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Nachspiel
Da es inzwischen halb drei Uhr war, der Feind
sich vollständig zerstreut hatte und sich die Armee fünf Meilen vom
Lager entfernt befand, wurde es für ratsam befunden, keine Zeit zu
verlieren, sondern unverzüglich zum Lager von Alamance
zurückzukehren. Leere Wagen wurden aus dem Lager herbei geordert,
um die toten und verwundeten Loyalisten aufzunehmen, und selbst
mehrere der verwundeten Rebellen, die zugaben, dass sie im Fall
eines Sieges keine Gnade gekannt hätten außer für jene, die zu
ihnen übergelaufen wären, wurden dennoch gut versorgt und ihre
verletzungen verbunden.
- »Tagebuch der Expedition gegen die
Aufrührer«, Wm. Tryon
Eine Musketenkugel hatte David Wingate den
Ellbogen zertrümmert. Pech; hätte sie ihn drei Zentimeter höher
getroffen, hätte sie ihm zwar den Knochen gebrochen, doch er wäre
sauber verheilt. Ich hatte das Gelenk an der Außenseite mit einem
halbkreisförmigen Einschnitt geöffnet und sowohl die flach
gedrückte Kugel als auch mehrere Knochensplitter herausgepult, doch
der Knorpel war schwer beschädigt, und die Bizepssehne war
vollständig durchtrennt; ich konnte ihr silbrig glänzendes Ende
tief im dunkelroten Muskelfleisch verborgen sehen.
Ich kaute nachdenklich an meiner Unterlippe. Wenn
ich den Dingen ihren Lauf ließ, würde der Arm dauerhaft - und
schlimm - verkrüppelt enden. Wenn es mir gelang, die abgetrennte
Sehne wieder zu befestigen und die Knochenenden in der Gelenkkapsel
gut zu richten, war es möglich, dass er wieder einigermaßen
benutzbar wurde.
Ich sah mich an der Lagerstelle um, die jetzt einem
Ambulanzdepot ähnelte und mit Körpern, Ausrüstungsgegenständen und
blutigen Verbänden übersät war. Die meisten der Körper bewegten
sich Gott sei Dank, und sei es nur, um zu fluchen oder zu stöhnen.
Ein Mann war schon tot gewesen, als seine Freunde ihn brachten; in
seine Decke gewickelt, lag er im Schatten eines Baumes.
Die meisten Verletzungen, die ich versorgen musste,
waren leicht gewesen, obwohl zwei Männer Bauchdurchschüsse erlitten
hatten; ich konnte nichts weiter für sie tun als sie warm zu halten
und das Beste zu hoffen. Brianna überprüfte sie alle paar Minuten
auf Anzeichen eines Schocks oder steigenden Fiebers und machte dann
wieder die Runde, um den leichter verletzten Männern Honigwasser zu
verabreichen. Besser, wenn sie zu tun hatte, dachte ich, und wenn
sie in Bewegung blieb, auch wenn ihr Gesicht einer der wilden
Wicken glich, die sich an dem Busch in meinem Rücken hochrankten -
weiß und faltig und fest zugekniffen zum Schutz vor den Schrecken
des Tages.
Unmittelbar nach dem Ende der Schlacht hatte ich
ein Bein amputieren müssen. Es war ein Mann aus Mercers Kompanie -
die neben uns lagerte und keinen eigenen Arzt hatte -, der von
einem zurückprallenden Mörsergeschoss getroffen worden war. Es
hatte ihm den Großteil seines Fußes abgerissen, so dass die Haut
des Unterschenkels in Fetzen an seinem zersplitterten Knochen hing.
Ich hatte gedacht, sie würde in Ohnmacht fallen, als die schwere
Gliedmaße zu ihren Füßen in den Staub polterte, und sie hatte wohl
dasselbe gedacht, doch wie durch ein Wunder war sie auf den Beinen
geblieben und hatte den Patienten gestützt - der Gott sei Dank
tatsächlich in Ohnmacht gefallen war -, während ich mit brutaler
Geschwindigkeit seine blutenden Adern kauterisierte und den Stumpf
verband.
