9
Der Keim der Zwietracht
Ich spähte einem von Farquard Campbells Sklaven in die Nase, in Gedanken halb bei dem Polypen, der ihm das Nasenloch verstopfte, halb bei Gouverneur Tryon. Der Polyp war mir eindeutig der Sympathischere von beiden, und selbst ihn würde ich mit einem heißen Eisen ins Jenseits kauterisieren.
Es kam mir so furchtbar ungerecht vor, dachte ich, während ich stirnrunzelnd mein Skalpell sterilisierte und das kleinste Kautereisen in ein Becken mit heißen Kohlen legte.
War das der Anfang? Oder einer der Anfänge? Es war Ende 1770; in fünf Jahren würden sich alle dreizehn Kolonien im Krieg befinden. Doch jede Kolonie würde durch einen anderen Prozess an diesen Punkt gelangen. Da ich so lange in Boston gelebt hatte, wusste ich aus Briannas Geschichtshausaufgaben, wie dieser Prozess in Massachusetts ausgesehen hatte - oder aussehen würde. Steuern, das Massaker von Boston, der Hafen, Hancock, Adams, die Tea Party, all diese Dinge. Aber North Carolina? Wie war es hier dazu gekommen - wie würde es hier dazu kommen?
Möglich, dass es schon im Gange war. Schon seit mehreren Jahren glomm die Zwietracht zwischen den Pflanzern der Ostküste und den geplagten Siedlern des Hinterlandes im Westen. Die Regulatoren rekrutierten sich größtenteils aus der letzteren Klasse; Erstere stand mit ganzem Herzen auf Tryons Seite - und damit auf Seiten der Krone.
»Geht es jetzt?« Ich hatte dem Sklaven einen kräftigen Schluck Whisky als Medizin zur Stärkung verabreicht. Ich lächelte ermutigend, und er nickte mit unsicherer, aber ergebener Miene.
Ich hatte noch nie von Regulatoren gehört, doch hier waren sie nun - und ich hatte inzwischen genug gesehen, um zu wissen, wie viel die Geschichtsbücher ausließen. Wurde die Saat der Revolution direkt vor meiner Nase ausgestreut?
Ich murmelte dem Sklaven beruhigend zu, wickelte mir eine Leinenserviette um die linke Hand, ergriff das Kinn des Sklaven fest damit, schob ihm das Skalpell in die Nase und trennte den Polypen mit einer geschickten Bewegung der Klinge ab. Natürlich blutete es heftig, und warmes Blut strömte durch das um meine Hand gewickelte Tuch, doch es war offensichtlich nicht sehr schmerzhaft. Der Sklave sah überrascht, aber nicht gequält aus.
Das Kautereisen hatte die Form eines winzigen Spatens, ein quadratisches, flaches Metallstück am Ende eines schmalen Stiels, der einen Holzgriff hatte. Das flache Ende qualmte im Feuer, seine Kanten glühten rot. Ich presste dem Mann das Tuch fest gegen die Nase, um den Blutfluss zu stoppen, entfernte es wieder, und in dem Bruchteil einer Sekunde, bevor das Blut wieder hervorschoss, schob ich ihm das heiße Eisen in die Nase und drückte es gegen die Nasenscheidewand. Jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass ich die richtige Stelle getroffen hatte.
Der Sklave gab einen erstickten Kehllaut von sich, regte sich aber nicht, obwohl ihm die Tränen über die Wangen liefen und feucht und warm auf meinen Fingern landeten. Der Geruch nach versengtem Blut und Fleisch unterschied sich nicht von dem Geruch, der auch von den Grillfeuern herüber wehte. Mein Magen knurrte laut; der Sklave sah mich mit hervorquellenden, blutunterlaufenen Augen erstaunt an. Mein Mund zuckte, und er kicherte schwach zwischen Tränen und Rotz.
