unter die Wölbung im Inneren meines Umhangs gelegt hatte.
Das Kind schlief, dachte ich, aber unruhig; es räkelte und wand sich mit den langsamen, trägen Bewegungen der Wasserwelt und hatte sich an das freie Leben außerhalb des Mutterleibes noch nicht gewöhnt.
»Du siehst aus, als ob du ein Kind unter dem Herzen trägst, Sassenach.« Ich blickte hinter mich und sah, dass Jamie unter der Krempe seines Schlapphutes ein belustigtes Gesicht machte, obwohl ich glaubte, auch noch etwas anderes in seiner Miene zu entdecken. Vielleicht eine leise Sehnsucht; er hatte mich nie hochschwanger mit seinem Kind gesehen.
»Das mag daran liegen, dass ich ein Kind unter dem Herzen trage«, erwiderte ich und verrutschte ein wenig im Sattel, um den Bewegungen meiner kleinen Begleiterin mehr Raum zu geben. »Nur, dass es das Kind einer anderen ist.« Das Köpfchen und die kleinen Knie, die gegen meinen Bauch drückten, erinnerten mich tatsächlich bestürzend daran, wie sich eine Schwangerschaft anfühlte; die Tatsache, dass sich die Bewegungen außerhalb und nicht in meinem Bauch abspielten, machte einen bemerkenswert kleinen Unterschied aus.
Als zöge ihn die Schwellung unter meinem Umhang magisch an, trieb Jamie Gideon an meine Seite. Das Pferd schnaubte und schlug mit dem Kopf, weil es sich vordrängen wollte, aber Jamie hielt es mit einem leisen, tadelnden »Seas!« zurück, und es gehorchte und atmete in kleinen Dampfwölkchen aus.
»Machst du dir Sorgen um sie?«, fragte Jamie mit einer Kopfbewegung in Richtung des umliegenden Waldes.
Ich brauchte nicht zu fragen, wen er meinte. Ich nickte, eine Hand auf der winzigen Wirbelsäule, die immer noch gekrümmt war, um sich der Rundung der verschwundenen Gebärmutter anzupassen. Wo war sie, Fanny Beardsley, allein im Wald? Hatte sie sich wie ein verwundetes Tier verkrochen, um zu sterben - oder hielt sie auf irgendeine eingebildete Zuflucht zu, während sie blind durch gefrorenes Laub und zunehmenden Schnee irrte, unterwegs zurück zur Chesapeake Bay und dem offenen Himmel, den weiten Wassern und dem Glück ihrer Erinnerung?
Jamie beugte sich zu mir herüber und legte seine Hand auf die meine, die sich um das schlafende Kind schmiegte; ich konnte die Kälte seiner bloßen Finger durch die Stoffschicht spüren, die uns trennte.
»Sie hat ihre Wahl getroffen, Sassenach«, sagte er. »Und sie hat uns das Kind anvertraut. Wir werden das kleine Mädchen in Sicherheit bringen; das ist alles, was wir für die Frau tun können.«
Ich konnte meine Hand nicht umdrehen, um die seine zu ergreifen, aber ich nickte. Er drückte meine Hand und ließ sie los, und ich wandte mein Gesicht unserem Ziel entgegen und blinzelte mit feuchten, stacheligen Wimpern die schmilzenden Tropfen beiseite.
Doch als wir in Sichtweite von Brownsville eintrafen, war meine Sorge um Fanny Beardsley zum Großteil der Angst um ihre Tochter gewichen. Das Kind war wach und schrie und boxte auf der Suche nach Nahrung mit seinen winzigen Fäusten gegen meine Leber.
Ich setzte mich aufrechter in den Sattel und blinzelte durch den Vorhang aus fallendem Schnee. Wie groß war Brownsville? Ich konnte nicht mehr sehen als den Dachfirst einer einzelnen Blockhütte, der durch das immergrüne Dickicht aus Kiefern und Lorbeerbüschen lugte. Einer der Männer aus Granite Falls hatte doch gesagt, das Dorf sei »ansehnlich« - aber was hieß hier im Hinterland »ansehnlich«? Wie groß war die Chance, dass zumindest einer der Einwohner von Brownsville eine stillende Mutter war?
Jamie hatte die Wasserflasche geleert und sie mit Ziegenmilch gefüllt, aber ich hielt es für besser, Schutz zu suchen, bevor wir noch einmal versuchten, das Baby zu füttern. Am besten würde es sein, wenn es eine Mutter gab, die dem Kind ihre Milch zur Verfügung stellen würde - doch wenn nicht, würden wir die Ziegenmilch erhitzen müssen; angesichts der Kälte draußen konnte es sein, dass kalte Milch die Körpertemperatur des Babys gefährlich senkte.