Jamie war fort; er hatte seine Männer
zurückgebracht, mich in den Arm genommen und mich heftig geküsst,
dann hatte er sich mit den Lindsays auf den Weg zum Gouverneur
gemacht, um ihm die Gefangenen zu bringen - und sich unterwegs nach
Neuigkeiten von Roger umzuhören.
Die Erleichterung über Jamies Rückkehr gab meinem
Herzen Auftrieb, aber die Angst um Roger lag als kleines, schweres
Gegengewicht unter meinem Brustbein. Doch solange ich arbeitete,
konnte ich sie ignorieren. Keine Neuigkeiten waren erst einmal gute
Neuigkeiten, und ich begrüßte die unmittelbare Realität von Leiden
und Linderung als willkommene Zuflucht vor meiner Phantasie.
Sonst schien es keine dringenden Fälle zu geben. Es
kamen immer noch vereinzelt Männer an, und Brianna blickte bei
jedem Neuankömmling auf, und das Herz hüpfte ihr in die Augen. Wenn
einer von ihnen mich brauchte, würde sie mich rufen. Nun gut,
beschloss ich. Ich hatte genug Zeit; ich würde es versuchen. Es gab
nicht viel zu verlieren, abgesehen von einigen zusätzlichen
Schmerzen für Mr. Wingate, und ich würde ihn fragen, ob er dazu
bereit war.
Er war wachsbleich und schweißbedeckt, saß aber
noch gerade. Er erteilte mir kopfnickend seine Erlaubnis, und ich
reichte ihm erneut die Whiskyflasche; er führte sie so zielsicher
an seinen Mund, als enthielte sie das Elixier des Lebens. Ich rief
einen der anderen Männer, um seinen Arm still zu halten, während
ich arbeitete, und schnitt die Haut direkt über seiner Ellenbeuge
rasch in Form eines umgekehrten ›T‹ ein, um das untere Ende des
Bizeps freizulegen und die Stelle besser zugänglich zu machen. Ich
bohrte mit meiner längsten Zange nach der zähen Silbersträhne der
durchtrennten Sehne, die ich so weit wie möglich herunterzog, bis
ich eine geeignete Stelle fand, um sie mit einem Faden zu
durchbohren, und machte mich dann an die komplizierte Aufgabe, die
getrennten Enden wieder zu verbinden.
Jetzt verlor ich jeden Kontakt mit meiner Umgebung
und konzentrierte
mich ganz auf meine Aufgabe. Ich war mir dumpf bewusst, dass zu
meinen Füßen Tropfen auf den Boden platschten, doch ich wusste
nicht, ob es der Schweiß war, der mir über Arme und Gesicht lief,
das aufquellende Blut des Patienten oder beides. Ich hätte die
Hände einer ausgebildeten Krankenschwester als Assistenz brauchen
können, doch es war nun einmal keine da, also behalf ich mir mit
meinen eigenen Händen. Doch ich hatte eine feine Chirurgennadel und
dünnes Nähmaterial aus abgekochter Seide; die Stiche hinterließen
eine kleine, ordentliche Naht, ein auffälliges, schwarzes
Zickzackmuster, das meinen soliden Halt in dem schlüpfrigen,
glänzenden Gewebe markierte. Normalerweise hätte ich für derartige
Arbeiten im Körperinneren Catgutfäden benutzt, da sich diese
allmählich auflösten und vom Körper resorbiert wurden. Doch Sehnen
heilten so langsam - wenn überhaupt -, dass ich das nicht riskieren
konnte. Die Seidennaht würde einfach für immer bleiben, wo sie war,
und ich betete, dass sie nicht ihrerseits Probleme verursachen
würde.
Dann war das Schwierigste vorbei, und die Zeit
setzte sich wieder in Bewegung. Es gelang mir, beruhigend auf David
einzureden, der das Ganze tapfer überstanden hatte; er nickte, und
obwohl er die Zähne zusammengebissen hatte und seine Wangen
tränennass waren, versuchte er zaghaft zu lächeln, als ich ihm
sagte, dass es überstanden war. Er schrie, als ich die Wunden mit
Alkohollösung ausspülte - das taten sie alle; sie kamen nicht
dagegen an, die armen Kerle -, doch als ich die chirurgischen
Einschnitte nähte und seine Wunden verband, sackte er zitternd
zurück.