Ich zog das Eisen fort und hielt das Tuch bereit. Es floss kein frisches Blut. Ich bog den Kopf des Mannes zurück, lugte ihm mit zusammengekniffenen Augen in die Nase und entdeckte erfreut die kleine, saubere Brandmarke am oberen Teil der Schleimhaut. Ich wusste, dass die Brandwunde leuchtend rot sein musste, doch ohne Beleuchtung sah sie schwarz aus, eine kleine Schrunde, die sich wie eine Zecke im behaarten Schatten des Nasenloches verbarg.
Der Mann sprach kein Englisch; ich lächelte ihm zu, wandte mich aber an seine Begleiterin, eine junge Frau, die ihm während der Prozedur die Hand gehalten hatte.
»Er wird wieder gesund. Sagt ihm bitte, dass er die Kruste nicht aufkratzen soll. Wenn die Wunde anschwillt, eitert oder er Fieber bekommt -« Ich hielt inne, denn eigentlich hätte die nächste Zeile lauten sollen, »sucht sofort einen Arzt auf.«
»Geht zu Eurer Herrin«, sagte ich stattdessen zögernd. »Oder sucht Euch eine Kräuterfrau.« Die derzeitige Mrs. Campbell war jung, und nach allem, was ich von ihr wusste, war sie sehr zerstreut. Dennoch sollte jede Plantagenherrin das nötige Wissen und die Mittel zur Fieberbehandlung besitzen. Und wenn es über eine simple Infektion hinaus zu einer Blutvergiftung kommen sollte... nun, in diesem Fall konnte niemand viel tun.
Ich klopfte dem Sklaven auf die Schulter und entließ ihn, während ich dem nächsten Patienten in der Warteschlange zunickte.
Eine Infektion. Das war es, was sich hier zusammenbraute. Im Großen und Ganzen schien die Lage ruhig zu sein - schließlich zog die Krone sogar ihre Truppen zurück! Doch Dutzende, Hunderte, Tausende kleiner Zwietrachtskeime mussten auf der Lauer liegen und überall in den Kolonien Konfliktherde bilden. Die Regulation war nur einer davon.
Zu meinen Füßen stand ein kleiner Eimer mit destilliertem Alkohol zur Desinfektion der Instrumente. Ich tauchte das Kautereisen hinein, dann stieß ich es wieder ins Feuer; der Alkohol entzündete sich mit einem kurzen, flammenlosen Piff.
Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass der Brief, der Jamie gerade ein Loch in den Sporran sengte, auch zu jenen Flammen gehörte, die sich gerade Millionen von Zündschnüren näherten. Möglich, dass manche wieder ausgetreten wurden und andere von selbst herunterbrannten - doch es würden genügend andere Feuer fangen und weiterbrennen und sich ihren zerstörerischen Weg durch die Heime und Familien fressen. Am Ende würde ein sauberer Schnitt stehen, doch es würde sehr viel Blut fließen, bevor das heiße Eisen der Gewehre die offene Wunde versiegeln konnte.
Würde uns denn nie ein wenig Friede vergönnt sein, Jamie und mir?
 
»Dann wäre da Duncan MacLeod; er hat dreihundert Acres am Yadkin River, aber es lebt niemand darauf außer ihm selbst und seinem Bruder.« Jamie rieb sich mit dem Ärmel über das Gesicht, um den Feuchtigkeitsfilm abzuwischen, der an seiner Haut klebte. Er kniff die Augen zu, um seinen Blick zu klären, und schüttelte sich wie ein Hund, so dass es die Tropfen regnete, die sich in seinem Haar verfangen hatten.