Mrs. Piggy schnaubte und verbreitete eine große Dampfwolke, und plötzlich beschleunigte sie ihr Tempo. Sie erkannte den Geruch der Zivilisation - und den anderer Pferde. Sie warf den Kopf hoch und wieherte durchdringend. Gideon fiel ein, und als der Lärm aufhörte, konnte ich zu meiner Ermutigung in der Ferne eine Anzahl Pferde antworten hören.
»Sie sind hier!«« Ich atmete erleichtert dampfend aus. »Die Miliz - sie haben es geschafft!«
»Das will ich doch hoffen, Sassenach«, erwiderte Jamie und hinderte Gideon mit festem Griff am Durchgehen. »Wenn unser Roger nicht einmal ein Dorf am Ende eines geraden Pfades finden könnte, würde ich nicht nur an seiner Sehschärfe, sondern auch an seinem Verstand zweifeln.« Aber er lächelte ebenfalls.
Als wir dann um eine Wegkurve bogen, konnte ich sehen, dass Brownsville tatsächlich ein Dorf war. Schornsteinrauch stieg in sanften, grauen Säulen von einem Dutzend Hütten auf, die zu unserer Rechten auf dem Berghang verstreut lagen, und an der Straße stand eine Ansammlung von Gebäuden, die eindeutig auf Kundschaft eingerichtet waren, zumindest dem Durcheinander aus weggeworfenen Fässern, Flaschen und anderen Abfällen nach, die am Straßenrand in den abgestorbenen Unkräutern lagen.
Gegenüber dieses Wirtshauses hatten die Männer auf der anderen Straßenseite einen groben Unterstand für die Pferde errichtet, der mit Kiefernzweigen bedeckt war und an der einen Seite zum Schutz vor dem Wind eine Wand aus weiteren Ästen hatte. Die Pferde der Milizionäre standen an den Beinen gefesselt darunter in einem gemütlich schnaubenden Haufen beisammen, eingehüllt in die Wolken ihres gemeinsamen Atems.
Angesichts dieses Refugiums legten unsere eigenen Pferde ein gutes Tempo an den Tag, und ich musste fest an den Zügeln ziehen, um zu verhindern, dass Mrs. Piggy antrabte, denn dann wäre mein Passagier ordentlich durchgeschüttelt worden. Als ich sie wider Willen zum Schritt durchpariert hatte, löste sich eine schlanke Gestalt aus dem Schutz einer Kiefer und trat winkend vor uns auf die Straße.
»Milord«, begrüßte Fergus Jamie, und Gideon blieb wiederstrebend stehen. Fergus lugte unter einer indigofarbenen Strickmütze zu Jamie auf, die er bis zu den Augenbrauen herunter gezogen hatte. Dies verlieh seinem Kopf das Aussehen eines Torpedos, dunkel und gefährlich. »Geht es Euch gut? Ich dachte, Ihr wärt vielleicht in Schwierigkeiten geraten.«
»Och.« Jamie winkte vage in meine Richtung und deutete auf die Auswölbung unter meinem Umhang. »Eigentlich keine Schwierigkeiten; es ist nur -«
Fergus glotzte über Gideons Widerrist hinweg perplex auf die Kugel unter meinem Umhang.
»Quelle virilite, monsieur«, sagte er im Tonfall tiefsten Respekts zu Jamie. »Meinen Glückwunsch.«
Jamie strafte ihn mit einem verächtlichen Blick und einem schottischen Geräusch, das sich anhörte wie unter Wasser entlang rollende Felsen. Das Baby fing wieder an zu weinen.
»Immer der Reihe nach«, sagte ich. »Gibt es hier Frauen mit Babys? Dieses Kind hier braucht Milch, und zwar sofort.«
Fergus nickte, die Augen vor Neugier weit aufgerissen.
»Oui, Milady. Mindestens zwei, nach dem, was ich gesehen habe.«
»Gut. Bring mich zu ihnen.«
Er nickte erneut, ergriff Piggys Trense und wandte sich der Siedlung zu.
»Was ist denn passiert?«, erkundigte sich Jamie und räusperte sich. In meiner Sorge um das Baby hatte ich gar nicht darüber nachgedacht, warum Fergus wohl hier war. Doch Jamie hatte Recht; schlichte Sorge um unser Wohlbefinden hätte ihn bei diesem Wetter nicht vor die Tür gelockt.