Hierzu bedurfte es keines großen Könnens; ich
konnte meine Aufmerksamkeit wandern lassen, und allmählich wurde
mir bewusst, dass einige der Männer in meinem Rücken über die
Schlacht diskutierten und voll des Lobes für Gouverneur Tryon
waren.
»Dann hast du es also gesehen?«, fragte einer mit
Feuereifer. »Hat er wirklich getan, was sie sagen?«
»Der Teufel soll mich holen, wenn es nicht so war«,
erwiderte sein Kamerad herablassend. »Ich habe es doch schließlich
mit eigenen Augen gesehen. Er ist bis auf dreihundert Fuß an die
Schufte herangeritten und hat ihnen von Angesicht zu Angesicht
befohlen, sich zu ergeben. Eine Minute lang kam keine Antwort, und
sie haben sich nur gegenseitig angeschaut, um zu sehen, wer wohl
für sie sprechen würde, und dann ruft einer, nein, verdammt, sie
würden sich nicht ergeben. Also macht der Gouverneur ein finsteres
Gesicht wie eine Gewitterwolke, lässt sein Pferd steigen und hebt
sein Schwert, dann lässt er es sinken und ruft: Feuert ›auf
sie!‹«
»Und habt ihr das getan?«
»Nein, haben wir nicht«, warf eine andere, etwas
gebildetere Stimme in ausgesprochen trockenem Ton ein. »Kannst du
uns das verdenken? Ein Handgeld von vierzig Shilling für jeden, der
sich der Miliz anschließt, ist eine Sache, aber kaltblütig auf
jemanden zu feuern, den man kennt, ist etwas
anderes. Ich habe zur anderen Seite geblickt, und wen sehe ich da?
Grinst mich doch der Vetter meiner Frau an! Ich will ja nicht
behaupten, dass ich den Schlingel besonders gut leiden kann, und
der Rest der Familie auch nicht, aber wie soll ich denn nach Hause
gehen und meiner Sally sagen, dass ich gerade einen Haufen Löcher
in ihren Vetter Millard geschossen habe?«
»Besser, als wenn Vetter Millard dir denselben
Gefallen tut«, sagte die erste Stimme mit einem hörbaren Grinsen,
und der dritte Mann lachte.
»Stimmt«, sagte er. »Aber wir haben nicht gewartet,
bis es dazu kam. Der Gouverneur ist rot geworden wie ein Truthahn,
als seine Männer gezögert haben. Er hat sich mit hoch erhobenem
Schwert in die Steigbügel gestellt, uns alle angefunkelt und
gebrüllt: ›Feuer verdammt! Feuert auf sie, sonst feuert auf
mich!‹«
Der Erzähler gestaltete seine Wiedergabe dieses
Ereignisses sehr lebendig, und unter seinen Zuschauern erscholl
bewunderndes Gemurmel.
»Das ist noch einmal ein Soldat!«, sagte eine
Stimme, gefolgt von allgemeinem Beifallsgebrumm.
»Also haben wir gefeuert«, sagte der Erzähler mit
einem schwachen Achselzucken in der Stimme. »Hat nicht besonders
lange gedauert, als wir einmal dabei waren. Wie es aussieht, ist
Vetter Millard ziemlich schnell, wenn er einmal losläuft. Der
Schuft ist heil davongekommen.«
Darauf folgte weiteres Gelächter, und ich lächelte
und klopfte David auf die Schulter. Er hörte ebenfalls zu, denn die
Unterhaltung war ihm eine willkommene Ablenkung.
»Nein, Sir«, pflichtete ein anderer bei. »Aber ich
glaube, diesmal will Tryon sichergehen, dass er der Sieger ist.
Habe gehört, dass er die Anführer der Regulatoren auf dem Feld
hängen will.«
»Dass er was?« Bei diesen Worten wirbelte ich
herum, den Verband noch in der Hand.
Die kleine Männergruppe blinzelte mich überrascht
an.
»Ja, Ma’am«, sagte einer der Männer und tippte sich
befangen an den Hut. »Ein Mann aus Lillingtons Brigade hat es mir
erzählt; er war unterwegs, um sich den Spaß anzusehen.«
»Spaß«, murmelte ein anderer und bekreuzigte
sich.