»Aber«, fuhr er fort und wies dabei auf die Rauchwolke, die MacLeods Lagerstelle kennzeichnete, »er ist mit dem alten Rabbie Cochrane verwandt. Rabbie ist nicht zum gathering gekommen - wie ich höre, hat er die Wassersucht -, aber er hat elf erwachsene Kinder, die überall auf seinem Berg verstreut wohnen. Nimm dir also Zeit mit MacLeod, sieh zu, dass er gerne kommt, und sag ihm dann, dass er Rabbie benachrichtigen soll. Sag ihm, die Musterung ist in vierzehn Tagen in Fraser’s Ridge.«
Er zögerte und legte Roger eine Hand auf den Arm, um zu verhindern, dass dieser verfrüht aufbrach. Er blinzelte in den Nebel und erwägte weitere Möglichkeiten. Sie hatten drei Lagerstellen gemeinsam besucht, und vier Männer hatten ihnen ihre Zusage gegeben. Wie viele konnten sie noch beim gathering antreffen?
»Von Duncan aus gehst du hinüber zu den Schafspferchen. Angus Og ist bestimmt da - du kennst doch Angus Og?«
Roger nickte und hoffte, dass er den richtigen Angus Og meinte. Er hatte im Lauf der vergangenen Woche mindestens vier Männer dieses Namens kennen gelernt, aber nur einem von ihnen war ein Hund nicht von der Seite gewichen, und er hatte nach Rohwolle gerochen.
»Campbell, aye? Krumm wie ein Angelhaken und hat ein Glasauge?«
»Aye, das ist er.« Jamie nickte zustimmend und lockerte seinen Griff. »Er ist zu verbaut, um selbst zu kämpfen, aber er wird dafür sorgen, dass seine Neffen kommen, und es in den Siedlungen in der Gegend von High Point weitersagen. Also, Duncan, Angus... oh, aye, Joanie Findlay.«
»Joanie?«
Fraser grinste.
»Aye, man nennt sie die alte Joan. Sie hat ihr Lager in der Nähe meiner Tante, sie und ihr Bruder lain Mhor.«
Roger nickte skeptisch.
»Aye. Aber ich soll mit ihr sprechen, ja?«
»Dir wird nichts anderes übrig bleiben«, sagte Fraser. »Iain Mhor kann nicht sprechen. Aber sie hat noch zwei andere Brüder, die es können, und zwei Söhne in kampffähigem Alter. Die wird sie schicken.«
Jamie warf einen Blick zum Himmel; der Tag hatte sich ein wenig erwärmt, und es regnete weniger, als dass es nebelte. Die Wolken waren so weit ausgedünnt, dass die Sonne zu sehen war, eine blasse, verschwommene Scheibe, die zwar noch hoch am Himmel stand, jedoch im Abstieg begriffen war. Es würde vielleicht noch zwei Stunden hell sein.
»Das reicht«, beschloss er und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Komm zurück zum Feuer, wenn du bei Joan fertig bist, und dann essen wir eine Kleinigkeit zu Abend, bevor du heiratest, aye?« Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte Roger schwach zu, dann wandte er sich ab. Bevor Roger sich entfernen konnte, drehte er sich noch einmal um.
»Sag von Anfang an, dass du Hauptmann MacKenzie bist«, riet er Roger. »Dann wirst du mehr Beachtung finden.« Er drehte sich wieder um und schritt davon, um die weniger viel versprechenden Kandidaten auf seiner Liste aufzusuchen.
MacLeods Feuer brannte wie ein Schlot im Nebel. Roger wandte sich ihm zu und murmelte dabei die Namen wie ein Mantra vor sich hin. »Duncan MacLeod, Rabbie Cochrane, Angus Og Campbell, Joanie Findlay... Duncan MacLeod, Rabbie Cochrane...« Kein Problem, dreimal, und er hatte alles im Kopf, ganz gleich, ob es der Text eines neuen Liedes war, den er sich einprägen musste, Daten aus einem Lehrbuch oder psychologische Gebrauchsanweisungen für potentielle Milizrekruten.
Er sah ein, dass es sinnvoll war, so viele Schotten aus dem Hinterland wie möglich jetzt gleich aufzusuchen, bevor sie sich wieder auf ihre Farmen und Blockhütten verteilten. Und er fand es ermutigend, dass die Männer, an die Fraser bis jetzt herangetreten war, die Einberufung zur Miliz höchstens mit einem säuerlichen Blick und einem resignierten Räuspern akzeptiert hatten.
