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Mai, 18
In Israel gibt es viele verschiedene Ansichten über das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Es gibt Gruppen, die die komplette Vertreibung der Palästinenser aus der Region fordern, aber es gibt auch viele Friedensinitiativen, deren Arbeit darauf abzielt, das gegenseitige Verständnis zu fördern und Spannungen abzubauen.
Women in Black, eine feministische Organisation, in der interessierte Männer sich ebenfalls engagieren können, nahm ihre Arbeit 1988 auf. Der Konzept, dass schwarz gekleidete Frauen sich an einem öffentlichen Ort versammeln, um eine Mahnwache gegen Krieg und Ungerechtigkeit abzuhalten, verbreitet sich seither auf der ganzen Welt.
Inzwischen werden Mahnwachen von Women in Black in Argentinien, Australien, Bahrain, Kanada, Kolumbien, Costa Rica, Dänemark, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Irland, Israel, Italien, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Serbien und Montenegro, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei, in Großbritannien und den Vereinigten Staaten abgehalten. Zudem fanden Mahnwachen der Women in Black in Kaschmir und einigen afrikanischen Ländern statt, die vom Krieg zerrissen sind.
Das Ziel der Gruppe ist es, Krieg und Gewalt auf allen Ebenen |132|zu beenden. Einige der Mahnwachen richten sich gegen regionale Kriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie Massenvergewaltigungen und Folter. Viele richten sich gegen die israelische Besetzung von Palästina.
Die Aktionen verlaufen schweigend. Plakate und Spruchbänder werden hochgehalten und selbst angesichts von Geschrei und Hohngelächter – was es in Israel häufig gibt, wenn die Passanten gegen die Demonstrationen sind – bewahren die Teilnehmer Ruhe und ein würdevolles Schweigen.
Mai nahm an einer solchen Mahnwache in der Innenstadt von Jerusalem teil.
 
Ich bin in der zwölften Klasse. Ich habe beschlossen, nicht zur Armee zu gehen.
Mein Vater ist Schauspieler. Meine Mutter schreibt und inszeniert Theaterstücke. Ich möchte Kunst studieren. Durch die Kunst lernen wir, die Welt und einander besser zu verstehen.
Der Krieg geht mir sehr nahe. Ich bin stark politisch engagiert und beteilige mich an Aktionen, die auf die laufenden Ungerechtigkeiten aufmerksam machen wollen und hoffentlich zur Verbesserung der Lage beitragen. Unter anderem bin ich dabei, eine Organisation mitzugründen, die sich New Profile nennt. Dabei geht es darum, mit anderen jungen Leuten über die Armee und den Krieg ins Gespräch zu kommen.
Es ist sehr schwierig, wenn man nicht zur Armee geht. Es wird großer Druck auf jeden ausgeübt, den Wehrdienst zu absolvieren, selbst auf Mädchen. Viele Mädchen gehen |135|dann auch zur Armee. Sie machen da so ziemlich das Gleiche, was die Jungs tun.
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Es ist auch schwierig für Israelis, Palästinensern als Freunde zu begegnen. Obwohl ich gegen die Besatzung bin, ist es auch für mich schwierig, palästinensische Freunde zu haben. Ich kannte mal einige Palästinenser aus Jenin. Wir haben zusammen ein Seminar in Jerusalem besucht. Sie waren sehr nett und freundlich. Normalerweise ist es unmöglich für sie, Jenin zu verlassen, weil die Soldaten sie nicht durch die Kontrollpunkte lassen.
Ich bin heute zu dieser Mahnwache der Women in Black gekommen, um sie in ihrem Protest zu unterstützen und um mit den Leuten über New Profile zu sprechen. Wenn man etwas für falsch hält, ist es wichtig, dass man Farbe bekennt und es auch laut und deutlich sagt, sonst denken alle, man wäre mit dem, was passiert, einverstanden. Die Dinge können sich nur verbessern, wenn die Leute für Veränderungen einstehen.
Meine Familie unterstützt meine politische Arbeit. Ich kenne viele junge Leute, die in den Siedlungen leben, und die finden das, was ich tue, gar nicht gut. Sie glauben, solche Proteste lassen Israel schwach aussehen. Aber ich finde, sie lassen uns stärker aussehen, weil sie zeigen, dass wir eine stabile Gesellschaft sind, in der unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck gebracht werden können.
Sie sind der Ansicht, die Araber sollten alle in andere Länder gehen und Israel ganz den Juden überlassen. Aber nicht jeder in Israel denkt so. Die meisten Leute wollen, glaube ich, einfach nur Frieden und Ruhe für alle, und das bekommt |136|man am einfachsten, wenn man sich gegenseitig kennenlernt und sich entschließt, miteinander auszukommen.
Wenn ich von einem Selbstmordattentat oder von einer Autobombe höre, bin ich immer zuerst zwei, drei Minuten panisch, weil ich befürchte, jemand von meinen Freunden oder aus meiner Familie könnte verletzt worden sein. Aber dann mache ich einfach weiter wie vorher. Es passiert so oft, dass man sich fast daran gewöhnt. Man lernt, einfach weiterzumachen.
Dieser Krieg kann nicht ewig dauern, aber es wird noch viel Zeit brauchen, bis wir Israelis wirklich anfangen, so mit den Palästinensern umzugehen, wie wir mit anderen Israelis umgehen. Es ist wichtig, jetzt so eng wie möglich mit den Palästinensern in Kontakt zu bleiben. Nur so kann Frieden entstehen. Doch jetzt wird ja diese Mauer zwischen uns und ihnen gebaut, und sie wird es uns noch schwerer machen, sich von Mensch zu Mensch zu begegenen.
Gott sehe ich in all dem absolut nirgendwo am Werk. Ich habe noch nie an Gott geglaubt. Wir werden unseren eigenen Frieden schließen, genauso wie wir unseren eigenen Krieg geführt haben.
Proteste zeigen Wirkung. Sie helfen dabei, die Denkweise der Leute zu beeinflussen. Es ist gut, andere wissen zu lassen, welche Überzeugung man hat. Vielleicht denken sie ja dasselbe und bringen den Mut auf, es auch zu sagen, wenn sie sehen, dass andere es tun.