»Äh. Wir scheinen ein kleines Problem zu haben, Milord.« Er beschrieb die Ereignisse des gestrigen Nachmittags und schloss mit einem Achselzucken und einem Atemwölkchen. »... und so hat Monsieur Morton bei den Pferden Zuflucht gesucht -« Er wies kopfnickend auf den improvisierten Unterstand, »- während wir anderen Brownsvilles hospitalié genießen.«
Bei diesen Worten machte Jamie ein etwas grimmiges Gesicht; wahrscheinlich dachte er darüber nach, was die hospitalité für über vierzig Männer kosten würde.
»Mmpfm. Ich nehme an, die Browns wissen nicht, dass Morton dort ist?«
Fergus schüttelte den Kopf.
»Warum ist Morton denn dort?«, fragte ich, nachdem ich das Baby vorübergehend zum Schweigen gebracht hatte, indem ich es mir selbst an die Brust legte. »Ich hätte gedacht, dass er über alle Berge ist, daheim in Granite Falls, und froh ist, noch am Leben zu sein.«
»Er will nicht gehen, Milady. Er sagt, er kann nicht auf das Handgeld verzichten.« Die Nachricht hatte uns kurz vor dem Aufbruch aus Fraser’s Ridge erreicht; der Gouverneur bot jedem Mann, der in der Miliz diente, vierzig Shilling an; eine beträchtliche Summe, vor allem für einen frisch gebackenen Siedler wie Morton, dem ein trostloser Winter bevorstand.
Jamie rieb sich langsam mit der Hand über das Gesicht. Dies war in der Tat ein Dilemma; die Milizkompanie brauchte die Männer und Vorräte aus Brownsville, doch Jamie konnte wohl kaum diverse Browns verpflichten, die auf der Stelle versuchen würden, Morton zu eliminieren. Und er konnte es sich genauso wenig leisten, Mortons Handgeld aus eigener Tasche zu bezahlen.
Jamie machte ein Gesicht, als sei er versucht, Morton persönlich umzubringen, aber ich ging nicht davon aus, dass dies eine denkbare Alternative war.
»Möglicherweise könnte man Morton bewegen, das Mädchen zu heiraten?«, schlug ich taktvoll vor.
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Fergus. »Bedauerlicherweise besitzt Monsieur Morton aber bereits eine Gattin in Granite Falls.« Er schüttelte den Kopf, der unter seiner Mütze auszusehen begann wie ein kleiner, schneebedeckter Hügel.
»Warum sind die Browns Morton denn nicht gefolgt?«, fragte Jamie, der offenbar einem eigenen Gedankengang folgte. »Wenn ein Feind mein Land betritt und ich meine Verwandten dabei habe, lasse ich ihn doch nicht einfach davonlaufen; ich setze ihm nach und bringe ihn um.«
Fergus, dem diese Art der Highlandlogik offenbar vertraut war, nickte.
»Ich glaube, das war auch ihre Absicht«, sagte er. »Allerdings hat le petit Roger sie abgelenkt.«
Ich konnte einen deutlich amüsierten Unterton in seiner Stimme hören; Jamie ebenso.
»Was hat er getan?«, fragte er argwöhnisch.
»Für sie gesungen«, sagte Fergus, und die Belustigung wurde deutlicher. »Er hat fast die ganze Nacht gesungen und auf seiner Trommel gespielt. Das ganze Dorf ist gekommen, um ihn zu hören - es gibt sechs Männer im geeigneten Alter für die Miliz«, fügte er praktisch denkend hinzu, »- und die beiden Frauen avec lait, die ich schon erwähnte, Milady.«
Jamie hustete, wischte sich mit der Hand die Nase ab und nickte Fergus mit einer Kopfbewegung in meine Richtung zu.
»Aye. Nun, die Kleine muss etwas essen, und ich kann mich nicht abseits halten, sonst werden sich die Browns sofort denken, dass Morton hier ist. Geh und sag ihm, dass ich mich so bald wie möglich mit ihm unterhalten werde.«
Er lenkte sein Pferd auf das Wirtshaus zu, und ich trieb Mrs. Piggy hinter ihm her.
»Was willst du in Bezug auf die Browns unternehmen?«, fragte ich.
»Himmel«, sagte Jamie mehr an sich selbst gerichtet als an mich. »Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Und hustete erneut.
Das Flammende Kreuz
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