Hauptmann MacKenzie. Der Titel, den ihm Fraser so beiläufig verliehen hatte, erfüllte ihn mit einem Hauch von verlegenem Stolz. »Instant-Soldat«, murmelte er spöttisch vor sich hin und nahm in seinem durchnässten Rock Haltung an. »Geben Sie nur noch Wasser hinzu.«
Gleichzeitig musste er aber auch zugeben, dass er ein schwaches Kribbeln der Aufregung verspürte. Es mochte ja so sein, dass vorerst nicht viel mehr als Soldatenspiele dabei herauskommen würden - aber der Gedanke daran, in einer Miliz zu marschieren, die Musketen geschultert und Schießpulvergeruch an den Händen...
Keine vier Jahre mehr, dachte er, dann würden die Milizen auf dem Feld bei Lexington stehen. Männer, die auch keine bessere Soldatenausbildung mitbrachten als diese Männer, mit denen er hier im Regen sprach - oder als er selbst. Dieses Bewusstsein jagte ihm einen Schauer über die Haut und ließ sich bedeutungsschwanger in seinem Magen nieder.
Es kam näher. Himmel, es kam wirklich näher.
 
Mit MacLeod hatte er keine Probleme, doch er brauchte länger als gedacht, um Angus Og zu finden, der ganz in die Arbeit mit seinen Schafen vertieft war und sich über die Störung furchtbar aufregte. »Hauptmann MacKenzie« hatte wenig Wirkung auf den alten Schuft ausgeübt; die mit einem drohenden Unterton ausgesprochene Erwähnung von »Oberst Fraser« schon mehr. Angus Og hatte launisch und konzentriert an seiner breiten Oberlippe gekaut, widerstrebend genickt und sich dann mit einem schroffen »Aye, ich sag’s weiter« wieder seinen Schafen zugewandt.
Das neblige Nieseln hatte aufgehört, und die Wolken begannen aufzureißen, als er den Hang erklettert hatte und Joan Findlays Lager erreichte.
»Die alte Joan« war zu seiner Überraschung eine attraktive Frau Mitte dreißig mit scharfsichtigen, braunen Augen, die sich unter den Falten eines feuchten Schultertuches voll Interesse auf ihn richteten.
»So weit ist es also schon, aye?«, sagte sie als Antwort auf seine kurze Erklärung, warum er hier war. »Ich habe mich schon gewundert, als ich heute Morgen hörte, was der Soldat zu sagen hatte.«
Sie tippte sich nachdenklich mit dem Griff ihres hölzernen Kochlöffels an die Lippe.
»Ich habe eine Tante, die in Hillsborough lebt. Sie hat ein Zimmer im King’s House, gleich gegenüber von Edmund Fannings Haus - oder der Stelle, an der es gestanden hat.« Sie lachte kurz auf, wenn auch ohne wirklichen Humor.
»Sie hat mir geschrieben. Der Pöbel kam die Straße entlang gekocht, hat sie gesagt, und hat Mistgabeln geschwungen wie eine Dämonenschar. Sie haben Fannings Haus vor ihren Augen von den Schwellenbalken abgesägt und es mit Seilen umgerissen. Und jetzt sollen wir also unsere Männer schicken, um für Fanning die Kastanien aus dem Feuer zu holen?«
Roger war auf der Hut; er hatte schon viel von Edmund Fanning gehört, der alles andere als beliebt war.
»Dazu kann ich nichts sagen, Mrs. Findlay«, sagte er. »Aber der Gouverneur -«
Joan Findlay prustete heftig los.
»Der Gouverneur«, sagte sie und spuckte ins Feuer. »Pah. Wohl eher die Freunde des Gouverneurs. Aber so ist es nun einmal - die Armen müssen für das Gold der Reichen bluten, und das bleibt immer so, was?«
Sie wandte sich zwei kleinen Mädchen zu, die hinter ihr aufgetaucht waren, still wie kleine, in Tücher gehüllte Geister.