»Es wäre eine Schande, wenn er den Quäker hängt«,
äußerte ein anderer, dessen Gesicht im Schatten lag. »Der alte
Husband mag ja gedruckt eine Landplage sein, aber er ist kein übler
Kerl. James Hunter und Ninian Hamilton auch nicht.«
»Vielleicht hängt er ja Vetter Millard«, meinte ein
anderer und stieß seinen Nachbarn grinsend an. »Dann bist du ihn
los, und deine Frau kann es dem Gouverneur vorwerfen!«
Es ertönte eine Lachsalve, jedoch gedämpft. Ich
wandte mich wieder meiner Arbeit zu und konzentrierte mich voll und
ganz darauf, um das Bild dessen
zu verdrängen, was sich in diesem Moment auf dem Schlachtfeld
abspielte.
Ein Krieg war etwas Furchtbares, selbst wenn er
unvermeidlich war. Kaltblütige Rache durch den Sieger war noch
schlimmer. Und doch war sie aus Tryons Perspektive möglicherweise
ebenfalls unvermeidlich. Die Schlacht war relativ rasch vorbei
gewesen und hatte relativ wenige Opfer gefordert. Ich hatte nur
etwa zwanzig Verwundete in meiner Obhut, und ich hatte nur einen
Toten gesehen. Natürlich gab es an anderer Stelle bestimmt noch
mehr, doch entnahm ich den Kommentaren in meiner Umgebung, dass die
Schlacht eine Treibjagd gewesen war, aber kein Gemetzel, da die
Milizionäre sich nicht besonders dafür hatten begeistern können,
ihre Mitbürger zu meucheln, Vettern oder nicht.
Das bedeutete, dass die meisten Regulatoren
unverletzt überlebten. Ich ging davon aus, dass der Gouverneur der
Ansicht war, dass eine drastische Geste nottat, um seinen Sieg zu
besiegeln, die Überlebenden einzuschüchtern und den schon lange
glühenden Docht dieser gefährlichen Bewegung ein für allemal zu
löschen.
Es kam Unruhe auf, und ich hörte die Hufe eines
Pferdes. Ich blickte auf - neben mir fuhr Briannas Kopf in die
Höhe, und ihr Körper spannte sich an - und sah Jamie zurückkommen.
Murdo Lindsay saß mit ihm auf dem Pferd. Beide Männer glitten
herab, und er schickte Murdo mit der Bitte fort, sich um Gideon zu
kümmern. Dann kam er sofort zu mir.
Ich konnte seiner nervösen Miene ansehen, dass er
nichts von Roger gehört hatte; er blickte mir ins Gesicht und sah
seinerseits die Antwort auf seine Frage darin. Er ließ entmutigt
die Schultern sinken, dann richtete er sich gerade auf.
»Ich gehe und suche das Feld ab«, sagte er leise zu
mir. »Ich habe bereits alle Kompanien benachrichtigt. Wenn er
irgendwo gefunden wird, wird man uns benachrichtigen.«
»Ich gehe mit dir.« Schon zog sich Brianna ihre
schmutzige Schürze aus und ballte sie zusammen.
Jamie sah sie an, dann nickte er.
»Aye, ja, natürlich. Nur eine Minute - ich hole
Josh, damit er deiner Mutter hilft.«
»Ich mache - mache die Pferde fertig.« Ihre
Bewegungen waren schnell und ruckartig und ließen ihre übliche,
athletische Eleganz vermissen. Sie ließ die Wasserflasche fallen,
die sie in der Hand hatte, und sie brauchte mehrere Versuche, um
sie wieder aufzuheben. Ich nahm sie ihr ab, bevor sie sie erneut
fallen lassen konnte, und drückte ihr fest die Hand.
Ihr Mundwinkel zuckte, als sie mich ansah; ich ging
davon aus, dass es ein Lächeln sein sollte.
»Ihm ist nichts zugestoßen«, sagte sie. »Wir finden
ihn schon.«
»Ja«, sagte ich und ließ ihre Hand los. »Ich
weiß.«
Ich sah zu, wie sie über die Lichtung eilte, die
Hände in ihren gerafften Röcken geballt, und spürte, wie sich das
Gewicht meiner Angst löste und wie ein Stein in meinem Bauch
versank.