»Annie, hol deine Brüder. Joanie, du rührst den Topf um. Gib Acht, dass du fest über den Boden kratzt, damit es nicht anbrennt.« Sie reichte dem kleinsten Mädchen den Löffel, dann wandte sie sich ab und winkte Roger, ihr zu folgen.
Es war ein ärmliches Lager, nicht mehr als eine Wolldecke, die zwischen zwei Büschen aufgespannt war und eine Art Unterschlupf bildete. Joan Findlay kauerte sich vor den höhlenartigen Raum, und Roger, der ihr gefolgt war, bückte sich, um ihr über die Schulter zu blicken.
»A brathair, hier ist Hauptmann MacKenzie«, sagte sie und streckte eine Hand nach dem Mann aus, der im Schutz der Decke auf einer Matratze aus trockenem Gras lag. Roger bekam einen Schrecken, als er den Mann sah, unterdrückte ihn aber.
Einen Spastiker hätte man ihn in Rogers eigener Zeit in Schottland genannt; wie nannte man einen solchen Zustand jetzt? Vielleicht gab es keine spezielle Bezeichnung dafür; Fraser hatte nur gesagt, er könne nicht sprechen.
Nein, und richtig bewegen konnte er sich auch nicht. Seine Gliedmaßen waren knochig und ausgemergelt, sein Körper in unmöglichen Winkeln verdreht. Man hatte eine zerlumpte Bettdecke über ihn gelegt, doch durch seine ruckartigen Bewegungen war sie verrutscht, so dass der Stoff zusammengeballt zwischen seinen Beinen klemmte und sein Oberkörper entblößt war. Sein abgetragenes Hemd war zerknittert und durch seine angestrengten Bewegungen halb ausgezogen, so dass die bleiche Haut seiner Schultern und Rippen kalt und bläulich im Schatten glänzte.
Joan Findlay legte dem Mann ihre Hand auf die Wange und drehte seinen Kopf, so dass er Roger ansehen konnte.
»Das ist mein Bruder Iain, Mr. MacKenzie«, sagte sie mit fester Stimme, die ihn warnte, jetzt ja nicht falsch zu reagieren.
Auch Iain Mhors Gesicht war verzerrt, der speicheltriefende Mund verzogen, doch aus dieser Verwüstung blickten Roger ein Paar bildschöne - und intelligente - haselnussbraune Augen entgegen. Er brachte seine eigenen Gefühle und Gesichtszüge fest unter Kontrolle und nahm die Klauenhand des Mannes in die seine. Sie fühlte sich schrecklich an, die Knochen scharf und zerbrechlich unter seiner Haut, die so kalt war, dass sie die Haut einer Leiche hätte sein können.
»Iain Mhor«, sagte er leise. »Ich habe schon von Euch gehört. Jamie Fraser lässt Euch grüßen.«
Die Augenlider senkten sich grazil als Antwort und hoben sich dann wieder. Der Mann betrachtete Roger mit ruhigem, klarem Blick.
»Der Hauptmann ist hier, um Männer für die Miliz anzuwerben«, sagte Joan hinter Rogers Rücken. »Der Gouverneur hat die Order geschickt, aye? Anscheinend hat er genug von Aufruhr und Unruhe, so sagt er zumindest; er will jetzt mit Gewalt durchgreifen.« Ihre Stimme hatte einen kräftigen, ironischen Unterton.
Iain Mhors Blick wanderte zum Gesicht seiner Schwester. Sein Mund bewegte sich, rang um Kontrolle, und seine schmale Brust bäumte sich vor Anstrengung auf. Ein paar gekrächzte Silben kamen mit reichlich Speichel heraus, dann fiel er schwer atmend zurück, den Blick gebannt auf Roger gerichtet.
»Er fragt, ob dafür Handgeld gezahlt wird, Hauptmann«, übersetzte Joan.
Roger zögerte. Jamie hatte diese Frage angesprochen, jedoch keine eindeutige Antwort erhalten. Doch er konnte spüren, dass die Frau in seinem Rücken und der Mann, der vor ihm lag, ihre Erwartung nur mühsam unterdrückten. Die Findlays waren bettelarm; das war jedem klar, der sich die nackten Füße und die zerlumpten Kleider der kleinen Mädchen ansah, die abgetragenen Kleider und Bettdecken, die Iain Mhor kaum Schutz vor der Kälte boten. Doch seine Ehrlichkeit zwang ihn zu antworten.
»Ich weiß es nicht. Es gibt noch keine offizielle Auskunft darüber - aber es könnte sein.« Ob Handgeld gezahlt werden würde, hing davon ab, wie groß die Reaktion auf den Aufruf des Gouverneurs war; wenn seine Order allein nur eine unzureichende Truppe zustande brachte, war es gut möglich, dass der Gouverneur sich entschloss, den Milizionären weiteren Anreiz zur Befolgung des Aufrufs zu liefern.
Ein Ausdruck der Enttäuschung flackerte in Iain Mhors Augen auf, um beinahe sofort der Resignation zu weichen. Ihm wäre jede Einkunft willkommen gewesen, doch er rechnete nicht ernsthaft damit.
»Nun denn.« In Joans Stimme lag die gleiche Resignation. Roger spürte, wie sie zurücktrat und sich abwandte, doch der Blick der braunen Augen mit den langen Wimpern hielt ihn immer noch fest. Iain sah ihn direkt an, furchtlos und neugierig. Roger zögerte, unsicher, ob er sich einfach verabschieden sollte. Er hätte gern Hilfe angeboten - aber Gott, was für Hilfe hatte er denn zu bieten?
Er streckte die Hände nach dem offenen Hemd und der zerwühlten Bettdecke aus. Es war nicht viel, aber besser als nichts.
»Darf ich?«
Die haselnussbraunen Augen schlossen sich kurz, dann öffneten sie sich zustimmend, und er machte sich daran, das Bett in Ordnung zu bringen. Iain Mhors Körper war ausgemergelt, aber überraschend schwer und von Rogers Position aus nur ungeschickt zu heben.
Dennoch dauerte es nur kurz, und er lag ordentlich zugedeckt da, und ihm war wenigstens wärmer. Roger blickte ihm erneut in die Augen, lächelte, nickte verlegen und trat von dem mit Gras ausgekleideten Nest zurück, genauso wortlos wie Iain Mhor.
Joan Findlays Söhne waren gekommen; sie standen neben ihrer Mutter, zwei kräftige Jungen von sechzehn und siebzehn, die Roger mit einer Mischung aus Argwohn und Neugier betrachteten.
»Das hier ist Hugh«, sagte sie und legte erst dem einen, dann dem anderen Jungen die Hand auf die Schulter, »und Iain Og.«
Roger neigte höflich den Kopf.
»Stets zu Diensten, die Herren.«
Die Jungen wechselten einen Blick, dann sahen sie zu Boden und verkniffen sich das Grinsen.
»Nun, Hauptmann MacKenzie.« Joan Findlays Stimme legte große Betonung auf das Wort. »Wenn ich Euch meine Söhne borge, versprecht Ihr mir dann, sie mir gesund wieder nach Hause zu schicken?«
Die braunen Augen der Frau leuchteten genauso intelligent wie die ihres Bruders - und genauso furchtlos. Er musste sich zwingen, den Blick nicht abzuwenden.
»Soweit es in meiner Macht liegt, Ma’am - sorge ich für ihre Sicherheit.«
Ihr Mundwinkel verzog sich ein wenig; sie wusste ganz genau, was in seiner Macht lag und was nicht. Doch sie nickte und ließ die Hände wieder an ihre Seiten sinken.
»Sie werden kommen.«
Jetzt nahm er Abschied und ging davon. Das Gewicht ihres Vertrauens lastete schwer auf seinen Schultern.
Das Flammende Kreuz
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